382
Wien, 7. Nov. Die „Pol. Corresp." erfährt bezüglich des Elsenbahnunfalles bei Borki, daß die Rettung des Kaiserpaares einzig dem Umstande zuzuschreiben sei, daß die Wänoe des Wagen gegen einander fielen und so einen Schild gegenüber dem einstürzenden Dache bildeten. Die Entgleisung sei teilweise durch den traurigen Zustand des Wagens des Verkehrsmini- stcrs herbeigeführt worden. Folgende Aeußerung des Zaren wird mitgeteilt: „Betrug, Diebstahl und Pflichtvergessenheil haben das Unglück veranlaßt. Bei Gott, es soll anders werden!"
Mom, 6. Nov. Aus Demonte wird berichtet, daß infolge des außerordentlichen Schneefalls an der Grenze alle dortigen Befestigungsarbeiten eingestellt werden müßten. Auf dein Solle del Malo erreichte der Schnee eine Höhe von einem Meter. Es werden zufolge dieser Störung sämtliche Arbeiter bis zum nächsten Frühjahr entlassen.
In Aaris ist in einer Wechselstube der Rue du Louvre ein Einbru.hdiebstahl verübt worden. Es sind 20 000 Fr. in Banknoten und Gold, sowie mehr als 100 000 in Wertpapieren entwendet worben. Bon den Dieben, welche ei» Stemmeisen, eine Feile und eine Laterne zurückließen, fehlt jede Spur.
Mern, 6. Nov. Heute Morgen ist in Montreux der Hauptwasserbehülter für den Betrieb der elektrische» Bahn Vivis-Chillon geborsten. 5 Häuser sind eingestürzt, viele beschädigt: 7 Personen sind umgekommen, 7 wurden verwundet, von denen heute eine gestorben ist. Die Magazine von Bernex stehen unter Wasser, der Verkehr auf der Westbahn zwischen Clärens und Montreux ist vorübergehend unterbrochen.
London, 8. Nov. Der St. James Gazette zufolge hat das zum Mittelmeergeschwader gehörige Panzerschiff Agamemnon Befehl erhalten, nach Sansibar abzugehen.
Koustantinopek, 6. Nov. Aus Petersburg wird der Pforte mitgeteilt, daß die zari- sche Regierung der russischen Presse verboten habe, eine feindselige Sprache gegen die Türkei zu führen. Gleichzeitig wird hier hervorgehoben, daß die italienischen Blätter forlfah- ren, den Sultan und dessen Politik heftig anzugreifen.
— Ein scheußlicher Gattenmord wird aus Bukarest, wie folgt, gemeldet: Im Dorfe Balsch lebte seit Jahren der Bäckermeister Hristea, welcher sich einige Tausend Francs gespart hatte. Seit einiger Zeit war derselbe an beiden Füßen gelähmt, weshalb seine Frau auf ein Mittel sann, sich seiner zu entledigen Sie trat in intime Beziehungen zu einem ihrer Gehilfen und versprach ihm, ihn zu heiraten, falls er behilflich sein wollte, den Hristea bei Seite zu schaffen. Der Gehilfe sagte seine Unterstützung zu und so gingen denn Beide am folgenden Abend an die Ausführung ihres, teuflischen Planes. Als das Ftuer im Ofen stark brannte, verband das Weib ihrem schlafenden Gatten den Mund und trug denselben im Verein mit ihrem Gehilfen an den Ofen, wo sie ihn schnell ins Feuer schoben Zum Ueber- fluß gossen sie auf den bald Betäubten noch Petroleum, so daß der Körper in kurzer Zeit total verbrannt war. Zu Nachbarsleuten äußerten dre Mörder, daß Hristea nach Bulgarien gegangen, um dort Erholung zu suchen. Man zweifelte aber daran und bewog den Primär (Gemeindeältesten) in Begleitung des Arztes eine Haussuchung vorzunehmen. Man fand nichts Verdächtiges, weder Blutflecken, noch blutige Werkzeuge rc. Schon wollten sie gehen, als sich der Bezirksarzt dem Ofen näherte und die Asche ansah. Die gefundenen Kalkspuren bestärkten seinen Verdacht, und er
ließ die ganze Asche herausnehmsn. Da fand er Knochenreste: ein Stück vom Schädel, ein Rest des Schulter- und Backen-Knochens, Fragemente zweier Halswirbel rc. Nunmehr legte das Weib ein Geständnis ab, nur behauptete sie, daß sie den Hristea, als er schon erwürgt war, in den Ofen steckte. Aber die bläuliche Färbung der Knochen, eine Folge des durch große Hitze verursachten Austrittes von kochenden Blutmassen widersprachen dieser Behauptung. Die Unmenschen wurden beide verhaftet.
