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konnte das Geleise nicht räumen, da die Linie nach Bern im Augenblicke nicht frei war; der zweite Zug soll die Signale nicht beobachtet haben. — Weiter wird gemeldet: Der Jura- Simplon-Zng Nr. 240 fuhr in den Supplementzug Nr. 2246 hinein, welcher vor dem Signa! in der Station Zollikofen hielt, da deren Geleise besetzt war. Die Maschine des Pariser Zuges und drei Personenwageu des Supplementzuges sind zertrümmert, ^Personen sind tot, 23 verwundet. Die Festfreude wurde durch das Unglück jäh unterbrochen.
Wien, 18. Aug. Die Entdeckungen von Mordthaten der Dienstmädchen-Mörder Franz und Rosalie Schneider mehren sich. Bis jetzt sind 3 Morde konstatiert, ein vierter wahrscheinlich. Alle Morde wurden in der gleichen Art ausgeführt, das die Mädchen unter Vorspiegelungen guter Stellen in den Wald gelockt wurden.
Wom, 13. Aug. Der Papst hat die Echtheit des heiligen Rockes in Trier gegenüber demjenigen in Argcnteuil anerkannt.
— Das russisch-französische Abkommen soll angeblich, wie aus St. Petersburg verlautet, folgende Punkte enthalten: 1) Wenn Frank-, reich den Krieg Deutschland erklärt, ohne daß ein besonderer triftiger Grund dafür vorlicgt, beobachtet Rußland vollständige Neutralität 2) Wenn Frankreich durch ein herausfordern- derndes Verhalten Deutschlands gezwungen wird, dem letzteren notgedrungen den Krieg zu erklären, so beobachtet Rußland eine Frankreich sympathische Neutralität und verstärkt event/ seine Truppen an der preußisch-östrei- chischen Grenze. 3) Wenn Deutschland den Krieg an Frankreich erklärt, ist eine Kooperation Rußlands und Frankreichs keineswegs ausgeschlossen. Anderseits sind in einem Krieg zwischen Rußland und dem Dreibund dieselben Vereinbarungen für Frankreich bindend. Ob diese Abfassung wirklich vorliegt, muß vor der Hand dahingestelli bleiben.
Untkichaltkndks.
Derfehmt.
Nach amerik. Motiv frei bearbeitet v. A. Geis e r.
(Fortsetzung.)
„Wo — sich — Katharina — Rockwald gegenwärtig — anfhält?" wiederholte Jen- kins gedehnt. ^
„Nun freilick — machen Sie doch nicht so lange Umstände."
„O Sarah," stöhnte der Zwerg, „wir sind wieder die Geprellten — wir sollen nun einmal kein Glück haben."
Frau Sarah schluchzte bitterlich.
„Ich hab's ja immer gesagt," murmelte sie nach einer Weile ingrimmig. „Du hättest nicht so lange schweigen sollen — damals, als Lydia zu uns kam, hätte unser Weizen geblüht, aber Du wolltest mir nicht glauben und jetzt haben wir die Bescheerung."
„Und wenn ich's nochmals zu thun hätte, würde ich genau ebenso handeln," sagte der Zwerg, indem er sich in die Brust warf; „ich bin zwar nur ein Liliput, aber deshalb heißt's bei mir doch, „ein Mann, ein Wort."
„Herr Jsnkius," wandte der Advokat sich an den Zwerg, „erzählen Sie mir, was Sie wissen — es soll Ihr Schaden nickt sein."
„Gott lohn's Ihnen," nickte Jenkins, „vielleicht hilft's Ihnen Loch auf die Spur."
„Wir wollen's hoffen — also Sie kannten Katharina Rockwald?"
„Jawohl nickte der Zwerg, während seine Gattin ein hörbares „leider" hervocstieß.
„Vielleicht teilen Sie mir zusammenhängend mit, wie Sie Katharina kennen lernten," sagte Herr Wapping lebhaft, „ich vermag dann eher zu beurteilen, welchen Wert Ihre Kenntnis einzelner Umstände har."
„Ach — die Erinnerungen sind für meine Frau und für mich ziemlich trübselig,* äußerte der Zwerg, wehmütig seinen dicken Kopf scküttelnd; „wir sind in den letzten Jahren so sehr zurückgekommen, während damals, als Lydia zu uns kam —"
„Aber Henry — der Herr weiß doch garnichts von Lydia!" fiel Frau Sarah dem Gatte» verweisend ins Wort.
„Wenn ich beständig unterbrochen werde, kann ich nicht erzählen," brummte Jenkins; „laß inich nur machen — ich weiß schon was ich zu sagen habe."
18. Kapitel.
„Im Jahre 1859," begann Jenkins jetzt endlich seine Erzählung, „kamen wir zuerst nach Amerika, und zwar a>s Besitzer des weltberühmten „Lilliputaner-Hyppodrom" und der „Fliegenden Trapez-Gesellschaft." Wir machten brillante Geschäfte, Las Unternehmen war damals völlig neu und die Leute schlugen sich um die Plätze zu unseren Vorstellungen. Wir reisten mit etlichen Waggons von Ort zu Ort; „meine Frau und eine Magd sorgten für die zehn Kleinen, welche die Lllliputaner Gesellschaft bildeten, und ich darf wohl behaupten, Laß es die Kinder bei uns gut hatten — besser als bei ihren leiblicken Eltern, die sie uns überlassen hatten. Im Sommer durchwanderte» wir die Nordstaaten — im Winter zogen wir nach Süden, und wäre nicht später der Bürgerkrieg ansgebrochen, dann hätten wir heute unser Schäfchen im Trocknen.
