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Wie bereits berichtet, hat sich in Keik- Vrou« i>er Sergeant Eisenhardt erschossen, weil ihm in dem Lippschen Prozeß eine Sol­datenmißhandlung nachgewiesen wurde. Ueber die bctr. Strafkammerverhandlungen entnehmen wir demN. T." folgendes: Dr. Lipp, Herausgeber der Heilbronner Zeitung, ver­öffentlichte in seiner Nummer vom 12. Dez v. I. eine Einsendung, in welcher angegeben war, daß ein am 10. Dezember an der Kw ferne Vorübergehender mit angesehen habe, wie Soldaten von ihrem Vorgesetzten durch Verabreichung von Ohrfeigen und Säbelhieben mißhandelt wurden. Seitens des Regiments­kommandos angestellte Recherchen führten zu keinem Ergebnis, weshalb dasselbe Strafan­trag wegen Beleidigung stellte, welcher For­derung die Staatsanwaltschaft', da Dr. Lipp den Wahrheitsbeweis im Vorverfahren nicht antrat, auch statt gab. Bei der Hauptver­handlung vor der Strafkammer in Hcilbronn wurde nun durch Zeugnis-Abgabe eines Kauf­manns-Lehrlings erhoben, daß derselbe anläß­lich der Ablieferung eines Briefes seines Prin­zipals an das Regimentsbureau gesehen hat, wie ein Unteroffizier in demselben Gang dem Flügelmann einer dort übenden Abteilung eine Ohrfeige gab, sowie diesem und einem andern Soldaten einen Schlag mit der Scheide des eingesteckten Seitengewehrs versetzte. Von einem bekannten Soldaten erfuhr der junge Mann den Namen des betreffenden Unteroffi­ziers. Es ist der Unteroffizier Kitterer der 3. Kompagnie. Durch Erzählen dieses Vor­falls im Comptoir kam derselbe, offenbar durch einen Antragsteller des betreffenden Geschäfts, zur Kenntnis der Heilbronner Zeitung, welche die Mitteilung, nachdem sie sich der Zeugen vergewissert, aufnahm. Weiter kamen durch Zeugenaussagen eine Reihe anderer, ein sehr schlimmes Licht auf gewisse Elemente im Un­teroffizierstande werfender Umstände auch noch zur Sprache. D>e Frau von einem Heil­bronner Restaurateur, sowie deren Dienst­mädchen sagten aus, daß der Sergeant Quabs, ein Oberschlesier, bei der zweiten Compagnie um die fragliche Zeit abends in ihrer Wirt­schaft, die er öfters besuchte, äußerte, heute habe ereinem Kerl eine gegeben." (Anders als Kerl soll dieser Mann von seinen Unter­gebenen überhaupt nicht geredet haben.) Als ihm das Mädchen, welches ein inzwischen gelöstes Verhältnis mit dem Sergeanten hatte, einige Tage später den Artikel zeigte, soll er gesagt haben, das soll nur einer wagen anzu- zeigen, der würde bösgeschlaucht " Als der Regimentskommandeur das Bataillon antreten ließ und den Mißhandelten aufforderte, vor- zurreten, soll eben dieser Sergeant sich abends in der Wirtschaft darüber lustig gemacht haben, daß keiner vortrat. Durch einen Zeugen, der in Heilbronn beim Militär war, wurde dar- gcthan, daß im Jahr 1889 ein Musketier von seinem Unteroffizier am Hals gepackt und an die Kastenthür gedrückt, sowie öfters mit der Klopfpeitsche traktiert wurde. Zwei ver­nommene Rekruten, welche in der Abteilung des Unteroffiziers Kitterer sind, wußten nichts nnzugeben. Ein Rekrut, Musketier Reitmayer der 4. Compagnie, wußte von dem Vorfall am l 0. Dezember zwar auch nichts anzugebe», dagegen teilte er mit, daß der Sergeant Eisen- Hardt der 4. Compagnie ihm vorige Woche eine Ohrfeige gegeben, weil er früher als die andern die Kaserne verlassen wollte. Angesichts dieser Thatsachen konnte der Staasanwalt den Strafantrag nicht aufrecht erhalten, sondern erklärte den Wahrheitsbeweis für erbracht und beantragte die Freisprechung des Angeklagten Der Angeklagte Dr. Lipp, sowie sein Vertei­

diger, Rechtsanwalt Wendler, unterzogen das Beschwerderecht der Soldaten ein scharfer Kritik. Das Gericht erkannte, dem Antrag des Staats­anwalts folgend, auf Freisprechung und Ueber- nahme der Kosten auf die Staatskaffe.

