lebhaften Beifall bekundeten. Die gesamte Presse der Linken tut natürlich entrüstet über die scharfe Sprache des Reichskanzlers, und der Genosse Lede- bour gebrauchte in der Samstaassitzung Kraftaus- drücke gegen den Reichskanzler, die ihm Ordnungs­rufe eintrugen. Am Montag wurde die General­debatte zum Etat fortgesetzt, wobei der Konservative Gans Edler Herr zu Purlitz die Anträge: die Erb­schaftssteuer und das Ministerverantwortlichkeits­gesetz, sowie die Aenderung der Geschäftsordnung und eine neue Wahlkreiseinteilung als für seine Partei unannehmbar bezeichnet«. Die fortschrittliche Volkspartei habe sich Fragen der Staatsautorität gegenüber stets ablehnend verhalten; bei der Auf­rechterhaltung des Staatsgefüges werde der Reichs­kanzler die Konservativen stets an seiner Seite finden. Nichts hätte die Lage im Reich so grell beleuchten können, als die erfolgte Ablehnung des bisher üblichen Empfangs der Reichstagspräsidenten durch den Kaiser. Der Präsident und der zweite Vizepräsident hatten um die übliche Audienz nach­gesucht, der sozialdemokratische erste Vizepräsident hat es unterlassen; ein in solcher Weise unvoll­ständiges Präsidium wollte aber der Kaiser nicht empfangen. Ob die endgiltige Präsidentenwahl diesen Zustand beeendigen wird, ist vorerst noch sehr fraglich. Die nationalliberale Reichstagsfraktion hat den Abg. Bassermann einstimmig zu ihrem Vorsitzenden gewählt.

Berlin, 19. Febr. Im Reichstag sind nicht weniger als 18 nationalliberale Initiativanträge eingegangen. Sie beziehen sich u. a. auf die Sonntagsruhe im Handelsgewerbe, auf die Unfallfür­sorge bei freiwilligen Rettungsarbeiten, Ausbau des Beamtenrechts,Verantwortlichkeitdes Reichskanzlers, Schaffung eines Reichsverwaltungsrechtes, Er­richtung eines Reichseinigungsamtes und Regelung der Konkurrenzklausel. Ein Wahlrechtsantraz will den Termin für die Stichwahlen im ganzen Reiche einheitlich festgelegt wissen. Die Fortschrittliche Volkspartei hat einen Antrag im Reichstag ein­gebracht, wonach der Bezug der Altersrente nicht nicht mit dem 70., sondern mit dem 65. Lebens­jahr beginnen soll.

Erfurt, 19. Febr. Gestern nachmittag gegen halb 4 Uhr wurde von hier aus am nordöstlichen Himmel ein Meteor von ungewöhnlicher Lichtstärke beobachtet, der mit großer Geschwindigkeit nieder­ging. Drei Minuten darauf vernahm man ein starkes donnerähnliches Rollen, sodaß viele Leute, die das Meteor nicht gesehen hatten, glaubten, einen Erdstoß verspürt zu haben.

Kiel, 19. Febr. Am Samstag mittag 12 Uhr ist auf der kaiserlichen Werft in Gegenwart des Kaisers das LinienschiffErsatz Odin" glücklich vom Stapel gelaufen. Prinz Ludwig von Bayern hielt die Taufrede. Die Prinzessin Therese von Bayern taufte dann das Schiff auf den Namen Prinzregent Luitpold".

München, 19. Febr. Der Prinzregent hat den bayerischen Landtag auf den 27. Februar ein­berufen.

Wien, 19- Febr. Der Minister des Aeußern, Graf v. Aehrenthal, ist am Samstag abend 9 Uhr 45 Min. nach langem Leiden (er litt an sog. Weißblütigkeit) gestorben. Die Trauer um den hervorragend verdienten Minister ist in ganz Oesterreich allgemein. Zu seinem Nachfolger ist Graf Leopold v. Berchtold. der in London und Petersburg Oesterreich vor ewigen Jahren diplomatisch vertreten hat, ernannt worden.