Ileivyork, 8. Nov. Nach den neuesten Nachrichten soll Harrisson 233, Cleveland nur 168 Stimmen bei der Präsidentenwahl erhalten haben. Es soll jedoch die Mehrheit der Republikaner im Repräsentantenhaus nur eine geringe sein
— Nach telegr. Berichten aus Aeivyork ist bei der Präsidentenwahl General Harrison, Senator von Indiana, für die nächsten 4 Jahre zum Präsidenten gewählt. Damit fällt die Herrschaft von oen Demokraten, die nur eine einzige Wahlperiode sich ihrer erfreuen durften, wieder an die Republikaner zurück. In den Ver. Staaten giebt es 38 Staaten, 10 Gebiete und den Distrikt von Washington. 'Nur die 38 Staaten sind wahlberechtigt, und sie haben eine der Gesamtzahl ihrer Senatoren und Abgeordneten gleiche Anzahl von Präsi- dentenwahlmünnern, die sog. Elektors, zu wählen. Im Ganzen giebt es 401 Elektors, die unmittelbar durch das Volk gewählt werden. Die größte Anzahl Elektors hat Pennsylvanien mit 30 und die kleinste Nevada mit 3. Die demokratische Parteiversammlung (Konvention) wurde in Chicago (Jllionis) am 4. Juni gehalten; die republikanische Konvention am 19. Juni in St. Louis (Missouri). Die Wahl des Präsidenten findet nach der Verfassung am ersten Dienstag des November statt, doch wird der Präsident, der einen Jahresgehalt von 50 000 Doll, bezieht, erst am kommenden 4. März eingesetzt. Von den Demokraten war der gegenwärtige Präsident Cleveland, von den Republikanern der Senator Harrison aufgestellt. Man berechnete, daß die Republikaner über 175 und die Demokraten über 155 Stimmen verfügen, so daß die sog. zweifelhaften Staaten, nämlich diejenigen, die unabhängig von Parteirücksichten wählen, den Ausschlag geben mußten.
Aus Zanzibar wird unter dem 4. dies gemeldet: Lieutenant Fitzherbect von der ..Al- gerine' hat ein großes Sklavenschiff, welches 200 Sklave» an Bord hatte, an der Nordküste Madagaskars gekapert. Die beiden Boote des britisch » Offiziers schlugen um, er richtete sie aber wieder auf und setzte die Jagd, mit einem Gewehr und 4 Revolvern bewaffnet, dennoch fort. Die Araber unterhielten ein heftiges Feuer, bis alle Boote in der Brandung gescheitert waren. Die Sakolavas führten darauf alle Sklaven bis auf 27 fort, welche von Fitzherbert gerettet wurden.
Unterhaltendes. Des Kaufes Dämon.
Roman aus dem Englischen von August Leo.
(Nachdruck verboten.)
(Fortsetzung.)