Bottenöurg, 16. Febr. Ein lOjähciges Pferd, das schon längere Zeit kränkelte, wurde geschlachtet. Hiebei fand sich zwischen Herz und Leber ein glatter, runder Stein in der Größe einer Kegelkugel, der ein Gewicht von 8 Pfund hatte.

Rundschau.

Konstanz, 18. Febr. Die Schweiz hat kürzlich der deutschen Regierung auf diploma­tischem Wege mitgeteilt, daß sie den Angehö­rigen ihrer Armee verboten habe, in Uniform deutsches Gebiet zu betreten, und dabei gleich­zeitig nahe gelegt, daß sie von deutscher Seite ein ähnliches Verfahren erwarte. Dieses Ver­bot ist dann auch von deutscher Seite erfolgt. Für die Garnison Konstanz, oder vielmehr deren Offiziere denn für Unteroffiziere und Mannschaften galt das Verbot von jeher ist die Maßregel sehr unangenehm, da die Grenze durch die Vorstädte von Konstanz geht. Die zwischen dem Ueberlinger- und dem Unter­st sich hinziehende schmale, baoische Halbinsel bietet nichts, so daß der Hauptlandoerkehr der Ossiziere sich nach der schweizerischen Seile richtet. Die schweizerischen Nachbarorte von Konstanz haben sich nun schon an ihre Re­gierung und an den eidgenössischen Bundesrat gewandt, daß dieser in Bezug auf diesen Grenz­strich den geäußerten Wunsch zv.rücknehme. Das ganze gesellige Leben leide seit dem Aus­bleiben der Konstanzer Offiziere.

Merkt», 22. Febr. Budgetkommission des Reichstags. Etat des auswärtigen Amts. R'.ckert (d.fr.) fragt wegen der Ausweisung des Berichterstatters Eugen Wolfs aus Ostafrika an. Geh. Rat Kaiser erwidert: Die Aus­weisung erfolgte durch Verfügung d.s Reichs­kanzlers. Die befragte» Rechtskundigen hatten die Ausweisung gelull gt Man durfte nicht länger gegen den Gouo rn-ur h tzen lassen, um nicht bei den Beamt,» den Glauben zu erwecken, daß Wolfs Recht haoe. Die Bud- gctkommnsion bewilligte die statt der bis­herigen 48 000 ./<! neu gewidert.» 500 000^ für geheime Fonds des Auswärtigen Amtes, wodurch die Vorbedingung >ür das Gesetz wegen der N-uoidnung des Welfenfonds in Preußen gegeben ist.

_ Die Budgetkommission des Reichstags

beendete am Samstag abend die Beratung des Marincetats und lehnte l'/s Millionen Mark als erste Rate zum Bau eines Panzerfahr­zeugs Wi, 750 000 Ma l als erste Rate für den Kreuzer b'. und 1 200 000 Mark als erste Rate für den Aviso H. ab. Ferner lehnte die Kommission ab für Wohnhäuser auf der Werft in Kiel die Summe von 202 000 Mk. für die Trockendocks in Kiel 1 300 000 Mk. und für das Parallelwerk in Wilhelmshaven 30 000 Mk. Insgesamt wurden 8 722 000 M. durch die Kommission gestrichen.

Königsöerg- DieK H. Z " meldet: In der hiesigen Klinik führte Prof. Braun eine Kehlkopfoperation aus, die vollkommen gelungen erscheint. Der Patient spricht etwas heiser, ist aber sonst gesund und wird dieser Tage dem Oberpräsidenten vorgestellt werden.

