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der in Stuttgart in einem kaufmännischen Ge­schäft plaziert ist, als Präsent erhalten.

Kuchen, 23. April Zum Besten der Ueberschwemmten in Norddeutschland veran­stalteten die singenden Vereine von Ort und Fabrik Kuchen (Frohsinn, Germania und Mili­tärverein) und die Musikgesellschaft der süd­deutschen Baumwolle-Industrie am gestrigen Sonntag von nachm. 2 Vs Uhr an im neu eingerichteten und schön geschmückten Speise­saal der Fabrik eine musikalische Unterhaltung, welche sehr gut besucht war. Das Ergebnis bei einem Mindesteintrittspreis von 30 Pfg, beträgt über 180 Mark. Das Programm enthielt 16 Nummern: Musikstücke, Männcr- chöre, gemischte Chöre und gemeinschaftliche Volksgesänge, deren Text dem Programm bei­gedruckt war. Ein Redner brachte in einer trefflichen Rede ein Hoch auf das große deut­sche Vaterland aus.

Runojcha u

Walldürn, 21. April. Heute früh 10 Uhr stürzte das Haus des Buchbinder Blau in Walldürn, in dessen erstem Stockwerck bau­liche Besserungen vorgenommen wurden, in Folge mangelhafter Sprießung in sich zusam­men. Neun Personen wurden verschüttet, drei davon, darunter der leitende Bauhandwerker, sind tot, .eine schwer und drei leicht verletzt. Eine Frau, die zur Zeit des Zusammensturzes an dem Hause vorüberging, wurde infolge des Schreckens vom Schlage gerührt und ist ebenfalls gestorben. Die Aufrüumungsarbeiten sino beendigt.

Kempte», 21. April Heute Nachmittag ist die Lokomotive des von Lindau um 2Ve Uhr abfahrenden Güterzugs mit Personenbe­förderung bei der Station Oberreitnau infolge falscher Weichenstellung entgleist. Die Folge war, daß der um 2 Uhr 20 Min. von Lindau abgehende Eilzug die Strecke erst mit einer Stunde Verspätung passieren konnte. Ein Bremser des Güterzugs erlitt eine Quetschung der Ferse.

Im WHeingau klagt man, daß die 87er Weine sich nicht vorteilhaft entwickeln. Die Trauben hatten durch starken Frost zu sehr gelitten und die Unreife tritt mit jedem Tag mehr hervor. ^

Irankfurt. Der Weinproduzent A. Wil- helmy in Hattenheim hat sein Geschäft in eine Aktiengesellschaft umgewandelt (Kapital 1 Mill Zweimalhunderttausend Mark, Prioritäten Hunderttausend Mark). Die Aktien bleiben im Besitze der Familie; die Konstitution wurde nur behufs Erleichterung späterer Vermögens­auseinandersetzung vorgenommen.

- Acanksurt, 20. April. Im Kaisersaale des Römers zu Frankfurt steht seit einigen Tagen ein lebensgroßes Standbild des Kaisers Wilhelm und zieht zahlreiche Beschauer an. Es ist im Aufträge der Stadt von Professor Gustav Kaupert ausgeführt. Die Stadt hat bekanntlich beschlossen, neben den Oelgemälden der alten römischen auch die Marmorstandbilder der neuen deutschen Kaiser in ihrem Kaisersaale zu vereinigen. Bis zur Vollendung in Mar­mor hat man das Gipsmodell von Kauperts Standbild ausgestellt. Kaiser Wilhelm tritt dem Beschauer barhäuptig entgegen, auf das linke Bein gestützt, das rechte mit leichter Bie­gung etwas vorgestellt, die hohe Gestalt vom Krönungsmantel umflossen. Im übrigen trägt der Kaiser den Waffenrock mit Degen und Schärpe, über dem Waffenrock Band und Kette des Schwarzen Adlerordens nebst ver­schiedenen Ordenssternen und Kriegsdenkmünzen. Die linke Hand, welche die Handschuhe hält, ist in die Hüfte gestemmt, die rechte ruht aus­gestreckt auf der lorbeerumschlungenen Kaiser­

krone. Ein schlichter, viereckiger Pfeiler trägt das Kiffen mit der Krone und den übrigen Herrschcrabzeichen. Die Vorderseite des Pfeilers zeigt in halberhabener Arbeit eine Waffen­trophäe, darüber einen Engel und die Jahres­zahl 1871. Dieser Jahreszahl entspricht auch ungefähr das Lebensalter, in welchem Kaupert den ersten Hohenzollernkaiser dargestellt hat. Die Vereinigung von Kraft und Milde im Gesichtsausdruck ist ihm trefflich gelungen.

