402
diSpositioneu des Kaisers nach Elsaß-Lothringen brvorstehen sollen, so darf dies als unzutreffend bezeichnet werden. Einstweilen ist von solchen Aenderungen noch nicht die Rede gewesen.
Berlin, 20. Aug. Das Polizeipräsidium gibt an Anschlagsäulen bekannt, daß bei einer aus Hamburg zugereisten Frau die asiatische Cholera wissenschaftlich konstatiert wurde, fügt aber eine Belehrung über die Cholera bei.
— Die Erfahrungen, welche die Reichsregierung mit dem Hamburger Senat aus Anlaß der dortigen Choleraepidemie gemacht hat, wird zum Entschluß führen, ein Reichsgesetz über Epidemien einzubringen.
— Im Sanger'schen Zirkus in Mams- gate ereignete sich am vorigen Mittwoch eine Schrcckensszene. Als der Löwenbändiger nach der Vorstellung sich anschickte, den Käfig zu verlassen, folgte ihm einer der Löwen und lief mitten unter die Zuschauer. Eine unbeschreibliche Panik folgte, Alles d> äugte zum Zirkus hinaus, Frauen und Kinder schrieen verzweiflungsvoll. Glücklicherweise gelang es jedoch, ven Löwen einzufangen, ehe er großen Schaden omichten konnte. Zwei Frauen und ein Kind sind leicht verletzt worden.
— Eine scheußliche Mordkhat hat in einer der letzten Nächte zu Löhningeu im Klettgau, anderthalb Stunden unterhalb Schaffhausen, stattgefunden. Als in einem Haufe oberhalb des Dorfes gegen den Randen hin am Morgen Niemand sich regte und man nachsah, fand man den Besitzer, einen Bauer, in den kräftigsten Jahren und seine nicht viel über 20 Jahre alte Frau in grauenhafter Weise erschlagen. Er war tot, sie lebte und jammerte noch bis zum folgenden Tage, ohne indes zum Bewußtsein zu kommen. Ein nicht viel über ein Vierteljahr altes Kind lag erstickt unter der Decke. Ein anderthalb Jahre zählendes Kind lebt, ebenso ein älteres erster Ehe, das tm oberen Stocke schlief- Augenscheinlich muß nach dem Blut und Gehirn in der Kammer herum und dem Blut selbst au der Reblaube vor der Kammer ein heißes Ringen der Getöteten mit dem Mör er stattgesunden haben. Ob ein Raub- od-r ei» Rachemord vorliegt, hat die eingeleitete Untersuchung zu konstatieren.
Best, 25. Aug. Ueber 400 Aerzts meldeten sich zum Dienste für den Fall des Eindringens der Cholera in die Monarchie. Täglich erhalten sie 10 bis 15 Gulden und außerdem ist ihnen Versorgung ihrer Hinterbliebenen bei etwaigem Todesfall zugesichert. Heute sind mehrere Erkrankungen auf der Straße unter verdächtigen Umständen vorgekommen.
Brüssel, 29. Aug. Der Expreßzug von Ostende und der von Antwerpen wollten zu gleicher Zeit in den Bahnhof an der Laekener Brücke entfahren. Der Ostender Zug fuhr in den Antwerpens hinein und rannte Wagen erster, zweiter und dritter Classe ein. Die Züge standen bald still. Vier Wagen sind zertrümmert. Drei Belgier wurden todt aus den Trümmern hervorgezogen und nach dem Hospital in Schaerbeck gebracht. 6 Aerzte befaßten sich mck über 20 Verwundeten, von welchen mehreren Arme oder Beine abgcnom- men werden mußten. Die Verwundeten stammen aus Antwerpen, Mecheln, Vilvorde und Brüssel. Die Reisenden des Ostender Zuges haben nur leichte Quetschungen erlitten. Die Verwundeten, von denen bis jetzt zwei gestorben, wurden ins Johannishospital gebracht.
London, 29. Aug. Aus Bridgend wird^ gemeldet, daß die Rettungsversuche eingestellt worden sind. Ueber 100 Bergleute haben, wie jetzt feststeht, durch das Grubenunglück den Tod gefunden.
London. 28. Aua. Der Botschafter aus China verlangte den Abzug der russischen' Truppen von chinesischem Gebiet.
Unkrhrlkndks.
Dolorosa.
Roman v. A. Wilson. Deutsch v. A. Geisel (Nachdruck verboten) (Fortsetzung.)
XX. Kapitel.
Regina war vernünftig genug, den rätselhaften Worten Olga's Uiue tiefere Bedeutung beizulege» — wußte sie doch, daß die junge Dame in ihrer Lebhaftigkeit gar oft mehr sagte, als sie verantworten konnte. Sie wartete, bis sie den Wagen, der Mutter und Tochter zu Ball führte, davonrollcn hörte und dann eilte sie hinab in die Bibliothek, um die Zeit, da Niemand von der Familie zu Hause war, zu benutzen und das Harmonium, welches Herr Palma schon längst angeschafft hatte, zu probieren. Bisher hatte sich Regina noch nicht entschließen können, dies zu thun; freilich hatte Herr Palma, als das Instrument gebracht worden, ihr gesagt, es sei speziell für sie bestimmt und er werde sich freuen, wenn sie es fleißig benutzen wollte, aber ihre Befangenheit und Schüchternheit hatte sie bisher verhindert, ihre Studien wieder auszunehmcn, weil sie stets fürchtete, ihr Vormund könne in seinem nebenan liegenden Zimmer sein.
