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Der Verkauf soll immer im Wald selbst statt­finden, dann sollte man auch nicht immer bloß große Verkäufe vornehmen, sondern auch auf die kleinen Leute Rücksicht nehmen und kleine Partien abgeben. Vielfach schiebe man die Schuld dem Eigenwillen der jüngeren Be­amten zu, die oft ein barsches Wesen haben, das sie von ihrer Stellung als Landwehr­und Reserveoffiziere in das bürgerliche Leben herübergenommen haben und das durch alle mögliche Versammlungen und dergl. künstlich gehalten wird. Es existiere eine Bestimmung, die den Beamten bei den Verkäufen von Nadelholz freundliches Benehmen auferlege, er denke, man solle diese Bestimmung doch auch auf die Verkäufe von anderem Holz- und Walderzeugnissen übertragen. Staats­minister v. Renner: Die früher von ihm ge­gebenen Verfügungen sollen auch heute noch Geltung haben, und zwar nicht blos für das Stammholz, sondern für die Holzverkäufe überhaupt. Wenn der Vorredner über zu strammes Benehmen der Oberförster geklagt habe, so seien das gewiß nur vereinzelte Fälle. Frhr. v. Hermann bringt die Zoll­verhandlungen mit Oestreich zur Sprache. Dieselben haben große Bedenken in landwirt­schaftlichen Kreisen erregt. Er fürchte, daß russisches, rumänisches, bulgarisches Getreide auf dem Wege über Oestreich, amerikanisches Getreide über Frankreich bei uns eingeführt werde. (Ruf: Holz?) Noch bedenklicher sei aber die Sache betreffs des Holzes. Die Wälder dukowina u. s. w. haben Millionen von Festmetern Holz zur Ausfuhr bereit und warten nur auf den billigeren Zoll. Schon seither sei sehr viel Holz von dort eingeführt worden, wie werde es in Zukunft sein? Er bitte die Regierung, ihren Einfluß im Bundes­rat geltend zu machen, daß nicht die vater­ländische Produktion politischen Gründen ge­opfert werde., Er habe noch einen weiteren Schmerz auf dem Herzen: den, daß in keinem Kapitel des umfangreichen Etats eine Position zur Bekämpfung der Nonne zu finden sei. Er bitte den Herrn Forstdirektor dieser Gefahr volle Aufmerksamkeit zu schenken.

9. April. (Landtag.) Die Frage einer Gehaltserhöhung der Forstmeister 2. Klasse rief heute eine längere Debatte hervor. Die Gehaltserhöhung war deshalb exigirt worden, weil es sich herausgestellt hat, daß nach der neuen Organisation die Oberförster 1. und 2. Klasse ein größeres Gehalt beziehen (3390 Mark resp. 3670 Mk.), als die Forstmeister 2. Kl., die nur 3570 Mk haben. Die Er­höhung wurde mit großer Majorität genehmigt. Auch den Revieramtsassistenten wurde eine Gehaltsaufbesserung zu Teil. Bei dem Kapitel über die Jagden befürwortete der Abg. Brcd- beck und Storz, die Jagden in den Staats­waldungen auch öffentlich zu versteigern wie die Gememdejagden. Der Finanzminister ver­teidigte aber die Beibehaltung des Regressiv- tums bei der Jagdausübung im Interesse der Kultur und Ordnung im Walde. Nicht ohne Widerspruch wurve dann die von Egger bean­tragte Aussetzung von Schußgeldern für Raub­vögel an die Waldhüter genehmigt.

Stuttgart, 9. April. Heute Nacht feuerte in der Kronprinzstraße ein den besseren Ständen angehörender Mann auf den Nacht­posten vor dem Kanzleigebäude, dem sog. Stockgebäude, einen Revolverschuß ab, ohne zn treffen, worauf der Bedrohte ein Einjährig- Freiwilliger, den Attentäter zu fassen versuchte. Während des Kampfes, kaum 1 Minute nach dem ersten, fiel auch der zweite Schuß, glück­licherweise ebenfalls ohne zu treffen, nun Me zur Hinterthür des Stockgebäudes heraus

