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München, 16. März. Der Zustand des Königs Otto hat sich in letzter Zeit sehr bedeutend verschlimmert, so daß die Aerzte dessen Auflösung, wenn nicht in nächster, so doch in bald absehbarer Zeit erwarten.
— Der Rcichsrag wird voraussichtlich bis zum Sonnabend, den 26. März über den Reichshaushaltsetat seine Beratungen beendet haben und dann bis zum 19. April in die Osterferien gehen.
— Der Deutsche thut's einmal nicht ohne Spitznamen. Das Centrum, das im allen Reichstag für das Triennat stimmte, und im neuen Reichstag weder Ja noch Nein sagte, sondern unbeschriebene Zettel abgab, nennt er Fraktion Drückeberger. Erfinder sollen die alten Bundesgenossen sein.
— Was soll man von Boulanger denken? Er ist entweder ein Teufel oder ein sehr guter i Schauspieler. Am Montag gab er in Paris im Kriegsministerium ein großes diplomatisches Diner, zu dem auch der deutsche Botschafter Graf Münster und der deutsche Militär-Attache v. Huene geladen waren. Während der Tafel spielte ein Militärmusikkorps die sämmt- lichen National-Hymnen und begann mit der preußischen: „Ich bin ein Preuße rc.", auf die dann die deutsche: „Heil dir im Siegerkranz" folgte. Auch die beiden hervorragendsten Gegner Boulanger's unter seinen eigenen Landsleuten, der Minister des Aeußeren Flou- rens und Freycinet, der frühere Ministerpräsident, waren zu dem Fest geladen und erschienen.
— Die Deutsche Gold- und Silber-Scheideanstalt beschloß die Ausgabe von 900 000 neuer Aktien, wovon 600 000 ^ den alten Aktionären vom 1. bis 20. April zum Kurse von 130 pCt. offeriert werden sollen.
— Nicht weniger als 85 fürstliche Personen, Herren und Damen, werden unseren Kaiser am 22. März, an seinem 90. Geburtstag, umgeben. Aus Nord und Süd, aus Ost und West, aus ganz Europa werden sie zusammenkommen, um an diesem Tag, der einzig, bisher in der Geschichte dasteht, dem greisen Helden ihre Huldigungen darzubringen.
— Die Militär-Vorlage tritt in Kraft! Die neueste Nummer des Armeeverordnungsblattes veröffentlicht eine Ordre des Kaisers über die Errichtung neuer Truppenteile auf Grund des neuen Gesetzes über die Friedenspräsenzstärke des Heeres. Nach derselben erhalten 4 neu zu errichtende Infanterie-Regimenter, welche die Nummern 135, 136, 137 und 138 führen, in Diedenhofen, Dieuze, Hagenau und, Straßburg ihre Garnisonen. Von den neu zu formierenden vierten Bataillonen werden zwei nach Mühlhausen i. E., drei nach Köln, je eins nach Rastatt, Neubreisach, Hanau, Kassel, Münster, Düffeldorf, Aachen, Gleiwitz, Straßburg in Westpreußen und Jnowrazlaw gelegt. Gleichzeitig veröffentlicht das Blatt eine Kabinetsordre über die Einführung eines leichteren Jnsanteriegepäcks.
— Nach einer alten. Prophezeiung, die dem Erzbischof von Armagh in Irland (ch 1148) angehören soll, werden nach Leo XIII., der als „Licht im Himmel" bezeichnet wird, nur noch 10 Päpste in Rom folgen. Von dem 10. und letzten heißt es in der Prophezeiung: „In der letzten Verfolgung der h. römischen Kirche wird sitzen der Römer Petrus II, welcher die Schafe in vielen Plagen weiden wird, nach deren Ende wird die Siebenhügelstadt (Rom) zerstört werden und der schreckliche Richter wird sein Volk richten. Amen." Von anderen Gelehrten wird die Prophezeiung einem Ungenannten zur Zeit des Lonclave im Jahr
1590 zugeschrieben. Pius IX. erhält in ihr das Zeichen „Kreuz im Kreuze."
— Nach einer Meldung des „N. W. T." soll der zur Zeit in Petersburg weilende russische Botschafter in Konstantinopel, Herr von Nelidoff, erklärt haben, Rußland habe darauf verzichtet, einen General als Kriegsminister oder überhaupt russische Offiziere für die bulgarische Armee abzugeben.
In Kannovcr wurde ein harmlos seines Weges gehender Soldat auf der sog. Kaiserallee von drei Doggen angefallen, welche ihm das Fleisch in großen Stücken vom Körper rissen. An dem Aufkommen des Zerfleischten wird gezweifelt.
— (Reicher Kindersegen.) In Wik- leuöerg wurde vergangenen Sonntag dem Landbriefträger Brauer das siebzehnte ihm geborene Kind, sein zehnter Sohn, getauft. Prinz Wilhelm hat bei dem Täufling eine Paten- >, stelle angenommen und ihm ein Parengeschenk überwiesen.
Torgau, 15. März. In dem kleinen Elbstädtchen Pretzsch ist dieser Tage die Wittwe Steuer in dem hohen Alter von 108 Jahren gestorben.
Wöhmen. (Erdbeben.) Am 13. des Abends fand in der bekannten Bergstadt Birkenberg bei Przibram ein heftiges Erdbeben statt. Der Stoß war von solcher Intensität, daß Alles in's Freie lief, um Schutz vor einem eventuellen Häusereinsturz zu finden.
