In Belgrad herrscht große Beunruhigung, weil geglaubt wird, daß auch eine Mobilisierung Oesterreich-Ungarns unmittelbar bevorstehe bezw. in vollem Gang sei.
Belgrad, 13. Okt. Die Skupschtina hat die Gesetze betr. den außerordentlichen Kredit für die Armee im Betrage von 44 800 000 Mk. und die Schaffung eines Moratoriums angenommen. Darauf wurde die außerordentlicheTagunggeschlossen.
Nach einer Lloydmeldung aus Konstantinopel sind die türkischen Kriegsschiffe in der Richtung nach dem Schwarzen Meer abgefahren und haben bei Kavak am Bosporus Anker geworfen.
Paris, 14. Oktober. Der „Figaro" erhält Kenntnis von einem Briefwechsel zwischen dem König von Italien und seinem Schwiegervater, dem König von Montenegro. König Viktor Emanuel rät zur Vorsicht und Zurückhaltung. König Nikita erwidert jedoch: „Du hast mehr als 100000 Mann dem Süden zugeschickt, um ein Land zu erobern, das Dir nicht gehört, und Du möchtest mich verhindern, zu fordern, was die Türkei kraft des Berliner Vertrages mir seit 34 Jahren schuldet?" — Die Veröffentlichung des Inhalts dieses vertraulichen Schreibens geht von Italien aus, dem daran liegt, der Welt zu zeigen, daß es weit entfernt ist, zum eigenen Vorteil Wirren auf der Balkanhalbinsel heraufzubeschwören, vielmehr bemüht ist, den Angriff Anderer auf die Türkei zu verhindern.
Berlin, 13. Okt. Hier erregt das seltsame Verhalten Rußlands (auf der einen Seite Friedensbeteurungen, auf der andern Kriegsvorbereitungen, namentlich im Weichfelgebiet) immer größere Bedenken. Man spricht offen von einem Doppelspiel Rußlands.
Rußland ist kriegslustig; trotz aller gegenteiligen Meldungen ist daran nicht mehr zu zweifeln. Die vorherrschende Richtung dort wird folgendermaßen bezeichnet: Die slavischen Brüder auf dem Balkan werden der Türkei den Garaus machen, Oesterreich-Ungarn wird sich in Verfolgung seiner selbstsüchtigen Ziele einmengen, Rußland aber wird eine Schädigung feiner Schützlinge nicht dulden und mit bewaffneter Hand eingrrifen. Dann wird Deutschland dem Dreibundgenoffen beifpringen, die Triple-Entente wird ihre Kräfte entfalten und eS wird zu dem Weltkrieg kommen, der nach Prophezeiungen eines vor Revanchegelüsten halb übergeschnappten französischen hohen Offiziers mit der Schlacht aus dem Birkenfelde enden soll. Hier wird die germanische Welt endgiltig von den vereinigten Slaven und Romanen zerschmettert werden, das deutsche Reich wird zerfallen und in Europa wird, nach Beseitigung aller Störenfriede, ein wahrhaft paradiesisches Leben beginnen. So ungefähr malt sich die nächste Zukunft in dem erhitzten Gehirn der panflavistischen Kriegseiferer. — So verständig der russische Ministerpräsident Kokowzow auch ist, so kann man von dem ziemlich nachgiebigen Alaune doch keinen energischen Widerstand gegen kriegerische Gelüste seiner Kollegen und des Hofes erwarten. Angesichts dieser Strömungen kann man leider nicht ruhig in die Zukunft schauen. Auch wenn die russisch-österreichische Aktion nicht gelingt, bleibt immer noch die Möglichkeit, vielleicht sogar die Wahrscheinlichkeit offen, daß die im Augenblick eingetretene Ruhe die Ruhe vor dem Sturme ist. Die Träume aber vom Birkenfelde und dem tausendjährigen Reiche unter slavisch-romanischer Vorherrschaft dürften schöne Träume für die Herren Hitzköpfe bleiben, denn schon die hiezu schlechterdings erforderliche Konstellation der Mächte wird sich schwerlich einstellen.
Au- Württemberg.
Stuttgart, 14. Okt. Der „Staatsanzeiger" vom 12. Oktober teilt mit, die Nachricht, daß die Landtagswahlen am 13. Nov. stattfinden, sei nicht zutreffend; der Wahltag sei noch nicht festgesetzt.
Stuttgart, 14. Okt. Der Aufmarsch zur Landtagswahl ist trotz der Nähe des Wahltags — es trennen uns von ihm nur noch 4 Wochen — noch keineswegs vollzogen. Die Kandidatenlisten sämtlicher Parteien weisen noch große Lücken auf. Die Zahl der nationallib. Kandidaten, die bis jetzt aufgestellt worden sind, beträgt 19, die der Volkspartei 33, die des Bundes der Landwirte und der Konservativen 22, die des Zentrums 20 und die der Sozialdemokratie 47.