Arüssel, 21. Febr. Trotz Polizeiverbot wurde eine Massenversammlung unter freiem Himmel vor dem Volkshause nach Schluß eines sozialdemokratischen Kongresses gehalten. 5000 Anwesende verhinderten die Polizei bis zu den Rednern vorzudringen. Zahlreiche rote Fahnen wurden entfaltet. Der sozialdemokra­

tische Führer Volders verkündete die Kongreß- beschlüffe. Ein allgemeiner Ausstand müsse bis zum vollständigen Siege andauern, sollten die Ausständischen auch das Straßenpflaster mit ihrem Blute färben müssen.

Unter den edlen Geschäftshäusern, welche der russischen Regierung anstatt Getreides eine Mischung von Unkrautsamen und Sand lieferte, befindet sich, o Schreck! auch ein fran­zösisches. Das große Handelshaus Dreyfus, welches Filialen in Odessa, Nckolajew und Mariampol unterhält, ist des Betrugs ange­klagt. Dasselbe soll 250 WagenMehl" für die Hungernden geliefert haben, welches kaum 18 v. H. wirkliches Mehl enthalten haben soll, während das Andere Sand und unbrauchbare Stoffe waren. Der Vertreter der Firma ist verhaftet worden.

Gemeinnütziges.

(Erlangung und Bewahrung eines guten Teints.) Die zweckmäßige Pflege des Teints bezüglich der Haut besteht in folgendem Ver­fahren: des Abends vor dem Schlafengehen wasche man Gesicht, Hals, Arme uns Hände mit milder Seife, Mandel oder Nenetmnische Seife sind namentlich zu empfehlen, in warmem Wasser, reibe an allen diesen Teilen die Haut ve>mittels eines weichen eingeseiften Flanell­läppchens tüchtig ab, spüle dann mit kaltem Wasser über und trockne mit einem weichen Leinentuch. Am Morgen wiederhole man das Waschen aber mit eiskaltem Wasser und einem gröberen Wollenläppchen ohne Seife und reibe dann die Haut mit einem groben Leinentuch derb und kräftig bis sie trocken ist. Dies, namentlich das kalte Waschen, verrichte man regelmäßig alle Tage ohne Ausnahme. Es ist das vorzüglichste und sicherste Mittel, um Gesundheit, Frische und Schönheit bis ins hohe Alter sich zu bewahren.

Vermischtes

Wie lange kann man den Schlaf entbehren? Nach einer Mitteilung derW. med. Bl. wurde diese Frage kürzlich in Amerika durch ein Experiment beantwortet, welchem sich sechs gesunde Männer unterwarfen. Dasselbe begann an einem Montag. Vier hielten es nur bis zum Donnerstag aus; der fünfte, ein Mr. Townsend, hielt es bis zum Sonntag Morgen aus; der sechste, Mr. Cunningham, hielt volle sieben Tage schlaflos aus, verfiel ^jeooch, als er nach Ablauf dieser Zeit dem Publikum vorgcführt werden sollte, beim Be­treten der Tribüne in tiefen Schlaf. Town­send hatte während dieser Zeit sechs Pfund, Cunningham acht Pfund an Gewicht verloren.

(Ein 14jä hr iges R i escnmädch en.) Russische Blätter berichten aus Odessa: eine ganz außergewöhnliche, sowohl für Laien wie für die Gelehrtenwelt höchst bemerkenswerte Erscheinung ist das seit einigen Tagen hier zu Schau gestellte russische Riesenmädchen Elisabeth Lyska, im Alter von 14 Jahren, welches bereits eine Größe von 193^2 Centi- meler erreicht hat, also über sechs Fuß mißt, was selbst bei Männern nicht zu häufig vor­kommt. Ihr Gewicht beträgt 8 Pud (320 Pfd.) Der harmlose Ausdruck des wohlgebildeten Gesichts steht in einem seltsamen Gegensatz zu dem gewaltigen Körperbau des Mädchens, welches bei fortdauerndem gleichen Wachstum in Zukunft alle bisher dagewesenen Riesinnen weit überragen dürfte.

(Gute Erziehung.)Aber gnädige Frau, warum schelten Sie Ihre Kinder stets auf französisch?"Sonst verstehen Sie die Schimpfworte und eignen sie sich an."