der Wächter und Heizer Jakob Jäger dem Posten zu Hilfe. Er ergriff die Hand des Attentäters, in welcher derselbe den Revolver hatte, der soeben wieder knackte, ohne loszu­gehen, und zwang ihn, die Waffe fallen zu lassen. Mit großer Kraft wehrte sich der Angreifer, doch gelang es Jäger, ihn bald zu Boden zu werfen und festzuhalten, bis ein Schutzmann zu seiner Verhaftung herbeieilte. Auf der Königsstraße sträubte sich der Festge­nommene auf das heftigste und es bedurfte dreier Männer, um ihn zur Polizei zu bringen. Dabei schrie er so laut um Hilfe, daß trotz der frühen Stunde die Fenster der Königsstraße sich öffneten und die aus dem Schlaf Gestörten erschreckt nach der Ursache des Lärms sahen. Der Thäter ist dem Ver­nehmen nach ein geistesgestörter früherer Offizier.

Tübingen, 6. April. Bekanntlich hat man in Tübingen seit längerer Zeit schon behufs weiterer Einbeziehung der Stadt in das Eisenbahnnetz sich für eine neuzuschaffende Bahnlinie Tübingen-Böblingen erwärmt, die durch den Schönbuch führen würde. Dem­zufolge tritt nun Oberamtmann Völter in Herrenberg für ein Projekt Tübingen-Herren­berg ein, bei dem die Bahn durch das Am­merthal führen würde. Eine Denkschrift Völters über dieses Projekt schlägt die Kosten auf 5540000an, 3 784 000 ^(weniger als das Projekt Tübingen durch den Schön­buch nach Böblingen erfordern würde. Für die Schönbuchlinie kämen auch nur 6 Orte mit 5869 Einwohnern, für die Ammerthal­linie aber 28 mit 25 422 Einwohnern in Be­tracht. Ferner sei leicht eine Fortsetzung nach Teinach an die Nagoldbahn zu ermöglichen. Während zudem der Schönbuch meist unbe­wohnt sei und die 6 erwähnten Orte ja doch nicht nach Tübingen Verkehr haben, führt das Ammerthal jetzt 700 000 Zentner Gips, Sandstein, sowie nicht unbeträchtliche Holzvor­räte, Frucht, Obst und Hopfen aus und ver­kehrt stark mit Tübingen. Eine große Vieh­zucht, viele Mühlen und Brauereien sind vor­handen. Da auch schon der akademische Senat im Hinblick auf eine Zusage der Regierung vom Jahre 1872 sich für eine bessere Verbin­dung Tübingens mit Stuttgart aussprach, so hofft die Denkschrift auf baldige Erfüllung der in ihr niedergelegten Wünsche.

Küöingen. (Schwurgericht.) Johannes Schmollinger, verheirateter Taglöhner von Al­tingen OA. Herrenberg, wurde wegen Ver­brechens wieder die Sittlichkeit zu einem Jahr Zuchthaus und zum Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte auf vier Jahre verurteilt.

Wb'hingen. Teure Hasenbraten bekom­men einige Stutgarter Herren, welche die Jagd auf hiesiger Markung auf 6 Jahre um jährlich 320 ^ pachteten. Seither bezahlten die hie­sigen Jagdpächter jährlich 15 ^ an die Ge­meindekasse, um etwa 40 Hasen jährlich das Lebenslicht ausblasen zu dürfen, da es andere Jagdtiere wenig gibt.

Aulen, 6. April. Alle Wiederbelebungs­versuche anjden in dem Weiher bei Hohenroden ertrunkenen 7 Knaben waren vergeblich. Es gelang nur mit genauer Not 2 von 9 zu retten und schnelle Hilfe war ausgeschlossen. Dem Besitzer eines nahe gelegenen Hofes bl,eb nur noch die traurige Aufgabe, die so jäh aus dem Leben Geschiedenen ihren Angehörigen nach Lauterburg zu bringen. Der Vorgang selber wird als ein ganz entsetzlicher geschildert. Die mit dem Tode ringenden Knaben bildeten einen Knäuel und zogen einander in die Tiefe und bald bczeichneten nur ihre auf dem Wasser schwimmenden Mützen die Stelle, an welcher sich das furchtbare Unglück vollzogen hatte.

