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In seinem Koffer fanden sich aufrührerische Schriften politischen Inhalts und allerlei Pläne, auch ein mehrläufiger geladener Revolver.
Darmstadt, 18. Juni. Der kirchenpolitische Ausgleich ist nun auch im Großherzogtum Hessen perfekt geworden, nachdem die zweite hessische Kammer am Freitag die kirchcnpoli- tische Vorlage einstimmig angenommen hat.
Aus Thüringen, 19. Juni. Als der Turnverein in Stadtsteinach vorige Woche einen Ausflug machte und in Presseck den Wagen mit der Vereinsfahne eine Zeit lang unbewacht stehen ließ, wurde die Fahne entführt, vollständig in Stücke zerrissen, der Fahnenstock zertrümmert u. s. w. Die Fahne hatte 200 Gulden gekostet. Auf die Entdeckung des Thäters sind 100 Mk. ausgesetzt.
— Aus den thüringer Schieferbrüchen werden jährlich ungefähr 400 Millionen Griffel gewonnen. — Ein am Töpferthor in Nord- Hausen aufgestellter Opferstock für die Waisen ist erbrochen und beraubt worden.
— In Dresden ist der Kunstgärtner Lie- big gestorben; berühmt namentlich durch seine Camelien-, Azaleen- und Rhododendron-Zucht.
— Der persische Schah hat dem Prinzen Wilhelm von Preußen sein Bild in Gold und Brillanten, der Prinzessin den diamantenstrahlenden Sonnenorden verliehen.
Metz, 20. Juni. Als verflossene Woche beim Standesamt ein israelitisches Brautpaar eben im Begriffe stand, sich zum Bunde fürs Leben die Hand zu reichen, erschien der Vater der Braut und widerrief in aller Form seine dem Bunde zuerst gegebene Einwilligung. In nicht geringer Bestürzung verließen die Brautleute und Zeugen unverrichteter Dinge die standesamtlichen Hallen.
Berlin, 19. Juni. Der Kaiser hatte im Ganzen eine gute Nacht, stand mittags auf, empfing nachmittags den General v. Albedyll und speiste später mit der Großherzogin von Baden. — Dem Bundesrat ist eine Denkschrift über die Beförderung von Leichen auf Eisenbahnen mit dem Ersuchen um Zustimmung zu Vorschlägen über die Regelung der Angelegenheit zugegangen. Dieselbe bezweckt die Herbeiführung einheitlicher Bestimmungen für das Reich, behufs Abschlusses von Verträgen mit den fremden Regierungen. Die Vorschläge lehnen sich wesentlich an die bestehenden preußischen Bestimmungen an.
Berlin, 20. Juni. Gestern Abend ist ein von hier kommender Zug in einen im Bahnhof Wannsee stehenden Zug hineingefahren. Die Lokomotive des ersteren Zuges stürzte um, ein Wagen des stehenden Zuges geriet in Brand, 2 Personen sollen tot, 5 schwer und zahlreiche andere Personen leicht verwundet worden sein. Heber die Anzahl der verwundeten und getöteten Personen ist noch nichts genaues festgestellt. Einige Personen, welche in dem ausgebrannten Wagen gesessen haben, werden vermißt.
In Werki» ist unmittelbar nach Schluß des Reichstags der Breslauer Abgeordnete Kräcker auf der Straße verhaftet worden. Er soll einem „Geheimbund" angehören, wie der in Würzburg verhaftete Breslauer Student Markuse.
Professor Dr. Schweninger ist mit dem Reichskanzler nach Friedrichsruh gereist und wird daselbst zur Behandlung des Fürsten Bismarck einige Zeit verbleiben. Hoffen wir daß sich seine Kunst zum zweiten Mal bewähren wird.
— Der vielgenannte Ultramontane Frei. Herr v. Loe, ehemals im diplomatischen Dienst des Reiches, hat eine Schmähschrift: „Fürst
Bismarck; urkundliche Beiträge, zum Ruhm eines großen Mannes", daß nicht der längst heut Vormittag abgehaltenen Sitzung seine verstorbene Graf Heinrich Arnim, sondern er Freiherr v. Loe, der Verfasser des Buches: „kro Mlrilo" sei, was ihm Niemand glaubt.
— Im Bad Kreuznach sind drei Männer und drei Frauen plötzlich verhaftet worden, die im Verdacht stehen, eine Blumensammlerin Groß, eine ältliche Frau, aus Brodneid ermordet zu haben. Frau Groß ist seit Pfingsten, wo sie Blumen auf den Bergen sammelte, purlos verschwunden.
— Bischof Kopp von Fulda wird in nächster Zeit schon zum Fürstbischof von Breslau ernannt werden. Wie die ultrramontane „Schlesische Volkszeitung" erfährt, soll die Zustimmung aus Rom bereits eingetroffen sein.
In Schmalkalden hat sich ein Eisenbahnkomitee gebildet, welches die Fortsetzung der Bahn Fulda-Tann nach Wernshausen- Schmalkalden anstrebt. — Am Sonntag ist in Neustadt a. O. bei dem Verbands- 'est der Weimarischen Militairvereine der Schützendiener Riedel durch ein springendes Kanonenrohr so schwer verwundet worden, daß er am anderen Tage verschieden ist.
Wie», 20. Juni. Wie hiesige Blätter melden, wurde in Duna-Szerdahelp das Judenviertel in Brand gesteckt; viele Einwohner sind obdachlos.
Wie«. Der Kaiser Franz Joseph spendete 20 000 fl. für die Ueberschwemmten.
