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that vor dem Kaiser einen Kniefall und warf ihm eine Bittschrift zu Füßen. Der Kaiser befahl, seinem Adjutanten die Schrift aufzu- nehmen. Nachdem der Kaiser ins Schloß getreten war, geleitete ein Polizeibcamtcr die Frau zum Hotel und stellte ihre Personalien fest.
Aus Hverschlefieu. 20. Aug. Der Zudrang zu den an der Grenze wohnenden russischen und österreichischen Mchlhändlern ist seit dem Bekanntwerden des russischen Getreideausfuhrverbots noch bedeutend gestiegen. In den letzten 2 Tagen gingen an 3000 Personen über die Modrzeower Brücke, um sich noch vor Thoresschluß soviel wie möglich russisches billiges Mehl zu beschaffen. Auch nach Oesterreich wandern fortgesetzt ganze Scharen der Grenzbevölkerung. Ost treffen die Leute schon mit Tagesanbruch vor den betreffenden Geschäftshäusern ein und erwarten in großen Mengen die Eröffnung der Geschäfte.
— In Sachen des russischen Getreideausfuhrverbots wird dem „Graudenzec Geselligen" von der westpreußisch-russischen Grenze geschrieben, das Verbot habe den Geist der Anmaßung drüben derart gestärkt, daß die russischen Beamten jetzt schon das Ausfuhren von Brot und Mehl in kleinen, für die Grenzbewohner zollfreien Quantitäten möglichst zu verhindern suchen. „Ihr habt jetzt keinen Roggen, kein Mehl, kein Brot, jetzt könnt Ihr Sand fressen; wenn Ihr verhungert seid, dann * giebts Krieg!" Das ist die russische Sprache. Die polnischen Gutsbesitzer dagegen dreschen und fahren jetzt Tag und Nacht , um noch möglichst viel zu retten, damit, wenn das Verbot am 27. d. M. in Kraft tritt, sie nichts mehr haben, was die Aneignungsgelüstc der russischen Behörde wachrufen könnte. Sie befürchten ein oberpolizeiliches Enteignungsverfahren. Es werden nämlich bereits Vorkehrungen getroffen, um durch besondere Kommissionen die Ernteerträge der Landwirte einzuschätzen, wie man annimmt, seststellen zu können, wie viel jeder Landwirt gegen eine vom Staate fcstzusetzende Taxe an die Hungerbezirke wird abgeben können und müssen.
Fritst, 16. Aug. Der bekannte kühne Luftschiffer Pietroni wurde wie die „N. Fr. Pr." meloet, beim Aufstiege in Civitanova vom Winde ins Meer getrieben und verschwand unter den Augen der bestürzten Menge in den Wellen.
Wew-Hork, 18. Aug. Die Luftschifferin Annie Harkcß stürzte bei einer Produktion mit dem Fallschirm aus einer Höhe von 500 Fuß herab. Die Leiche wurde bis zur Unkenntlichkeit verstümmelt. In Gegenwart einer ungeheuren Volksmenge stieg Luftschiffer Diver «m andern Morgen im Plensant Beach-Etablissement in einem Ballon auf. Der letztere wurde vom Wind noch dem Meer getrieben; als Diever sich mittels Fallschirms retten wollte, stürzte er ins Meer und ertrank.
Tukicholkiidts.
Mrfehml.
Nach amerik. Motiv frei bearbeitet v. A- Geiser.
(Fortsetzung.)
„Das ist freilich wahr, Sarah," entgeg- nete der Zwerg, seiner Gattin einen strengen Blickzuwerfend, „Du hättest sie aber, wenn's wirklich darauf angekommen wäre, doch vielleicht eben so wenig ausgeliefert, als ich — Du warst oft krank und übler Laune und da sieht sich Alles düster a». Um aber wieder auf Lydia zu kommen, so that sie vollauf ihre Schuldigkeit, und ihr kleines Töckterchen blühte wie eine Rösche». An einem Apriltag aber, (wir befanden uns in einem der Mittelstaaten) kam ein Polizist zu mir und fragte nach diesem und Jenem, und endlich äußerte er wie beiläufig:
..Sie haben wohl keine fremde Frau unter Jrer Truppe?"
„Nein," sagte ichMrz, „außer meiner Frau und dem Mädchen, welches ihr bei den Kindern hilft, habe ich 'Niemanden bei mir."
Lydia saß während dessen im Winkel der Bude und nähte Goldflitter auf ein Kinderröckchen; ich bemerkte, daß sie erschrak, alA der Konstabler eintrat, und daß sie ihr Gesicht so tief ans ihre Arbeit beugte, daß ich meine Gedanken dabei hatte.
Als nun der Polizist mir auseinandersetzte, wen er suche, und die Persönlichkeit beschrieb, ward meine Ahnung zur Gewißheit, denn Lydia, der kein Wort unseres Gespräches entging, begann heftig zu zittern, und ich sah, daß sie leichenblaß war. Bevor der Konstabler sich entfernte, übergab er mir einen Steckbrief, welcher die genaue Personalbeschreibung der gesuchten Frau enthielt, und riet mir, bei meinen Wanderungen die Augen offen zu halten, denn ich könne ein hübsches Stück Geld verdienen, wenn ich die Frau einliefere. —
Na, der Konstabler ging und ich legte den Steckbrief einstweilen bei Seite, um »ach unfern Ponies zu sehen — als ich die Bude nach kaum zehn Minuten wieder betrat, kam meine Frau mir mit dem Steckbrief in der Hand entgegen und erklärte mir mit aller Bestimmtheit, Lydia sei die Gesuchte — die Beschreibung passe genau auf sie,"
„Und ich hatte vollkommen Recht," fiel Frau Jenkius dem Gatten ins Wort.