Paris, 19. Febr. Nach bewegter Debatte wurde mit 32 l gegen 213 Stimmen auf Antrag des Ministerpräsidenten Poincare der gesamte Jn-I halt des Art. 1 b des Wahlreformentwurfes ange-I

nommen. Dieser Artikel stellt fest, daß jedes De­partement einen Wahlbezirk bildet. Der Senat hat den Marineetat angenommen.

Paris, 19. Febr. Durch einen Felssturz wurde der Eingang des im Bau begriffenen Tunnels von Puynormand verschüttet. Die eingeschlossenen 150 Arbeiter konnten nach mehrstündiger ange­strengter Arbeit befreit werden.

London, 17. Febr. Staatssekretär Grey hielt gestern in Manchester eine Rede, in der er auf den Besuch des Kriegsministers Haldane in Berlin und auf die Reden des Premierministers Asquith, sowie des deutschen Reichskanzlers von Bethmann Hollweg bezugnahm. Der Staatssekretär agte: Ich hoffe. Sie werden anerkennen, daß die Sprache, die der Premierminister hier gebraucht hat, in demselben Ton und Geist in Berlin er­widert worden ist. Sie werden auch zugeben, daß in beiden Fällen eine wohlüberlegte Zurück­haltung und Wortkargheit zu beobachten war. Wenn eine strikte Zurückhaltung gegenwärtig notwendig ist, so schließt daS noch keinen Mangel an Herz­lichkeit in sich. Ich glaube zuversichtlich, daß etwas getan worden ist, was bleibend zum Guten aus- schlagen wird, nämlich daß der Nebel des Argwohns und Mißtrauens zerstreut ist.

London, 19. Febr. Eine hiesige Telegraphen­agentur berichtet über einen ernsten Aufruhr, der in der Nähe des Albert-Sees im Osten des Kongostaates ausgebrochen ist. 250 Eingeborene wurden getötet und mehrere hundert ertranken im See. Unter den Getöteten befindet sich auch der Königvon Balobda mit seinen Anhängern. 200 Mann belgischer Truppen sind bereits nach dem Bezirk abgegangen und haben die Ordnung wieder hergestellt. Der Bezirk ge­hörte früher zu England und ist bei den Grenz­regulierungen im Ogandagebiet in den Kongostaat einbezogen worden.

Der italienisch.türkische Krieg.

Rom, 18. Febr. Wie die Ag. Stef. aus Benghasi meldet, wurde das 1. Bataillon des 4. Infanterieregiments, als es gestern früh vor den italienischen Verschanzungen Uebungen machte, von 200 Beduinen, die von Moriunes kamen, beschossen. Das Bataillon machte sofort Gegenangriffe und trieb den Feind zurück, der zwei Tote auf dem Schlachtfelds ließ und etwa zwanzig Verwundete mit sich fortführte. Die Italiener hatten zwei Leichtverletzte.

Wie die Neue Freie Presse aus Malta meldet, ist die Position von Zanzur nach 5stündigem, beider­seitig verlustreichen Gefecht von den Italienern erobert worden.

Konstantinopel, 19. Febr. Laut Nach­richten aus türkischer Quelle soll der Scheich der Senussi von Kusra nach Benghasi aufgebrochen sein. Alle Senussistämme sollen am Krieg teilnehmen.

London , 17. Febr. Ein italienisches Kriegs­schiff beschoß gestern früh die türkischen Forts in der Nähe von Perim 2 Stunden. Es dampfte dann in nördlicher Richtung ab.

Die Revolution in China.

Mukden, 17. Febr. Nach 27stündigem hef­tigem Kampf besetzten die Revolutionäre nach­mittags die Stadt Teline.

Kuldsch a, 16. Febr. Zwischen Revolutionären und Regierungstruppen hat in der Nähe von Schiche ein Kampf stattgefunden, in dem die Revolutionäre 200, die Regierungstruppen 400 Tote hatten. Die Regierungstruppen mußten sich zurückziehen und ließen viele Waffen zurück.