„Ich wünschte, sie hätte das nicht gesagt", flüsterte er leise. „Gut oder schlecht, edel oder unedel, eine Mutter ist eine Mutter und ihr Kind müßte sie verteidigen. Es ist wahr, Cecil hat mein Leben ruiniert und doch wäre es mir lieber, wenn Clara zärtlich an sie ge
dacht hätte, gleichviel, was sie war. Ich sollte mich glücklich fühlen und doch habe ich keine Ruhe im Herzen. Ich fühle mich zu dem Kinde hiagezögen, aber nicht so innig, wie ich es wünschte. Vielleicht ist es deshalb, weil C.cil ihre Matter und der Anblick ihrer Tochter die alte» Wunden wieder frisch bluten läßt. Schöne Cecil! Wo mag sie jetzt nur sein? Lebt sie oder ist sie tot? Vielleicht singt sie wieder wie früher, in den elenden Vergnügungsorten. — Nach der Art, wie sie mich bebetrogen hat, ist sie zu allem fähig. Und doch — sie liebte mich! Ich weiß es, daß. sie mich liebte! —. Und trotz allen Kummers und Schande, die sie mir brachte, habe ich doch glückliche Tage mit ihr verlebt. Ach! wäre es doch nicht so gekommen! Wäre sie anders gewesen, oder - hätte» ivir uns nie gesehen! O Gott! Blei» ganzes Leben ist > r dieser Liebe aufgegangen, — und der Gedanke daran wird mich nie verlassen — niemals ! Mein Herz ist zu Asche geworden, doch das Feuer brennt darunter. Und wie ich sie lieble, kann ich nie wieder lieben, nicht mein eigenes Kind! Ja, meinem Herzen kann ich es wohl eingestehen. Ich bi» enttäuscht! Ich glaubte so fest, sie würde Cecil ähnlich sein, freute mich auf blondes Haar und blaue Äugen und — und — o, wenn sie nur nicht so zu Prudence gesprochen hätte! Ich möchte sie lieben, — ich muß sie lieben, — ich null sie lieben! Sie ist ein Blatt jener goldenen Vergangenheit und ich darf nichts zwischen uns treten lassen. Ich muß mein Herz lehren, das ihre zu suchen, doch — sie sprach gegen ihre liebe Mutter!"
Das edle Herz dieses Mannes konnte das nicht verschmerzen. Wenn auch Cecil Ruys- dene sich unwürdig gezeigt, er hatte sie doch geliebt, — dieses Mädchen war ihr Kind und sein Herz sagte ihm, er würde seine Mutter gegen die ganze Welt verteidigt haben.
Felicia war schön, aber eitel und kalt wie eine Marmorstatue: zu dieser Ueberzeugung gelangte er, noch ehe sie Newyork verließen, denn er war so weit gekommen, sie zu kritisieren, als ob sie das Kind eines Fremden wäre, während sie, nachdem üe das Ziel ihrer Wünsche erreicht, sich in den Strudel des Modelebens stürzte und nach und nach die schmeichelnde Sanftmut fallen ließ, die sie im Anfänge zur Schau getragen, wenn sie nicht gerade ganz besondere Wünsche hatte.
„Sie ist noch jung, dieses Leben ist ihr neu und die Liebe ivirv sie vielleicht ändern", dachte er, indem er seine Ueberzeugung zu beschwichtigen suchte. „Wenn Falcon erst ihr Herz geweckt, wird vielleicht auch meine Liebe zu ihr erwacheii. Min edler Filcon! wenn sie nur Deiner würdig ist! wie zärtlich er mich in s.anem letzten Briefe beglückwünscht! Wie begierig er sich nach Clara erkundigt! Großes, edles Herz! Ich glaube, ich liebe ihn mehr als mein eigenes Kind!"
So ging die Komödie weiter! Felicia, welche in der Seide und mit den Juwelen, die sie sich durch Lug und Trug erkauft, noch berückend schöner aussah als vorher, bewegte sich in seiner Nähe wie eine glänzende Fee, doch nichts brachte ihn ihr näher; er war stolz auf sie, wie auf eine Statue, die nur die Bewunderung der Sinne hervorruft.
Nach acht Tagen verließen sie die Stadt und John Nupsdene führte die schöne Betrügerin in das Schloß seiner Väter.
9. Schloß Nuysdene.
Ein ruhiger, schöner Novembertag neigte sich seinem Ende zu, die Sonne ging in violetter Pracht unter. Die kleinen Wölkchen am