LoKcrkes.
Ans der Sitzung der Gcmeindckollegicn
vom 26. August 1910.
Die Stadtpflegrechnung pro 1908/09 wird von den Gemeindekollegien der vorgeschriebenen Durchsicht unterzogen, wobei sich ein Anstand nicht ergab. — Für die Herstellung eines Telephonanschlusses für die Parzelle Nonnenmitz wird von den Gemeindekollegien ein Beitrag von 40 Mark bewilligt. — Der am 17. August ds. Js. bei der Bergbahn vorgekommene Motordefekt hat die Gemeindekollegien veranlaßt, der Frage der Anschaffung eines Reservemotors näher zu treten und wurde das Stadtbauamt beauftragt, die zu diesem Zwecke nötigen Berechnungen zu fertigen und Offerten verschiedener Firmen über die Lieferung eines 90—100 k. 8. Motors einzuholen. — In den vom Gemeinderat zwecks Vorbereitung der Beschlüsse desselben über Bauarbeiten und Reparaturen an städtischen Gebäuden, Straßen etc. aufgestellten Ausschuß werden für die Zeit bis 1. September 1911 die Herren Gemeinderäte Fritz Kuch, Christian Schmid und Hermann Großmann gewählt. — Die Gemeindekollegien beschließen die für Benützung der Vorhalle zu de» Kühlräumen im Schlachthaus unterm 30. April 1909 festgesetzten Gebühren auch fernerhin zu erheben, dagegen eine neue Regelung der diesbezügl. Bestimmungen für später nach Einholung der Vorschläge der Metzgermeister in Aussick t zu nehmen. — Dem Oberlehrer Eppler sowie den Hauptlehrern Lächele, Veyl und Geiger wird für Erteilung von Zeichenunterricht in den Monaten April und Mai 1910 die Summe von zusammen 100 Mk. ver- willigt. — Der Mg. Deutsche Versicherungsverein in Stuttgart hat dem infolge eines Unfalls erwerbsunfähig gewordenen Jpser Dürr unter ausdrücklicher Bestreitung jeder Haftbarkeit eine Gabe von 200 Mk. verwilligt; der die Stadtgemeinde lt, Haftpflichtvertrag treffende Teil mit 20 Mk. wird von den Gemeindekollegien in Ausgabe genehmigt. — Das wiederholte Gesuch des August Bechtle zürn Panoramahotel hier um Ermäßigung der Fahrpreise der Bergbahn bis zur Panoramahaltestelle und zurück sowie um Einführung von Abonnements für diese Strecke wird abgelehnt. — Den hier wohnhaften Veteranen von 187071 und deren Witwen wird anläßlich der 40jährigen Erinnerungsfeier eine Ehrengabe von je 5 Mk. und zu einer Feier am Gedenktag von Champigny eine weitere Gabe von je 5 Mk. zu einem Abendessen bewilligt. — Der Stadtvorstand nimmt seinen diesjährigen Erholungsurlaub in der Zeit vom 5> September bis 5. Oktober; als Stellvertreter desselben wurde Verwaltungsaktuar Schmid hier aufgestellt. — Einer Eingabe verschiedener Kurgäste entsprechend beschließen die Gemeindekollegien, den Glockenschlag der Kirchenuhr während der Badesaison von abends 10 Uhr bis morgens 6 Uhr einzustellen. — Die Betriebszeit der Bergbahn im Monat September wird an den Wochentagen von morgens 7 Uhr bis abends 10 Uhr, an den Sonntagen von morgens 6 Uhr bis abends 10 Uhr festgesetzt. — Es folgen noch verschiedene kleinere Gegenstände. —
ZINN 50. Todestage Friedrich Mcher's.
