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Schömberg. Trotzdem hier der Schnee einen halben Fuß hoch liegt, befinden sich noch Luftkurgäste hier, darunter einige Damen. Gestern ist ein neuer Luftkurgast aus Stutt­gart hier eingetroffen.

Tübingen, 13. Dez. In letzter Woche trieb eine städtisch gekleidete Frauensperson von Haus zu Haus einen eigentümlich, n Schwindel. Nach eingezogenen Erkundigungen stellte sie sich der Dienstmagd des Hauses als Tante Luise vor, überbrachte Grüße und Konfekt und erbat sich unter irgend einem Vorwand rin Anlehen von 23 Mk. In vielen Häu­sern machte dieTante" gute Geschäfte, bis ein findiger Hausherr Unrat witterte und die Polizei in Kenntnis setzte, welche die Betrü­gerin in einer Wirtschaft festnahm,

Riedlingen, 12. Dez. Die Diphteritis tritt hier sehr heftig auf. Besonders schwer ist von derselben die Familie des Oekvnomen Knapp heimgesucht worden, bei der nunmehr auch der 18-jährige Sohn der Diphterios erlag, und wie man hört, noch 3 Kinder des­selben an dieser Krankheit darniederliegen sollen. Binnen 3 Wochen verlor diese unglückliche Familie 4 erwachsene Kinder; die tiefe Teil­nahme der ganzen Einwohnerschaft mit diesem tragischen Schicksale ist allgemein.

Riedlingen, 15. Dez. Jene Zigeu­ner, welche die in letzter Zeit mehrfach er­zählte Schatzgräbergeschichte in Dürnau aus­führten, und dem Bauer L. daselbst nach und nach ca. 6000 Mark abschwindclten, sind in Pfaffenhofen (Bayern) ermittelt worden. Zwei Mitglieder der Bande wurden in Hast ge­nommen und an das hiesige Amtsgericht ein­geliefert.

Ulm, 13. Dez. Unteroffizier Straub von der 11. KompagnicdeS Infanterieregiments König Wilhelm 1. Nr. 124 hat sich heute vor- vormittag wegen eines kleinen Vergehens, das er sich während des Patrouillendienstes zu schulden kommen ließ, erschossen.

Rundschau.

Pforzheim, 13. Dez. Anläßlich des heutigen Jahrmarkts waren nahezu 500 Ver-i kaufsbuden errichtet. Es wimmelte mit Jahr­marktsbesuchern derart, daß man sich in den Budenreihcn und einzelnen benachbarten Straßen förmlich durchwinden lassen mußte. Mehrere- Langfinger wurden ertappt und zur Anzeige gebracht. Eine schöne Bescheerung ward einem fremden Verkäufer bei dem Waisenhaus­platze heute zu teil. Der Gerichtsvollzieher kam mit dem Bevollmächtigten eines Gläu­bigers und pfändete sein Warenlager. Zu­nächst widersetzte er sich dem Vollzug, als aber die Schutzmannschast dazu kam, machte er gute Miene zum bösen Spiel.

In Baden-Baden fand am ö. Dezember die Einweihung des neuen Postge­bäudes statt. Die Baukosten belaufen sich auf eins Viertelmillion Mark.

Karlsruhe, 12. Dez. Ein Selbstmord, dessen eigentümliche Ursachen weiteres Interesse beanspruchen dürften, ereignete sich vorgestern abend. In den letzten Tagen verheiratete sich dahier die Schwester des geschiedenen Kauf­manns, Namens Haas. Der Genannte war über den Schritt seiner Schwester sehr aufge­bracht und hatte sich nicht nur gegen seinen zukünftigen Schwager sehr feindselig gezeigt, sondern schon von vornherein alles Mögliche gethan, die Hochzeit zu Hintertreiben. Alle seine Bemühungen waren jedoch erfolglos und am Freitag fand die Hochzeit statt. Während der Anwesenheit der Hochzeitsgäste drang Haas in die Wohnung seiner Schwester ein, zerschlug daselbst alle Möbel und zerschnitt mit der

Schere sämtliche Kleidungsstücke, Wäsche, Weiß­zeug rc., so daß seine Schwester heute nichts mehr besitzt, als was sie bei der Hochzeit auf dem Leibe trug. Gestern kaufte der bis zur höchsten Wut gereizte Mann sich einen Revolver, mit dem er seiner Schwester auflauerte, um sie zu erschießen. Man rief selbstverständlich die Hilfe der Polizei an und als Haas dies merkte, richtete er die Waffe gegen sich und brachte sich einen Schuß in den Kops bei; in hoffnungslosem Zustande brachte man den Selbstmörder in das städtische Spital.

