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geben Sie ihm die Gelegenheit, zu zeigen, daß er einen festen Willen und Ausdauer besitzt; wie gesagt, ich bürge für ihn."
„Gut denn, ich will es rhun, um Ihnen zu zeigen, wie viel Werth ich auf Ihre Empfehlung lege," gab Seidel zur Antwort.
„Ich danke Ihnen. Wann darf er sich Ihnen vorstellen?"
„Es bedarf der Vorstellung nicht — morgen früh kann er in die Stelle eintreten."
„Vortrefflich!"
Eschebach reichte dem Kommerzienrath die Hand, um ihm zu danken und sich zu empfehlen.
„Noch eine Frage, Herr Kommissär," bemerkte Seidel. „Mir ist erzählt worden, daß der junge Mann eine Schauspielerin liebe; dieselbe soll als Künstlerin wenig taugen und nicht die geringsten Mittel besitzen; wie verhält es sich damit?"
„Es ist Alles so, wie Sie gesagt haben."
„Glauben Sie, daß der frühere Herr Lieutenant das Mädchen je heirathen wird?"
„Er wird es thun."
„Sein Vater hat gedroht, ihn in dem Falle zu enterben, und wie ich den alten Hartport kenne, wird er seine Drohung ausführen." „Der Alte wird dies thun,
erbaut, welches schon durch seine Größe und ganze Einrichtung d», Reichthum seines Besitzers verrieth.
Dieses Haus bewohnte Hartport allein mit seiner Tochter.
Seine Zimmer waren im Erdgeschoß gelegen und führten durch den Gartensalon unmittelbar in den Garten. Von dem Hause HM er kaum dreißig Schritt bis zu dem nebenan gelegenen Werkplatze zn gehen, der durch eine Mauer vom Garten getrennt war. Nur durch eine kleine Thür war die Verbindung vermittelt.
Harport befand sich in seinem Zimmer, einem großen, geschmackvoll ausgestatteten Gemache. Der Arzt hatte ihm nach dem Schwindel, von dem er am Tage zuvor betroffen worden und der in der That ein leichter Schlaganfall gewesen war, Ruhe und Schonung empfohlen, und Harport hatte den Bitten seiner Tochter wenigsten soweit ncch gegeben, daß er den einen Tag sich von jeder Arbeit fern hielt.
Hercher kam, um sich nach seinem Befinden zu erkundigen.
„Mir fehlt gar nichts!" rief Harport, der sehr gut gelaunt war „Ich fühle mich sogar sehr Wohl und leicht. Mein Arzt und mein- Tochter haben mir zwar für heille Stubenarrest anbefohlen, ohne ich eigentlich weiß, weshalb. Nun, ich bin ein gutmüthiger Mensch und thue ihnen den Gefallen."
aber der Sohn läßt sich dadurch nicht zurückschrecken, weil er das Mädchen wirklich liebt."
„Das gefällt mir!" rief Seidel.
„Herr Kommerzienrath, es wird Ihnen noch Manches an ihm gefallen, wenn Sie ihn näher kennen lernen," entgegnete Eschebach. „In wenigen Stunden muß ich auf längere Zeit verreisen, wenn ich wiederkomme, hoffe ich, daß Sie zufrieden sein werden, auf meine Empfehlung gehört zu haben.
Er entfernte sich.
Vor dem Hause empfing ihn Ernst in größter Unruhe.
„Nun?" fragte er.
„Du kannst morgen früh die Stellung antreten," fgab Eschebach lächelnd zur Antwort. „Stell' Dich indessen zur rechten Zeit ein, denn der Kommerzienrath ist ein Freund der Pünktlichkeit."
„Rudolph, Du scherzest!" rief Ernst.
„Nein — nein, ich habe die Wahrheit gesprochen. Ich habe dem Herrn Seidel freilich versprochen, daß Du all' Deine Kräfte zusammennehmen werdest."
„Das durftest Du dreist thun, denn ich werde erfüllen, was Du versprochen hast!" rief Ernst, erfreut die Hand des Freundes erfassend. „Wie soll ich Dir danken?"
