Rundschau. i
Araukfurt, 26. Sept. Laut Mitteilung des Vorstandes der elektrotechnischen Ausstellung wird die Ausstellung am 19. Oktober Abends 11 Uhr geschlossen. — Die elektrische Energie-Uebertragung von Offenbach a. M. nach der Ausstellung mittelst des Lahmcyer- schcn Gleichstromumformersystems, welche die erste Zeit mit nur 1250 Volt im Betrieb war, ist nunmehr bereits 3 Wochen in t einer Spannung von 2000 Volt im Betriebe, und auch bei dieser Spannung hat sich das genannte System in jeder Weise bewährt. Die Möglichkeit der Verwendung so hoher Spannung für Gleichstrom ist als ein- große Errungenschaft der Elektrotechnik anzusehen.
Gsnabriick, 28. Sept. Der Reichskanzler v. Eaprivi erklärt- der „Köln. Ztg," zufolge auf die Begrüßung des Bürgermeisters im Friedenssaalc des Osnabrück-- Rathauses, die Befürchtung, ob der gegenwärtige Zustand erhalten werde, seien unbegründet; keiner der Regierenden habe den Wunsch, den Frieden zu stören, und einen europäischen Krieg hervorzurufen. Auch die Annäherung einzelner Staaten in der neuesten Zeit gäben keinen Grund zu Befürchtungen. Sie sei der Ausdruck schon vorher vorhanden gewesener Verhältnisse. So weit er übersehe, wolle keine der europäischen Regierungen einen Krieg, der in seinen Leiden und Folgen alle früheren Kriege übertreffen würde. Auch die Verhältnisse in Innern, um welche der Kaiser bemüht bleibe, würden einen befriedigenden Abschluß finden, wenn schon vielleicht erst nach Jahrzehnten.
Aerli» Kaiser Wilhelm erholt sich gegenwärtig in den Wäldern Ostpreußens beim edlen Waidwerk von den vielfachen Manövern und Reise-Anstrengungen der letzten Zeit. Das Befinden des erlauchten Monarchen ist ungeachtet dieser Anstrengungen fortgesetzt das allerbeste. Heber seine Rückkehr nach Berlin, resp. Potsdam sind erst noch nähere Mitteilungen abzuwarten, vermutlich wird dieselbe in den ersten Oktobertagen erfolgen.
Aaris, 25. Sept. Das Zuchtpolizci- gericht hat heute sein Urteil über das Eisenbahnunglück von Saint Mand« gefällt und Degcrouis, Unterstationschef des Bahnhofs von Vincennes, zu 4 Mon. Gefängnis und 300 Frcs. Geldbuße, und Caron, Lokomotivführer des aufgefahrenen Zuges, zu zweijährigem Gefängnis und 500 Frcs. Geldbuße verurteilt, sowie der Eisenbahngesellschaft die Schadloshaltung der Opfer des Unglücksfalls auferlegt. Frl. Jouvin, die Vater und Mutter verlor und sich der Amputation eines Beines unterzog, erhält 75 000 Frcs, ihr Bruder 25000 Frcs. Zwei Witwen, die ihren Schwiegersohn, bezw. eine Tochter, erhalten Lebensrcnten von 1000 resp. 800 Frs.
Tiltki-HMn-ks.
Die neue Wohnung.
(Humoreske von A. Leo.)
„Lieber Mann, wir werden uns eine neue Wohnung suchen müssen", sagte Frau Drang eines Tages.
„Ach ja, Milchen, ich glaube selbst", antwortete Herr Drang, ihr Gatte.
„Ende Mai ist mein Geburtstag, und den möchte ich so gerne in einer neuen Wohnung feiern", bemerkte die junge Frau.
„Das wäre sehr angenehm, liebes Kind, erwiderte der Mann, „aber es wird nicht gehen".
„Warum?"
„Es ist schon zu spät, die schönen Wohnungen sind schon vermietet! J-tzt könntest Du höchstens noch Wohnungen finden, die feucht sind, wo die Schwaben in allen Zimmern herumkriechcn, oder wo im oberen Stocke die ganze Nacht ein kleines Kind schreit und nebenan ein Trompeter wohnt, der uns durch seine Uebuugen erquickt. Im Herbst wollen wir uns umsehen".
Die junge Frau widersprach und schmollte, doch der gestrenge Herr hatte seine Entscheidung getroffen und Alles war umsonst.
Ein Ehefricdensbruch schien unvermeidlich, aber Tante Marie legte sich ins Mittel.
„Sage kein Wort weiter", flüsterte sie Minchen zu. „Ich weiß eine reizende Wohnung, die zu vermieten ist; ich sage Dir, eine Perle von einer Wohnung. Es hängt kein Zettel draußen, sonst wäre sie schon lang vermietet, doch der Jnspector des Hauses ist ein Freund der Dame, bei der ich wohne. Gas, Wasserleitung, Parqnetten, Morgensonne — kurz Alles, was man nur wünschen kan». Es wohnte bis jetzt eine Sängerin dort, die in eine andere Stadt engagirt worden ist."
„Ist sie teuer?"
„Die Sängerin zahlte achhuadert Mark jährlich".
„Aber das kommt mir theuer vor", sagte die kleine Frau unsicher.
Eine billigere findest Du gewiß nicht".
„Aber werden wir da nicht mehr Möbel brauchen?" fragte Frau Drang ängstlich.
„Nun, eine neue Garnitur mußt Du ja doch habe», auch wenn Du bleibst".
„Du denkst doch an Alles, Herzenstantchen", rief Frau Drang mit Enthusiasmus. „Geh, Tante, miete sie, ich will meinen Mann überraschen".
