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bekannten Sozialistin Wabniß aufgelöst wurde. Unter Hochrufen auf die Anarchie und So-, zialdemokratie ging die Versammlung auseinander.
— 12. Juli. Seit heute Nacht 12 Uhr brennt es in den Fabrikgebäuden von Enz u. Comp.; das Feuer wütet heftig, es ist die gesamte Löschmannschaft Berlins thätig.
— 12. Juli. Ueber neue Aussöhnungsversuche zwischen dem Kaiser und dem Fürsten Bismarck geht der „T. R." nachstehende Mitteilung zu, die das Blatt indessen mit allem Vorbehalt wieder giebt: In ähnlicher Weise wie seinerzeit durch den Brief des Prinzregenten von Braunschweig, Prinzen Albrecht von Preußen bekannt geworden ist, scheint jetzt der Großherzog von Sachsen, der als alter Freund des Fürsten Bismarck gilt, für eine Versöhnung des Kaisers mit dem Fürsten Bismarck thätig sein. Darauf deutet anscheinend die jetzige Rundreise des Großherzogs bei den süddeutschen Höfen und es ist nicht unbemerkt geblieben, daß v. Brauer, der politische Vertrauensmann des Großherzogs von Baden, vor kurzem der Gast des Fürsten Bismarck in Friednchsruh war.
Gera, 12 Juli. In einem dicht bei der Stadt gelegenen Kartoffelfelde wurde der Coloradokäfer entdeckt.
Wien, 11. Juni. In Innsbruck richteten Wolkenbrüche vergangene Nacht starke Verwüstungen an. Brixlegg, Kundl, Wörgl und Erstort stehen teilweise unter Wasser. Mehrere Personen werden vermißt. Auch das Zillerthal ist überschwemmt. Der Verkehr ist daselbst unterbrochen.
— Im Wiener Hauptpostgebäude wurde an der Geldanweisungskass- einem Kassendiener der Kreditanstalt 11 000 Gulden aus seiner Mappe gestohlen. Der Diebstahl wurde von den Beamten gesehen, der Dieb sofort verfolgt, konnte aber entwischen. Ein Helfershelfer, der sich den Verfolgern entgegen warf und so das Entkommen des Diebes ermöglichte, wurde verhaftet.
Budapest, 11. Juli. Eine Bande von 24 Räubern überfiel den Grundbesitzer Josef Nozsa in Törökszakos im Temeser Ko- mitat und raubte Schmucksachen und Geld. Es gelang jedoch, die Räuber ausfindig zu machen. Das Haupt der Bande, der Rumäne Tr>fu Alexan, ist bereits verhaftet.
Marseille, 12. Juli. Die hier auf der Durchreise befindliche Prinzessin W. wurde heute Nacht von 4 Kindern (drei Knaben und einem Mädchen) entbunden. Sowohl die Mutter wie die Neugeborenen find wohl.
Monte Carlo, 10. Juli. In Folge des Ausbruchs der Cholera im Fürstenthum Monacco ist Monte Carlo, laut „B. T." von allen Fremden völlig verlassen. Gestern reisten die letzten ab.
— 12. Juli. Eine Französin, eine 29- jährige Witwe, welche 251000 Fr. in der Spielbank von Monacco verloren hatte, erwürgte ihre beiden Kinder und schnitt sich sodann mittels eines Rasiermessers die Kehle
durch. . ,
_ Der in Genua verstorbene Ad. Gruber, Besitzer des bekannten „Lindenhofs" bei Lindau, hat seiner Vaterstadt Lindau am Bodensee Vermächtnisse im Betrag von siebzigtausend Lire zugewendet, und zwar 20,000 Lire der Latein- und Realschule, 10,000 Lire dem Waisenhaus und Kindergarten, 20 000 Lire für Krankenanstalts- und Armenzwecke und di- Zinsen aus 20 000 Lire zur Verschönerung der Stadt.
