Nr. 239.
Amts- und Anzeigeblatt für den Oberamtsbezirk Calw.
93. Jahrgang.
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Freitag de« 11. Oktober 1918.
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Die Antwort an Wilson bevorstehend.
Zur Kriegslage.
Vor der Antwort an Wilson.
Der Fochsche Zangengedanke wird von den Ententeheeren, «ie vorauszusehen war, fortgesetzt. Der gewaltige Druck vcn Westen sauf der Linie Tambrai—St. Quentin) und Süden (Reims—Verdun) wird mit — man konnte fast sagen — nach steigender Intensität aufrechterhakten, jo daß i.nsere Schulterstellung St. Quentin —Laon Reims tat- löchlich eine Belastung ausznhalten hat, die mit zu dem Schwersten gehört, was bisher von unser« heldenmütigen Verteidigern im Westen an Widerstand geleistet werden mutzte. Erreichen nämlich unsere Feinde zwischen Tambrai und St. Quentin oder zwischen Reims und Verdun einen Durchbruch, so ist die selbstverständliche Folge die Notwendigkeit der Aufgabe unserer gesamten Stellung im Raum von Laon, und damit eine weitere Räumung von Nordfrankreich. Halbwegs Tambrai—St. Quentin ist den Engländern und Franzosen ein tiefer Einbruch in unsere Stellungen gelungen, auch Tambrai muhte geräumt werden, ater einen Durchbruch konnte der Gegner nicht erreichen. Nordöstlich von Reims und nordwestlich Verdun kommen die Franzosen bezw. Amerikaner trotz größten Einsatzes nicht mehr recht vorwärts, lleberhaupt ist die Gesamtlage jetzt wieder zu einer gewissen Ausgeglichenheit gelangt, so dr.tz trotz des Ernstes der Situation keine Gefahr mehr für lstbrrraschungen bestehen dürfte. Wenn aber unser Heer oushält, so ist auch die Gefahr für uns gebannt, einen be- ?ingungslosen Frieden schließen zu müssen. An der Wüstst cnt wird sich das endgültige Schicksal des Krieges entscheiden. Vermag das Ententeheer in den nächsten Monaten nicht n' ' -"itcr vorzudringen, so werden die Ausscheidung der farlugen Truppen und vor allem unser U-Vootkrieg über den Winter den Ausgleich wiederherstellrn; das aber möchte die Entente vermeiden: denn die Zeit arbeitet diesmal für uns. Trotz aller Verschleierung, trotz der schärfsten Absperrungsmatznahmen, trotz der rücksichtslosesten Unterdrückung aller friedensfreundlichen Reußerun- gen im feindlichen Lager ist uns doch bekannt, daß die europäischen Alliierten nicht mehr allzulang wirtschaftlich aushalten können, weil ihnen die Kohle und der Schiffsraum^» Aufrechterhaltung der Kriegswirtschaft und Ernährung immer mehr fehlt. Und schließlich haben die Völker der Alliierten immer noch eine starke Disziplin, weil sie wissen, daß das Ergebnis des Krieges davon abhängt, wer in den letzten 5 Minuten noch die Nerven behält. Es ist zwar in den letzten Wochen viel auf uns ringt stürmt, aber wir muffen jetzt unsere Beherrschung wieder- ftnden; denn jetzt gilt es mehr denn je. Wir wollen doch wab-hastig keinen „bulgarischen Frieden" oder „Waffenstillstand", der sich jetzt so entwickelt hat. daß die Vulgaren ilr Land der Entente zur Verfügung stellen muffen Die Vertreter der Mittelmächte haben das Land verlassen müssen und demnächst zieht ein französisches Regiment zum „Schutz" der bulgarischen Hauptstadt in Sofia ein. Infolge dieses bulgarischen Zusammenbruchs mutzten die Verbündeten in Serbjsch'Mazcdonien und Albanien zurückgehen und die Ententetruppen sind schon etwa 60 Kilometer tief im alten Serbien (bis Leskovac) vorgedrungen. Welche militärischen Maßnahmen eigentlich auf dem Balkan geplant sind, ist heute noch nicht ersichtlich. Auch die militärische Loge der Türkei ist wenig erfreulich. Die Engländer haben nun Palästina un^ Syrien erobert; sie sind in Aleppo eingezogen, und schicken'sich an, gegen Kleinasien vorzugehen. Diese ungünstige Entwicklung hat zweifellos, den Ministerwechsel in der Türkei verursacht, der unfern treuesten Anhänger Enver Pascha zum Rücktritt veranlatzte. Auch das türkische Kabinett dürste sich auf Waffenstillstands und Friedensoerhandlungen einrichten. Was nun Oesterreich-Ungarn anbelangt, so stehen unsere Verbündeten nach außen hin immer noch treu zu uns, militärisch und politisch, aber im Innern sind Ereignisse im Gange, die die Stoßkraft der Donaumonarchie ganz erbeblich herab-
Prinzipielle Einigung über die Antwort a» Wilson.