Aus Mühlhausen i. Thür, wird gemeldet: Eine letztwillige Verfügung Kaiser Wilhelms bestimmt für den inneren Ausbau der hiesigen Marienkirche 30 000 ^

Werkt», 21. April. Ein Gnadenerlaß des Kaisers von gestern amnestiert alle Mili­tär- und Marinepersonen, welche wegen im bürgerlichen Strafgesetze als Widerstand gegen die Staatsgewalt oder Verletzung der öffent­lichen Ordnung bezeichneter Vergehen oder we­gen anderer Strafthatcn durch das Militärge­richt Verurteilten, wenn die Strafe nicht über 6 Wochen oder 150 M. beträgt; in gleicher Weise alle mit Disciplinarstrafe Belegten, end­lich Unteroffiziere und Gemeine, welche der un­erlaubten Entfernung oder ersten, nicht kom­plottmäßigen Fahnenflucht schuldig sind. Den noch nicht zurückgekehrten Fahnenflüchtigen, welche binnen 6 Monaten sich stellen, wird Begnadigung in Aussicht gestellt.

tzharkottenöurg, 22. April, abends 5 Uhr. Entschiedene Besserung. Fieberabnahme an­haltend. Krisis liegt überwunden.

mittags 12 Uhr. Der Verlauf der Nacht war befriedigend. Nachts kamen un­wahre Gerüchte betreffend Verschlimmerung in Umlauf.

1 Uhr 44 Min. nachmittags. Das von Bergmann Unterzeichnete Bulletin von heute Morgen lautet: Der Kaiser verbrachte eine leid­liche Nacht, obgleich dieselbe von Husten unter­brochen wurde. Fieber niedrig. Uns zu­kommende Privatnachrichten lauten günstig: Jede augenblickliche Gefahr dürfte als beseitigt angesehen werden.

Berlin, 23. April, 7 Uhr 20 Min. mor­gens. Die Samstag eingetretene Besserung hat über den Sonntag angedauert. Tempe­ratur fast normal, stieg erst abends, jedoch weniger als früher; Eiterung fortdauernd. Abends Apetittmangel und größere Schwäche. Sonntags waren rund 50 000 Besucher in Charlottenburg.

Werlin, 24. April (Dienstag) 10 Uhr 25 Min. Vorm. Heute Nacht hatte der Kaiser seit langer Zeit zum erstenmal wieder einen sehr wenig unterbrochenen, erquickenden Schlaf. Das Fieber ist niedrig, der Husten gering, daher heute früh das Allgemeinbefinden recht gut. Die Kräfte sind gehoben, die Stimmung zuversichtlich. Im ganzen Charlottenburger Schloß herrscht Freude und reges Leben, da die Besserung des Kaisers mit der Ankunft der Königin von England zusammentrifft. Staatssekretär Herbert Bismarck ist zum preuß. Staatsminister ernannt worden (ähnlich wie St.Sekr. v. Bötticher zugleich preuß. Staats­minister ist). Der bekannte Kaufmann Her­zog (Damenkleidergeschäft) übergab dem Kron­prinzen 100 000 für die Ueberschwemmten zu persönlicher Verteilung.

Der Kaiser empfing gestern Nachmittag den Reichskanzler Fürsten v. Bismarck zum Vortrage. So meldet der Reichsanzeiger in einer heute Nachmittag erschienenen Extra- Ausgabe. Es soll sich dabei um die weiter ausgedehnte Stellvertretung des Kaisers durch den Kronprinzen und um die Anordnungen ffür den glanzvollen Empfang der Königin ^Viktoria von England gehandelt haben.