K a r l s ru h e, 13. Dez. Die Frau des Vorstandes der Eisenbahn-Hauptwerkstätte, welche Wechsel auf ihren Ehemann fälschte, wurde verhaftet.

Nunmehr ist die Verlängerung der Murgthal-Bahn Rastatt-Gernsbach bis Weißenbach auch von den Aktionären der Murg- thalbahn-Gesellschaft definitiv beschlossen und der Vertrag m>t einem württembergischen Unter­nehmer genehmigt. Für den Beginn der Arbeiten ist das kommende Frühjahr bestimmt. Abgesehen davon, daß das Murgthal zu den chönsten Thälern des Schwarzwaldes zählt, wird dem Ausbau der Bahn ein strategisches Interesse beigelegt und ist bestimmt, in vielleicht nicht allzuferner Zeit eine direkte Linie Ulm- Freudenstadt-Ra statt-Metz herzustellen; der völlige Ausbau der noch vorhandenen Lücke Weißenbach-Freudenstadt, ist nur noch eine Frage der Zeit.

Zwei Handlungslehrlinge in Fürth unterschlugen die Briefe, welche das Geschäft -ortschickte, um die Briefmarken zu stehlen. Das Geschäft erlitt einen großen, schwer zu schätzenden Schaden; die beiden Buben kommen 2 Monate ins Gefängnis.

München, 10. Dez. Mit dem Salz­burger Schnellzug (Wien-Paris) traf gestern hier unter Zollverschluß ein Gepäckwagen ein mit der DeklarationHundsleiche." Der Kadaver war vorschriftsgemäß in einer Holz- und Zinkkiste verwahrt und eine Person fuhr als Begleitung mit. Die Gesamtkosten für den Transport sollen 1700 Fr. betragen. Wie dieA. Abdzig." erfährt, handelt es sich bei diesem Transport um einen veren­deten Hund, den die Fürstin Arenberg von Salzburg nach Gent verbringen ließ, damit er auf dem Gut des fürstlichen Hauses da­selbst seine Ruhestätte finde.

Berlin, 14. Dez. Als zuverlässig wird gemeldet, daß die Regierung fest entschlossen sei, wenn die Militär-Vorlage nicht bewilligt wird, den Reichstag sofort aufzulösen. Den Behörden ist bereits die Weisung zugegangen, unverzüglich die Wählerlisten vorzudereiten, da­mit dieselben bis zum 20. Januar spätestens fertiggestellt sind.

DieStaatsbürgerztg." schreibt.- Auf Ansuchen Ahlwardt's und dessen Familie übernahm Rechtsanwalt Hertwig wieder die Verteidigung und zwar wurde bereits Revi­sion eingelegt, auch Antrag auf Herausgabe der Kaution gestellt.

Die Berliner Gemälde-Gallerie erwarb aus schottischem Privatbesitz ein Hauptwerk Dürer's, die 1506 in Venedig gemalte Madonna.