— Auch aus der Schweiz wird von erneuten heftigen Schneefällen berichtet. Seit Sonntag früh herrscht in Zürich unausgesetzter Schneefall. Der Schnee liegt überall mindestens einen halben Meter hoch; aus verschiedenen Teilen des Landes werden Verkehrsstörungen gemeldet.
Mom, 14. März. Prinz Amadeus, Herzog von Aosta, hat seine Abreise nach Berlin, um dem Kaiser Wilhelm zu dessen Geburtstag die Glückwünsche des Königs zu überbringen, auf den 19. d. M. festgesetzt.
Nizza, 13. März. Seine Majestät der Deutsche Kaiser und König von Preußen haben am 10. d. M., dem Tag nach der Schlußabstimmung des Reichstags über die Miltär- vorlage, ein Telegramm an Seine Majestät den König nach Nizza gerichtet, in welchem Seine Majestät der Kaiser der in Württemberg so gut ausgefallenen Wahlen, die den gestrigen Sieg mitherbeiführten, gedacht haben.
— In Arankreich haben sich im vorigen Jahr 12 741 Mädchen um das Lehrer- viplom beworben, in Paris allein 4071. In Paris haben kaum 100 Anstellung gefunden, in den Provinzen nicht viel mehr. Was sollen die armen Mädchen thun? Sich mehr in wirtschaftlichen Dingen einschulen, raten die öffentlichen Stimmen.
Warrs, 17. März. Der Armeeausschuß der Kammer beauftragte seinen Vorsitzenden Mahy, den Brief des Kriegsministers, worin er die Beschlüsse des Ausschusses, betr. die polytechn. Schulen, tadelt, mit einem die Sprache des Ministers energisch zurückweisenden Schreiben zu beantworten, welches nun ebenfalls veröffentlicht worden ist. Man glaubt, daß in der Kammer einerseits Boulanger wegen seines Brieses, andererseits Flmrens wegen der Les- sepsschen Reise und dem Verhalten Herbettes interpelliert werden. Der Bestand des Kabi- nets würde dadurch in Frage gestellt.
Aus Sofia, 14. März, meldet die N. Fr. Presse, daß eine bulgarische Abordnung, 2 Haupileute und 1 Rittmeister nach Essen abgereist sind, um dort Kriegsmaterial zu übernehmen; dieselben sollen auch in Wien und
Pest wegen des Pferdeausfuhrverbots verhandeln.
London, 15. März. Seit heute Morgen haben wir hier einen pechschwarzen Nebel abwechselnd mit Schneegestöber und Ostwind. Ein solches Wetter ist kaum jemals hier vorgekommen.
London, 16. März. London bot gestern Morgen einen winterlichen Anblick. In aller Frühe fing es an zu schneien und bis gegen Mittag herrschte eine um diese Jahreszeit seltene Dunkelheit. Es schien fast, als ob die Sonne sich verfinstert hätte und der Verkehr mar so erschwert, wie zu Zeiten des dichtesten Winternebels. Am Nachmittag klärte sich das Wetter auf, obgleich wiederum Schnee fiel. Aus Cardiff wurde der heftigste Schneesturm, welcher seit Jahren dort vorgekommen ist, gemeldet. Der Pferdebahnverkehr mußte daselbst eingestellt werden. In Sommersethire liegt der Schnee einen Fuß tief.
— Auch die Königin von Spanien sendet zum 90. Geburtstag des Kaisers einen General nach Berlin, um dem Kaiser ihre und des spanischen Volkes Glückwünsche überbringen za lassen.
Petersburg, 16. März Der Regierungsanzeiger bringt folgende Mitteilung: Am 13. d. gegen 11 Uhr Vormittags wurden auf dem Newskiprospekt 3 Studenten der Petersburger Universität verhaftet, bei welchen Sprengstoffe gefunden wurden. Die Verhafteten gestanden, zu einer geheimen verbrecherischen Verbindung anzugehören. Die ihnen abgenommenen Geschoße erwiesen sich bei der Prüfung durch Sachverständige als mit Dynamit und Bleikugeln geladen, welche mit Strychnin gefüllt waren.
Wofio», 11. März. Nach weiteren Berichten bestand der verunglückte Personenzug aus 8 Wagen, wovon 5 aus einer Höhe von 50 Fuß hinabstürzten und völlig zertrümmert wurden; 3 andere entgleisten ebenfalls, blieben aber, wenn auch stark beschädigt, auf der Brücke stehen.
(Die Patro ntas che.) In dieser Zeit der Kriegsgerüchte mag folgende etwas militärisch angehauchte Anekdote erzählt werden: Ein wehrpflichtiger Ostschweizer wollte auf einen allsällig plötzlich eintreffenden Marschbefehl hin seine Ausrüstung Nachsehen und gemäß der neulichen strengen Bekanntmachung in guten Stand setzen. Alles fand sich richtig vor bis aus die Patronentasche. Trotz allen verzweifelten Suchens war keine Spur von dem unentbehrlichen Ausrüstungsgegenstand zu entdecken, und dem Mund des ordnungsliebenden Wehrmannes entfuhr manch vaterländisches Kraftwort. Schließlich stellte sich durch Verrat eines 5 jährigen Mädchens heraus, daß die Frau Gemahlin unseres Füsiliers die Patronentasche als — Tournüre schon seit längerer Zeit in Gebrauch hatte. So wurde das wichtige Ausrüstungsstück doch nicht ganz seiner urspringlichen Bestimmung entfremdet.
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