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verweigerten nun die Rückbeförderung der gefährlichenEinrichtung"; ihre Furcht erwies sich indes als unbegründet: die Kisten enthielten nur Patronenhülsen. Die beiden mit Möbeln und Munitionszuthaten beladenen Wagen' waren beim Zeichnen und Plombieren höchst­wahrscheinlich verwechselt worden, so daß die Munitionsfabrik die Wohnungseinrichtung er­hielt, während der Offizier sich sein neues Heim mit Patronenhülsen und Shrapnels ausstatten sollte.

In der Bürgerschaft erklärte gestern Dr. Wolffsohn, daß die für 7'/- Mill. Mark zu erbauende zentrale Sandfiltration bereits zum Juni 1893 dem Betrieb übergeben werden solle, Hamburg also zum Hochsommer gutes Wasser haben werde. Wie derVoss. Ztg." von hier berichtet wird, erregt es den Un­willen der Bevölkerung, daß der Staat sich jetzt den Transport von Choleraleichen mit 14 Mar! bezahlen läßt, während derselbe anfangs unentgeltlich geschah, namentlich aber wird gerügt, daß die kleinen Leute innerhalb 14 Tagen zahlen sollen.

Briefe aus der Cholerastadt. In der Franks. Ztg." ist zu lesen: Vor der Epidemie erhielt die Post in Frankfurt a. Al. drei ganze Briefsäcke aus Hamburg; jetzt erhält sie meistens nur einen halben Sack. Hamburger Zeitungen werden von vielen Frankfurter Abonnenten nicht abgeholt oder nicht angenommen. Ganze Säcke davon sollen bereits als Makulatur in den Räumen der Post lagern.

Wilhelmshaven, 7. Okt. Der Sonder­zug mit der Leiche des Vizeadmirals De Lu­tz ard fuhr heute vormittag 10 Uhr ab; vor­her war Trauerparade, kommandiert von dem Kontreadmiral Oldckop. Dis Batterie des Mars feuerte den Traucrsalut ab.

Ueber die Affaire Radziwill in Lodz wird noch mitgeteilt: Zwei Lod-er Aerzte, die ihren Dienst wiederholt dem kranken Fürsten aufdrängten und wiederholt energisch von demselben zur Thür gewiesen wurden, haben ihre Zudringlichkeit als Visite in Rechnung gestellt, der eine liquidierte 450 Rubel, der Adere 500 Rubel. Dr. Ellram dagegen, rin anderer Lodzer Arzt, der wirklich in auf­opfernder Weise sich des Fürsten annahm, er­klärte, daß, angesichts so übertriebener hoher Forderungen, er auf eine Liquioation ver­zichten müsse. Uebrigens schoß der Fürst aus einem 8 Millimcter-Zentralfeu rg wehr mit Spitzkugeln und hatte eine ganze Kiste Mu­nition bei sich. Als ihm später gesagt wurde, er habe den Hausdiener schwer verwundet, rief er ganz jovial aus:Na, da muß ich wirklich mich in hochgradiger Aufregung be­funden haben, denn ich zielte dem Kerl doch direkt aufs Herz!" Der Hausknecht soll reich­lich entschädigt worden sein.

Wien, 6. Okt. Frhr, v. Reitzenstein ist gestürzt und sein Pferd schwer verletzt. Da­mit ist der Sieg im Distanzritt cndgiltig den Oesterreichern zugefallen.