Hus Stack »na Umgebung

Wildbad, 20. Febr. Der Familienabend des Evangelischen Kirchenchors übt von jeher eine große Anziehungskraft aus. Auch die diesjährige Veranstaltung, welche am vergangenen Sonntag im Lindensaale stattfand, durfte sich eines zahlreichen Besuches erfreuen. Der erprobte, un­ermüdliche Dirigent, Herr Lehrer Wörner, hatte für seine Schar eine hübsche Auswahl getroffen, sodaß sich die verschiedenen Talente wieder recht wirksam entfalten konnten. Alles war gründlich eingeübt und, von einer kleinen Unstimmigkeit abge­sehen, vortrefflich durchgeführt. Eingeleitel durch einen flotten Marsch zu vier Händen, brachte der Abend vor allem prächtige gemischte Chöre. Welchem derselben die Palme gebührt, ist schwer zu sagen. Frühlingsgruß",O schöne Rosenzeit" und das von Gompf so eigenartig ansprechend arrangierte Stille Tal" wurden exakt und schön vorgetragen. Herr Stadtpfarrer Röster entbot den Erschie­nenen herzlichen Willkommgruß, zugleich darauf aufmerksam machend, daß der diesjährige Familien- abend zugleich ein Jubiläum in sich schließe, indem es nun 25 Jahre seien, daß Herr Postinspektor Herrmann dem Ev. Kirchenchor seine bewährte Kraft widme, der seinerseits heute als äußeres Zeichen seiner Dankbarkeit dem verdienten Herrn ein kleines Geschenk machen wolle: unter weiteren launigen Worten des Herrn Stadtpfarrers wurde der Bühnevorhang zurückgezogen und es präsentierte sich ein hübsch gearbeiteter Korblehnsessel. Herr Postinspektor Herrmann dankte in bewegten Worten und versicherte den Ev. Kirchenchor seiner weiteren treuen Mitarbeit und Anhänglichkeit. Bei dem MännerchorGleichen von Andernach" machte sich das Fehlen eines leider am Erscheinen verhinderten weiteren ersten Tenoristen etwas gel­tend, durch welchen Umstand auch ein Tenorsolo ausfallen mußte. Dafür sprang jedoch Herr Haupt­lehrer Monn mit dem prächtigen BaßsoloDie Uhr" ein, das lebhaften Beifall fand. Recht warm muteten das Volkslied aus der badischen Pfalz Was kommt von draußen rein?" und das echt schwäbisch empfundene DoppelquartettI woiß wo a Rösle" die Zuhörer an, während in dem reizenden DuettWie die Lerche möcht' ich singen" die Fräulein Bott und Beck ihr bestes Können beweisen durften und aufrichtig applaudiert wurden. Herr Lehrer Wörner aber hat auch dieses Jahr wieder seinen alten Ruf als tüchtiger und opfer­williger Dirigent aufs neue befestigt. Ein sehr gut einstudierter Einakter, der schwäbische Schwank D'Frankfurtere", gab den Damen Marie, Mikleta, Erwins und Frida Bott, Mimi Daur, Elise Lutz, Emma Kämmerer und Mina Wirth Gelegenheit, auf den Brettern, die die Welt bedeuten", ihre Gewandtheit darzutun. Und es klappte vorzüglich. Frl. Marie Bott entledigte sich ihrer recht un­dankbaren Rolle als durch halbjährigen Aufenthalt in der Großstadt vor lauterBildung" und Putz­sucht halb übergeschnappteTip-top-Moderne", die bei ihrer Heimkehr ihre die altschwäbische Volkstracht tragenden Angehörigen und Freundinnen lächerlich findet und ihnen ihre Ungebildetheit vorwirft, mit viel Geschick und sehr guter Auffassung; nicht minder Frl. Mikleta Bott als deren empörte Mutter, di» über ein solches Benehmen fast aus dem Häuschen gerät und ihrer Tochter schließlich echt schwäbische Maulschellen offeriert. Prächtige schwäbische Bauernmädchenfiguren, die Herz und Munduf'm rechta Fleck" haben, stellten die Fräu­lein Daur, Kämmerer und Lutz dar, während die Frl. Mina Wirth (als Baronin) und Frida Bott (der Baronin Tochter) bei Entlarvung der I Talmibildung derFrankfurters" sich ebeufalls sehr

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Ach so. Sie wollen kündigen I Nun, ich stehe Ihrer Empfindung nicht verständnislos gegenüber. Wir haben jetzt Anfang November, ich will Ihnen für das ganze Vierteljahr den Lohn geben, und zu Weihnachten können Sie sich auch noch bei mir melden, wenn ich dann noch hier sein sollte. Wo sind Sie zu Hause?"