(WTB.) Berlin, 11. Okt. Das sogen. Kriegvkabinett der ne«en Regierung, bestehend aus Reichskanzler, Vizekanzler und Staatssekretären ohne Portefeuille, hat schon auf Grund des zuerst vorliegenden, noch nicht authentischen Textes der Wilsonnote die sich für die deutsche Politik ergebende Lage durchgesprochen und ist nach Verhandlungen mit der Obersten Heeresleitung zu einer prinzipiellen Einigung über die Antwort gekommen. Die endgültige Fassung derselben muß bis nach Prüfung des ganzen Wortlauts der Wilsonnote ver tagt werden. Nachdem der amtliche Text, laut „Nordd. Allg. Ztg.", gestern in den Abendstunden der deutschen Regierung übermittelt wurde, dürste die letzte Redaktion der Antwort nicht mehr lange auf sich warten kaffen
mindern, Um dieses schädliche Moment, wenn auch nicht zu beseitigen, so doch zu mildern, wird jetzt der österreichische Kaiser allen Nationalitäten volle Autonomie zufichern. Doch darf man Zweifel haben, ob dieses Zugeständnis noch irgend eine Wirkung in einigendem Sinne haben wird. Tie Tschechen und Südslaven wollen vollständige Loslösung vom österreichischen Staat und die Polen wollen sich dem neu erstehenden großpolnischen Staat anfchlietzen und wiin scheu dazu sogar noch deutsches Gebiet von Schlesien, Posen und Westpreußen. Es scheint aber Aussicht vorhanden zu st in, daß die Polen ihre Wünsche im Interesse künftiger Beziehungen mit den deutschen Staaten mäßigen.
Diese Eesamtlage werden wir uns vor Augen zu halten haben, bei Beurteilung der bevorstehend es Antwort auf die Erklärung der amerikanischen Regierung Me wir gestern nur ohne Kommtar mitzuteil.-n ver?-.achter hat die Washingtoner Regierung auf unser Waffenstrllst. rd, angebot vorerst nur in zwei grundsätzliche« Gegenfragen ge antwortet, nämlich der indirekten Frage, ob wir zwecks Beweises für unfern ehrlichen Friedenswillen vor Abschluß eines Waffenstillstands zuerst die von uns besetzten feindlichen Gebiete räumen wollen, und zweitens der direkten, etwas eigentümlichen Frage, ob das deutsche Angebot ledig- stch von den Gewalten ausgehe, die bisher für die Kriegführung verantwortlich gewesen seien, oder aber — das sagt die Note nicht, jedoch will sie es sagen — ob jetzt eine wirkliche Volksregierung am Ruder sei, die den Willen des 8»samten deutschen Volkes kundgebe. Letztere Frage hätte sich Herr Wilson schenken können, denn er weiß wohl, daß wir heute eine parlamentarische Regierung haben, wie sie rn keinem feindlichen Staat auf die Nolksmehrheit sich stützen kann. Es scheint aber, daß sich unsere Regierung an.diese politischen, auf moralische Wirkung berechneten Spitzfindigkeiten nicht kehren will, sondern im Hinblick auf ihre nationale Aufgabe die Möglichkeit einer Fortführung des Friedensschrittes in erster Linie beachten wird. Deshalb wird sie wahrscheinlich der Washingtoner Regierung, (die, das mutz zugegeben werden, sonst im Gegensatz zu der feindlichen Presse aus allen Lagern, ruhig und sachgemäß sich verhalten hat) antworten, daß unsere derzeitige Regierung in ihrer Zusammenfassung tatsächlich den Millen der Volksmehrheil-verkörpert Was die Frage der fst ' der besetzten Gebiete anbelangt, so ist sie rein militärischer Natur, weshalb wir zu ihr nicht Stellung nehmen können. Aber wir habän die Sicherheit, daß sie nur nach Anhörung der Obersten Heeresleitung (Ludcndorff ist ip Berlin) ent schieden wird. Sich jetzt auf Kombinationen einzulassen, hat keinen Zweck, da die Gesamtantwort in nächster Bälde erfolgen wird. Doch auch sie dürfte größtenteils miedet auf Gegenfragen aufgebaut sein, weil anzunehmen ist, daß so wichtige Entscheidungen nicht ohne vorherige Versiehe rang über Mindestbedingungen getroffen werden. Die Antwort Wilsons hat schon eine Wirkung gehabt, nämlich die >u der „Agence Havas" zum Ausdruck gekommene Befürchtung der französischen Regierung, sie könnte ihre ausschweifenden Kriegsziele am Ende doch nicht erreichen, wenn Wilsons Programm von der Anerkennung der Selbständig
keit der Nationalitäten ehrlich und unparteiisch durchgeführt werden müßre. Das wird sich eben jetzt zeigen müssen, ob Wilson tatsächlich seine Friedecksgrundsätze nach beiden Leiten hin zur Geltung bringe.- will und ,u bringen die Macht hat. O- 8-
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Di« Frage der Teilnahme Hanßmanns an der Regierung.