Von uns Schwaben hieße es eine heilige Pflicht der Pietät gröblich verletzen, würden wir den 26 . August unbeachtet an uns vorüberziehen lassen, den Tag, an welchem vor 50 Jahren einer der allerschwäbisch'stenSchwaben die Augen zum letzten, ewigen Schlaf geschlossen hat, Schwabens größter Liedermeister Friedrich Silcher. Und von uns Wildbadern wäre es doppelt ungerecht, hat doch der Name des großen Komponisten einst auch in der hiesigen Kurliste gestanden, als dieser in seinem letzten Lebensjahre im hiesigen Quell — leider zu spät — Heilung von einem schweren Leiden suchte. — Ueber das Leben Silchers seien im folgenden einige kurze Bemerkungen angefügt. Geboren wurde er am 27. Juni 1789 zu Schnaith im weinreichen Remstale; nachdem er mit Seinhalb Jahren schon seinen Vater verloren hatte, fand er in seinem Stiefvater, dem Lehrer Wegmann, einen treuen Förderer seines früh sich regenden musikalischen Talentes. Zum Schullehrer bestimmt, kam er im Jahr 1803 als „Schulknecht" in das benachbarte Fellbach zu dem Lehrer Auberlen in dessen musikalischer Familie der junge Silcher mancherlei Anregung fand. Im Jahre 1806 wurde er als Lehr- .gehilfe in Schorndorf angestellt und zugleich von dem Freiherrn I. Fr. v. Berlichingen, dem dortigen Kreishauptmann, als Hauslehrer für seine fünf Mädchen engagiert. Während dieser Zeit widmete er sich hauptsächlich auch Studien im Zeichnen und
in der Malerei. Freiherr v. Berlichingen gewann j seinen Hauslehrer außerordentlich lieb, und ver- anlaßte, als er selbst 1809 nach Ludwigsburg versetzt wurde, auch dessen Versetzung in das „schwäbische Versailles". Hier lernte der junge Mädchenschullehrer Karl Maria v. Weber, den damaligen Geheimsekretär des Herzogs Ludwig Friedrich Alexander, kennen und empfing von ihm manche künstlerische Anregung. Und als vollends an die Stelle des scheidenden -K. M. v. Weber Konradin Kreutzer trat, da regte sich in Silcher zum erstenmal der sehnliche Wunsch, sich und sein Leben ganz der göttl. Musik zu widmen. Seit 1810 versuchte er sich in verschiedenen Gelegenheitskompositionen, und als der Ludwigsburger Diakon Bahmmaier, der sein Talent schätzen gelernt hatte, im Jahr 1814 als Professor der Theologie an die Tübinger Universität berufen wurde und im Hinblick aufseinen Schützling dort die Einrichtung einer Universitäts- Musiklehrerstelle befürwortete, folgte ihm Silcher, nachdem er 2 Jahre lang in Stuttgart Privatlehrer gewesen war, als Universitätsmusikdirektor in die liebliche Neckarstadt. Tübingen sollte Silchers zweite Heimat werden; denn bis an sein Ende ist er dort geblieben. Er entfaltete eine überaus eifrige Tätigkeit auf musikalischem Gebiet; so dirigierte er die Stiftsmusik, gründete 1824 einen Kirchenchor, 1829 die heute noch blühende „Tübinger Liedertafel" und >839 den „Oratorienverein". In der „Liedertafel" namentlich setzte er sich als oberstes Ziel die Pflege des deutschen Volklieds, dort ertönten zum erstenmal seine eigenen Kompositionen, und dort hatte er die beste Gelegenheit, sie auf ihre praktische Verwendbarkeit zu prüfen, ehe er sie der Öffentlichkeit übergab. In Tübingen erwarb er sich auch bald und dauernd die Achtung und Anerkennung von Hoch und