London, 10. Juli. Beim Lordmayer von London sind bis jetzt 40 000 Mk. zum
I Besten der Hinterbliebenen der auf der Viktoria verunglückten britischen Seeleute eingegangen Auf der Londoner Fondsbörse sind 1563 Mk. 11 « 6 p gesammelt worden.
London, 12. Juli. In Derby erhielten 25 000 Arbeiter die Benachrichtigung, daß ihr Lohn um 25 Prozent herabgesetzt werden solle.
Newyork, 12. Juli. Das Neutersche Bureau meldet über Valparaiso aus Rio Grande (Brasilien): Die Stadt Rio Grande wurde gestern zu Wasser und Lande von den Aufständischen unter General Saraiva und Admi ral von der Kolk angegriffen. Der Ausgang des Kampfes ist nicht bekannt, jda die Regierung im Besitz der Telegraphenlinie ist und keine Depeschen befördert.
Chicago, 11. Juli. Während eines Brandes, der ein Lagerhaus neben der Ausstellung zerstörte, stürzte ein Turm ein, auf dem die Feuerwehr bei der Löscharbeit thätig war. Bis jetzt wurden 31 Tote unter den Trümmern hervorgezogen. 5 F-uerwehrleute sprangen vom Turm herab und fanden dabei ihren Tod; 58 sind verwundet.
— Auf der Weltausstellung in Chicago rief einer der Besucher, der virginische Pastor Jameson, am Unabhängigkeitstage (4. Juli) eine unerwartete Szene hervor. Als er an die in Form eines altirischen Rundturmes aufgestellten Whiskey-Flaschen der Firma Sir John Power von Dublin kam, hieb er, nach der Nat.Z., mit seinem Spazierstock ohne Weiteres in die Flaschen hinein, daß sie zu Dutzenden herabfielen und zerschellten. Bei seiner Verhaftung erklärte er, „er habe dem Whiskey einen Schlag versetzen wollen, Jeho- vah habe ihm das beföhlen. Der 4. Juli als Unabhängigkeitstag, sei dazu besonders gut geeignet."
Vermischtes.
— Das nachstehende erzählte Vorkommnis möge allen, die ausgestopfte Tiere im Zimmer aufbewahren, zur Warnung dienen. Ein hoher Beamter in Schlesien hatte einen Seeadler auf der Jagd erlegt und denselben ausgestopft, auf seinem Schreibtisch aufgestellt. Seit Eintreffen des ausgestopften Adlers befand sich der Besitzer desselben jedoch nicht wohl, ohne die Ursache ermitteln zu können. Ein zu Rate gezogener Arzt stellte Vergiftung fest. Nach längerem Suchen entdeckte man den Krankheitserreger in dem Balge des Seeadler, welcher mit einer feinen Schicht arsenikhaltigen Präparationspulvers bestreut war. Durch die Erschütterung beim Gehen im Zimmer, durch das Werfen und Schließen der Thüren und Fenster hatte das Arsenik sich abgelöst und der Lunge des im Zimmer Befindlichen mitgereilt. Erst nach längerer Zeit wurde der Vergiftete wieder hergestellt. Es empfiehlt sich daher, alle im Wohnzimmer aufgestellten Vogelbälge auf ihre Gifthaltigkeit untersuchen zu lassen. In keinem Fall dulde man sie im Schlaf- oder Kinderzimmer.
(Heilkraft des Eiweißes.) Für Schnittwunden giebt es kein schneller heilendes Mittel als einen Ueberzug von rohem Eiweiß. Es ist dem Kollodium vorzuziehen und hat auch noch den Vorteil, augenblicklich zur Hand zu sein. Bekanntlich wird eine Verschlimmerung der Wunde durch den Zutritt der Luft hervorgerufen. Das schnell trockene Eiweiß bildet aber eine Haut, durch welche die Luft abgeschloffen und die Heilung der Wunde beschleunigt wird. Ferner ist das Eiweiß ein sehr wirksames Mitteigegen Dysenterie (heftige Darmentzündung, Ruhr). Mit
oder ohne Zucker zusammen geschlagen und dann eingenommen, wirkt das Eiweiß einhüllend und die Entzündung des Magens und der Eingeweide besänftigend. Zwei oder höchstens drei Eier genügen an einem Tage bei gewöhnlichen Ruhrfällcn. Bemerkenswert ist, daß das Eiweiß in diesem Falle nicht nur als Arzneimittel dient, sondern auch als eine leichte Nahrung, wie sie für den Patienten in solchen Fällen am passenvsten ist.
