Lemberg. 38. August. Zu Gorzyce nächst Jaroslau geriet eine Patrouille des 11. Husaren­regiments, als sie um Mitternacht denss Lmvefluß durchschwimmen wollte, in eine tiefe Flußströmung, wobei 12 Husaren samt ihren Pferden ertranken. Der Leutnant konnte noch gerettet werden.

Paris, 27. Aug. An amtlicher Stelle wird erkärt, daß sich die Situation in Marokko außer­ordentlich ernst gestaltet. Durch die Verhältnisse in Marakesch sei die Regierung gezwungen, eine neue Expedition nach dort auszurüsten, trotzdem sie weder beim General Lyautey noch beim Ober­sten Mangin großer Sympathie begegne. Für die bevorstehenden Operationen ist ein Truppen-Kontin- gent von 20000 Mann erforderlich. Dieser Um­stand bereitet aber den hiesigen maßgebenden Stellen große Sorge, da man wünscht, das fran­zösische Mutterland niche allzusehr von Truppen zu entblößen.

In Montböliard in Südfrankreich wurde ein deutscher Arbeiter unter Spionageverdacht verhaftet. Man vermutet in ihm einen deutschen Offizier.

Warschau, 28. August. In ein Restaurant drangen Räuber ein und plünderten mit vorgehal­tenem Revolver sämtliche Gäste aus. Ein Gast, der den Verbrechern Widerstand leistete, wurde er­schossen, ein zweiter tätlich verletzt. Bei der Ver­folgung der flüchtenden Räuber durch die Polizei kam es zu einem förmlichen Gefecht, in dem fünf Passanten und ein Polizist schwer verwundet wur­den. Nur einer der Banditen konnte festgenommen werden. Es ist dies der zweite derartige Fall innerhalb kurzer Zeit.

Die Unsicherheit in der Türkei wird auch dem ferner Stehenden durch die Tatsache kund, daß widerspruchvollsteu Meldungen über die Lage tagtäglich eintresfen. Die Gerüchte von einem bewaffneten Eingreifen Rußlands und sogar einem solchen Oesterreichs waren grundlos. Bulgarien, Serbien und Montenegro stehen dagegen fortgesetzt auf der Lauer. Bleiben die Großmächte fest, so wird jedoch keiner der Beutelustigen einen offenen Angriff wagen.

Uesküb, 28. August. Albanesen raubten in Jpek sämtliche Materialien, Werkzeuge und Kasse der deutschen Baufirma Dyklihoff u. Widmann.

Konstantinopel, 27. Aug. In einer sehr energischen Note verlangt der türkische Ge­schäftsträger in Cettinje die Demobilisierung der montenegrinischen Armee.

Konstantinopel, 27. Aug. lieber das gestern nachmittag ausgebrochene dritte Großseuer inner­halb vier Tagen läßt sich das Berliner Tageblatt berichten. Der Ort des Brandes war diesmal im Stambuler Viertel Tachkatale, das durch die Fabri­kation türkischer Bernsteinrosenkrävze bekannt ist. 100 Häuser, 80 Läden, 3 große Basare und eine Moschee sind niedergebrannt. Wie dem Berliner Lokal-Anzeiger gemeldet wird, wurden durch das Feuer in vier Stunden etwa 300 Häuser, darunter ein Warenhaus mit 111 Zimmern, zerstört. Der Brand enstand durch Fortwerfen einer brennenden Zigarette.

Koschagatscha (Mongolei), 27. Aug. Die Mongolen haben die Festung Kobdo gestürmt und die Hälfte der Stadt eingeäschert. Die Festung hat die weiße Flagge gehißt. Die chinesischen Behörden haben sich bei dem russischen Konsul entschuldigt dafür, daß s. Zt. von Chinesen auf ihn geschossen worden ist, und haben den Konsul gebeten, sich für die Rückbeförderung der Chinesen nach China zu verwenden.

Jaffa, 28. Aug. Sechs ital. Kriegsschiffe sind vor dem Hafen von Jaffa eingetroffen.