Hier im Orte wohnt meine Mutter."

Sol Dann besinnen Sie sich vielleicht noch und kommen in einigen Tagen wieder. Ich gebe Ihnen so lange Urlaub. Uebrigens, soviel ich mich entsinne, wohnt doch unten im Keller immer ein Gärtner. Wo ist er geblieben?"

Ach, der arme Mensch I" sagte Auguste zu­traulich.Er ist vor vierzehn Tagen wegen eines Streites mit der Krankenpflegerin, die ihn merk­würdigerweise nicht leiden konnte, von der gnädigen Frau entlassen worden. Sie wollte erst im Früh­jahr wieder einen neuen für ihn nehmen. Und Karl war doch fünf Jahre hier, und der gnä­dige Herr war doch immer so zufrieden mit ihm gewesen."

Ist er noch frei?"

Jawohl. Er wohnt jetzt bei meiner Mutter jn Schlafstelle."

Dann sagen Sie ihm, er könne wieder eintreten."

Ach!" rief das Mädchen erfreut und verlor ganz ihre Traurigkeit.Also Sie geben mir ein paar Tage Urlaub, Herr von Marleben, bis ich mich von meinem Schreck wieder erholt habe?"

Ich denke. Sie wollen überhaupt Weggehen?"

Nein, ich habe mich wieder besonnen."

Aha! Liebe siegt, nicht wahr?"

DaS hübsche Mädchen wurde über und über rot.Herr von Marleben, ich bin hier drei Jahre mit Karl Marx zusammen gewesen. Man gewöhnt sich aneinander."

Verstehe!" sagte Fritz. Cr zog seine Uhr. Die Wagen des Beerdigungsinstituts, die ich an Stelle der häßlichen, amtlichen Wagen zur Über­führung nach dem Obduktionshause bestellt habe, können jeden Augenblick erscheinen. Es kommen dann auch Leute, welche die Zimmer unter Ihrer Aufsicht säubern werden. Wenn das geschehen ist, schließen Sie alles gut ab und können gehen. Das Haus bleibt unter polizeilicher Aufsicht."

Das Dienstmädchen ging sichtlich erleichtert hinunter, und Felicia sagte zu Fritz:Wenn ich dich recht verstanden habe, so willst du in den nächsten Tagen nicht hier weilen?"

Heute und diese Nacht nicht. Ich werde mich in ein Hotel begeben. Dann aber werde ich zu Hause wohnen und nur meine Mahlzeiten außer­halb einnehmen."

Er warf einen Blick aus dem Fenster.Da sehe ich die beiden Wagen. Du mußt mich für kurze Zeit entschuldigen, liebe Felicia. Du weißt, daß wir abgemacht haben, daß du nicht hinunter- gehen sollst."

Sie war damit einverstanden und rückte ihren Sessel an das Fenster. Die Nachricht von der ungeheuerlichen Tat mußte sich auf irgend eine Weise schon herumgesprochen haben; denn eine große Menschenmenge, zum größten Teil aus weib­lichen Personen bestehend, von denen manche sogar kleine Kinder auf dem Arm trugen, umstand neu­gierig den Ausgang am Gittertor. Hier in flü­sterndem, dort in lebhafterem Ton wurde das Ereignis besprochen nnd das kleine Haus, das sonst kaum beachtet worden war, wie ein Wunder­werk betrachtet. Zwei Polizisten hielten mit Mühe den Durchgang frei, durch den nach einiger Zeü zwei Eichensärge getragen und in die Wagen ge­schoben wurden.

(Fortsetzung folgt.)