Kandy (Ceylon), 24. Nov. Gestern abend veranstalteten die Buddhisten zu Ehren des deutschen Kronprinzen und der Kronprinzessin einen Perahera genannten religiösen Umzug, der äußerst glanzvoll verlief. Im Fackelschein boten die vielen heiligen Elefanten mit goldschimmernden Türmen und gold­gestickten Decken, die Häuptlinge mit ihrem Juwelen- uud Goldschmuck, die Tänzer, Tänzerinnen und Musikanten ein eigenartiges Bild von malerischer Wirkung. Die Engländer brachten dem Kronprinzen, der selbst auf einem Elefanten an der Kronprinzessin vorüberritt, lebhafte Ovationen dar.

In England Ist nach einem jüngst ver­öffentlichten Blaubuch die für alkoholische Getränke verausgabte Summe in den letzten zehn Jahren von 180 Millionen Pfund Sterling auf 156 Mill. jährlich gesunken. Im Jahre 1909 hat sich unter dem Einflüsse der erhöhten Alkoholsteuer die Zahl der Wirtshäuser um 1472 vermindert. Mit der zu­nehmenden Nüchternheit geht Hand in Hand eine Abnahme der Verbrechen, die Zahl der gericht­lichen Verurteilungen ist von 187803 im Jahre 1908 aus 169 518 im Jahre 1909, d. i. um nahezu zurückgegangen.

Lokales.

Wildbad, 29. Nov. Wie wir erfahren, wurde die Stelle des Kgl. Bad-Inspektors hier Herrn Bauamtswerkmeister Bogt in Freudenstadt über­tragen.

UnierdaNentles.

ver?rinr-6emahl.

Roman von Henriette v. Meerheimb.

(Forts.) (Nachdruck verboten.)

Bevor Nadine den Befehl ausführen konnte, hatte Georg bereits auf den elektrischen Kopf ge­drückt.Ich traf Jagow unterwegs. Er wilderte. Leugne das nicht Jagow, du wolltest den Bock auf Lehminer Grund nnd Boden schießen I"

Denk nicht daran! Gnädige Gräfin ich hoffte. Sie längst wieder hergestellt zu finden." Jagow nahm neben Anne-Marie Platz aber seine Augen verließen Nadine selten.

Anne-Marie bemerkte das mit einer gewissen Gereiztheit. Auch Georgs Benehmen verdroß sie. Er behandelte Fräulein Holzinger nicht wie die Gesellschafterin seiner Mutter, sondern wie einen Ehrengast, eine liebe Freundin. Dieser dumme Pariser Winter lebte nun gewiß wieder in seiner Erinnerung auf. Eigentlich handelte sie töricht, Nadine zu engagieren. Die Anwesenheit einer Malerin mußte Georg in seinen albernen Kunst­schwärmereien nur bestärken.

Jagows Appetit ließ sich nicht so leicht be­friedigen. Georg wenig, aber er trank mehr wie sonst.

Die Diener trugen, als endlich abgegessen war, die Tafel mit allem Geschirr hinaus und setzten dafür einen niedrigen Rauchtisch und hohe Steh­lampen mit rosa Seidenschirmen herein.

Ich bin wie ein Verhungerter, dem man plötzlich eine reichbesetzte Tafel .hinstellt." Georg schob seinen Stuhl dicht neben Nadines Sessel. Ich möchte so viel über Paris, von den alten Bekannten wissen ich weiß gar nicht, wonach ich zuerst fragen soll."

Nadine vermied noch immer, ihn anzusehen. Sie wandte ihr Gesicht nach dem Garten.

Welch reizendes Profil sie hat!" dachte Jagow. Immer zerstreuter hörte er Frau von Stechows und Anne-Maries Erzählungen mit an.Sie wollen also von unserer alten Malklasse etwas wissen, Graf Lehmin?" Nadine betonte den Namen absichtlich.

Ja bitte."

Nun also. Maurice Roland kopiert nur noch. Er hat viele Aufträge. Trotzdem kommt er nicht recht vorwärts. Eine kränkliche Frau, kleine Kinder hemmen ihn."

Das weiß ich, daß er viele Bestellungen hat", lachte Georg. Er mußte viel für mich malen. Sie werden in meinem Arbeitszimmer manche Kopie aus dem Louvre sehen."

Sie waren also derHerr aus Deutschland", der Roland die Aufträge gab!" antwortete Nadine nachdenklich.Das freut mich. Sie taten damit ein gutes Werk, Graf Lehmin. Lucy O'Reilly, von der Sie gewiß auch hören wollen, hat Paris längst verlassen. Sie schreibt mir manchmal und immer recht befriedigt. Sie ist Lehrerin an einer Mädchenschule in Edinburg."

Welch schrecklicher Beruf."

Immer noch besser, als wie in Paris halb zu verhungern. Der Schriftsteller Werner tat das."

Wie furchtbar!"

Er nahm sich das Leben." Nadine sah mit finsteren Augen vor sich hin.

