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— Eine mörderische Sennerin wird sich in der nächsten Schwurgerichtssessiön in München zu verantworten haben. Dieses Kind des Hochgebirgs war in Zuneigung' einem Oberländer in der Schlierseer Gegend ergeben und- die Zuneigung blieb nichi ohne Folgen. Die Sennerin ertränkte ihr Kind im Schliersee. Als sie ihre Schuld später dem Geliebten gestand, ließ dieser nicht mehr ab, sie zur Selbstanzeige zu bereden. Sie wollte sich dazu nicht verstehen und so drohte der Vater des gemordeten Kindes, er selber werde dem Gericht von der traurigen That Kenntnis geben. Fortann sann die Sennerin darauf, sich dieses Mitwissenden ihrer Schuld zu entledigen; als dieser auf der Alm im Schlummer lag, schlich sich das Mädchen heran und schoß dem ruhig Schlafenden mehrere Revolverkugeln in oen Kopf. Ein Wunder war es zu nennen, daß das Unterfangen der mörderischen Bergmaid nicht glückte und daß der schwer Verletzte durch ärztliche Kunst gerettet wurde, um nächstens als Hauptzeuge gegen die tief Gesunkene zu erscheinen, welche sich wegen Kindstötung und Mordversuches vor den Geschworenen zu verantworten haben wird.
— Das Feuer in Bischofsgrün im Fichtelgebirge hat 80 Häuser und Kirche und Pfarrhaus in Asche gelegt und nahezu 500 Menschen obdachlos gemacht. Nur 4 Hausbesitzer sollen versichert sein. Das Vieh ist größtenteils gerettet. — Die bayrischen Staatsbahnen haben in diesem Jahre bis jetzt 2'/- Millionen mehr eingetragen als im Vorjahre.
Danzig, 26. Sept. Bei Koppalin (Halbinsel Hela) ist gestern in Folge schweren Sturmes die deutsche Barke Helene aus Stettin, nach Memel bestimmt, gestrandet und ganz zerschlagen worden. Von der Mannschaft wurden 7 Personen gerettet, ein Mann ist ertrunken.
Arco (Südtirol) 27. Sept. Heute trifft im Winterkurort Arco zum Aufenthalt der Kronprinz von Deutschland mit Gefolge ein.
Starts, 23. September. Der Verein der republikan. Journalisten hat vor 5 Jahren sein Vermögen im Betrage von etwa 200 000 Fr., von welchen ein großer Teil aus dem Ertrag einer öffentlichen Verlosung herrührte, einem seiner Begründer, einem gewissen Crouzet, anvertraut. Derselbe solle das Geld auf der Bank von Frankreich anlegen und lieferte dem Vorstand auch alljährlich den ungefähren Betrag der Zinsen ab. Damit beruhigte sich denn auch der Finanzaufsichtsausschuß vollkommen und dachte nicht einmal daran, sich den Empfangschein der Bank geben oder auch nur zeigen zu lassen. Crouzet leitete 2 tägliche, übrigens wenig verbreitete Blätter: die Estafette und die Opinion (beide stark chauvinistisch). Als nun bekannt wurde, daß sich Crouzet in Verlegenheiten befinde und seine Redakteure nicht bezahle, drang der Vorstand endlich auf Rechnungslegung. Crouzet versprach dieselbe binnen 48 Stunden, entfernte sich aber alsbald heimlich von Paris, denn er hatte längst keinen Centime mehr von dem ihm anvertrauten Gelde und hatte auch, wie der Verein erst jetzt auf Anfrage erfuhr, niemals einen Betrag auf der Bank niedergelegt. Crouzet wurde heute früh zu Bordeaux verhaftet. Die Blätter machen, da Crouzet voraussichtlich mittellos ist, den nachlässigen Aufsichtsrat für den Verlust verantwortlich.
