Wil-Kader Chronik.
Amtsblatt für die Stadt Wrl'öbad.
Anzeiger und Unterhaltungs-Blatt für Wildbad und Umgebung.
Kirrurrdzwcrnzigster Jahrgang.
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Die Expedition der „Wikdiiader Ghronik
W ü r t t e ul b e r g.
Stuttgart, 27. Okt. Der Baummarkt war befahren mit 1800 Hochstämmen, 850 Spalieren, außerdem mit Rosenstämmen, Beerenobststräuchern, Zierpflanzen, Wildlingen, Kerbreben, auch Weiden. Vertreten waren auch Gartengeräte, Scheeren, Messer rc. Der zugeführten, durchaus schönen Ware gegenüber hätte die Kauflust eine bessere sein sollen. — Gleichzeitig wurden von 26 Mitgliedern des Württembergischen Bienenzüchtervereins ca. 40 Ctr. garantiert reiner Honig feil geboten. Für Wiederverkäufer Gelegenheit billigsten Einkaufs. Der Engros-Verkauf in großen Büchsen war diesmal noch vereinzelt; dagegen fand der in Gläsern gefüllte Honig seitens der Hausfrauen rasche Abnahme. Auf kommende Christmesse ist wieder ein Honig-Verkauf in Aussicht genommen.
— Stadtpflegebuchhalter Schmid in Stuttgart wurde zum Stadtschultheißen von Friedrichshafen und der Gutsbesitzer und Holzhändler I. Köhler von Grünthal, O.A. Freudenstadt, zum Schultheißen dieser Gemeinde ernannt.
In Geislingen trank eine Frau übermäßig süßen Most. Tags darauf traf man sie im Bett zerplatzt.
Aus Göerschwaöen, 29. Okt. Der diesjährige Hagelschaden in 106 Gemeinden in 27 Oberämtern wird nach einer Bekanntmachung der Zentralleitung des Wohlthätigkeitsvereins nach den amtlichen Schätzungen auf mehr als 4 Millionen Mark berechnet: 53 Gemeinden in 15 Oberämtern haben bei der Zentralleitung des Wohlthätigkeitsvereins Unterstützungsgesuche eingercicht, welchen blos bei reichtlichen Kollekten für diesen Zweck entsprochen werden kann. — Nachdem wir in den 2 letzten Tagen starken Sturm haben, schneit es seit heute Nacht beständig.
Ghingen, 2. Nov. Im Gasthaus „zum Strauß" dahier forderte der Gastwirt gestern Abend etwa gegen 11 Uhr zum Heimgehen auf, als plötzlich ein junger Mensch von 21 Jahren, der Metzgerknecht Jakob Schaupp von hier, mit gezücktem Messer auf ihn zuging. Im gleichem Augenblick suchte der Taglöhger Peter Dolpp den Wirt zu schützen, erhielt aber von Schaupp einen Stich ins Herz, daß er tot zu Boden stürzte. Die Aufregung über die Frevelthat ist sehr groß. Der Thäter wurde sofort verhaftet.
Mezingen, l. Nov. Die Herren Kahn und Aufhäuser, Besitzer der mechanischen Zwirnerei Cannstatt, haben hier eine Filiale errichtet. Seit einigen Tagen ist das an der Erms gelegene Etablissement mit 31 Edison'schen Glühlichtern von je 16 Kerzenstärken beleuchtet. Die Dynamomaschinen zu 3 Pferdekräften lieferte die Firma Schäfer in Göppingen. Die Maschine macht 1400 Umdrehungen per Minute; jede Lampe kann einzeln ein- und ausgeschaltet werden.
R n u - s ch a u.
Mosbach, 28. Okt. Der „Odenw. Bote" schreibt: Gegenwärtig ist unsere Gegend wieder von sogen. Goldwaren-Hausierern, welche meistenteils angeblich aus Pforzheim sind und einen Bruder oder Schwager rc. als Fabrikant dort haben, besucht. Dieselben machen ein sehr lohnendes Geschäft dadurch, daß sie beim Pub
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likum altes Gold und Silber einzutauschen suchen und ganz unsolide geringe Ware dafür hergeben, welche oft nicht den zwanzigsten Teil des Wertes des dafür gegebenen alten Goldes und Silbers hat. Indem das Verbot des Hausierens mit Goldwaren, ob massiv oder ausgefüllt, Rcichsgesetz ist, dürfen diese säubern Geschäftsritter nur vergoldete unüchte Ware führen, und ist deshalb das Publikum nicht dringend genug zu warnen, solchen Leuten in die Falle zu gehen.
