Aus der Sitzung der Gerneindekollegieu
vom 1 Dezvr. 191V.
In Anwesenheit des Herrn Oberamtmann Hornung wird die Abhör der Stadtpflegerechnung pro 1908/9, sowie der Volksschulfondsrechnung und der Realschulfondsrechnung pro 1907/09 vorgenommen. Der Herr Oberamtmann berichtet über die Resultate der Rechnungsrevision, bei der sich kerne wesentlichen Anstände ergeben haben. Den Gemeindekollegien wird hiebei nahegelegt, mit dem Steuerernzug schon im Jahre des Steueransatzes beginnen zu lassen. Bisher wurden z. B. die 1909/10 anfallenden Steuern erst während der Badesaison 1910 eingezogen; künftig müßte aber mit dem Einzug schon im Sommer 1909 begonnen werden. Die Anwesenheit des Oberbeamten gibt Veranlassung, die künftige Regelung des Polizeidienstes in der hiesigen Stadt zu besprechen. Mit Rücksicht auf die große Frequenzsteigerung des Bades erscheint es notwendig, daß noch ein weiterer im Kriminalpolizeidienft geschulter Schutzmann neben den seitherigen 3 Schutzleuten angestellt wird. Die Kosten der Anstellung eines 4ten Schutzmannes würde aber insofern für die hiesige Stadtgemeinoe keine allzu hohe Mehrausgabe bedeuten, als die brsher 700 Mk. Jahresausgade erfordernden 2 Nachtwächterstellen in Wegfall kämen. Die 4 Schutzleute hätten dann künftig wie in anderen Städten auch den Nachtdienst abwechslungsweise zu besorgen. Der ganze Polizeidienst, der bisher durch drei Schutzleute und 2 Nachtwächter besorgt wurde, würde also künftig durch 4 Schutzleute versehen, wovon einer die Funktionen eines Kriminalschutzmanns und Wachtmeisters wahrzunehmen hätte. Eine derartige Regelung wird von den Gemeindekollegien für kommendes Frühjahr in Aussicht genommen.
Der Skiklub Schwarzwald in Pforzheim stellt das Ansinnen an die Stadtgemeinde, im Sommerberg in der Nähe der Bergbahnstation einen Sprunghügel für Skiläufer zu erbauen und erklärt sich bereit, zu den Kosten einen Beitrag von 300 Mk. zu geben. Durch die Herstellung des Sprunghügels würde der Skisport hier gefördert und wäre es möglich gemacht, die seither beim Kaltenbronn veranstalteten Skifeste hier abzuhalten. Nach dem vom Stadtbauamt gefertigten Voranschlag beziffern sich die Kosten eines im Waldteil zwischen dem Schneusenweg und der Rodelbahn zu erstellenden Sprunghügels auf etwa 1200 Mk. Vom Gemeinderat wird mit Zustimmung des Bürgerausschusses beschlossen, das Anerbieten des Skiklubs Pforzheim anzunehmen und die Herstellung eines Sprunghügels mit einem Aufwand von 1200 Mk. zu genehmigen.
Vom 9. Dezember 1910.
Es wird beschlossen, den Gemeindezuschlag zur staatlichen Grundstücksumsatzsteuer von 80 Pfg. für je 100 Mk. des der staatlichen Umsatzsteuer unterliegenden Kaufpreises oder des Werts der denselben vertretenden Gegenleistung auch künftig und zwar auf die Dauer von 10 Jahren zur Erhebung zu bringen und die Genehmigung der Kgl. Ministerien des Innern und der Finanzen hiezu einzuholen.
Durch Schrerben vom 23. November d. Js. spricht Herr Max Seeger, Litographische Kunstanstalt in Stuttgart der Stadtgemeinde für die Ehrung seines Vaters Dr. Ludwig Seeger durch Bezeichnung der Herrengasse als „Ludwig-Seeger- straße" den Dank der Familie Seeger aus und übergibt den Stammbaum der Familie Seeger zur Aufbewahrung in der Gemeinderegistratur. Dies wird zur Kenntnis der Gemeindekollegien gebracht.