Die württe mb ergische Regierung hat im Bundesrat eine Erleichterung der Einfuhr des dänischen Fleisches beantragt. ^
— Der Landesausschuß der Volkspartei hat an das Ministerium des Innern mit Rücksicht auf die außergewöhnlichen Verhältnisse des Weinjahres 1912 eine Resolution gerichtet, bei der Reichsregierung Maßnahmen anzuregen, die ausnahmsweise für das heurige Wachstum eine das Höchstmaß von 20 Prozent übersteigende Zuckerung ermöglichen.
Böblingen, 14. Okt. Gestern abend kurz nach 5 Uhr wurde auf der Straße Böblingen-" Sindelfingen die schwerhörige 70jährige Witwe Glaser von dem mit 4 Personen besetzten Auto des Fahrradhändlers Karl Sauer aus Stuttgart überfahren und sofort getötet. Der Lenker wurde verhaftet, das Auto ist schwer beschädigt.
In Oberndorf wurde gestern die Landes- verfammlung der Zentrumspartei mit einer gut besuchten öffentlichen Versammlung eingeleilet. Der Abg. Gröber sprach über Staat und Kirche.
Pfullingen, 14. Okt. Heute uacht wurden mehrfach leichtere Erdstöße verspürt, so um 9.25 und 4.20 Uhr.
Münsingen, 12. Okt. Die am 7. ds. früh morgens in den Wald gelaufene Frau des Waldschützen Kinkels, die trotz Zuhilfenahme eines Polizeihundes nicht ermittelt werden konnte, ist am 10. Okt. nun am Bucheuhain, nicht weit von hier, tot auf- grfunden worden.
Von der Hornisgrinde, 14. Okt. Heute wird der Neubau auf dem Gipfel der Hornisgrinde in Angriff genommen. Es handelt sich nicht um ein Kurhotel, sondern um ein Unterkunftshaus für Touristen.
In Ehingen wurde am Sonntag der sechste würltemb. Obstbautag abgehalten.
Aus dem Reiche.
Karlsruhe, 14. Okt. Die Budgetkommission der Zweiten Kammer nahm einstimmig den Gesetzentwurf betreffend das Murgkraftwerk an. Die Zweite Kammer tritt am 22. Oktober zusammen.
Heidelberg, 13. Okt. Prinz Peter von Montenegro, der in früheren Jahren in Heidelberg eine höhere Privatschule besucht hat, sandte an seinen früheren Lehrer vom Schlachtfeld bei Pod- goritza gestern folgendes Telegramm: „Seit drei Tagen in heftigem Kampf. Feind auf der ganzen Linie geworfen. Feindliche Festungen und Kanonen in unsere Hände gefallen. Viele Offiziere und Soldaten gefangen genommen. Mit Gruß Prinz Peter."
Achern, 13. Okt. Auf der Eisenbahnstrecke zwischen hier und Fautenbach wurde gestern nachmittag der Bahnarbeiter Boschert aus Fautenbach von einem nach dem Oberlands fahrenden Personenzuge erfaßt und auf der Stelle getötet.
Berlin, 14. Okt. NeichStagspräfident Dr. Kämpf hat sich entschlossen, sein Mandat für den 1. Berliner Wahlkreis niederzulegrn.
Berlin, 14. Okt. Der Reichskanzler hat i'ick zum Vortrag über die auswärtige Lage zum s nach Hubertusstock begeben. — Entgegen der an der Börse, infolge deren Frankreich nahezu ein Sechstel seines Kapitalbesitzes eingebüßt hat, sind die Mächte bemüht, Erklärungen mit beruhigenderer Tendenz abzugeben.
Hubertusstock, 13. Okt. Der Kaiser und die Kaiserin sind heute morgen auf dem hiesigen Jagdschloß eingetroffen und haben daselbst für einige Tage Wohnung genommen.
Bei Oberdrees wurde am Freitag auf freiem Felde ein Fabrikarbeiter ermordet und beraubt aufgefunden.
Aus dem Ausland.
Pest, 14. Oktober Der ungarische Flieger Alexander Takacs ist gestern früh auf dem Flugfeld Rakhofen abgestürzt und war sofort tot.
Die englische Wochenschrift „The Throne" fordert in den schärfsten Ausdrücken zum Boykott aller deutschen Waren auf.
Aus Melbourne wird gemeldet: In einer Kohlengrube bei Northlyell sind durch einen Brand in 230 m Tiefe SO Bergleute eingeschlossen.
In Eriwan im Kaukasus überfielen Räuber auf der Straße einen Geldtransport der Tilsiter Kommerzbank, töteten einen Polizisten und verwundeten zwei weitere Personen. Mit 15000 Rubel sind die Räuber sodann entkommen.
Tiflis, 13. Okt. Gegen 11 Uhr abends ist hier ein heftiges Erdbeben verspürt worden. Von verschiedenen Orten werden Beschädigungen gemeldet. In der in der Nähe der Stadt gelegenen Sommerfrische Borshorn ist ein Gasthaus eingestürzt.
Zwischen Algier und dem nahen Küstenorle Laghont ist, dem Berliner Tageblatt zufolge, eine Postkutsche von einer Sturzwelle des Meeres überrascht und fortgeschwemmt worden. Von den 12 Personen, die sich in den Postwagen befanden, sind 10 ertrunken.