(WTB.) Berlin, 11. Okt. Wie die „Nordd. Allg. Ztg." aus politischen Kreisen erfährt, entspricht es nicht den Tatsachen, daß der fortschrittliche Reichstagsabg. Haußmann für einen wichtigen diplomatischen Außenpostsn in Aussicht geno! en sei, vielmehr sei beabsichtigt, di« Stellung eines irrten Staatssekretärs ohne Portefeuille zu schaffen, die cr Abgeordnete Haußmann übernehmen werde.
Eine neutral« Stimme über di« Haltung der Angelsachsen.
(WTB.) Haag, 10. Okt. „Nieuwe Tourant schreibt Die alliierten Länder haben daran r tgearb-.itet, daß die Kluft zwischen den Feinden so groß geworden ist und un öbcrbnhlbor erscheint, daß allein di« Vernichtung einer kriegst de« Partei dem Kriege ein Ende machen kann; denn die Ansicht, daß dos deutsche Volk ein Volk von Verbrechern ist, hat sich wohl im Kopfe jedes Durchschnittsengländers und Amerikaners und Franzosen festgesetzt. Eine selche Anschauung kann nicht mit einem Mal ausgerottet werden '"'mit haben auch die Regierungen der betr-f- st-nden ,u rechnen. Die erste Aufgabe der englisch«,-
und an -sehen Regierung scheint uns im gegenwärtige"
Augenblick die geistige Vorbereitung ihrer Völker auf de- k-,„wenden Frieden zu sein. Wilson kann das aus s> h en, da wir wissen, daß er in hohem Maße sein VoU und es in der gewünschten Richtung leiten kann .> WLson das aber tun wird, ist etwas anderes und wird bch aus der Antwort an den Prinzen Max ersehen lassen Latz Lloyd George zu einer gemäßigten Politik bereit sein wird, ist nicht ausgeschlossen. Er ist ein zu geschickter Staatsmann, als daß er nicht eine schnelle Kriegsbeendigung einem entsetzlichen Endkampfe vorziehen würde, da ip legieren? Falle England gegenüber Amerika benachteiligt roä- - Wir glauben, daß Englands und Amerikas Führers keine Gefahr bei Verhandlungen lausen werden. Daß Deutschlands Kanzler Wilsons Programm zur Basis für Verhandlungen annehmen will, ist doch natürlich. Kr-n Land wird sich auf Leben und Tod dem Gegner ergeben, solange e» nicht machtlos tst. Wilson kann sich einen hohen Plu^ unter den Staatsmännern seiner Zeit erobern, wenn er jetzt die Friedenstür wenigstens nicht gewaltsam zuwirst I dt n utz Wilson sachlich und klar sagen, wie er über d- löge denkt.
Zur österreichischen Nationalitätenfrage.
(WTB.) Wien» 10. Okt. Der Korrespondenz Austria .zw stlge faßte die Thristlichsoziale Bereinigung der deutschen Abgeordneten folgenden einstimmigen Beschluß: Die Thristlichsoziale Vereinigung der deutschen Abgeordneten n'mmt, indem sie das Selbstbcstimmungsrecht der slavischen und romanischen Nationen Oesterreichs anerkennt, dasselbe Recht auch für das deutsche Voll in Oesterreich in Anspruch. Sie ist bereit, auf dieser Grundlage mit den Vertretern der anderen Nationen über die Umwandlung Oesterreichs in eine Föderation freier nationaler Gemeinwesen zu verhandeln. Wir verlangen, daß sämtliche deutschen Gebiete Oesterreichs zu einem nationalen Gemeinwesen vereinigt werden, das das Selbstbestimmungsrecht des deutschen Volkes ouszuüben berufen ist. Die Unterwerfung deutscher Gebiete Oesterreichs unter ein fremdes nationales Gemeinwesen lehnen wir unbedingt und für immer ab. Zur Annahme gelangte auch einmütig, daß die Lhristlichsoziale Vereinigung selbstverständlich an ihrer religiösen und dynastischen Ueberzeugung festhält.
Unversöhnlicher tschechischer Deutschenhaß.
* Berlin, 11. Okt. Laut „V. L.-A." wurde in der letztet Sitzung des Prager StadtverordnetenkollegiunP der As
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