Während drei nordwärts weitersegelten, gingen die übrigen vor Anker. Der Dampfer Leros der Levantelinie wurde einer Durchsuchung unterzogen.

Italienisch-türkischer Krieg.

Rom, 27. Aug. DieAg. Stefani" meldet aus Zuara: General Garioni begab sich gestern nach Siddi abd Essemad und entsandte ein Bataillon erybäische Askaris nach der Oase Gemil. Das Bataillon durchstreifte die ganze Oase und rückte bis Marut und darüber hinaus vor, wodurch be­stätigt wurde, daß die Türken diesen Ort vollständig verlassen haben. Zu gleicher Zeit vollführte eine. Eskadron Kavallerie unter dein Befehl des Majors' Curti einen ausgedehnten Erkundigungsritt, weit über die südliche Grenze der Oase hinaus. Die Eskadron stieß mit Abteilungen arabischer Reiter zusammen, griff sie heftig an und fügte ihnen be­trächtliche Verluste zu.

Berlin, 38. Aug. Wie dem BerlinerLokal- Anzeiger" aus Rom berichtet wird, sollen die Unterhandlungen in Zürich zwischen italienischen und türkischen Persönlichkeiten über die Möglich­keit eines Friedensschlusses kein Ergebnis gehabt haben. Die Türken sollen noch weit davon entfernt sein, die italienische Souveränität auf Lydien an­zuerkennen oder gar direkt einzulenken. Ohnedies aber verweigert die italienische Regierung nach wie vor jede amtliche oder irgend eine verbindliche Verhandlung.

Aus Stadt, Bezirk und Nachbarschaft

Wildbad, 29. Aug. Am Samstag begann man wieder einmal zu hoffen, daß der sehnlichst erwartete Wetterumschlag sich endlich vollzogen habe, am Sonntag bestärkte sich sogar diese Hoffnung, umso trauriger stimmte einen der endlose Regen, der seit Montag mittag bei stürmischen Winden sich wieder eingestellt hat.Gestern hat's g'regnet Heut' regnet's au' Morge' regnet's wieder Und übermorge' au'I" Mit diesem bekannten Vier­zeiler konnte die verflossene Regenperiode richtig gekennzeichnet und das Wetter mit ziemlicher Sicher­heit voraus gesagt werden. Ueber Ernteschäden, die durch Regen und Sturm entstanden sind, wird nicht nur in Deutschland geklagt, auch in England ist durch andauernden Regen großer Schaden ver­ursacht worden. Die große Not des Landmannes wird auch an dem Städter nicht spurlos vorüber­gehen. Heute früh hatten wir bei konstant guter Luftströmung 8 Grad C., sodaß man endlich auf mehrere Tage trockenes Wetter in Aussicht nehmen darf. Leider hat der den Witterungsumschlag be­wirkende orkanartige Sturm da und dort im Lande, besonders in der Tübinger Gegend und am Boden­see, in den Obstgärten, Waldungen und auch an Gebäuden großen Schaden angerichtet. Wir im Schwarzwald sind dabei noch gnädig weggekommen. Hoffen wir nun, daß wir durch einen recht gün­stigen sog. Altweibersommer wenigstens etwas für den empfindlichen Einnahmeausfall der letzten Wochen Entschädigung finden.

Die Fläche der Staatswaldungen des Forst- bezirks Neuenbürg weist 1754 du, wovon 1699 da ertragsfähig, auf; ferner die Fläche der Forstbezirke Calmbach 2317 da, davon 2255 im ertragsfähig; Enzklösterle 3058 du, hievon 2978 Im ertragsfähig; Herrenalb 3540 tm, darunter 3413 tm ertragsfähig; Langenbrand 2243 Im, wovon 2170 Im ertragsfähig; Meistern 679 da, davon 664 da er­tragsfähig; Wildbad 2660 du, darunter 260 l im ertragsfähig. An Körperschaftswaldungen stehen in Staatsbeförsterung in den Forstbezirken Neuen­bürg 354 Im, Calmbach 843 tm, Herrenalb 7 1 tm. Langenbrand 675 tm. Meistern 1512 du.