Berlin, 14. Dez. Ucber einen Doppel­selbstmord in einem Hotel der Mittelstraße wird folgendes berichtet: Ein junger Infanterie- Offizier von Zitzewitz, nahm vor einiger Zeit wegen Krankheit seinen Abschied und zog nach Berlin. Hier halte er Gelegenheit die ein­undzwanzigjährige Tochter der Frau Nent- nerin Meineber kennen zu lernen. Bald war er in Liebe zu ihr entbrannt. Er stattete bei der Mutter den üblichen Besuch ab, um spä­

ter um die Hand des Mädchens freien zu können. Er erhielt schließlich die mütterliche Zusage und die Verlobung wurde im Lauke des letzten Sommers begangen. Allmählich aber stiegen bei Verwandten der Verlobten Bedenken gegen die Heirat dahin auf, daß der ehemalige Offizier seine Frau standesge­mäß zu ernähren nicht imstande sein werde. Das junge Mädchen nahm sich die Stimmung gegen ihren Bräutigam sehr zu Herzen und wurde, um das Verhältnis allmählich erkal­ten zu lassen, zu Verwandten nach Gum­binnen gebracht. Die Trennung hat aber das beabsichtigte Ziel durchaus nicht erreicht. Im Gegenteil die junge Dame konnte die Sehn­sucht nach ihrem Bräutigam nicht unterdrücken und kehrte in die mütterliche Wohnung zu­rück. Das Brautpaar scheint nun gegen die ihm feindliche Strömung Front gemacht und das äußerste beschlossen zu haben. Am Donners­tag erhielt von Zchewitz von seiner Braut einen Brief des Inhalts:Bringe Gift und Revolver mit." Dies scheint das Losungs­wort gewesen zu sein. Die junge Dame be­gab sich aus der mütterlichen Wohnung, traf mit ihrem.Verlobten heimlich zusammen und Beide fuhren nach einem Gasthof in der Mittelstraße, wo sie durch den Genuß von Gift zusammen Selbstmord begingen.

Aus Hamburg, 13. Dez., wird der Köln. Z. geschrieben: Der in West-Hartlepoo! beheimatete Dampfer Greystoke ist an der Elb­mündung untergesunken. Die Mannschaft konnte das Schiff zwar noch rechtzeitig in Booten verlassen, aber leider hat sie das hol­steinische User, wie nunmehr feststeht, nicht lebend erreicht; die gesammte aus 23 Personen bestehende Besatzung ist in den kleinen Booten, welche sie retten sollten, verhungert oder er­froren. D>e Leute und Schiffstrümmer, welche an verschiedenen Orten an die holsteinische Küste getrieben sind, geben die traurige Kunde von dem Lode der mit dem Leben ringenden wackern Seeleute.

Posen, 10. Dez. Auf dem Bahnhofe von Bojanovo fand auf einer Lokomotive, als der Heizer Kohlen aufschaufelte, eine Explosion statt; es hatte sich unter den Kohlen eine Dynamitpatrone befunden, die augenscheinlich durch die Nachlässigkeit des betreffenven Kohlen­bergwerks bei der Ablieferung mit hineinge­raten war. Der Heizer ist getötet, der Loko­motivführer schwer verletzt worden.

Mühlhhausen, 15. Dez. Seit acht Tagen befindet sich die Bevölkerung von Mühlhausen in einer gewaltigen Aufregung. Am 3. Dezember, abends kurz vor 5 Uhr, also noch am Hellen Tage, befand sich die 9 Jahre alte Blanche Kahn, ein kleines, zart gebautes Mädchen mit ihrem um 2 Jahre jüngeren Büschen in der Wildemannsgasse, als eine Frau herantrat und den Mädchen freundlich erklärte, ihre Mutter habe sie ge­schickt, um die Kinder zu holen. Das jüngere Mädchen riß sich los und trat allein den Heimweg an, Blanche Kahn aber ging willig mit. Das arme Kind blieb spurlos ver­schwunden. Man erschöpfte sich in Mutmaß­ungen. Die Einen nahmen an, die Frau, welche das Kind raubte, habe einem Wüst­linge Handlangerdienst geleistet, oder sei gar selbst ein verkleideter Mann, die Anderen hielten für wahrscheinlich, das Kind sei von einer Erpresserbande, die es auf eine Abfin­dungssumme abgesehen habe, geraubt worden. Die Polizeibehörde setzte auf die Ergreifung der Thäterin 1000 Mark aus, die Großin­dustriellen zeichneten 3000 Mk. und von anderer Seite kamen weitere 400 Mk. Am Freitag glaubte man die Arme Blanche in