Welch trauriges Thema wählst du zur Unter­haltung, Georg!" rief Anne-Marie herüber.Bitte, Fräulein Holzinger, erzählen Sie nicht so gräßliche Sachen! Man sagt doch immer, daß in allen großen Städten unendlich viel für die Armen geschehe. Wer verhungert, ist gewiß selbst schuld, weil er nicht arbeiten wollte."

Bei Werner trifft das nicht ganz zu, Frau Gräfin. Er lief sich die Füße wund, um Arbeit zu finden. Aber die, welche man von ihm verlangte, konnte er allerdings nicht leisten. Darin liegt die Tragik seines Geschicks. Er wollte seine Kunst nicht verkaufen."

Also jedenfalls ein höchst unpraktischer Mensch I"

Das war er."

Nun, sehen Sie 'wohl also ging er doch durch eigene Schuld zu gründe."

Georg nagte an seinem Schnurrbart. Die flachen und dabei so selbstgefällig vorgetragenen Urteile seiner Frau reizten ihn stets.Armer Werner!" sagte er mitleidig.Bei wem nahmen Sie später noch Unterricht, Fräulein' Nadine? Ich las Olhardts Berufung nach München."

Eine Zeitlang hielt die alte Malklasse sich noch zusammen ein Modell, und Norbert korrigierte j meine Arbeiten. Später, als Lucy und Roland jnoch ausschieden, wurde auch mir das Modell zu teuer. Ich habe dann nur noch Muster gezeichnet und ab und zu eine Skizze versucht. Meine letzte Landschaftsstudie fand Norbert gut gelungen. Auf seinen Rat schickte ich sie demSalon" ein. Wenn das Bildchen angenommen wird, habe ich das gewiß hauptsächlich seiner Fürsprache zu verdanken. Norberts Meinung gilt viel. Sein Gemälde wird sicherlich eines der besten der diesjährigen Aus­stellung sein."

Was stellt das Bildchen denn dar?" Dies­mal klang Georgs Stimme nicht freundlich teil­nehmend.

Nadine zögerte. 'Sie sah, daß die übrigen Anwesenden auch aufmerkten.Er malte drei Tote, die er in der Morgue liegen sah. Werner war der eine", sagte sie endlich leise.

Diese Idee sieht ihm ganz ähnlich", spottete Georg.Einen Käufer wird er schwerlich finden. Wer hängt sich wohl ein solch schauerliches Bild in die Stube?"

Für einen Privatbesitz ist das Bild viel zu groß. Die Toten sind in Lebensgröße dargestellt. Norbert hat mehrere Jahre an dem Gemälde ge­arbeitet. Vielleicht kaust ein Museum es an."

Das wollen wir ihm wünschen. Vom Ruhm allein lebt man schlecht", antwortete Georg nicht ohne Bitterkeit. Er empfand ein neidisches 'Un­behagen bei dem Gedanken, daß Norbert allein den Lorbeer erringen sollte, nach dem er selber nicht mehr streben konnte, dessen Erreichen die übrigen Mitschüler aufgeben mußten, weil die bittere Not sie zwang.

Seine Kunst erstickte im Reichtum die ihre in der Armut. Der Erfolg war der gleiche. Nur Norbert rang sich durch. Der Gedanke peinigte ihn.

Haben Sie das Gemälde gesehen?" fragte er gespannt.

Nadine errötete.Nein. Norbert wollte nicht, daß ich es unvollendet sah. Meine Abreise hieher kam dazwischen."

Leben Sie jetzt in Paris mit einer anderen Dame znsammen, seit Lucy O'Reilly sie verließ?"

Ja. Aber ich habe mich ihr nicht so angeschlossen, wie der gutmütigen Lucy."

Mit wem verkehren Sie denn hauptsächlich?"

Norbert sehe ich am meisten."

Das konnte ich mir denken!"

Georg verstummte. Er rückte seinen Stuhl weiter von Nadine ab und nahm an dem all­gemeinen Gespräch teil, denn er glaubte in Anne- Maries auf ihn gerichteten Augen Mißtrauen, in Jagows und seiner Mutter Blicken neugieriges Staunen zu lesen.

Ende dieses Monats soll ein großes Garten­fest mit Tanz bei Rochlitzens stattfinden", berichtete Jagow.Bis dahin sind Sie hoffentlich wieder hergestellt, Gräfin? Uebrigens würden Rochlitzens gewiß glücklich sein, wenn Sie Ihren Gast, Fräulein Holzinger, mitbrächten. Wir haben immer Damen­mangel "

Wenn ich bis dahin meinen Fuß gebrauchen kann, mache ich natürlich das Fest mit," sagte Anne-Marie.Fräulein Holzinger wird gewiß meine Schwiegermutter nicht verlassen mögen."