New-Aork, 10. Okt. Zu der PulverexplosM in Tampico wird noch berichtet daß sich die Kai» strophe in einem Warenhaus der Stadt ereignete, das vollständig in die Luft gesprengt wurde. Das Unglück wurde durch ein Feuer in dem Gebäude verursacht. Es bestängt sich, daß 100 Personen den Tod gefunden haben und ebenso viele sind schwer verletzt. Man glaubt, daß eine große Anzahl von ihnen nicht mit dem Leben davonkommen wird. 51 Leichname find bereits aus den Trümmern hervorgezogen worden. Ueber 50 befinden sich noch darunter. Das Feuer brach sich in den unteren Stockwerken des Gebäudes mit rasender Schnelligkeit Bahn und erreichte schließlich einen Vorrat von Dynamit, der in einem Raume des weitläufigen Gebäudes aufgeschichtet war. Sofort ertönte eine furchtbare Detonation und im Nu bot das Gebäude den Anblick einer Ruine dar, unter der sich viele Tote und Schwerverletzte befanden. Eine Anzahl von Gebäuden in der Nachbarschaft wurden schwer beschädigt. Die Explosion hat di» ganze Stadt mit solcher Gewalt erschüttert, daß die Einwohner entsetzt auf die Straßen rannten in der Angst, daß sich ein heftiges Erdbeben ereignet habe.
Der italienisch-türkische Krieg.
Rom, 13. Okt. Die „Tribuna" meldet, die Türkei habe bezüglich des religiösen Vertreters des Sultans iu Tripslitanien Vorschläge gemacht, aus
harter Eisenkopf," bemerkte Herr von Werthern. „Meine Lotte hat ja auch was weg vom Eigensinn, wie alle Alfingens, aber — —"
„Das Unglück hat Frau Sophia verbittert," sagte Peter entschuldigend.
„Verbittert, ja, das gebe ich zu, aber als sie auch noch mitten im Glück saß; etwas Verwandtschaftliches mit Herrn Beelzebub hat sie immer an sich gehabt, und man Hütte damals so gut wie heute das Scheunentor mit ihrem Dickkopf einrennen können."
In Frau Sophia v. Lowett's Zimmer brannte ein lustiges Feuer im Ofen ; die Vorhänge an den Fenstern waren herabgelassen, eine Hängelampe verbreitete freundliche Helle; die Tür nach der Schlafstube zu war leicht angelehnt, und hier saß mit einer Handarbeit die Wärterin, eine ältere Person.
Frau v. Locwett schlich, auf ihren Stab gestützt, langsam in ihrem Gemach auf und ab; das schwarze Trauerkleid und die schwarze Krepphaube! ließen ihr mageres, blasses Antlitz noch bleicher er-! scheinen. Als Charlotte eintrat, hob sie kaum
merklich den Kopf und richtete die großen Augen fest aus ihre Schwiegertochter.
„Mutter!" sagte die junge Frau, sich ihr nähernd.
„Was willst du?"
„Peter reist fort — er möchte es nicht, ohne dich —"
Abwehrend streckte sich der rechte Arm der Sprecherin entgegen, Haß und Zorn entstellten ihre Züge, aber kaum sekundenlang, daun breitete sich ein Ausdruck steinerner Ruhe darüber.
„Komm näher!" sagte sie. „Komm näher!"
Von geheimem Grauen gefaßt, trat Lotte auf sie zu; mit eisernem Griff legte sich die Hand Sophias auf ihren Arm, und ihre Stimme zum Flüsterton dämpfend, fuhr sie fort:
„Sage ihm, heute könnte ich ihn nicht sehen, aber wenn er wieder kommt, dann will ich ihn empfangen, glänzend empfangen, als den Erben von Nemerow — und nun — geh!"
Zu der geplanten Abreise kam es nicht; ein Brief am nächsten Morgen meldete das Eintreffen deS Rechtsanwaltes aus Berlin, und das Ordnen der nach jeder Richtung hin zerfahrenen Verhält
nisse und derangierten Geldangelegenheiten macht» Peters Gegenwart dann noch für Wochen hinaus in Nemerow nötig.
Den Rennstall löste er auf und die schönen Pferde wurden verkauft, brachten sie doch ein» ganz hübsche Summe, die zur Deckung von Schub den mit verwandt werden konnte; auch machte die Zuhilfenahme des Restes von Peters in Papieren angelegtem Vermögen es möglich, das Gut noch zu halten. Allerdings mußten in der Häuslichkeit einige Einschränkungen stattfinden, Dienstboten entlassen und der ganze Zuschnitt ein einfacherer werden.
Herr von Werthern, der ein anerkannt tüchtiger Landmann war, machte Peter den Vorschlag, die Oberleitung der Bewirtschaftung zu übernehmen. Er siedelte während der Zeit von Peters Aufenthalt nach Nemerow über, um demselben^ bei allen Vorkommnissen mit seinem Rat zur L>elle zu stehen; und durch die Gegenwart des alten liebenswürdigen Herrn gestaltete sich auch der persönliche Verkehr zwischen Lotte und dem Schwager angenehmer und leichter.
(Fortsetzung folgt.)
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