Als Regina die Bibliothek, welche wie immer behaglich durchwärmt und hell erleuchtet war, betrat, bewegte sich die in Herrn Palma's Privatgemach führende Portiere, aber das junge Mädchen sah es nicht.
„Ob ich wohl noch einen Choral singen kann?" murmelte Regina vor sich hi» und wie in Beantwortung ließ sie gleich darauf das Vorspiel zu „Ein' feste Burg ist unser Gott" erklingen und setzte fest und sicher ein. Aber sie hatte sich doch zuviel zugetraut, eine heftige Erregung bemächtigte sich ihrer, als sie kaum de» ersten Vers beendet hatte und die Hände auf den Tasten ruhen lassend, begann sie bitterlich zu schluchzen. Die Thränen erleichterten ihr Herz und sie hätte sich vermutlich noch länger dem langentbehrten Genuß, sich ungestört ausweinen zu dürfen, hingegeben, wenn nicht plötzlich die Portiere zurückgeschlagen worden wäre und der wohlbekannte Schritt ihres Vormundes Regina aufgeschreckt hätte. Hastig aufspringend, wischte sich Regina die Thräneu aus den Augen und stammelte:
„O Herr Palma — ich wußte nicht, daß Sie zu Hause waren! Ich hatte schon gehofft, Sie würden auf den Ball gehen und mich vergessen I"
„Es thut mir leid, daß Sie mich nicht besser kennen, Regina," versetzte Herr Palma ernst; „ich vergesse niemals meine Pflichten."
Als Herr Palma jetzt ui den Bereich des Lichtes trat, sah Regina, daß er schon seinen Ballanzug trug:
„War es Krankheit, die Sie heute vom Diner fernbleiben ließ, Regina?" fragte Herr- Palma jetzt streng.
„Nein Herr Palma — ich war nicht krank."
„Hm — weshalb blieben sie denn auf Ihrem Zimmer, wenn ich fragen d'rf."
«Ich fühle mich so sehr unglücklich."
Weshalb fühlen Sie sich so unglücklich Regina?"
„Das Herz that mir weh und ich fühlte das Bedürfnis, allein zu sein."
„Herzweh — ist das nicht fast ein bischen zu früh? Aber freilich — Sie gehen ins siebzehnte Jahr. Was hatte denn ihr Herrweh verschuldet?" schloß er spottend.
Regina schwieg und ihr Vormund fuhr finster fort:
„Aller Wahrscheinlichkeit nach wollten Sie cs vermeiden, mit mir zusammenzutreffen, weil Sie sich bewußt waren, gegen meinen Willen gehandelt zu habe»! — ist's nicht so?"
«Ja" sagte Regina leise aber fest: „ich fürchtete, Sie möchten mir den Besuch verbieten und so eilte ich fortzukommen."
„Mein Gott, bin ich denn ein Tyrann?" fragte Palma lachend.
„Diese Frau Mason scheint's Ihnen angethan zu haben, Regina — steht sie vielleicht mit den Heiligen in Indien in Korrespondenz?"
„Wenn Sie Frau Lindsay und deren Sohn unter dieser Bezeichnung verstehen, Herr Palma so kann ich die Frage bejahen," entgegnete Regina gelassen.
„Hm — und sinv die Nachrichten aus dem fernen Osten wirklich so traurig, daß diese bei Ihnen den Appetit raubten" fragte Herr Palma kühl; „ist Herr Lindsay an der Malaria erkrankt, oder haben die Sepoys sich wieder einmal empört?"
„Ich weiß nichts davon, Herr Palma — Frau Mason war nicht zu Hause."
„Ah — wirklich? Haben Sie noch einen Besuch abgestattet, Regina?"
„Nein — ich hielt mich noch eine kleine Weile im Park auf und kehrte dann nach Hause zurück.
Als Regina diese Worte sprach, erbleichte sie im Gedanken an die schreckliche Unterredung, die sie im Park gehabt hatte und Herr Palma fragte besorgt:
„Lliy vertrauen Sie ihrem Vormund I"
Als sie in seine Augen blickte, überkam sie die Versuchung, ihm Alles zu sagen — sein Scharfsinn würde Lüge und Wahrheit zu unterscheiden wissen und — aber da stand das Gespenst Peter Pattersons vor ihr — sie hatte ihm Schweigen gelobt, sollte sie ihr Wort brechen?
Herr Palma wußte den wechselnden Ausdruck in ihren Zügen richtig zu deuten, und sie ernst, aber gütig ansehend, sagte er:
„Lily Sie möchten offen gegen mich sein und können doch die rechten Worte nicht finden. Haben Sie irgend eine That begangen, deren Sie sich zu schämen hätten?"
„Nein Herr Palma."
„Und dennoch zögern Sie?"
(Fortsetzung folgt.)
Vermischtes.
Rosen feld O.A. Sulz, 27. August. Ein ergötzlicher Vorfall brachte uns heute den ersehnten Fleischabschlag. Ein hiesiger Metzger ließ bekannt machen, daß bei ihm Fleisch zu haben sei, das Pfund zu 52 Pfg. Kaum 10 Minuren darauf ertönte von neuem die Glocke des Amtsdieners und mit Erstaunen hörte die Einwohnerschaft, daß die übrigen Metzger, welche bis jetzt mit einer Beharrlich- s keit, die entschieden einer besseren Sache