Der Jnspector und Vermieter der schönen Wohnung kaute gedankenvoll an seiner Feder, als ihm Fräulein Katzer, die Tante, die Sache vorlegte.
„X-Straße Nr. 9, zweiter Stock?" sagte er. „O, die ist schon hglb vermietet. Ein Herr hat tausend Mark mit dreijährigem Contracte dafür geboten, wenn er sie vom nächsten Quartal an haben kann."
„Meine Freundin zahlt elfhundert".
„Hm hm", meinte der Mann, „ich muß mir die Sache überlegen und werde Ihnen bald Bescheid sagen lassen."
Noch am selben Abend erhielt Fräulein Katzer ein kleines Billet, worin der Juspec- tor ihr mittcilte, sein anderer Mieter habe zwölshundert Mark für die in Frage stehende Wohnung geboten.
„O, Tante Marie, und ich habe schon so eine schöne Salongarnitur gekauft", rief Frau Drang, „sage dem Manne, ich zahle ebenfalls zwölshundert und nehme sie gleich. Mein lieber Albert wird gewiß nichts dagegen haben".
Der Inspektor las die Antwort und lächelte.
„Es ist gut, daß sie noch da sind," sagte er zu einem Herrn, welcher dasaß. „Meine Clientin bietet zwölshundert Mark von jetzt an."
„Ich gebe noch fünfzig dazu "sagt- er. „Ich will einmal die Wohnung haben. Aber jetzt machen wir auch ein Eide mit der Geschichte."
„Ich muß es aber der Dame erst Mitteilen", bemerkte der Vermieter.
„Sie glauben doch nicht, daß sie sso närrisch sein wird, mich zu überbieten?" fragte der Herr.
„Das ist wohl möglich", sagte der andere weise. „Es wird Sie keine Viertelstunde aufhalten."
Der Laufbursche setzte sich in Bewegung und kehrte athemloS zurück.
„Nun",fragteder Wartende, „was sagt sie?"
„Sie sagt", entgegnete der Jnspector, „daß sie dreizehnhundert gibt".
„Dann", rief der Herr, indem er wülend aufsprang, „wünsche ich ihr viel Glück!"
Damit setzte er sich den Hut auf und ging,indemerbieThür hinter sich zuschleuderte.
„Das ist kein schlechtes Geschäft", murmelte der Jnspector vor sich hi». „Die Wohnung ist ochhnndert wert und ich bekomme fast das Doppelte. Ich will nnr gleich de» Contract ausfertigen, ehe sie etwa andere» Sinnes wird".
Am Abend des achten Mai bat Frau Drang ihren Mann, sie zu einer Fceunidn zu begleiten.
Und sie führte ihn direkt in die T Straße Nr. 9, wo Tante Marie sie in dem mit pfaublauein Plüsch möblirten Salon erwartete.
„Hohol" sagte Albert, sich verwundert umblickeud, „wer wohnt Venn hier?"
„Wir", antwortete Äinchcn strahlend. „Das ist unsere neue Wohnung!"
„Znm Teufel!" rief ver Mann verblüfft.
„Ich habe die Wohnung mit dreijährigem Contraci gemietet", sagte die junge Frau, „um Dich zu überraschen. Liebster".
„Nun", stieß Albert Drang mühsam heraus, „ich muß es sagen, ich bi» sehr überrascht!"
„Das haben wir uns gedacht", jubelte die jungfräuliche Tante und Milchen fuhr freudig fort: „Ich habe sie ganz nach Deinem Gcschmacke eingerichtet, lieber Mann, die Rechnungen liegen in Deinem Schreibtische — freust Du Dich nicht, Geliebter?"
Albert Drang wurde grün und bleich und rot — er mühte sich, etwas hinuiiter- zuschlucken. Dann brachte er endlich hervor:
„O ja — Mtncheii! Ganz — fürchterlich! Aber mein süßes Herz, das nächstemal, wenn wir so etwas beabsichtigen, werden wir besser thun, vor einander keine Geheimnisse zu haben."
„Ja, da hätte ich Dich aber nicht überraschen können", sagte Mucken naiv.
„Nein", erwiderte ihr Mann, „vielleicht nicht. Aber diese Ueberraschnng kostet uns fünfhundert Mark!" Und dann erzählte ec — daß er der ^andere Mieter gewesen war uiiddaß^^^sich^genseitig^steigerthatten.
Vermischtes.
— Eine gelungene Feuerprobe, deren Resultat der württembergischen Industrie alle Ehre macht, Hai die Gipsdielenfabrik von A. u. O. Mack bei Lndwigsburg, in der Kgl. Prüfungsstation in Berlin-Charlottenburg vor etlichen Tagen unter Anwesenheit eines Sachverständigen des Kgl. Ministeriums sowie- des Polizeipräsidiums von Berlin und der Feuerwehroffiziere von dort veranstalten lassen. Zwei kleine, aus Mack'schen Gipsdielen errichtet« Häuser wurden mit 4 Zentner, mit Petroleum durchiränktem Fichtenholz gefüllt und anze- zündet; die Hitze wurde im Inneren durch fortwährendes Nachschüren bis ans 1000 Grad Celsius, wie nachher an geschmolzenem Plati n konstatiert wurde, getrieben. Das Feuer hatte nach einer Brennzeit von 70 M nuten den Gipsdielen absolut keinen Schaden gebracht und auch die kräftigen Wasserstrahlen, mit denen nachher das Feuer gelöscht wurde, vermochten dem Häuschen keinen Schaden beizufügen. Die hohen anwesenden Beamten waren von dem Resultate geradezu überrascht