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Tagen schon eine solche in dem württbg. Dorfe Salmbach sich niederlassen. Auf 1. Okt. d. I. wird der Pforzh. Beobachter in andere Hände übergehen. Der bisherige Eigentümer, Männer, hat solchen an Binder iu Bonndorf verkauft.

Kaste! (bei Mainz), 21. Juni. Zwei Soldaten vom 117. Regiment, welche vor einigen Wochen einen hiesigen Posten mit ihrem Seitengewehr angegriffen haben, sind, wie der hiesiqen Garnison gestern auf der Parole zur Warnung mitgeteilt wurde, zu 14 bezw. 11 Jahren Zuchthaus verurteilt worden.

Werkin, 27. Juni. Mit großer Feier­lichkeitwurde der preußische Landtag eröffnet. Die Thronrede enthält das feierliche Gelöbnis, die Verfassung des preußischen Landes unver­brüchlich zu halten; eine Erweiterung der Rechte der Krone nicht anzustreben. Allen religiösen Bekenntnissen wird der gleiche Schutz versprochen, und werde der Kaiser und König sich bemühen, den kirchlichen Frieden zu er­halten. Die Selbstverwaltung solle ausge­bildet, die Steuererleichterung weiter verfolgt und dringliche Bedürfnisse befriedigt werden.

Der Eindruck der Landtagsthronrede ist bei allen Schichten der Bevölkerung der günstigste, namentlich wird das vorbehaltlose Gelöbnis unverbrüchlicher Verfassungstreue hervorgehoben und der Schutz aller Kon­fessionen. (Pf. B.)

Merlin, 28. Juni. Der Kaiser hat nach derKreuzzeitung" befohlen, daß eine Krönung nicht staitsinde. Nach demselben Blatte soll kein Amnestieerlaß bevorstehen

Der Kaiser hat den Präsidenten des Reichstags, Hr. v. Wedel-Piesdors, zum Mi­nister des königlichen Hauses ernannt.

Werkin, 29. Juni. Dem Vernehmen nach beabsichtigt Kaiser Wilhelm von Wien aus München und Stuttgart in diesem Spät­sommer zu besuchen. Die Abreise zum Kaiser Franz hängt mit der Begegnung mit Zar Ale­xander zusammen.

Gutem Vernehmen nach soll im Reichs­tag von süddeutscher Seite der Antrag gestellt werden, dem Kaiser zur Bestreitung der aus seiner Stellung als Reichsoberhaupt erwachsen­den Ausgaben eine entsprechende Summe aus Reichsmitteln darzubieten. Kaiser Wilhelm I. hatte die sehr erheblichen Repräsentationskosten, welche mit der kaiserlichen Würde untrennbar verbunden sind, lediglich aus den ihm als König von Preußen zur Verfügung stehenden Mitteln bezw. aus seiner Privatkasse gedeckt. Ebenso hat auch Fürst Bismarck als Reichskanzler bisher keine materielle Renumeration erhalten.

Wien, 26. Juni. In Brezi (Galizien) schlug der Blitz während des Gottesdienstes in die Pfarrkirche. Drei Personen wurden getötet, 6 schwer, 30 leicht verletzt, 200 be­täubt. Der die Messe lesende Bischof von Krakau ermahnte zur Ruhe, wodurch größeres Unglück verhindert wurde.

Wien, 28. Juni. Das Fremdenblatt be­zeichnet die preußische Thronrede als ebenso bedeutsam wie glückverheißend; dieselbe biete durchaus den Beweis einer hochherzigen und «leuchteten Auffassung seiner erhabenen Auf­gabe seitens des Kaisers Wilhelm. Der Aus­spruch Friedrichs des Großen, vom Kaiser Friedrich wiederholt, sei das freudigste Wort, welches die Nation vernehmen konnte. Die Presse sieht in einer möglichen Begegnung der Kaiser Wilhelm und Alexander eine hochbe­deutsame Bethätigung der ernsten Friedens­politik Deutschlands.

