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eines Bubenstückes in der Hand, an besten Möglichkeit er nicht gedacht hätte, welches ihm aber zugleich die Aufklärung über Meta's Schweigen auf seine beiden Briefe gab.
Jetzt — jetzt begriff er, weshalb Meta ihm nicht geantwortet. Das Papier enthielt den Entwurf des Briefes der Toni Schwarz, den Meta empfangen und der ihr so unsagbar viel Kummer bereitet, und dieser Entwurf war von Hercher's Hand geschrieben.
Er vergaß seinen noch immer leidenden Zustand und raffte sich auf, um zu Meta zu eilen, ihr wollte er die Zeilen zeigen, sie fragen, ob sie den Brief erhalten habe, und ihr dann sagen, daß jedes Wort in demselben erlogen sei.
Schon befand er sich auf der Straße, als er sich eines Anderen besann. Er eilte zum Gerichte, zum Untersuchungsrichter, der Hercher's Sache führte, und zeigte ihm den Brief.
„Bitte, lasten Sie den Menschen hierher bringen," bat er.
„Nicht in Ihrer Gegenwart, Sie sind noch zu angegriffen," warf der Richter ein.
„Nein, die Genugthuung, zu sehen, wie dieser Verbrecher erbleicht, wenn er sein schändliches Thun immer mehr aufgedeckt sieht, wird mich mehr kräftigen als alle Ruhe," erwiederte Eschebach. „Er ist nicht vorbereitet, daß diese Zeilen in seinem Sekretär gefunden find, Alles, was nur den geringsten Verdacht auf ihn werfen konnte, hat er vernichtet, dieses Papier hat sich gegen seinen Willen und ohne sein Wissen erhalten."
Der Richter schellte und befahl dem eintretenden Gerichtsdiener, den Verhafteten zu holen. Kaum wenige Minulen später wurde Hercher in das Zimmer geführt, fest, gerade trat er ein. Eschebach hatte sich so gestellt, daß er nicht sofort gesehen werden konnte.
Als Hercher den Kopf zur Seite bog und den Kommissär erblickte, zuckte er sichtbar zusammen. Sein Gesicht schien noch blässer zu werden. Tiefe Furchen hatten die wenigen Tage Hast in sein Antlitz gegraben, er schien um Jahre gealtert zu sein. Er mußte sich freilich sagen, daß es keine Rettung für ihn gab.
„Herr Ingenieur, den Brief, den Sie an Fräulein Harport gerichtet haben, habe ich derselben selbst übergeben lassen," sprach Eschebach. „Die Beschuldigung,
Laß ich Sie nur aus Haß verhaftet habe, war all' den vorliegenden Beweisen gegenüber doch zu plump, ich hätte Ihnen eine bessere Erfindung zugetraut."
„Ich habe meine Ueberzeugung niedergeschrieben," entgegnete Hercher mit fast spöttischem Blicke.
„Es ist viel, daß Sie mir dies zu sagen wagen, Sie haben freilich nichts mehr zu wagen, denn an Rettung glauben Sie selbst nicht mehr," fuhr Eschebach fort. „Und sind Sie wirklich so ruhig, wie Sie in dem Briefe schreiben?"
„Weshalb nicht?" warf Hercher dreist ein. „Herr Untersuchungsrichter, Sie haben mich hierher führen lasten, ich glaube nur verpflichtet zu sein, Ihnen zu antworten."
„Der Herr Kommissär hat das Recht,
Fragen an Sie zu richten," gab der Richter zur Antwort.
Der Ingenieur zuckte geringschätzend mit der Schulter.
„Kennen Sie dies Papier?" fragte Eschebach, dicht vor den Verhafteten hintretend.
Hercher's Augen schloffen sich halb; es schien ihm sehr unerwartet zu kommen, er schwieg, als ob ihm die Antwort fehle.
Eschebach wiederholte seine Frage.
„Gewiß," gab Hercher zur Antwort.
„Sie haben dies geschrieben?"
Ja."
„Nein."
„Sie wagen auch dies zu leugnen? Ich habe dieses Papier in Ihrem Schreibsekretär gefunden I"
„Wohl möglich."
„Fräulein Harport hat diesen Brief erhalten!" rief Eschebach mit Entschiedenheit.
„Gewiß, aber nicht von mir, sondern von der Dame, die ihn unterzeichnet hat; ich fand den Brief bei meiner Verlobten, und da der Inhalt desselben mich sehr interessierte, so habe ich den Brief abaeschrieben die Abschrift halten Sie in der Hand."
Eschebach war durch die dreiste, schnelle und gewandte Lüge doq
für einen Augenblick überrascht.
„Hoffen Sie wirklich mit dieser Ausrede Glauben zu finden!" rief er.
„Bei Ihnen nicht Sie find aber gottlob nicht mein Richter."
„Weiß Fräulein Harport, daß Sie den Brief, den sie erhalten hat, gelesen haben?" forschte Eschebach weiter.
„Nein."
„Wo wollen Sie den Brief gelesen haben?"
„Auf dem Zimmer meiner Verlobten."
„Wo lag derselbe?"
„Ich glaube auf ihrem Schreibtische, genau weiß ich es mcht mehr."