Anne-Marie ärgerte sich über Jagows Takt­losigkeit. Das sollte ihr einfallen, diese kleine Pariser Malerin mit auf die Feste in der Nach­

barschaft zu nehmen! Die war ausschließlich zur Pflege und Bedienung ihrer Schwiegermutter da und nicht, um sich hier zu amüsieren.

Ich bliebe gern den Abend allein", versicherte Frau von StechowEin hübsches junges Mädchen mill auch einmal tanzen. Nicht wahr, Fräulein Holzinger?"

Nadine sah sie dankbar an.Sie sind sehr gütig, gnädige Frau. Aber das wird doch wohl nicht angehen."

Natürlich geht es!" rief Georg lebhaft.Wir sind das Rochlitzens einfach schuldig. Auf zehn Husarenoffiziere kommt höchstens eine Tänzerin uad was für eine! Nun sollen unsere Kraut­junker und Landpomeranzen einmal Pariser Schick sehen!"

Nadine lächelte über seinen Eifer.Mein Mull­fähnchen ausBon marche" wird gewiß sehr impo­nieren! Eine Balltoilette besitze ich überhaupt nicht. Wozu sollte ich die in Paris brauchen? Ich lebe ja ganz zurückgezogen. Niemand will das glauben, weil jeder unwillkürlich mit dem NamenParis" Vergnügen und Eleganz verbindet. Wer ahnt die herbe Not, die unablässige Arbeit, unter der so viele dort seufzen?"

Darum Wen sollen Sie hier Ihre Jugend genießen."

Nadine schüttelte sanft den Kopf und schwieg.

Als Frau v. Stechow sich anschickte, zu Bett zu gehen, folgte sie ihr sofort nach einer allgemeinen Abschiedsverbeugung.

Jagow fühlte sich bald auch entlassen. Anne- Marie wurde immer einsilbiger. Sie war augen­scheinlich so verstimmt, daß er es vorzog, aufzubrechen. Klugerweise unterdrückte er darum auch lieber einen Ausbruch des Entzückens über das Aussehen und Benehmen der reizendenPariserin". Er fühlte deutlich, gerade solch Lob war heute wenig an­gebracht.

Soll mich wundern, wie lange die Geschichte hier dauern wird!" dachte er im Stillen.

Ich würde dich gern noch eine Strecke begleiten, Jagow", sagte Georg.Oder willst du lieber einen Wagen haben?"

Nein, danke icb gehe sehr gern mit dir."

Einen unterhaltenden Begleiter hatte Jagow aber nicht. Georg beantwortete alle Fragen nur sehr kurz, freiwillig sprach er kaum ein Wort während des langen, einsamen Weges durch das Helldunkel der Sommernacht. Mit stummem Händedruck verabschiedete er sich an der Grenze von Malchin.

Jagow sah ihm gedankenvoll nach, dann pfiff er leise vor sich'hin.

Georg schlug einen Feldweg ein. Die Aehren rauschten zu beiden Seiten, jfast nickten sie über seinem Kopf zusammen. Die Grillen zirperten. Träumende Vogelstimmen tönten aus allen Hecken. Sommernächte sind nie ganz dunkel und still.

(Fortsetzung folgt.)

vermischtes.

Freimarkenheftchen. Beim Beschnei­den der neuen Freimarkenheftchen kommt es zu­weilen vor, daß ein Teil der zur Marke gehörigen Bohrlöcher angeschnitten wird. Nach einem Erlaß der Postverwaltung sind derartige Mängel nicht zu beanstanden; es genügt als Echtheitsmerkmal, daß wenigstens zwei Ränder der Marken ordnungs­mäßige Durchlochung ausweisen.

Nach der allgemeinen Ausführungsbe­stimmung 5 zu § 28 der Eisenbahnverkehrsordnung dürfen Schneeschuhe und Rodelschlitten in die Per­sonenwagen aller Klassen und Züge mitgenommen werden, wenn eine Belästigung der Reisenden und eine Beschmutzung der Wagensitze ausgeschlossen ist. Um bei diesem Zugeständnis Unzuträglichkeiten zu vermeiden, wird seitens der Eisenbahnver­waltungen streng darauf gehalten, daß die erwähn­ten Bedingungen zur Mitnahme der Sportgeräte in die Personenwagen auch erfüllt werden. Das Personal ist angewiesen, hierauf zu achten und nötigenfalls die Aufgabe von Sportgeräten, deren äußere Beschaffenheit eine derartige ist, daß die Mitreisenden belästigt oder die Wagensitze beschmutzt werden, als Gepäck zu veranlassen.

Tolstois Gesamtvermögen, einschließlich der Bodenwerte seiner Güter, beträgt 10 Millionen Rubel. Tolstois Testament vermacht das gesamte Vermögen zu Zwecken christlicher Nächstenliebe, besonders zur Milderung des Elends in den rus­sischen Großstädten und läßt der Familie nur eine beschränkt Nutznießung. Testamentsvollstrecker ist ein Moskauer Rechtsanwalt. Zweifellos wird ein Erbschaftsstreit um das Vermögen des Toten die Folge sein.