Adolph Wilhelm Hermann Kolbe. (S. 64)
„Du hast keinen Stubenarrest," warf Meta lächeln! ein. „Der Doktor hat Dil sogar den Aufenthalt im 8 ten empfohlen."
„Um mir die Enthaltsamkeit von der Arbeit i schwerer zu machen," s Harport fort. „Bin ich im Garten, so habe ich um wenige Schritte bis zum Werkplatze — dieser Versuchung will ich mich nicht aussetzen."
„Du kannst es dreist thun, denn Du müßtest doch wohl einen etwas weiteren Weg machen, um den Werkplatz zu erreichen," entgegnete Meta und zog einen Schlüffe! aut der Tasche ihres Kleides, denselben lachend ihrem Vater zeigend, um ihn schnell Wieder zu verbergen.
„Was hast Du dort?' rief Harport.
„Den Schlüssel zu der Mauerthür."
Der Steinmetzmeister lachte auf.
„Herr Ingenieur, es freut mich, daß Sie endlich einmal Zeuge sind, unter welcher Tyrannei meiner Tochter ich leiden muß!" rief er.
„Es ist entsetzlich," gab Hercher auf den Scherz eingehend zur Antwort. „Ich bewundere nur, daß Sie im Stande sind, es zu ertragen!'
„Was soll ich machen?" fuhr Harport fort. „Man
„Gar nicht! Ich selbst reise nun ruhiger ab, weil für Deine nächste Zukunft gesorgt ist. Doch jetzt muß ich eilen — von London aus schreibe ich Dir — lebe Wohl!"
Flüchtig hatte Eschebach dem Freunde die Hand gedrückt und eilte rasch weiter. Wohl hätte er noch eine Minute Zeit gehabt, er wollte indessen dem Danke ausweichen, gewährte es ihm doch selbst eine freudige Genugthuung, daß er im Stande gewesen war, dem Bruder Meta's einen Dienst zu erweisen.
Kaum zwei Stunden später fuhr er zum Bahnhofe, um mit dem nächsten Zuge die Stadt zu verlassen. Auf wie lange? Wer wußte eS! ^
Harport besaß dicht vor dem Thore der Residenz ein großes Grund- stück. Vor Jahren hatte er hier nur seine Werkstatt und ein großes Stemlager gehabt, welches durch einen doppelten Schienenstran'g mit der Ersenbahn rn Verbindung stand. Die Werkstatt war von Jahr zu worden und bestand jetzt aus langen Arbeitshallen und Arbertssälen für den Winter. Dann hatte er ein großes, dicht nebenan gelegenes Grundstück erworben, dasselbe zum geschmackvoll angelegten Garten umgewandelt und in demselben sich ein Wohnhaus
gewöhnt sich zuletzt auch an die härteste Sklaverei!"
Meta war der Unterhaltung wenig gefolgt, sie stand am Fenster unb blickte hinaus in den Garten, als ob sie Jemand erwartete. Mußte nicht auch Eschebach kommen, um sich nach dem Befinden ihres Vaters zu erkundigen? Er war bei solchen Gelegenheiten gewöhnlich der Erste.
Fast in demselben Augenblicke brachte der Diener einen Brief.
„Ah! Von dem Kommissär!" rief Harport, sobald er die Ausschrift bemerkte.
Unwillkürlich ergoß sich über Meta's Gesicht eine leichte Rothe, sie fühlte es und um es nicht zu verrathen, blieb sie dem Fenster zugewandt stehen.
Harport hatte den Brief erbrochen.
„Es war mir ausgefallen, daß er heute Morgen nicht einmal vorgesprochen hatte," sprach er, „hier ist die Aufklärung. Er hat, als er im Begriffe war, hierherzukommen, von dem Polizeipräsidenten den Auftrag bekommen, in einer wichtigen Angelegenheit sofort nach London zu reisen, und ist bereits unterwegs." „
„Daß er heute nach London reifen werde, wußte er bereits gestern,' bemerkte Hercher.