Wirdapest, 20. Juni. Ein entsetzliches Unglück hat sich gestern auf der Donau zugetragen. Eine Schaar von über 300 Wallfahrern unter Führung des Pakser Pfarrers Spieß wollte von Paks nach Kaloksa auf einer Fähre übersetzen. Es heißt, die Zahl derer, die sich auf die Fähre drängten, sei zu groß gewesen, der Ueberfuhrpächter habe Einsprache erhoben, ohne Gehör zu finden. Er fuhr ab, und nun scheint nach einigen Berichten ein Sturmwind hinzugekommen >zu sein. Kurz, die Fähre schlug um.und sämmtliche Insassen stürzten ins Wasser. Noch fehlen genaue Angaben über die Zahl der Opfer, aber die bis jetzt vorliegenden Berichte lassen befürchten, daß es gegen 200 sind. Der „Frankfurter Ztg." wird gemeldet, auf der verunglückten Fähre haben sich nahezu 400 Menschen befunden. Zwei Wagen sammt Pferden und 122 Menschen seien gerettet, 150 Leichen bereits herausgefischt, 40 Personen werden vermißt. Eine Untersuchung sei eingeleitet. Der Besitzer der Plätte, der gerettet wurde, habe sich dem Gericht selbst gestellt. Von dem Führer der Wallfahrer wird erzählt, er habe im Augenblick der höchsten Gefahr den Wallfahrern den Segen und die Absolution in extremis erteilt, sei dann mit einem kleinen Kinde ins Wasser gesprungen, habe sich und das Kind durch Schwimmen gerettet, sei aber dann in der Nacht infolge der Aufregung und des Schreckens gestorben.
In Zürich demonstrierten etwa 4000 Arbeiter auf dem Tonhalleplatz unter gewaltiger Volksteilnahme gegen die ntzlde Verurteilung des Totschlägers Ingenieur Lutz, welcher 4 Monat Gefängnis erhalten, im Verhältnis zu der Strafe des Gießers Göckler, der zu 4 Jahren Arbeitshaus wegen Körperverletzung nach seiner Arbeitsentlaffung verurteilt worden war. Sie erklärten das Urteil als Klassenjustiz und beschlossen eine Volkspetition um Göckler's Freilassung.
Baris, 19. Juni. Der oberste Kriegsrath hat zu den von dem Kriegsminister General Ferron vorbereiteten, gestern dem Minister-
rathe unterbreiteten Gesetzentwürfen seine Zustimmung ausgesprochen.
— Der französische Kriegsminister General Ferron will die allgemeine Wehrpflicht auch auf Algerien ausdehnen, wodurch das dem Heer zuwachsende jährliche Kontingent um 60 000 Mann erhöht würde.
— General Boulanger spart sich selbst zu großen Dingen auf. Man glaubt in Paris, daß er das Kommando des XVII. Armeekorps nicht übernehmen werde. „Augenblicklich", soll er gesagt haben, „thue ich am Besten, mich still zu halten. Bricht der Krieg aus, muß ich doch marschieren. Dann wird nicht Paris allein, sondern ganz Frankreich in seinem Vertrauen nach Boulanger rufen. Als ich noch Minister war, war der Friede sicherer. Für Deutschland bedeutete ich eine Gefahr." Boulanger soll überzeugt sein, seine Entlassung wäre von dem französischen Botschafter in Berlin, Herbette, bei Grövy ausdrücklich verlangt worden.
— Der Battenberger mag nicht mehr. Er hat von Kissingen aus der Regentschaft in Bulgarien durch ein Telegramm bestens für ihre Freundlichkeit gedankt, daß sie ihn wiederum als Fürst von Bulgarien in Vorschlag gebracht habe, gleichzeitig aber erklärt, daß er niemals mehr nach Bulgarien zurückkehren werde. Seines Telegramms kurzer Sinn ist etwa: Macht keine Dummheiten; möge es
euch gut gehen, ich aber danke für alles.
— Die Londoner Gasthöfe beginnen bereits eine goldene Ernte anläßlich des Jubiläums der Königin einzuheimsen. Im Langham-Hotel wohnt der Maharadsah Holkar mit einem Gefolge von 18 Personen, während im Hotel Metropole ein indischer Premierminister während der letzten zwei Monate eine Rechnung von 1580 Pfd. bezahlt hat. Ein Amerikaner hat in einem andern Hotel Zimmer bestellt und 100 Gäste für den großen Tag in der nächsten Woche eingeladen.
Bukarest, 16, Juni. Die Stadt Boto- schani, ein bedeutender Handelsort an der Moldau nicht mehr als 40 000 Einwohnern, steht seit gestern in Flammen. Nach hier eingegangenen amtliche» Meldungen beträgt die Zahl der eingeäscherten Häuser 1000. 7 Personen sollen umgekommen sein.
— Dem Zaren ist ein neues Unglück widerfahren. In seinem Haus dient eine Kinderfrau, deren Mutter in ihrer Heimath als große Wahrsagerin gilt. Als diese ihre Tochter kürzlich besuchte, hörte die Zarin davon, ließ sie vor sich kommen und befahl, ihr die Zukunft vorherzusagen. Die Bauernfrau zögerte, besah ihr dann die Hände und sagte langsam: „Ihr werdet eure ganze Familie, Mann und Kinder überleben." Bald darauf trat der Zar in das Zimmer und fand seine Gemahlin in Tränen gebadet. Als er hörte, was geschehen, ließ er die Alte aus drm Hause peitschen und schickte ihr die Tochter nach.
Washington, 16. Juni. Bis jetzt sind 312000 Exemplare von General Grants Autobiographie verkauft worden. Der erzielte Bruttoerlös beläuft sich demnach auf 2 808 009 Dollars.
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