Farrenhalter Jakob Wacker hier hat in den letzten Jahren infolge Erkrankung und Untauglichwerden von Farren Verluste erlitten, die er auf 600—700 Mk. schätzt. Vom Geineinderat wird mit Zustimmung des Bürgerausschusses beschlossen, dem Wacker an den erlittenen Verlusten einen einmaligen Beitrag von 200 Mk. aus der Stadtkasse zu bewilligen.
Der Bezirkswohltätigkeitsverein Neuenbürg beabsichtigt, die Bekämpfung der Tuberkulose durch Bildung von Ortsausschüssen usw. im Oberamtsbezirk in die Hand zu nehmen und bittet durch Vermittlung des Kgl. Oberamts Neuenbürg um Gewährung eines jährlichen Beitrags der hiesigen Stadtgemeinde zu diesem Zwecke. Es wird beschlossen, dem Bezirkswohltängkeitsverein zu genanntem Zwecke einen jährlichen Beitrag von 20 Mark mit Wirkung vom l. April n. Js. ab und bis auf Weiteres aus der Stadtkasse zu gewähren.
Die Anschaffung eines 3. Ofens für die Wohnung des Hauptlehrers Veyl wird genehmigt.
Aus verschiedenen Gründen erscheint es wünschenswert, daß der Einzug der Staatseinkommensteuer
und der Ansatz und Einzug der Gemeindeeinkommensteuer künftig durch die Staatssteuerbehörden besorgt werden. Von den Gemeindekollegien wird mit Stimmenmehrheit beschlossen, die nötigen Schritte in dieser Richtung zu tun.
Auf Ansuchen der Anlieger der betr Straßenteile wird beschlossen, an der Einmündung der Charlottenstraße in den Blöcherweg eine Straßenlaterne mit einem Aufwand von ca. 100 Mk. anbringen zu lassen, ebenso an der alten Enztalstraße vis-a-vis der Brauerei Beuerle.
Das Gesuch des Karl Krauß, Metzgermeisters hier und Eons, um Gewährung eines Nachlasses am Pachtzins für die Kühlzellen im Schlachthaus infolg' Außerbetriebsetzung der Kühlmaschine wird abgelehnt, da ein begründeter Anspruch auf eine Entschädigung seitens der Gesuchsteller nicht vorliegt.
Der von Frau Prediger Schneider in Sprollenhaus geleiteten Privatkleinkinderschule wird von den Gemeindekollegien ein einmaliger Beitrag von 11 Mark zur Anschaffung von Schulbänken aus der Stadtkasse verwilligt.
Die hiesige freiwillige Feuerwehr begeht im September n. Js. das Jubiläum ihres 50jährigen Bestehens, womit eine Feier verbunden sein soll, deren Gesamtkosten auf 1200 Mk. geschätzt werden. Nachdem für diesen Zweck schon in den Stadtpflege- Etat pro 1910/11 ein Betrag von 400 Mk. eingestellt wurde, wird vom Gemeinderat mit Zustimmung des Bürgerausschuffes beschlossen, die noch erforderlichen weiteren 800 Mk. aus der Stadtkasse zu verwilligen, unter der Bedingung, daß das Festprogramm der Genehmigung des Gemeinderats unterstellt wird und daß diesem später Nachweise über die verausgabte Summe vorgelegt werden. Gleichzeitig bittet der Verwaltungsrat der Freiw. Feuerwehr um Verwilligung von weiteren 300 Mark zur Anschaffung neuer Feuerwehrröcke. Dem Gesuch wird entsprochen.
Die vom 24. November d. Js. erfolgte Verwendung des städt. Bergbahnschaffners Gustav Eitel hier als Stellvertreter des erkrankten Amtsdieners W. Schmid hier wird vom Gemeinderat bis auf Weiteres gutgeheißen.
Vom 16. Dezember 1910.