Mundelsheim, 7. April. In dem be­nachbarten Ottmarsheim ist ein im Oberamt und in weiteren Kreisen wohlbekannter Mann gestorben, Adlerwirt Hermann. Derselbe war ein äußerst rühriger Landwirt, der alle auf einem kleineren Gute anwendbaren Neuerungen erprobte und für seine Thätigkeit vor einigen Jahren auch durch den Septcmberpreis aus­gezeichnet wurde. Vor allem ist seine Thätig­keit auf dem Gebiete der Bienenzucht und des Hopfenbaues hervorzuheben; seine nieder» Ho­pfendrahtanlagen wurden vielfach bis nach Oester­reich hinein nachgeahmt. Seine höchste Freude war es, seine verschiedenen Anlagen (die in der That auch sehenswert sind) zeigen und dabei lehrhaften Aufschluß zu geben. In seinem Aeußeren und Auftreten war er schlicht und einfach. Autodidakt in seinem Wissen, hielt er auf letzteres viel und bezeichnend ist es, daß er einmal auf die Bemerkung, es sei doch schade, daß er nicht in Hohenheim gewesen sei, stolz lächelnd erwiderte: Hohenheim kommt zu mir, um zu lernen.

Waveusburg, 4. April. Die Strafkam­mer verurteilte den Ankuppler Jos. Auffinger von Aßmannshardt, OA. Biberach, wegen Unterschlagung (Funddiebstahls des Friedrichs­hafener Postbeutels mit 26,500 Goldin­halt und Briefschaften) sowie wegen Diebstahls ärarischer Kleidungsstücke (von Auffinger wäh­rend seiner militärischen Dienstzeit in Wein­garten als Kammerunteroffizier begangen) zu der Gefängnisstrafe von 2 Jahren 1Ue Mo­naten, sowie 3jährigem Ehrverlust, seine Frau Marie wegen Hehlerei zu 6 Monaten Gefäng­nis. Bei beiden kommen 1*/s Monate Unter­suchungshaft in Anrechnung.

N u u 0 s ch a u.

Karlsruhe. Die bei dem großen Brande in der Seminarstraße in Karlsruhe aufgefun­denen Fleischteile waren derLandp." zufolge nicht Ueberreste des Mühlburger Dienstmäd­chens, sondern ein angekohlter Schinken. Der­selbe wurde irrtümlich in einer Kiste auf den Friedhof gebracht, später aber als Schinken richtig erkannt und von den Arbeitern zum Frühstück qerzehrt.

Im Walde bei Aadeuweiker hat sich dieser Tage ein 13jähriger Knabe, der Sohn einer «ermöglichen Witwe, erhängt, weil er dabei betroffen wurde, als er sich vom Tische seines Onkels einen Pfennig aneignete.

Aerlin, 3. April. Das Lesen überspann­ter Romane hat vor einem Monat eine 13jäh- rige Schülerin in Berlin veranlaßt, einen Schuß aus einem Revolver auf sich abzugeben. Das Kind, bis jetzt noch nicht wiederhergestellt, ist erst in diesen Tagen vernehmungsfähig geworden. Es verweigert aber beharrlich jede genauere Angabe des Grundes für seine That.

Aus Sachsen, 4. April. Der Wiener Schnellläufer A. Dibbels wurde vor einigen Tagen, als er sich in Döbeln produzierte, nachdem er 25 Mal um den dortigen Nieder- markt herumgelaufen war, törlich vom Schlage gerührt. Wenige Tage vorher war Dibbels in Oschatz von einem Soldaten im Wettkampf besiegt worden.

Konflantinopek, 4. April. Die Ort­schaft Avil-Djevas im Distrikt Van auf klein­asiatischem Boden, ist am Freitag durch ein Erdbeben verwüstet worden. 146 Häuser sind völlig in Trümmer gestürzt, 240 weitere Ge­bäude wurden stark demoliert. Hunderte von Menschenleben sind zu beklagen; das Elend unter der überlebenden Bevölkerung ist groß. Wie verlautet, hat der Sultan sofort 500 türkische Pfund (10 000 ^!) für die Opfer der Katastrophe angewiesen.