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erst nach längerem Suchen in derselben tot, aufgefunden.

Rundschau.

Kechingea, 17. Sept.Nach Mittei­lungen aus zuverlässiger Quelle soll das Defizit in der Stadtkasse auf etwa 3700 M. sich belaufen, dagegen soll in den weiteren, der Stadlpflege unterstellten Fonds der feh­lende Gesamtbetrag, von sehr bedeutender Höhe sein (80,000 M.) Die traurige Ange­legenheit konnte noch nicht zum Abschlüsse ge­bracht werden. Bedauerlicherweise befinden sich die Defekte im Wesentlichen in den städtischen Nebenverwaltungen, die wohltäti­gen Zwecken dienen." Es dürfte sich nun fragen, wer für die Fehlbeträge aufkommt, die zur Revision verpflichteten Behörden oder die Bürgerschaft.

Ireiöuril, 18. Sept. Der hiesige Uhr­macher Klatte hat eine Erfindung von weit- tragender Bedeutung gemacht, nämlich:Die elektrische Weichenstellung." Um diese aus­führen zu können, wandte er sich an den deutschen Kaiser und erhielt die Weisung, die betreffende Erfindung zunächst der Königlichen Eisenbahndirektion zu Frankfurt a. M. zur! Begutachtung vorzulegen, damit festgestcllt werden kann, ob dieselbe von praktischer Be­deutung für den Eisenbahnbetrieb ist.

Wörishofen, 18. Sept. Unter den interessanten Krankheitsfällen der jüngsten Zeit erregen besonders zwei die allgemeine Aufmerksamkeit von Aerzten und Laien: zwei Fälle von totaler Blindheit nämlich, die be­reits so weit gehoben sind, daß die beide» Patienten (die eine davon eine Admiralsgattin) schon ganz kleine Gegenstände wieder unter­scheiden können und es keinem Zweifel unter­liegt, daß das volle Augenlicht in kurzer Zeit wiederhergestellt ist.

Görlitz, 17. Sept. Die 45. Hauptver­sammlung des Gustav-Adolfvereins wählte für die große Liebesgabe im Betrage von 18 000 die Gemeinde Wangen im All­gäu in Württemberg.

Werlin, 18. Sept. DemB. Tgbl." wird aus Bagamayo gemeldet: Die Ueberreste der Expedition Zelewskis, die Lieutenants v. Tettenborn und Heydebreck, die Unteroffi­ziere Kay und Wutzer sind mit 65 Mann gestern Nachmittag hier eingetroffen.

In der deutschen Ausstellung in London ist dieser Tage ein Diamantendiebstahl vor­gekommen, durch welchen eine Hanauer Firma um 10 000 geschädigt wird. Dieselbe war hier durch die Firma Döbbel vertreten und ließ ein kunstvolles Halsband, wie auch andere Schmuckgegenstände ausstellen, welche jetzt sämtlich verschwunden find. Der Thäter ist noch nicht entdeckt worden.

Aosek. Das vom Basler Zivilgericht in Folge der dort angemeldeten Entschädigungs­ansprüche angeordnete Gutachten der Sachver­ständigen über die Ursache des Mönchensteiner Unglücks kommt zu dem Ergebnis, die Ursache des Unglücks liege ausschließlich in fehlerhafter Konstruktion der Brücke. Ausgeschlossen sei als Ursache der mangelhafte Unterhalt so­wohl als die früher behauptete Entgleisung.

Madrid, 15. Sept. Die durch die Ueberschwemmung in Consuegra angerichteten Verwüstungen sind geradezu schreckenecregend. Gegen 2000 Personen sind ums Leben gekom­men; zwei Drittel der Stadt zerstört, die noch stehenden Gebäude stark beschädigt. Zahlreiche Leichname sind noch unbeerdigt. Es wirb der Ausbruch einer Epidemie be­fürchtet. Die Bevölkerung beginnt wegen Hungersnot zu plündern.

Wikdvad, 20. Sept. Der erste Gewinn bei der Lotterie des -Landwirtschaftlichen Bezirksfestes in Neuenbürg, bestehend aus einer Futterschneidmaschine, fiel Hrn. W. Treiber z. Windhof dahier zu.

TnitchattkndtS.

Der Assistenzarzt.

Aus den Aufzeichnungen eines jungen Arztes von H. Grans.

kNachdruck untersagt.)

(2. Fortsetzung.)

Frau Dubarow, die sich wiederholt be­kreuzigt und in russischer Sprache Gebete gemurmelt hatte, zeigte mir jetzt lachend ihre drei Reisegefährten, welche bei diesem infernalischen Lärm unbehindert weiterschliefen.

Ach, die Beneidenswerten!" rief ich seufzend,mir wird ein solches nie zu Teil; Doch ehe die Schläfer erwachen, haben Sie vielleicht die Güte, Ihre Erzählung, die mich außerordentlich interessirt, zu beenden."

So hören Sie! Der Fürst hatte zwar sein Wort gegeben, von der Begleitung der Fürstin absehen zu wollen, keineswegs aber, ihr zu folgen und sie, gleichsam als Schutzgeist, unsichtbar zu bewachen. Um dies zu könne», wurden nun Alexandrowitsch nnd ich üffs Geheimnis gezogen und uns aufgetragen, dem Fürsten täglich in seinem Hotel über das Wohlergehen seiner Gemahlin, sowie über das Programm eines jeden Ta­ges zu berichten.