Die Wahl der 7 Abgeordneten der hiesigen Stadtgemeinde zur Amtsversammlung und von 3 Stellvertretern wird vorgenommen. Es werden gewählt als Abgeordnete: Stadtschultheiß Bützner, Stadtpfleger Gutbub, Bürgerausschußobmann K. Güthler, Gemeinderat Christof Treiber, Hofapotheker Ilr. Metzger, Gemeinderat Karl Eitel, Zimmermeister und Gemeinderat Fritz Kuch senr., als Stellvertreter: Fr. Rothfuß, Schreinermeister, Wilh. Rath, Bach- bindermeister und Robert Krauß, Maurermstr.
Laut Erlaß des Kgl. Gewerbe-Oberschulrats vom 15. Mai 1909 Nr. 952 hat das K. Ministerium des Kirchen- und Schulwesens mit Erlaß vom 12. Mai 1909 die hiesige Stadtgemeinde auf Grund des Art. 1 Abs. 3 des Gewerbeschulgesetzes von der Verpflichtung, ihre männliche gewerbliche Fortbildungsschule nach den Bestimmungen des genannten Gesetzes einzurichten, bis zum Beginn des Schuljahres 1911 befreit. Da die im Beschlüsse der Gemeindekollegien vom 17. April 1909 für die Befreiung geltend gemachten Gründe (Fehlen geeigneter Schulräume und Lehrkräfte) heute noch vorliegen, wird beschlossen, ein Gesuch um weitere Befreiung von den neuen Vorschriften bis 1913 einzureichen.
Die Gemeindekollegien haben durch Beschluß vom 10. September 1909 an die Kgl Generaldirektion der Staatseisenbahnen in Stuttgart die Bitte gerichtet, das bestehende Abort- und Waschküchegebäude auf dem hiesigen Bahnhof nicht — wie es geplant war — zu renovieren, sondern dasselbe abzubrechen und ein neues Abortgebäude in den Anlagen gegenüber dem Bahnhof aufzustellen. Wie aus den dem Gemeinderat in den letzten Tagen vorgelegten Bauplänen ersichtlich ist, beabsichtigt die K. Eisenbahnverwaltunq trotzdem an der alten Stelle ein neues Abortgebäude zu errichten. Ja der Neubau soll, da in ihm neben den Aborträumen und einer Waschküche noch Aufenthaltsräume für das Dienstpersonal und Vorratsräume für Oel, Lampen usw. Platz finden sollen, eine noch größere räumliche Ausdehnung erhalten als das alte Gebäude. Von den Gemeindekollegien wird beschlossen, gegen die Ausführung des Neubaues an der vorgesehenen Stelle nachdrücktichst Protest zu erheben und wird eine zu diesem Zwecke vom Stadtvorstand gefertigte Beschwerdeschrift gutgeheißen. Es folgen noch Bausachen, Schätzungen und verschiedene kleinere Gegenstände.
Jur Köhe.
Erzählung von Elsbeth Borchart.
(Nachdruck verboten.)
An einem sonnenhellen Januarnachmittag schritte» zwei junge Mädchen in der Richtung vom Hansaplatz in Berlin dem Tiergarten zu. Sie trugen Schlittschuhe am Arm und halten somit wohl die Absicht, dem Sport des Schlittschlaufens auf dem Neuen See zu huldigen.
Die frische Winterluft hatte ihre Wangen gerötet, und das erhöhte den Reiz der jugendlichen Gesichter. Die Vorübergehenden warfen wohlwollende Blicke hinüber, die aber von den sich eifrig Unterhaltenden nicht bemerkt wurden.
Sie standen beide in dem blühenden Alter von achtzehn b's neunzehn Jahren, und ihre Kleidung sowie ihre Haltung verriet, daß sie den erste» Gesellschaftsklassen angehörten. Und dennoch war ein unverkennbarer Unterschied zwischen beiden.
Die eine etwas kleinere junge Dame war hellblond und nicht eigentlich hübsch; doch der muntere, kecke Ausdruck, der in den Augen und Zügen lag, machte das Gesicht liebenswert. Sie war fast noch überschlank wie ein Backfisch und schien sehr lebhaften Temperaments zu sein.