(Geflügelte Reichstagsworte.) Man schreibt der „Frks. Z.Gestatte» Sie mir, die geflügelten Worte, die im verflossenen Reichstag gesprochen worden sind, zu Nutz und Frommen humorfrohcr Leuts znsammen- znstellen. Beginnen wir mit dem Bundes« ratstisch. In unserer Mappe befindet sich ein Ausspruch des Hrn. v. Stephan: „Unser Telefonwesen ist ei» Kind, das noch in den Gebnrtswehen liegt. ..." Ihm reiht sich Direktor Kayser würdig mit dem Satze an: ..Westafrika war früher das Schmerzenskind der Brandweinausfuhr ans dem Kapland."
— Was nun die geflügelten Worte ans den Reihen der Abgeordneten anbelrisst, so sind die bekanntesten die vom Abgeordneten Mey.-r: „Das Bier das nicht getrunken wird, hat seinen Beruf verfehlt," und das des Abgeordnete Lutz: „Das Schwei» ist die Viehzucht des kleuie» Mannes." — Nieckert sagte öfters: „Wenn dies in diesem Falle der Fall ist;" Träger sagte: „Es gi:bt Dinge, die in der Natur der Sache liegen," Schmidt- Sachsen: „Dieser springende Punkt muß zur Sprache gebracht werden;" v. Mirbach „Es steht ein idealer Hintergrund auf dem Spiele;" Stöcker, von der Abgrenzung der Gebiete für die Missionen in Afrika sprechen rief begeistert: „Die Missionare haben Millionen von lebendigen Christenkindern geschaffen." (11. Februar 1890.) Hammacher sprach von „Steuerzesetzen, die in die Leidenschaften und Vorurteile der Menschen ein- greifen." — Marqnardse» warnte am 23. Januar 1890 (bei der Schweinedebatte:) „Man soll das Kind mit dem Bade nicht nach der sanitären Seite hin ansschütten."
— Bebel sprach am 4 Mai 1890 von einer „Fabrik, die sich aufs hohe Roß setzt." Gntfleisch sagte am 13. April 1890: „Kollege Singer habe es mit einem eigentümlichen Beigeschmack betont . . ."
Werteste WcrcHricHtsn.
Berlin, 13. Juli, 4 Uhr nachm. Reichstag. Der A 1 der Militär-Vorlage wurde mit 198 gegen 187 St. angenommen. Der Reichskanzler gab die Erklärung ab, die verbündeten Negierungen würden, falls die zweijährige Dienstzeit sich beoähre, nach Ablauf von fünf Jahren nicht auf die 3jährige Dienstzeit zurückgehen. (Bewegung und Beifall.) — Der Reichskanzler Graf Caprivi begab sich laut „Nordd. Allg. Ztg." trotz der Schmerzen seines Venenleidens Mittags 1 Uhr in den Reichstag. Er gedenkt nach Beendigung der Neichstagsverhandlungen kurze Zeit in den Harz zu gehen. Er hofft bis zu den Kaisermanövern die Anstrengungen überwunden zu haben, alsdann dürfte noch eine Kur in Karlsbad in Frage kommen.
London, 12. Juli. Der „Standard" meldet aus Moskau: Seit dem letzten Juni ist die Cholera hier wieder aufgetreten. Man zählt bereits 32 Krankheits- und elf Todesfälle. Der erste Ausbruch fand statt in einem Gefängnis der nach Sibirien Verbannten.
Newyork, 12. Juli. Nach einer He- raldmeldung aus Managua ist der Bürgerkrieg in Nicaragua wieder ausgebrochen.