Eine gute Stunde vor dem Diner war die Jagdgesellschaft auf dem Gutshos, und man hatte noch Zeit genug, sich auszuruhen und umzukleiden.

Charlotte stand in ihrem Schlafzimmer vor dem Spiegel: in schweren Falten umschloß ein braunes Sammetkleid die königlich stolze Gestalt, reich schmiegte sich das gelbliche Spitzengekräusel um den viereckigen Halsausschnitt und die halbent­blößten Arme. Ein kostbares Kollier voll edlen Steinen, ein Erbteil ihrer Mutter, hob sich funkelnd von dem weißen Nacken, eben solche Nadeln hielten das reiche schwarze Haar, in Puffen geordnet, auf dem zierlichen Kopfe zusammen.

Die junge Frau war zerstreut. Nachdem sie ihr Mädchen entlassen, setzte sie sich in einen Stuhl am Fenster und sah in den stillen Garten hinaus und darüber hinweg auf das kahle Stoppelfeld. Wie oft war sie dort mit Peter gegangen. Es würde nicht wieder geschehen, in wenigen Tagen reiste er. Warum stieg ihr plötzlich das Blut so heiß in die Wangen, warum pochte ihr das Herz so heftig, fast leidvoll in der Brust bei dem Ge­danken? Weil er ging? Torheit I Das hatte sie längst gewußt. Aber es war nicht so nahe

bevorstehend gewesen, jetzt zählte sein Aufenthalt in Nemerow nur noch wenige Tage, dann war sie allein-

Allein?

Charlotte sprang auf; eine namenlose innere Angst überkam sie, eine Angst vor sich selber und eine Angst vor etwas Unfaßlichem, Unbegreiflichem, das sich ihr mit einemmale furchtbar deutlich auf­drängte. Sie schlug die Hände vor das Antlitz, warf sich in den Sessel, und während ihre Brust sich in tiefer Erregung hob und senkte, flüsterten ihre Lippen immer und immer wieder nur die­selben Worte:

Mein Gott, mein Gott, es ist ja nicht mög­lich, nicht möglich--"

Ein Pochen an der Tür ließ sie sich erschreckt erheben: ihr Gatte. Zum erstenmal trat sie ihm nicht unbefangen entgegen, zum erstenmal senkte sie wie in einem Gefühl der Schuld die Wimpern. Er achtete nicht darauf.

(Fortsetzung folgt.)

Calw, 38. Aug. Auf Grund des Ergebnisse) des am Montag stattgehabten städt. Obstverkansi beträgt der Durchschnittspreis rund 4 Mk. für den Zentner.

Bad Liebenzell, 28. Aug. Die Beleuchtung der König-Wilhelm-Anlagen am letzten Sonntag darf als wohlgelungen bezeichnet werden. Gegen 1300 Gäste hatten sich eingefunden. Der hiesige Turnverein hat am letzten Sonntag ein schön ver­laufenes Kriegsspiel mit Gefecht auf den llnter- haugstetter Höhen zur Ausführung gebracht.

Pforzheim, 29. Aug. Heute Donnerstag den 29. ds. wird der große Zirkus Henry hier mit seinen Vorstellungen beginnen. Das artistische Personal verkörpert eine Revue vieler Nationen, als die da sind: dunkelgebräunte Südamerikaner, Araber mit malerischen Gewändern, Ungarn, Eng­länder, Italiener, Schweden, Dänen, Oesterreicher, Norweger, Deutsche usw. Zirkus Henry ist imstande, während seines hiesigen Gastspiels täglich ein neues Programm seinen Zuschauern zu zeigen; denn nicht weniger als 189 Programmnummern umfaßt das Gesamtrepertoire, ein Rekord, den noch kein Zelt­zirkus erzielte. Nicht auf amerikanische Bluffs, auf nach außen hin glänzende Karusselvorbauten legt der Zirkus Henry sein Tätigkeitsfeld, sondern daraus, an dem an und für sich klugen Pferde durch Geschicklichkeit und vernünftige Behandlung des Tieres großartige Dressurergebntsse zu erzielen.