Nieder; unter anderem wurde er 1852 zum Ehrendoktor der Philosophie ernannt, und als er im Jahr 1860 , von einem bösen Leiden gezwungen, seinen Abschied nehmen mußte, wurde seine Brust mit dem Ritterkreuze des Friedrichsordens geschmückt. Seine Pensionierung überlebte er aber nur kurze Zeit; er starb am 26 . August 1860. — Silcher's Kompositionen spiegeln ganz den schlichten schwäbischen Volkscharakter und sein tiefinnerliches, lyrisches Empfinden wieder; zu großen musikalischen Schöpfungen hat er sich nicht verstiegen, dagegen war er außerordentlich groß im Kleinen. Die Verdienste, die er sich um die Sammlung, Bearbeitung und Erhaltung deutscher Volkslieder erworben, die vielen, vielen unendlich gemütvollen, ernsten und heiteren Lieder, durch die er den deutschen Liederschatz bereichert hat, sichern ihm für alle Zecken eine ruhmreiche Stelle und einen ehrenvollen Platz in der Geschichte der deutschen Musik. Am trefflichsten wohl charakterisiert der Diakon Ammon Silchers Wirken folgendermaßen: „Sein Schaffen ist ein Bild süddeutscher Gemütlichkeit, die zwar an sich allein nicht Stoff zu großartigen Charakteren und epochemachenden Schöpfungen abgibt, aber das Herz erfreut wie eine idyllische Landschaft mit ihrem warmen Sonnenschein, ihren duftenden Blumen, ihrem murmelnden Bach, ihrem sonntäglichen Frieden. Was Silcher gesungen hat, das atmet alles dieser Frieden, und was er gelekck hat, das hat er dem Frieden gelebt." Der Liederkranz Wildbad, der älteste hiesige Männergesangverein, der morgen nachmittag 3 Uhr auf dem Sommer-, berghotel ein Konzert zu geben beabsichtigt, wird? diese Gelegenheit benützen, um auch Silcher in! verschiedenen Männerchören bezw. Quartetten, unter ^ anderem mit seinem Schwanengesang,- zum Wort! kommen zu lassen. Wir machen die Freunde des edlen Männergesangs hiemit auf dieses Konzert aufmerksam, mit dem Bemerken, daß kein Eintrittsgeld erhoben werden wird.
At' te, Hcrl'terrü- s.
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Roman von A. Marby.
Fortsetzung. (Nachdruck verboten')
Jede Silbe durchschauerte Irmgard wie eine ungeahnte furchtbare Offenbarung. Eiseskülte durchrann ihren Körper. Mit einem Ausdruck von Grauen und Entsetzen, mit einer Stimme deren Klang ihr völlig fremd war, hauchte sie tonlos:
„Weiter!"
In seinem Rausch jegliche Ueberlegung vergessend, höhnte er, wild lachend:
„Wie sagt ich doch? Ja, so war's. Einer von uns beiden war zu viel auf Paulinenhof, und da dem Blonden nicht beizukommen war, hätte ich, der Ueberflüssige, das Feld räumen müssen. Sollte auch geschehen, aber ehe ich ging, mußte ich euch
einen Denkzettel hinterlassen — fürs ganze Leben Wie, in welcher Art, war mir lange unklar; doch als Ihr vom Standesamt zurückkehrtet, ich sei,, verhaßtes Gesicht erblickte neben dir — trieb es mich - "
„Mörder!" brach es im dumpfem Aufschrei über Irmgards Lippen.
Unfähig, sich aufrecht zu halten, sank sie neben dein Sessel nieder, beide Hände über ihr Antlitz schlagend.
Reimann zuckte leicht zusammen, seine haßlodernden Augen verdüsterten sich; aber die Geister des Weinrausches umnebelten noch zu stark sein Gehirn, um ihn die Tragweite seines unbewußten Geständnisses erkennen zu lassen.