Wie». Der Kassationshof verwarf die Nichtigkeitsbeschwerde des Abg. Schönerer und

und bestätigte die erstrichterliche Verurteilung desselben zu viermonatlichem schwerem Kerker und Verlust des Adelstitels. Zwanzig Stu­denten, welche Hochrufe auf Schöner ausbrach­ten, wurden verhaftet.

West. Der Raubmörder Szimitis ist zum Tod verurteilt worden. Seinem armen Opfer hat er 17 Stiche beigebracht, bis Grimm röchelnd zu Boden sank. Dann setzte er sich aas sein Bett, bis Grimm ausgeröchelt hatte; ich ruhte aus", antwortete er dem Präsiden­ten,denn ich war vom Kampf sehr ermüdet und hatte Grimm ja noch zu zerstückeln." Was hat nun diesen furchtbaren Mensche», der glücklich aus Triest entkommen war, weil ihn niemand in Verdacht hatte, bewogen, in Pest freiwillig sein Verbrechen anznzeigen und nichts zu verhehlen? Doch die Stimme des Gewissens! Szimits ist sehr intelligent und spricht und schreibt vier Sprachen.

Kronstadt (Siebenbürgen), 28 Juni. Anläßlich von Grundregulierungsverhandlnngen gab es in der Gemeinde Töldwar einen Bauern­aufstand. Die Gerichtskommission wurde von einer aus verschiedenen Gemeinden zusammen­gerotteten Menge, etwa 1600 Personen, mit einem Steinhagel empfangen. Der Oberstuhl­richter ist leicht, der Notar schwer verwundet. Die Gendarmerie brauchte die Waffen. Von den Anführern ist einer tot, viele sind ver­wundet. Die Mitglieder der Kommission konn­ten sich nur mit Mühe retten. Vorkehrungen zum Schutze der bedrohten Grundbesitzer sind getroffen.

Waris, 27. Juni. In. der Umgebung von Calais richten Orkane fürchterliche Per­wüstungen an. Das Dorf Bervelinghem, be­stehend aus 60 Häusern, wurde bis auf den letzten Stein zertrümmert. Der Sturm trug ganze Dächer Hunderte Meter weit fort. Sämt­liches Vwh kam in dem angeschwollenen Flusse um. Die Zahl der übrigen Unglücksfälle ist noch nicht sestgestellt. Calais selbst ist teil­weise durch Sturzwellen überschwemmt.

Stockholm, 27. Juni. Nach neueren Meldungen ist auch Umea am Bottnischen Meerbusen niedergebrannt. Der Gesamtver­lust, welcher durch Einäscherung Umeas und Sundwalls entstanden ist, wird auf 25 bis 30 M llionen Kronen angegeben. Circa 12 000 Personen sind obdachlos. Es bildeten sich Comites zum Einsammeln von Geldern und Nahrungsmitteln. Drei Dampfer mit Vor­räten sind bereits abgegangen.

Sofia, 28. Juni. Das Urteil gegen Major Popow ist vom Fürsten bestätigt und die Degradation soebtzn im Beisein des Kriegs­ministers, höhere Offiziere und Prokuratoren in dessen Zelle vorgenommen worden.

Ilewyork, 26. Juni. Ein Telegramm aus Mexiko enthält Einzelnheiten über die fürchterlichen Wirkungen der jüngsten Fluten. Diese Ueberschwemmungen, welche beispiellos heftigen Regengüssen zuzuschreiben sind, folgten teilweise der Linie der Mexikanischen Zentral­eisenbahn und erwiesen sich als besonders ver­heerend in Leon und Silao. Die Häuser in beiden Ortschaften wurden von den Gewässern, welche während der Nacht plötzlich anschwollen, rasch unterwühlt und stürzten ein, während deren Insassen im Schlafe lagen. Einer un­gefähren Schätzung nach sind in den zwei Städten 700 Menschen umgekommen. Im Ganzen wurden 2000 Häuser zerstört. Einem Tel. aas El Paso (Texas) zufolge sollen in den überschwemmten Bezirken von Meriko 15000 Personen umgekommen sein. 1000 Leichen sind bereits gefunden worden. Die Eisenbahn ist auf 100 Meilen unpassirbar. Die Stadt Leon liegt größtenteils in Trümmern.

