nun eine harte Arbeit und die Arbeiter verschnauften sich des öfteren, sodaß das Geschäft nur langsam von statten ging. Da plötzlich kam Feuer unter die Grabenden, sie hieben und stachen und schaufelten darauf los, daß es eine Freude war und schmunzelnd sah der Meister dem raschen Fortschritt der Arbeit zu. Kaum die Feierstunde wurde ausgesetzt und gleich wieder eiligen Tempos begonnen; eine nie gekannte Arbeitslust hatte die Mannen ergriffen und kein Auge wurde von dem Grabfeld abgewendet. Was hatte es nur den Arbeitsleuten angetan? Glänzende Münzen hatten sich schon mehrfach im Grunde gezeigt und wiesen auf einen verborgenen Schatz der weiland gewesenen Ritter, die wohl in bedrängter Zeit ihren Mammon im Stiche gelassen hatten. Die Münzen waren allerdings nicht von hohem Alter, denn der witzige Meister hatte sie heimlich eingestreut, um seine Mannschaft anzufeuern und ihnen Kurzweil zu bereiten.
Pforzheim, 20. Sept. Gestern nachmittag 4 Uhr entstand in dem großen Sstöckigen Eckhaus des Metzgers Kraus in der Karl-Friedrichsstraße ein Brand, der den ganzen Dachstock zerstörte. Der Schaden beträgt ungefähr 15000 Mark-
Karlsruhe, 19. Sept. Die Königin von Württemberg traf heute nachmittag 5 Uhr 17 Min. im Sonderzug hier ein Sie wurde am Bahnhof von dem Großherzogspaar sowie von dem Prinzen und der Prinzessin Max herzlichst begrüßt und zum Schlosse geleitet, wo sie Wohnung nahm.
Karlsruhe, 19. Sept. Der Großherzog hat ans Anlaß des silbernen Ehejubiläums 36 — zum Teil wegen schwerer Verbrechen — zu Freiheitsstrafen verurteilte Personen begnadigt. Außerdem hat das Justizministerium, der „Karlsr. Zig." zufolge, auf Grund der ihm übertragenen Be- gnadigungszuständigkeit aus dem gleichen Anlaß an 57 Personen Gnadenakte verfügt.
Heidelberg, 16. Sept. Eine schier unglaubliche, unübertreffbare Submissionsblüte ist bei der Bewerbung um die Malerarbeiten für den Erweiterungsbau des städtischen Elektrizitätswerkes zutage gefördert worden. Das höchste Angebot betrug nämlich 3830 Mk., das niederste dagegen nur 716 Mk., mithin eine Unterbietung von über 500 Prozent.
— Der deutschen Gasglühlicht Aktiengesellschaft (Auergesellschaft) in Berlin ist von der Jury der Brüsseler Weltausstellung für die von gen. Firma hergestellten Osram-Metallfadenlampen „Grand Prix", die höchste Auszeichnung zuerkannt worden.
Berlin, 19. Sept. Ein Privatmann der nicht genannt sein will, hat zu der 25000 Mark-Stiftung 15000 Mark als zweiten Preis gegeben. Dagegen hat Graf Zeppelin die von ihm gestifteten 10000 Mark zurückgezogen. Mithin erhöht sich der Gesamtbetrag der Preisgelder um 5000 Mark auf 75 000 Mark.
Hirschberg, 21. Sept. Heute nacht trat im ganzen Riesengebirgr starker Schneefall ein. Auf der Schneekoppe liegt der Schnee 15 Zentimeter hoch bei 10 Grad unter Null. Auch heute vormittag schneite es in den Tälern noch heftig.
Wien, 20. Sept. Das „Fremdenblatt" schreibt zu dem Besuch Kaiser Wilhelms: „Dem deutschen Kaiser eilen die Wünsche guter Freunde entgegen. Gute Freundschaft findet Kaiser Wilhelm nicht nur bei Kaiser Franz Josef, auch die Völker der österreichischen Monarchie fühlen aufrichtige Verehrung für ihn." Das „Fremdenblatt,, erinnert dann an die früheren Besuche Kaiser Wilhelms, besonders an die Huldigung der deutschen Bundesfürsten zum 60jährigen Regierungsjubiläum des Kaisers Franz Fosef und fährt dann fort: „Was aber heute dem deutschen Kaiser znm Gruß gesagt sein mag, ist ein Wort ehrlicher Anerkennung für seine Rolle eines Befestigers der Dreibundvölker. Kaiser Wilhelm hat wesentlich dazu beigetragen, dem Dreibund bei uns die Sanktion einer dauernden Volkstüm- keit zu geben. Solche Volkstümlichkeit geht immer aus der Schlichtheit unbewußt wirkender Tatsachen hervor, und eine davon ist sicherlich der Eindruck der glanzvollen und bezwingenden Persönlichkeit Kaiser Wilhelms gewesen. Es bereitet hier eine besondere Genugtuung, daß bei dieser Reise Kaiser Wilhelm der Dolmetscher seines Volkes ist, das uns bei so vielen Gelegenheiten durch das Zeuguis der Verehrung für unseren Kaiser erfreut hat. Diese Verehrung wollen wir idem Kaiser vergelten mit herzlichem Erwioern."