Bei einem Spazierritt, den Fürst Bismarck am Freitag im Tiergarten unternahm, ereig­nete sich eine hübsche Episode, über die ein Augenzeuge der Nat.-Ztg. folgendermaßen be­richtet : Der Reichskanzler kam in straffer Hal­tung über die Charlottenburger Chaussee geritten, die Grüße der Vorübergehenden freundlich er­widernd. Da trat plötzlich in der Nähe der Stadtbahnüberführung eine Dame auf den Fürsten zu und redete ihn mit den Worten an:Durchlaucht, ach wie freue ich mich, daß ich Sie mal gesehen habe!"Hoffentlich war es nicht das letzte Mal!" bemerkte der Reichskanzler und sprengte in vollem Galopp in die nächste Allee, wo er bald dem Gesichts­kreis der ihm Nachblickenden entschwunden war.

Waris, 22. April. Die Unruhen im Quartier Latin dauerten gestern bis nach Mit­ternacht fort. Sechstausend Menschen waren auf den Beinen Nachmittags hielten die Studenten den Zeitungswagen der boulangisti- schenLanterne" an, zertrümmerten ihn und verbrannten seinen Inhalt Der Polizei ge­lang es gestern, meistens zu verhindern, daß die Boulangisten und die Studenten handge­mein wurden. Dennoch kamen einige Ver­wundungen vor. Eine Bande von 200 Men­schen versuchte vor dem ChLtelet-Theater, wo die Premiere von Zolas Germinal stattfand, gegen Mitternacht eine Boulanger-Manifestation ins Werk zu setzen, wurde aber sofort zerstreut. Eine andere Gruppe demonstrierte vor der BrasserieZimmer" mit dem Ruf:Nieder mit den Deutschen! Es lebe Boulanger und zertrümmerte, als die Gäste gegen dies Ge­bühren protestierten, die Scheiben des Lokals, bis endlich die Polizei herbeieilte.

Ein Wirbelwind hat am Sonntag vor 8 Tagen die Stadt Dakka in Indien verheert. Einem rollenden Geräusch folgte ein Sturm von nur 3 Minuten Dauer, aber die Verwüst­ungen sind dennoch entsetzlich. Die stärksten Gebäude von Stein, darunter der Palast des Nawab, wurden zertrümmert, dicke Eisengitter wie Papier umgebogen und die stärksten Bäume entwurzelt und fortgeschleudert. 69 Personen sind getötet und über 100 verletzt worden.

In Wewyork ist am Dienstag Roscoe Conkling, gestorben, ein hervorragender ameri­kanischer Staatsmann, welcher zweimal die Stellung eines Gouverneurs des Staates New- york bekleidete, ferner dem Bundessenat an­gehörte und mehr als einmal berufen schien, den Präsidentenstuhl der Union zu besteigen. Der Verstorbene ist ein Opfer des verheeren­den Sturmes geworden, welcher im vorigen Monat in der Stadt Newyork große Verwü­stungen anrichtete und zahlreiche Menschenleben forderte.

Hiesiges.

WildöaÄ, 20. April. Die von der kgl. Badeverwaltung schon länger geplante Verän­derung der Kurtaxe von 10 auf den Kopf, welche ohne genauere Berücksichtigung von Aufenthaltszeit, Alter und Stand der Per­son erhoben wurde, hat nun nach folgenden Gesichtspunkten platzgegriffen, verbunden mit einer Ermäßigung für die Monate Mai und September, und zwar gestalten sich die Preise folgendermaßen: Kurtaxe a) für die Monate Mai und September: 1) Familienhaupt auf 1 Woche 3 auf 4 Wochen 10 2)

Jedes weitere Familienglied auf 1 W. 2 auf 4W. 5 3) Kinder von 515 Jah­ren und Dienerschaft je auf IW. 50 ,

je auf 4 W. 2 ^ K) Für die Monate Juni, Juli und August: 1) Familienhaupt auf 1 Woche 4 auf 4 W. 12 2) Jedes weitere

erwachsene Familienglied auf 1 W. 4