Die andere dagegen gehörte zu denen, die man, einmal gesehen, so leicht nicht wieder vergessen kann. Sie war größer nnd kräftiger gebaut, und in ihren Gesichtszügen, ihrer Haltung und ihren Bewegungen lag eine natürliche Anmut, eine gesunde, ursprüngliche Kraft ausgedrückt. Das feine geistvolle Gesicht, das dunkle Haare umrahmten, hatte einen elfenbeinweißen Teint, der zu den lebhaften Farben der Wangen einen angenehmen Gegensatz bildete. Die gerade, nicht zu kleine Nase, der schön geformte Mund und die dunklen, seelenvollen Augen, das alles vereinigte sich zu einem anmutigen Bild. Der Ausdruck in den Augen zeigte zuweilen einen über ihr Alter hinausgehenden Ernst, zuweilen aber den ganzen Lebensmut, die Lebenslust, die ganze begeisterungsfähige Seele der Jugend.
Die beiden Freundinnen gingen, leise, aber angeregt plaudernd, durch die verschneiten Wege des Tiergartens.
Ein prächtiges Bild bot der Tiergarten in seinem winterlichen Kleide. Auf den Aeften uno Zweigen der Bäume lag der Schnee und glitzerte in der Sonne, als wäre er mir Diamanten bestreut. Ebenso war der Boden mit Schnee bedeckt. Für den Berliner, aus dessen Straßen der Schuee immer so schnell wieder verschwindet, ist solche Schneelandschaft ein herzerfreuender Anblick, und darum ist der Tiergarten zur Schneezeit fast ebenso bevölkert als wenn er sich im Frühjahr und Sommer in seiner grünen Pracht zeigt.
„Leugne es nicht länger, Jsa", sagte jetzt die kleinere der beiden. „Alle Welt sieht und weiß es, daß der Regierungsbaumeister Bruchhausen dir eifrig die Cour macht, und vorgestern aus der Gesellschaft bei Stettens —"
„Ich bitte dich, Thea, auf welche törichte Gedanken kommst du nur!" unterbrach sie die mit Jsa Angeredete, indem eine dunkle Glut in ihre von der Kälte ohnehin geröteten Wangen stieg.
„Du täuschest dich."
„Nein, ich täusche mich nicht, ich habe es ge- ! nugsam beobachtet und leider — auch wahrge- i nommen, daß ein gewisses Fräulein Jsabella Renatus diesen Huldigungen gegenüber sehr kühl blieb. Du bist wirklich eine Gletscherjungfrau mit einem Herzen von Stein und Eis. Bruchhausen ist em Mann, der durch sein Wesen, seine Klugheit und Tüchtigkeit gleich ausgezeichnet lst. Du kannst doch unmöglich solchen Vorzügen gegenüber kalt bleiben, zumal du merken mußt, wie er einzig und allein nur dich sieht, wie er dich aus jede Weise seine Huldigung fühlen läßt."
Jsa schwieg eine Weile und ging, den Blick zu Boden gesenkt, gedankenvoll neben der Freundin her. Dann hob sie ihn mit jähem Entschluß.
„Nein — sie lassen mich nicht kalt — ich will dir auch gestehen, daß sie nicht ohne Eindruck auf mich geblieben sind, ebenso seine ganze Persönlichkeit. Seine Auszeichnung tut mir wohl — mein Herz klopft, wenn er sich mir nähert, und dennoch — ich weiß selbst nicht, was es ist, das mich immer wieder kühl und abweisend chm gegenüber macht."
„Dein Stolz ist es, du willst dich nicht so schnell ergeben."
„Nein, nein, nicht das allein, ich fühle mich ihm gegenüber noch so — so — fremd."
„Fremd? Aber liebes Herz, ich dächte, ihr kenntet, euch lange genug."
. „Aber nur vom Gesellschaften her, nnd da sieht man nur die Oberfläche.