Warnung vor Auswanderung nach Wrafikieu.

Die jünst erfolgte Aufhebung der Sklaverei in Brasilien bringt als Folge eine Verminderung der vorhandenen Arbeitskräfte namentlich auf den Plantagen des Landes mit sich. Die Mehrzahl der freigewordenen Sklaven ist erfahr­ungsmüßig nicht dazu zu bestimmen, auf den Pflanzungen, auf denen sie vorher als Sklaven gewesen, nach der Aufhebung der Sklaverei als freie Arbeiter gegen Lohn zu verbleiben. Die Wirkung der Aufhebung der Sklaverei ist also zunächst, daß der Landbau in Brasilien speciell namentlich der Kaffebau teilweise ein­gestellt werden muß. Um diesem ungeheuren Schaden vorzubeugen, hat nun die brasilianische Negierung mit bekannten europäischen Aus- wanderungsagenten Verträge zur Lieferung von freien Arbeitern abgeschlossen. Unter ande­ren soll sich beispielsweise die Firm L. in Hamburg durch einen solchen Vertrag zur Ein­führung von sechstausend nordeuropäischen Einwanderern nach Brasilien innerhalb eines Jahres verpflichtet haben. In der Regel werden derartigeGeschäfte" so gemacht, daß der Agent, der für jeden von ihm gelieferten Einwanderer eine bestimmte Summe erhält, Unteragenten umhersendet und durch diese den zur Uebersiedlung in das ferne Land Geneigten goldene Berge versprechen läßt. Alle Verführ­ungskünste werden angewandt: man sagt den Leuten, es werde ihnendrüben" fruchtbares Land als freies Eigentum zur Urbarmachung und Bebauung zugeteilt, es werde ihnen sogar zur Bebauung des Landes Betriebskapital gegen Abzahlung in Jahresraten von der l Regierung vorgeschossen u. s. f. Auf diese Weise wirbt man Einwanderer; sind dieselben aberdrüben" mittellos angekommen, dann erkennen sie zu spät, daß sie Opfer schändlichen Betruges geworden. So ist es nach der Aufheb­ung der Sklaverei in den Südstaaten der nord­amerikanischen Union ergangen und so wird es zweifellos auch in Brasilien ergehen. Der mittellose Einwanderer glaubt schließlich noch froh sein zu können, wenn er gegen Ausbe- dingung eines, im Vergleiche zu den heimat­lichen Verhältnissen, außerordentlich hohen Lohne Arbeit auf einer Pflanzungen findet. Er reist also mit dem Pflanzer auf die Besatzung desselben und hier, viele Meilen von allen Städten, überhaupt von allen Orten, wo die Obrigkeit gesicherte Rechtszustände erhalten kann, entfernt, ist er völlig der Willkür des Pflanzers preisgegeben, der ihn schlechter behandelt, als einen Sklaven, jedenfalls seine Arbeitskraft in rücksichtsloserer Weise ausnutzt. Aus Brasilien selbst liegen geradezu haarsträubende Geschichten von Einwanderern vor, die sich verleiten ließen, als freie Arbeiter auf Pflanzungen sich zu verdingen. Unzweifelhaft werden diese Verhält­nisse jetzt, nach Aufhebung der Sklaverei, noch um Vieles schlimmer werden. Es ist deswegen gewiß zeitgemäß, von Anwerbungs- Versuchen zur Auswanderung emdringlichst zu warnen. Wer auswandern will, um seine Kräfte Arbeit und Kapital mit größerem Nutzen zu verwerten, als m der Heimat, wird sich überhaupt fast immer enttäuscht sehen. Wer trotzdem die Erfahrung in der Fremde machen will, wende sich mindestens nicht in die tropischen Gebiete Brasiliens, sondern nach dem Süden des Kaiserstaates, wo die Verhält­nisse seitens der Deutschen Colonialgesellschaft durch Sachkundige gründlich genug durchforscht sind, so daß die Auskunftsstellen dieser Gesell­schaft darüber auch zuverlässigen Rat geben können.