Auf der Piazza Barbarini war ein voll­ständig eingerichtetes Haus für die Fürstin gemietet, ebenso standen ihr Equipage und Pferde zur Verfügung und jeden Tag er­schien Dr. Almi, ein schon bejahrter Herr, um sich nach dem Befinden seiner hohen Patientin zu erkundigen. Mit seinen Peters­burger Kollegen war der römische Arzt über die Basis der Krankheit vollkommen einver­standen und demgemäß begann er die Kur.

Die Fürstin, jung und im Grunde le­bensfroh und heiter, vergaß bald, wie es den Anschein hatte, in dem entzückenden Rom und seiner Umgebung, in der täglich wechselnden, ausgelassenen Lust des Karne­vals, den nagenden Schmerz in ihrer Brust; die wachsbleiche Farbe des Gesichts schwand allmählig nnd der frischere, entzückende Apfel- blüthenteint wurde wieder sichtbar. Sie mied jetzt, so viel wie möglich, die Nähe der alten Tenia, ließ sich bei der Tafel wie­der von Jaques, ihrem Kammerdiener, be­dienen, und schrieb dem Fürsten die zärt­lichsten Briefe in die Heimat, gleichsam eine Abbitte ihres entsetzlichen Verdachtes, den sie gegen ihn gehegt. Eines Morgens ver­traute sie mir mit einem reizenden Lächeln, daß wenn ihre Genesung so fortschreiten würde, der Fürst die Erlaubnis erhalten soll, zu ihr nach Rom zu kommen.

Mit dieser veränderten Lebensweise war Tema durchaus nicht einverstanden. Finster grollend prophezeite sic Milena aus den Karten, daß ihr unter den fremden, falschen Menschen ein großes Unheilzustoßen werde, vor dem sie nur in ihrem mütterlichen Schutz gesichert sei, und ähnliche wirre Redensarten.

Wir alle hatten uns längst daran ge­wöhnt, sie als eine halb Verrückte zu be­

trachten, und nahmen deshalb wenige Notiz von ihren Drohungen.

Eines Tages hatte sich Fürstin Milena nach der Tafel zurückgezogen, um ihre ge­wohnte Siesta zu halten. In der Stille des ungewöhnlich schwülen Tages vernahm ich plötzlich einen durchdringenden Schrei und als ich eilig in das Zimmer der Fürstin trat, stürzte mir diese mit den Worte» ent­gegen :

Einen Arzt! Einen Arzt! Ich bi» vergiftet! Er!"

Bei den letzten Worten deutete sie nach dem geöffneten Balkonfenster. Ich sah hi­naus nnd erblickte am Ende der schmalen Gaffe den Fürsten Wladimir, der eben eilig einen Wagen bestieg.

Ich brachte die Fürstin, welche von heftigen Expektorationen, verbunden ,mkt Fieber und Kopfschmerz, befalle» wurde zu Bette und sandte zu Doktor Almi, der eilig erschien und die wirksamsten Gegenmittet anwendete. Anfangs glaubte er, sie habe das Malariafieber, allein chemische Unter­suchung der Speisereste ergab, daß in der That eine kleine Melone, von der die Fürstin gegessen, vegetabilisches Giit enthalten habe, allerdings in geiinger Quantität, daß der Tod nicht hätte herbeigefühlt werden können. Oie Krankheit würde an und für sich nicht bedenklich gewesen sein, wenn nicht der all­gemeine Schwächezustand und die außeror­dentlich moralische ^Niedergeschlagenheit der Kranken Besorgnis erregt hätte.

Vor Allem verlangte sie nach ihrer Tenia, streichelte zärtlich ihr das wirre Haar aus dem gelbbraunen Gesicht und nannte sie ihre treueste Freundin, die jetzt immer bei ihr bleiben solle, Tag und Nacht.

Tema sonnte sich glückselig in dieser An­erkennung ihres Lieblings und warf mir höhnisch triumphirende Blicke zu.

Diese Krankheit, wenn sie auch glücklich gehoben wurde, hatte für die junge Fürstin leider ein sehr trauriges Nachspiel. Das arme Hirn quälte sich Tag und Nacht mit dem Gedanken, wer hat mir den Vater ge­nommen? Und wer hat mir selbst das Gift gemischt? Auf die weitere Reflexion: Wer konnte Interesse haben an dem Tode meines Vaters? wußte sie schaudernd nur deu Namen des Fürsten zu nennen. Es sprechen ja so viele Anzeichen dafür. Der Fürst hatte den Vater gehaßt, ihm verboten, das Schloß nach Belieben zu be­treten und sein einziges Kind zu sehen. Der Fürst lehnte es ab, mit ihr, der Tochter des Gemordeten, Hand in Hand den Kirch­hof und die Sühnekapelle zu betreten. Dann seine dunklen Worte:Du mußt Ab­schied nehmen!" und endlich sein heim­liches Erscheinen hier in Rom in Verbin­dung mit meiner Krankheit. Ja, ja, Alles weist darauf hin, das unbedeutende Bauernkind ist dem stolzen Fürsten im Weg

es muß sterben, wie sein armer Vater I

Dann in Thränen ausbrechend, sprang sie plötzlich von ihrem Lager auf, warf sich vor dem Bilde ihres Schutzheiligen auf die Knieeund rief schluchzend und in herzzerreißen­dem Ton: »Ach und ich liebe ihn jdoch so sehr!"

Diesen leidenschaftlichen Ausbrüchen folgte später ein anderer Zustand, den der Arzt mit größerer Besorgnis wahrnahm. Stun­denlang saß die junge Frau in ihrem Fau­teuil, ohne ein Wort zu sprechen. Mit stieren Blicken und gefalteten Händen ließ sie sich zu ihrem Lager führen, und mechanisch, teil­nahmslos, Alles mit sich geschehen lassend-