Wien, 20. Sept. Der Hofschauspieler Josef Kainz ist heute früh 5 Uhr 35 Min. gestorben.
Wien, 20. Sept. Eine sehr schwere Eisenbahnkatastrophe ereignete sich heute früh in Steiermark. Der abends um 'ftL Uhr von Venedig
abgehende direkte Schnellzug Venedig-Wien stieß bei Rottermann mit dem entgegenkommenden Schnellzug Wien-Venedig zusammen. Die Lokomotiven bohrten sich ineinander und türmten sich auf. Mehrere Wagen wurden zertrümmert. Bald wurde furchtbares Hilfegeschrei aus den Wagen laut. Bis zur Stunde wurden 10 Tote und 6 Schwerverletzte aus den Trümmern hervorgezogen.
Lokales.
Wildbad, 22. Sept. Am kommenden Sonntag nachmittag 3 Uhr hält der „Unterbeamten- Verein des Bezirks Neuenbürg" seine Generalversammlung im Schwarzwaldhotel ab.
Wildbad, 22. Sept. Wie aus dem Inseratenteil ersichtlich, hält der Kanarien- und Geflügelzüchter-Verein" am Sonntag eine Ausstellung mit Verlosung im Saale des Hotel Maisch ab. Lose sind noch bei Kürschner Rometsch a 20 Pfennig zu haben.
Mnter Haltendes.
Der Winz-Hemahk.
Roman von Henriette v. Meerheimb.
(Forts.) (Nachdruck verboten.)
Anne-Marie lächelte geschmeichelt. Sie stellte schnell ihre Teetasse hin und ging dem alten Herrn von Stechow entgegen, der bereits im Hausstur mit ausgebreiteten Armen auf sie zueilte. Frau von Stechow folgte langsamer. Sie hielt sich wie verschüchtert etwas im Hintergrund. Ihr erster Blick galt vor allem dem Sohn, was er wohl für ein Gesicht mache.
Anne-Marie erwiderte die Umarmung des altert Stechow herzlich. „Ja, Onkelchen — Georg und ich sind vollkommen einig!" antwortete sie einfach auf seine ihr schnell zugeflüsterte Frage.
Den Alten überkam die Rührung. Mit einem Arm immer noch Anne-Marie umschlungen haltend, streckte er den anderen nach Georg aus.
Aber der wich zurück. „Keine Rührszene, Papa, — bitte!" sagte er.
„Na, ich werd mich doch wohl freuen dürfen?" ereiferte sich der Alte.
„Gewiß — wir sind alle sehr glücklich?" bestimmte Anne-Marie ruhig.
Sie küßte Frau von Stechow die Hand. Ihr sonst immer allzu sicheres Auftreten wurde den alten Leuten gegenüber liebevoll ehrerbietig. Es war begreiflich, daß beide für sie schwärmten.
„Wie hübsch, daß ihr gekommen seid!" fuhr Anne-Marie fort. Sie schob Frau von Stechow im Salon den bequemsten Sessel ans hellflackernde Kaminfeuer: „Nun können wir in aller Stille Verlobung feiern. Außer uns braucht es vorläufig niemand zu wissen."
„Ja, das ist besser. Anne-Marie könnte doch ihre Ansicht noch ändern", meinte Georg nachlässig.
„Oder du vielleicht die deine?" neckte sie und stimmte herzlich in des alten Stechows lautes Lachen ein. Auch nur eine Sekunde solche Möglichkeit für denkbar zu halten, wäre der Erbin von Lehmin niemals eingefallen.
„Ich habe dir einen Brief mitgebracht, der mit der Mittagspost für dich ankam, Georg." Frau von Stechow kramte in ihrem seidenen Pompadour herum.
„Laß doch den Wisch! Der hat Zeit bis nachher", verbot der alte Stechow. „Freu dich lieber an unseren Kindern. Stellt euch mal zusammen — so! Donnerwetter, wirklich ein hübsches Paar! Anne-Marie ist nur zwei Finger breit kleiner wie Georg. Ein StaatsmädelI Junge, du hast ein Glück! Wenn du die Anne-Marie nicht auf Händen trägst, bekommst du mit mirs zu tun."
„Zeig mal her den Brief, Mama!" bat Georg.
„Hier ist er."
„Gestattest du, Anne-Marie?"
„Bitte!"
„Von wem ist denn das Schreiben, Georg?" fragte Herr von Stechow.
„Nicht einmal einen Brief kann ich bekommen, ohne daß alle wissen müssen, woher und von wem er stammt!" Georg lächelte und las rasch. Dann schob er den Brief in die Tasche.
„Das läßt du dir gefallen, Anne-Marie?" neckte der alte Stechow. „Vielleicht ist der Brief von einer Dame!"
„Warum nicht!" Anne-Marie nickte Georg gleichmütig zu.