„Wäre Henry nicht so weichherzig gewesen," wandte sie sich dann an den Advokaten, „dann hätte» wir schon damals die Belohnung verdient und heute waren wir gemachte Leute."
„Die „Weichherzigkeit" Ihres Gatten hat den Tod einer Unschuldigen verhütet," entgegnet- der Advokat tiefernst, „fahren Sie fort, Herr Jenkins."
„Meine Frau machte nicht lange Federlesens," setzte der Zwerg seinen Bericht fort; „sie sagt Lydia auf den Kopf zu, sie sei die gesuchte Missetbäteri» und das arme Geschöpf nickte zu Allem, und dann fiel sie vor uns auf die Kniee und bat und flehte, wir möcyten sie doch um Gottes Barmherzigkeit willen nicht ausliesern — sie sei unschuldig!"
„Und Henry war albern genug, ihr zu versprechen, es solle ihr kein Haar gekrümmt werden," knurrte Frau Sarah; „ich meinerseits hütete mich freilich, ein solches Versprechen zu geben und wenn ich nicht noch
am nämlichen Tag das Unglück mit dem Bein gehabt hätte —"
„Sarah,* sagte der Zwerg feierlich, „«K war Gottes Hand, die Dich das Bein brechen ließ, als Du in de» Wagen steigen wolltest — der Beinbruch hat Dir eine schwere Sünde erspart; was mich betrifft, so habe ich nicht einen Augenblick an Lydia's Schuld geglaubt; ich hatte gesehen, wie sie am Sarge unseres Kindes, welches jsie mit rührender Treue gepflegt, geweint und gebetet hatte, und eine Mörderin kann nicht beten! Als nun Sarah am Abend fest schlief —"
»Ich glaub's, daß ich fest schlief,* grollte Frau Jenkins; „er hatte meinen Thee mit Mohnsaft gemischt — eine Engelmacherin hätte ein Dutzend Kinder damit vergiften können."
„Ich kann's nicht leugnen," nickte der Zwerg schlau lächelnd, „sie hatte so heftige Schmerzen, und so war's für sie wie für mich und Lydia besser, daß sie zur Ruhe kam.
Sobald ich meine Frau schiiarchen hörte, rief ich Lydia'und sagte ihr, sie müsse fort; sie war ganz verzweifelt und meinte, sie wolle sich mit ihrem Kinde ins Waffer stürzen, denn die Erde habe doch keinen Raum für sie. Aber ich stellte ihr vor, daß sie damit eine große Sünde begehen würde und dann erbot ich mich, die Kleine zu behalten und wie unser eigen Kind zu erziehen. Sie wußte, daß die Kinder es bei uns g it hatten und zudem ließ meine Frau die kleine Lilly seit dem Tode unseres eigenen Kindes fast nicht mehr von sich; es war freilich ein Harrer Kanpf für Lydia, aber sie sah ein, daß es so am besten sei und gab nach.
Nachdem wir soweit einig waren, holte ich die Kaffe und teilte den Inhalt derselben in zwei Hälften, deren eine ich Lydia gab. Sie —"
„Ach — also auch bestohlen hast Du mich,"fiel Frau Jenkins dem Gatten hastig in die Rede, „damals sollten die neuen Kostüme für die Kinder so viel Geld gekostet haben, und ich mußte es glauben, wenn's mir auch seltsam erschien."
„Es ging nicht anders, Sarah," entschuldigte sich der Zwerg, „also ich gab Lydia das Geld und riet ihr dann, sich als Mann zu verkleiden, wozu ich ihr bchülsiich fein könne. Ich hatte nämlich den mit Kleidern gefüllten Koffer eines verstorbenen Vetters im Besitz; freilich wa>-'s das einzige Andenken an einen Menschen, der mir sehr lieb gewesen, aber die Toten müssen den Lebenden nachstehen und so überantwortete ich Lydia den kleinen Koffer und riet ihr, sich zu beeilen. Nun, sie besann sich nicht lange, und als sie nach kaum einer Viertelstunde vor mich hintrat, hätte ich sie kaum erkannt. Sie war ungewöhnlich groß für eine Frau, aber die Kleider paßten ihr und nachdem ich ihr schönes Haar kurz abge- schnitten und sie mit einer Perücke, deren wir viele in nnserin Inventar hatten, unkeim- lich gemacht hatte, wäre Lydia für ihre eigene Mutter unkennlich gewesen. Ich wies sie an, wie sie gehen und stehen muffe und dann sank sie am Bertchen ihres Kindes nieder und küßte es unter heißen Thräueu und bitterem Schluchzen zum Abschied. Sie hing der Kleinen ein kleines goldenes Kettchen mit einer kleinen goldenen Haselnuß um de» Hals und sagte mir dabei, sie selbst habe die Kette getragen, bis ihr dieselbe zu eng geworden sei. Die Haßelnuß ließ sich öffnen; in der Höhlung derselben war der Geburts-
L o k ca L e s.
Wikdbad, 23. Aug. Gestern früh ist Herr Gcheimerat A. Krupp aus Essen mittels eigenen Salonwagens zu längerem Kurgebrauch hier eingetroffen und im Hotel Klumpp abgestiegen.
— Der kürzlich verstorbene Landtags-Abgeordnete Bleyer von Neuenbürg hat neben mehreren anderen Legaten, welche größtenteils seiner Vaterstadt zusielen auch des Wildbader Schützen-V crerns in hochherzi- Weise gedacht indem er demselben ein solches im Betrag von 300 Mk. zuwendete.