Im Herbst des Jahres 1860 kamen wir »ach Birginien, und nachdem wir hier in Richmond Vorstellungen gegeben hatten, hielten wir uns auch in den benachbarten Orte» auf und erzielten überall volle Hänser.
Eines Abends nach beendeter Vorstellung hatte ich eben begonnen, die Waggons zur Weiterreise in Stand zu setzen und unser Gepäck aufladen zu lassen, als meine Gattin plötzlich heftig erkrankte. Sie hatte sich am Morgen über unsere Magd, die unverschämt geworden war und viel höheren Lohn verlangt ^alte, geärgert — die Magd war davon gelaufen, und als nun Sarah einen heftigen Kolik-Anfall bekam und sich zu Bette legen mußte, stand ich wie verraten und verkauft inmitten der hülflosen Lilliputaner, während unser eigenes Kind — Gott hab's selig, damals war es kaum sechs Monate alt — schrie, als ob es am Spieße stäke. Na, was wollte ich machen; ich packte wieder ab, brachte die Würmer zu Bett und schichtete zwischen den Waggons Holz und Reisig, um eine warme Suppe für Sarah zu kochen."
Gerade als ich das Feuer angezündet, kam eine schlanke große junge Frau mit einem Säugling auf dem Arm des Weges; sie sah totmüde aus und bat mit Thränen in den Augen, ob sie sich einen Augenblick ans Feuer setzen und sich wärmen dürfe.
Selbstverständlich hatte ich nichts dagegen, ich Jochte meine Suppe und brachte Sarah einen Teller derselben; als ich wieder ins Freie trat und die Fremde fragen wollte, ob sie vielleicht hungrig sei, sah ich sie in totenähnlicher Ohnmacht neben dem Feuer kauern. Ich sprengte ihr kaltes Wasser ins Gesicht und sie kam bald wieder zu sich;
ich sah, daß sic halb verhungert war und daß ein Teller warmer Suppe ihr aufhelfe« würde. Nachdem sie sich gesättigt, wollte sie mir die Suppe bezahlen, aber ich hätte mick geschämt, Geld von ihr anzunehmcn, und ich sagte Ihr das."
„Es sieht ihm ganz ähnlich", fiel Frau Jenkins mürrisch ein; er verschenkt das Hemd vom Leibe, wenn ein Anderer es brauche« kann."
„Während das Kind der Fremden mit sichtlichem Behagen die warme Milch, die ich de,» armen Ding gegeben, rrank, hörten wir nieine Frau im Wagen jammern und klage». Ohne lange zu fragen, begab sich die Unbekannte ins Innere des Wagens und sie wußte die Kranke so geschickt zn betten und zn pflegen, daß Sarah glaubte, sie sei im Himmel. Am nächsten Morgen war sie bedeutend wohler; wir zogen weiter und waren überglücklich, als die Fremde sich erbot, uns zu begleite» und meiner Frau bei den Kindern hülsreiche Hand zu leisten. Den Winter über blieb sie bei »ns; sie pflegte unser armes kränkliches Kind mit rühiender Treue, und ihre Schuld ist's nicht, daß wir dasselbe trotzdem nicht ausbrachten."
Der Zwerg wischte sich die Augen und auch Frau Jenkins weinte still vor sich hin; endlich faßte sich Jenkins und fuhr fort:
„Mit der Zeit freilich fiel es uns auf, daß die Fremde, die sich Lydia nannte und die, wie uns ihre feinen weißen Hände und ihre ganze Erscheinung zeigten, entschiede» den höchsten Gesellschaftskreisen entstammte, ihr seltsam scheues Wese», welches ich anfänglich ans den Umstand geschoben, daß sie noch nie mit Lentsn unseres Schlages in Berührung gekommen, nicht abtegle. Sie war nicht dazu zu bringen, jemals einer Vorstellung beiznwohnen; sie trug beständig einen breitrandigen Hui, der ihr schönes Gesicht fast völlig beschattete, und wen,, wir auf der Reise waren, verließ sie den Waggon nur in den seltsamsten Fällen und niemals wenn wir einen Ort passirte». Auch schien sie nie das Bedürfnis zn haben, sich näher an uns anznschließen; sie war uns dankbar für das Unierkomme», das wir ihr und ihrem Kinde gewährten, aber sie sprach nur das Nötigste und zog sich zurück wie die -Schnecke in ihr Haus. Dabei war sie unermüdlich fleißig; sie nähte von früh bis spät für uns, und geradezu bezaubernd war die Art und Weise ihres Verkehrs mit den Kindern. Die Kleinen hingen an ihr, wie ich es nicht für möglich gehalten — unser Kind war nie fröhlicher nud lustiger, als wenn Lydia es wartete und pflegte, und Alles in Allem war sie ein Segen für uns.
Meine Frau hatte freilich von Anfang an geheimes Mißtrauen gegen Lydia — sie sagte, sie habe elwas zu verbergen, und sie passe ihr höllisch auf.
„Das that ich", nickte Frau Sarah, „ich fühlte, daß die Geschichte einen Haken hatte, und meine Schuld wars nicht, daß wir nicht schon damals den auf ihren Kopf gesetzten Preis verdienten."
(Fortsetzung folgt.)
Gemeinnützig es.
— (Zur Suppe n fr age.) Unsere Hausfrauen halten nüt einer gewissen allzu- großen Zähigkeit an der Gewohnheit fest, Rindfleisch weit häufiger abgekocht als gebraten auf den Tisch zu bringen, obwohl 6 doch eine längst bekannte That fache ist,