„Diesmal nicht. Der Brief ist von Professor Olhardt aus Paris." Georg strich liebkosend über seine Tasche, in der das dünne ausländische Papier leise knisterte.
„Was schreibt er denn?"
„Er hat in seiner Klasse einen Platz für mich frei", antwortete Georg. „Am 1. April kann ich zu ihm nach Paris kommen in sein Atelier." Seine Brust dehnte sich. Er atmete tief auf. „Wie ich mich freue!"
„Junge, bist du toll! Du willst deine Braut gleich wieder allein lassen? — Anne-Marie, red du ihm den Blödsinn aus!"
„Warum? Wenn er doch so gerne noch etwas malen lernen will! Georg interessiert sich nicht sehr lebhaft für die Landwirtschaft. Da ist das Malen ja eine ganz nette Beschäftigung für ihn" entgegnete Anne-Marie kühl.
In Georgs Augen blitzte eine Sekunde ein gereizter Blick auf. „Nicht wahr — es ist eine
— ganz nette Beschäftigung für mich! Hübsch ruhig, leidlich sauber, macht keinen Lärm, und nicht viel Unkosten."
„Habe ich dich verletzt?" Anne-Marie lA ihre Hand auf seinen Arm. „Ich verstehe fih wenig vom Malen."
„Das scheint so. Na, schadet nichts. Wir werden eben jeder unseren besonderen abgegrenzten Wirkungskreis haben. — Ich reise ab Ende März, Papa."'
Der Ton klang sehr bestimmt.
„Gut — wir fangen dann bald mit dem Umbau des einen Flügels hier an. In etwa neun Monaten kann alles fertig sein", antwortete Anne- Marie an Stelle ihres Schwiegervaters. „Ich bin dann auch majorenn und —"
„Und bald mein liebes Schwiegertöchterchen!" fiel der alte Stechow ein.
„Ein Jahr muß ich mindestens bei Olhardt' bleiben. Unter einem Jahr nimmt er überhaupt keine Schüler an", widersprach Georg.
„Der Farbenkleckserl" polterte Herr von Stechow.
Anne-Marie zuckte gleichmütig die Achsel». „Mir auch recht. Vor dem Frühjahr hätte die Hochzeit doch wohl kaum gepaßt. — Bitte, Miß Fraser, sorgen Sie, daß Rheinwein zum Abendbrot aufgesetzt wird. Und für Mamachen muß eine frische Ananas aus dem Treibhaus geholt werden. Die ißt sie am liebsten."
„Du gutes Kind — an alles denkst du!" lobte Frau von Stechow gerührt.
„Das ist doch selbstverständlich! Es ist ja so schön für mich, wieder Eltern zu bekommen!" Ein weicher, liebevoller Blick traf Georg.
„Ich danke dir, Anne-Marie", antwortete n herzlich. „Du machst uns allen viel Freude mit diesen Worten."
Die letzte kleine Mißstimmung schien damit zu verschwinden. Der Abend verging in ungestörter « Harmonie. I
Die Seligkeit seiner Eltern — eine schwere Last fiel dem alten Stechow mit dieser Verlobung vom Herzen — freute Georg doch mehr als er sich selbst eingestand. Er wurde daher beim Abendbrot nach jedem Glase des duftigen alten Rheinweines heiterer, zuletzt förmlich ausgelassen lustig. Stimmungsmensch, der er war, gab er sich dm Genuß der Stund« völlig hin. Der Wein funkelte goldig in den grünen Römern. Die Wachslichter auf den silberneu Kandelabern und in den verschnörkelten Messinghaltern an den Wänden warfen » ein Helles und doch sanftes Licht über den uni » Blumen reich geschmückten Tisch. Er brachte eineu I huldigenden Toast auf die blonde Herrin vou I Lehmin aus, launig, galant, wie nur er es konnte. »
Anne-Marie war sehr befriedigt, die Elteru strahlten.
„Der Bengel ist berauscht vom Glück!" flüstern der alte Stechow Anne-Marie zu, die gnädig nickte.
Nur Miß Fraser saß als stille, aber sehr ach merksame Beobachterin am unteren Ende des Tisches. Die plötzliche Ausgelassenheit des erst so stocksteifen Bräutigams kam ihr verdächtig vor. „Die anderen denken, er ist glücklich, weil er B verlobt hat — und dabei ist er es nur, weil er bald abreisen kann! Arme Mary!" Miß FfM wischte über ihre trüb angelaüfenen Brillengläser-
Anne-Marie nickte ihr freundlich zu. „Fraserche"
— wir bleiben zusammen auf jeden Fall. Wir trennen uns nicht. Ich lasfe Sie nie von nM-
— Nicht wahr, Georg?"
„Niemals!" beteuerte er und legte pathetisch die Hand aufs Herz. Er hatte kein Wort begrifft" von dem, was Anne-Marie sagte, weil er nn stillen fortwährend dachte: „Noch sechs Woche"
— dann gehe ich nach Paris."