Auch "Rußland hat, wie man jetzt erfährt, seine Probemobilmachung gehabt. Es waren zwei Divisionen taurische und jekaterin- burgische Truppen, sowie die gesamte in Ni- kolejew stationierte Marine auf Kriegsfuß gesetzt. Die in aller Stille vorbereitete und geheimgehaltene Mobilisierungsprobe, an der die
hervorragendsten russischen Militärs teilgenommen haben, hat befriedigende Resultate ergeben.
— Der russisch-offiziöse „Nord" erklärt, Rußland erwarte als die erste-Folge der-Begegnung von Friedrichsruh, daß Deutschland und Oesterreich gemeinsam mit Rußland für die Wiederherstellung des Berliner Vertrags, welcher durch die gesetzwidrige Thronbesteigung des Prinzen von Koburg verletzt wurde, sorgen iverden, andernfalls sei der europ. Friede bedroht.
Aus Kclsitlgfors, 24 Sept., wird der Köln. Z gemeldet: Der südwestliche Teil der Stadt Frederikshamm ist letzte Nacht niedergebrannt.
— Ein kolossaler Brand hat die Stadt Hravenhurst im Staate New-Pork eingeäschert. Nur vier Häuser blieben unversehrt. Fast alle Einwohner sind daher obdachlos. Die Lage der Abgebrannten ist eine uw. so jammervollere, als auch alle Lebensmittelvorräte von, Feuer verzehrt worden sind. Der Gesammtschade beträgt 500 000 Dollars. Ein Trost ist, daß bei dem riesigen Brande kein Menschenleben verloren ging.
UnirrhÄlikndks.
Aev tolle Zonas.
Wilderergeschichte von Hermann Robolski.
2) (Fortsetzung).
„Man erkennt doch sofort den Waidmann!" scherzte Herr von Michowski, als Jaraschew sich in einem seitwärts stehenden Stuhle niederließ, auf dessen Lehne anscheinend allerlei Jagdgeräte äufgehängt waren. Der Angeredete verzog nur fidel das nicht gerade schöne Gesicht.
Nachdem der Major nun in seiner jovialen Weise die Deputation gefragt, was sie wünsche, erzählte Jeder, was er alles Grauenhaftes von dem die Gegend unsicher machenden Werwolfe erfahren und gehört hatte.
„Ihr spracht aber von einem Wilderer und Schafdieb ", unterbrach der aufmerksam Zuhörende die immer erregter schwatzenden Landleute.
„Das ist ja eben der Werwolf!" erklärte der Anführer der Männer.
„Nun möchten wir den Herrn Major recht schön bitten, doch so gut zu sein und uns von dem gräßlichen Ungetüm befreien."
„Ja, das ganze Dorf bittet darum!" bestätigte der Bürgermeister.
„Auf den Wolf will ich wohl eine Jagd veranstalten!" lächelte der Gutsherr, obgleich ja alle Augenblicke einige von diesen Bestien herüberwechseln; aber einen Menschen schießt man nicht so auf bloßen Verdacht hin. Ueb- rigens — raucht Jemand von Euch schlechten Tabak?" unterbrach der Edelmann seine eigene Rede. „Es riecht ja ganz abscheulich!"
Verdutzt sahen sich die Leute an. Draußen und noch im Vorzimmer hatten sie wohl böse Sorte geschmaucht; aber alle Pfeifen waren ja ausgegangen.
„Der Qualm ist am Ende von der Nebenstube hereingezogen!" erläuterte der Diener. „Ich will dort einen Augenblick die Fenster öffnen."
„Die Geschichte von dem Werwolf beruht nur auf einem Aberglauben!" wandte sich Herr von Michowski belehrend an die Bittsteller. „Es ist das ebenso ein Unsinn wie mit den Vampyr-Leichen, die ganze Familien in die Erde nachziehen sollen."