Allerlei.

Ein Löwe brach im Norden des Deutschen Herero-Schutzgebietes in eine Kleinvirhherde ein. Der Wächter, ein Herero, brachte sich schleu­nigst auf den nächsten Baum in Sicherheit. Un­glücklicherweise legte sich aber der Löwe mit seiner Beute gerade unter den Baum, um dort friedlich zu atzen und sich der Verdauung hinzugeben, offen­bar ohne den Schwarzen in seiner unbehaglichen Lage überhaupt zu beachten. Doch dem wurde die Zeit nach Stunden schließlich zu lang. Er riß von seiner Jacke einen Aermel ab, setzte ihn »nt einem glücklicherweise in seiner Tasche befindlichen Streichholz in Brand und warf ihn dem Belagerer auf das königliche Fell. Der Löwe erschrak fürchter­lich, mit einem Satz war er auf und schleunigst davon, und der von langen Sitzen ganz steif ge­wordene kleine Hererobengel war endlich befreit (Wer glaubt's l?)

(Die Tragik des hübschen Mädchens) Die Schönheit der Frau sinkt im Werte; das ist das Ergebnis der sozialen Umwälzungen, die die letzten Jahrzehnte eingeleitet haben. Die Zahl der Eheschließungen in den Industrie- und Kultur' staaten geht zurück, allein irr England sind im ver­gangenen Jahre rund 12 000 Ehen weniger ge­schlossen worden als vor fünf Jahren. Und die Folge ist, daß die Zahl der Mädchen und Frauen, die ihren Lebensweg einsam zu Ende gehen müssen, von Jahr zu Jahr zunimmt. Aber dabei zeigt sich ein merkwürdiges Phänomen, das sich immer stärker ausprägt: gerade unter den Mädchen, die unver­heiratet bleiben, nimmt die Zahl jener zu, die all besonders hübsch gelten müssen und die daheim all der Stolz und dieSchönheit" der Familie galten, mährend ihre weniger auffällig hübschen Schwestern längst ihren eigenen Haushalt regieren und Kinder heranwachsen sehen. Kein Zweifel; aus dem Heirall- markte hat die Schönheit an Wert verloren. Aus dem Heiratsmarkte; denn der Herr führt natürlich ein besonders hübsches Mädchen mit Vorliebe ins Theater, und als Partnerin zum Tanze ist sie heißer umworben als ihre unauffälligen Schwestern. Aber als stete Lebensgefährtin, als Gattin, all Mutter erhoffter Kinder ist gerade das schöne Mädchen innerhalb des Mittelstandes, wo die wirt­schaftlichen Verhältnisse streng umrissene Grenzen setzen, das Aschenbrödel geworden, das kein ver­wunschener Prinz zum Traualtar geleitet. In einer englischen Zeitung wird der Brief eines biederen Irländers veröffentlicht, der sich mit nüchterner Sachlichkeit damit beschäftigt, wie er sich die ideale Frau vorstellt:Ja, ich würde gerne eine schöne, gesunde Frau nehmen, gesund an Leib und Seele. Aber hübsch braucht sie nicht zu sein, denn die Schönheit geht nicht tiefer als die Haut (besonder» bei den Frauen); eine hübsche Frau vergeudet täg­lich schrecklich viel Zeit vor dem Spiegel." Dm ist grob und naiv gesagt, aber in den Worten diese« biederen Iren liegt etwas von der Art und Weise, die den modernen Mann bei der Brautschau be­herrscht. Der junge Mann von heute scheut vor dem Gedanken zurück, sich an eine junge TaM zu binden, die Schönheit als den wichtigsten Bor­zug ihres Geschlechts betrachtet. Cr bewunden das schöne Mädchen, flirtet und heiratet die Schwester. Der wirtschaftliche Kampf um du Existenz ist zu hart geworden, um dem empor' strebenden Manne in seinen besten Arbeitsjahn« einen Luxus zu gestatten. Und die Frau, der M Schönheit zum Lebenszwecke wird, wird über »"i

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