1 „Unsinn!" murmelte er ärgerlich. „Seinen Tod wollte ich nicht — daran war er selber schuld Fiel, mir nicht ein, zu denken, der Narr könnte die Pflichttreue so weit treiben, sein junges Weib auch nur eine bekunde zu verlassen. Nur einen Denkzettel — eine — eine häßliche Erinnemz eine Trübung Eures verwünschten Glückstages - ja so war's! Habe es nachher bereut, ob du es glaubst oder nicht — und später, als ich erreicht was ich gewollt, - besonderes Glück mit dir habe ich nicht gefunden! Na bist doch aber meine — meine Frau — meine —"
Je länger er sprach, desto größere Mühe schien er sich zu geben, in seine wirren Gevanken Klarheit zu bringen. Bei seinen letzten Worten verließ ec seinen Stützpunkt, näherte sich unsicheren Schrittes Irmgard und legte seine zitternde Hand auf ihre Schulter.
Im gleichen Moment schnellte sie empor; vor Grauen sich schüttelnd, wich sie so jäh zurück, daß der Trunkene gegen einen Schrank taumelte.
„Fort! Rühr' rühr mich nicht an, Mörder! Fort!" rang es sich in gurgelnden Lauten aus der schwer atmenden Brust der unglücklichen Frau.
Sie flog an Reimann vorüber in ihr Schlafzimmer, das Arnold mit der Mutter teilte, nahm das süß schlummernde Kind in ihre Arme unb lief wie eine Verfolgte mit ihrer leichten Last bie Treppe hinab, den Flur entlang bis, zu Fm Ritters Schlafstubentür.
Und bei der Mutter angelangt, umhüllte eine wohltätige Ohnmacht ihre Sinne.
22. Kapitel.
Hatte Irmgards entstelltes Antlitz, der Ausdruck sichtlichen Grauens und Entsetzens in ihren Augen, oder der Ton ihrer Stimme, als sie die furchtbare Anklage Theo zuschleuderte, ihn ernüchtert? Im Augenblick, als die Tür hinter ihm zuschlug, begann der seine Sinne umnebelnde Rausch zu weichen.
Was war denn eigentlich geschehen?
Eine plötzliche Schwäche nötigte Reiman sich zu setzen. Die Hand gegen seine Stirn drückend, mühte er sich, Klarheit in seine verworrenen Gedanken zu bringen — es blieb vergeblich. Cr vermochte sich nicht zu besinnen, was er gesagt oder getan — doch ihr Schrei?
Wenn er sich nur genau besinnen könnte, was er gesagt, wie weit er sich hatte Hinreißen lassen.
Ob er Irmgard nachging — sie um Verzeihung bat? Aber sie würde ihn abweisen. Vielleicht war's auch besser, sie blieb sich vorerst selbst überlassen, kam dabei eher zur Einsicht. Erst kein Aufhebens von einer Sache machen — die — die verwünschte Unbesonnenheit! —
Er erhob sich schwerfällig und begab sich m sein Schlafgemach. Todmüde warf er sich auf sein Lager und versank nach wenigen Sekunden in einen bleiernen schweren Schlaf. —
Es war in später Vormittagsstunde, als der Hausherr ins Früstückszimmer trat.
„Wissen Sie wo meine Frau ist? fragte er das Mädchen in lässigem Tone.
„Gnädige Frau sind heute sehr früh mit Arnold nach der Stadt gefahren", lautete die Antwort
Reimann stutzte.
„Ach ja — ich besinne mich!" sagte er dann mit erheuchelten Gleichmut. „Begleitete Frau Professor meine Frau?" setzte er hinzu.
„Nein, Frau Professor befindet sich in ihrem Zimmer".
„Gehen Sie mal fragen, ob ich Frau Professor sprechen kann", befahl Theo nach kurzem Usb erlegen.
Das Mädchen verschwand, um nach kaum einer Minute mit dem Bescheid zurückzukehren:
„Frau Professor Ritter erwartet Herrn Reimann."
Reimann runzelte ärgerlich seine dunklen Brauen. Statt sich zu ihm zu bemühen, erwartete ihn die Alte! Was sollte das heißen? Han-