Jetzt begannen aber die gesprächig Werdenden durcheinander ihre teils selbst mit dem rätselhaften Geschöpf erlebten Abenteuer, teils die ihnen von Anderen mitgeteilten Affairen zu erzählen, so daß Niemand zu verstehen war.
y Üns-M verUndi-
„So ist'K.'mc! .....
gen!" stiftete der Hausherr sndlichs'wieder Mihe. „Wir müssen die ,Sache parlamentarisch machen; also-Einer darf nut jedesmal reden! — Deren- burg. Sie wohnen draußen im Felde; fangen Sie an. Jeder muß aber kurz und bündig
sprechen."
Bevor der Aufgeforderte mit seinem Vortrage begann, drehte-sich der Major noch einmal nach allen Seiten uni und sprach die Nase rümpfend:
„Einer von Euch muß Kartoffelkraut geraucht haben. Es riecht ganz erbärmlich hier!"
Der Vorwurf machte auf die Gesellschaft nicht den geringsten Eindruck und der genannte Colonist begann in der trockensten Weise zu erzählen:
„Ich hatte zur letzten Ernte einen zufällig bei mir vorsprechenden Handwerksburschen in Arbeit genommen Der Fremde stammte, wie er mir erzählte, aus Berlin."
„Ach, das war der Windbeutel, der im Kruge des Abends allerlei Faxen machte!" warf Jareschew ein.
„Nun ja", fuhr der Redner fort. „Risse hatte der Großstädter freilich im Kopf; — das ist bei der Art einmal nicht anders! — Sonst war's aber ein guter Mensch! — Also weiter: eine Nacht, gerade wo die furchtbare Schlägerei zwischen den Knechten auf der Dorfstraße alle Bewohner in Allarm brachte, kam mein Monsieur Urian nicht nach Hause. Erst gegen acht Uhr Morgens stellte sich der total Confuse ein. Und wie sah er aus? Am Zeuge klebte überall Schmutz und vor der Stirn halte er eine mächtige Beule. Ich fragte ihn natürlich, wie er in diesen Zustand geraten sei und machte ihm ernste Vorhaltungen. Da erzählte mir der Arme, er wäre ganz in Gedanken über die verderbte Welt noch spät in den Wald gegangen und hätte sich dort schlafen gelegt. Der Mann sprach wahr: das sah man ihm an, denn mich täuscht so leicht Keiner. Gegen Morgen ist der Naturschläfer aufgewacht. Neben ihm aber stand ein riesiger Mensch, der eine Büchse in der Hand hielt. Als der Erschreckte dann mit den Worten aufsprang: „Was wollen Sie von mir?" gab ihm der finstere Grobian mit einem Knittel einen Schlag vor den Kopf, so daß der Bedauernswerte niederstürzte. Beim Wiederaufraffen sah es der Knecht noch, daß statt des Mannes ein Wolf in das Dickicht sprang. Das war Niemand anders als der Werwolf; und die Beule vor dem Kopf des gutmütigen Fremden habe ich doch selbst gesehen."
„Ob er die wohl nicht in jener Schlägerei empfing?" lachte Herr von Michowski. „Trau, schau, wem? — Der Schilderung nach war der Berliner ein Vocativus, welcher Euch leicht ein T für ein U gemacht. — Alle Wetter! Lumpen hat hier Jemand geraucht!" Damit stürmte der UnwiÜige an das Fenster.
Die von Neuem Beschulvigten blickten sich suchend um; Keiner wagte jedoch ein Wort der Rechtfertigung.
„Ucber das Raubtier werde ich mit meinem Förster reden!" trat der Cavalier an seine Gäste zurück. „Ich habe nicht soviel Zeit, alle Eure Erlebnisse mit dem mysteriösen Geschöpfe anzuhören. Diese eine Historie sagte mir schon genug. Doch will ich Euch zur Aufklärung aus meiner Bibliothek das Buch: „Ueber die Werwölfe und Tierwandlungen" leiheu. Wer lesen kann, mag es durchstudieren "
Der Major ging auf eine Seitenthür zu, in der er verschwand.
„Was mag er mit dem ewigen schlechten Gerüche gemeint haben ?" fragte leis der Schulze,
„Herr Gott!" antwortete Derenburg Halo-