Wien, 4. Okt. Gestern Abend wurde der 26jährige Prinz Pedro von Koburg, Enkel des Kaisers von Brasilien und ältester Sohn des Prinzen August von Koburg, in seinem Palais auf der Seilerstatte plötzlich tobsüchtig und wollte sich vom vierten Stockwerk Herab­stürzen. Die rasch benachrichtigte Feuerwehr breitete Sprungtücher aus, um den Prinzen eventuell aufzufangen. Gütlichem Zureden seines Haushofmeisters gelang es jedoch, nach Sprengung der Thüren den Prinzen zu be­sänftigen und ihn zu veranlassen, daß er einen Wagen bestieg, der ihn in eine Privat­heilanstalt brachte. Der Prinz soll sich seit der E ntthronung seines Großvaters schwer­

mütig gezeigt haben; er leidet am Verfol­gungswahn und behauptet auch, Kaiser von Brausten zu sein. Vor dem Zwischenfall m Handelte er seinen Reitknecht unv schüttete Wasser vom Fenster aui die Straße. Die Affaire erregte bedeutendes Aufsehen.

Wien, 8. Okt. Außer den Ehrenpreisen der beiden Kaiser beträgt der erste Preis 20,000 fl. für Graf Starhemberg, der zweite Preis 10,000 fl. für Frhrn. v. Reitzenstein. Im ganzen bestehen 42 Preise bis zu 500 fl., außerdem kleine Ehrenzeichen für jeden, der das Ziel erreicht.

Wien, 7. Okt. Der deutsche Haupt­mann Förster von der Luftschifferabteilung ist hier eingetroffen. Record 75 Stunden 14 Minuten.

ZLrüffel, 6. Okt. In Lüttich wurden in einem Postwagen, welcher die Wertsachen vom Bahnhok nach dem Postbureau überführt, 100 000 Fr. geraubt, welche der Dieb bei der Verfolgung wegwarf. Er heißt angeblich Grase und ist aus Bayern gebürtig. Derselbe gestand ein, jeit Jahren von Diebstählen zu leben.

Earmaur, 7. Okt. Gestern abend fand eine Versammlung der Frauen der streikenden Grubenarbeitern statt, etwa 2000 Frauen waren anwesend. Sie betraten, die Carmag- nole singend, den Saal und durchzogen nach Schluß der Versammlung, abermals die Car- magnole singend, unter Hochrufen auf die Ausstände und die soziale Revolution die

Straßen, wo die Grubenarbeiter eine Kette bildeten.

Waris, 7. Okt. Der Marineminister

empfing eine Depesche: Die Streitmacht des

Obersten Dodds traf am 3. Okt. bei Gobede an die Dahomeer, überflügelte und schlug die Dahomeer in 1 ständigem Kampfe. Der Feind floh, 200 Tote, darunter 20 Amazonen, 20 Schnellfeuergewehrs wurden auf dem Gefechts­felde aufgefunden. Die Kolonne setzte ihren Vormarsch fort und nahm am 4. Okt bei

Pogessa Stellung. Die Franzosen verloren bei Gobede 9 Mann, darunter 5 Europäer, 33 sind verwundet, darunter 20 Europäer. Infolge des Gefechts konnten die Verteidig­ungswerke um Pogessa umgangen und zerstört werden.

I*etersöurg, 7. Okt. Die Anfertig­ung des in russischen und französischen Fa­briken herzustcllenden Repetiergewehrs von 7,62 Millimeter Kaliber beginnt schon in den nächsten Wochen und wird in rascher Folge derart fortgesetzt, daß sämtliche 1 9 Armeekorps im europäischen Rußland bis Ende 1894 im Besitze der neuen Präzissionswaffe sein werden.

Sofia, 7. Olt. Das Apellgericht hat vie Strafe des am 28.-,z wegen versuch­ter Bestechung zu 7 Jahren Keckerhast und 20000 Fr. Geldbuße verurteilten Polen Lu- boemski auf 6 Jahre ermäßigt, die Geldstrafe aber bestätigt.

Henua, 6. Okt. Ueber den Sturzregen in San-Pier-d'Ar-na sagt eine spätere Mel­dung: Der Wildbach Visagno brach in zwei Säle der Columbusausstellung ein und be­schädigte schwer die darin ausgestellten Gegen­stände. Mehrere Stadtteile Genuas sind über­schwemmt. Die Bahnstrecke Sondrio-Colico ist unterbrochen. Bei der Überschwemmung durch den Wildbach verloren in Seccu fünf Personen das Leben.