Mainz, 28. Okt. Die viel besprochene Reisetasche, mit welcher der mutmaßliche Mörder Herbst an dem Tage nach der Ermordung des Wothe gesehen worden sein soll, scheint heute Mittag in dem Aborte der Wirtschaft (Brauerei) „zum Täubchen" gefunden worden zu sein. Die Tasche, deren Boden abgelöst war, enthält zwar absolut nichts, doch soll kein Zweifel herrschen, daß man es mit der vermißten Tasche zu thun hat. Da Herbst mit einer Reisetasche an dem Tag nach dem Morde gesehen worden ist, so bildet dieser neueste Fund wohl den wichtigsten der bis jetzt gefundenen Gegenstände, durch welche Herbst belastet wird.
— Glück und Unglück liegen oft wunderbar nahe zusammen. Das erfuhr ein Viehtreiber in Homburg v. d. H., welcher in der Frankfurter Pferdemarktlotterie für sein Loos von 3 Mark ein schönes Reitpferd gewann und dessen Werth mit 760 Mark ausgezahlt erhielt. Der sonst arbeitsame Mann verjubelte mit durstigen Freunden in einigen vergnügten Tagen die Hälfte des Gewinns, that dann einen lustigen Sprung und unglücklichen Fall vom Wirtshaustisch und zog sich einen doppelten Beinbruch zu. Dagegen waren zwei arme Dienstmädchen, welche den ersten Preis (eleganten Vierspänner mit Equipage) gemeinsam gewannen, vorsichtiger. Sie fuhren nicht 4spännig aus, teilten den Erlös und legten ihn zinstragend auf einer Sparkasse an. Nun kommt wohl bald der „Freiersmann", sie können ihn erwarten!
St. Aohanu, 1 . Nov. Bei Auswölbung des Tunnels bei Heimbach (Rhein-Nahebahn) stürzte in voriger Nacht der Unterbau zusammen. Drei Arbeiter blieben tot, acht wurden schwer verletzt ins Krankenhaus St. Wendel gebracht.
In Weimar ist ein 14jähriger Schüler wegen Verbrechens gegen die Sittlichkeit zu 1 Jahr 3 Monat Gefängniß verurteilt worden.
— Ein neuer Prozeß, der in Aussicht steht, erregt in Merlin Aufsehen. Einer der ersten deutschen Verlagsbuchhändler, der reiche Geh. Kommerzienrat Otto Zanke in Berlin, spielt darin die leidende Hauptrolle. Er hat seine Tochter möglichst vornehm verheirathen wollen. Durch einen Heiratsvermittler hatte sich ein verschuldeter Adeliger, ein Graf Matuschka von Toppelczau, als Ehegemahl gefunden für das reiche Mädchen, welcher dem betreffenden Vermittler eine Provision von 15 000 versprach. Diese Summe versäumte er aber nach der Hochzeit zu zahlen. Eine Reihe dunkler Vorgänge, die sich daran knüpften, läßt sich nach den bisherigen Veröffentlichungen noch nicht erkennen. Nur soviel ist sicher, daß der alte Kommerzienrat seinem vornehmen Schwiegersohn, dem er unter anderem ein Rittergut gekauft hatte, aus der Verlegenheit helfen wollte. Dieser Schwiegersohn scheint aber so hohe Ansprüche an den Geldbeutel seines Schwiegerpapas gestellt zu haben, daß die Söhne des letzteren, die drei in Berlin überall bekannten Brüder Karl, Gustav und Richard Zanke „das vorläufige Entmündigungsverfahren" gegen ihren Vater gerichtlich durchsetzten. Dem alten Herrn wird dabei zur Last gelegt, daß er durch einen früher erlittenen Schlaganfall geistesschwach geworden sei, und „in dieser Geistesschwäche müsse er vor der Ausbeutung eines Hochstaplers" geschützt werden. Unter dem Hochstapler verstehen die drei Brüder ihren gräflichen Herrn
Mittwoch, den 4. November