Lehrer Karl Köbele in Kleia-Sopo bringt seine Herbstvakanz bei seinem Freund und Kollegen Christaller in Kamerun zu, eine weite (etwa 150 Meilen) und teure (200 Mk.) kostende Reise zu Konferenzzwccken. Von seinen schwar­

zen Schülern, die von 60 auf 45 zusammen­geschmolzen sind (teils gegangen, teils ge­gangen worden), wirv nächstens eine photo­graphische Aufnahme eintceffen Für den Schulgesangunterricht hat er sich aus mehr oder minvcr freiwilligen Beiträgen ein Har­monium anzuschaffen gewußt. Seine Gesund­heit ist gut, obgleich das böse schwarze Gallen- fiebec zahlreiche Opfer fordert.

Wewyork, 6. Okt. Dis große Cigaretten- fabrik der Gebrüder Kinnenz ist abgebrannt. Der Schaden beträgt zwölfeinhalb Millionen Mark.

Mewyork, 6. Okt. Dieselbe Räuber­bande, welche kürzlich die Eisenbahnzüge ge­plündert hat, drang gestern in Coffeyville in Kansas ein und machte einen Angriff auf zwei Banken. Bei de o Kampf mit den Ein­wohnern wurden 5 Einwohner und 4 Räuber getötet.

6. Okt. Im Staate Georgia wurden bei den Wahlen für Staatsäm'er alle demo­kratischen Kandidaten mit 50 000 Stimmen Mehrheit gewählt.

Die Chinesen in Nordamerika ver­suchen fortgesetzt auf alle mögliche Weise das Gesetz gegen die Chinesen-Emwanderung zu umgehen. So hatte kürzlich, wie amerika­nische Blätter melden, ein Chinese, -ersitz in Kanada hatte naturalisieren lassen, versucht, in Port Townsend, Wash., Eingang zu fin­den. Durch eine Benachrichtigung von der Regierung wurde jedoch der Genannte von den Behörden daran gehindert, nachdem schon in einem früheren Fall dieselbe Entscheidung ge­troffen worden war. Es wird nun verschie­dentlich in amerikanischen Zeitungen die Be­rechtigung zu diesem Vorgehen bestritten, man geht sogar so weit, eine Verletzung des Ver­trags mit England darin zu erblicken, nach welchem alle englischen Unterthaneu freien Ein- und Austritt in den Vereinigten Staa­ten genießen.

Dolorosa.

Roman v. A. Wilson. Deutsch v. A. Geisel (Nachdruck verboten) (Fortsetzung.)

»Ich gebe Ihnen eine Stunde es liegt in unser Beider Interesse, daß Sie genau prüfen, bevor Sie Ihren Entschluß fassen. Ich promenire inzwischen auf die Terrasse der Villa Prado; wenn Sie nach Verlauf der festgetzten Zeit bereit sind, auf meine Bedingungen einzugehen und meiner Tochter nicht nur Ihren Namen geben, sondern Sie auch der Welt als Ihr eigenes Kind vorstellen, finden Sie mich dort."

Säe schritt der Flügelthür zn, ohne ihm die Hand zu reichen; als Sie verschwunden war bemerkte der General, daß sein Hut, den er auf den Tisch gelegt, um Frau Walter die Aussicht zu erschweren, verschwunden war »nd -als er suchend umherblickte, sagte die ruhige Stimme der alten Dame:

Herr General der Hut liegt aus dem Sessel am Fenster."

Der General murmelte einige Worte, die nicht gerade schmeichelhaft für Frau Walter gewesen wären, wenn Sie dieselben verstanden hätte und vertiefte Sie dann in das Studium des Dokuments.-

Frau Orme saß in trübe Gedanken ver­sunken auf einer Bank der Terrasse, als ein Schatten über den Weg fiel und im nächsten Augenblick stand die stattliche Gestalt des Generals vor der Einsamen. Sich über