kam er in ein Geschäft für Automobilteile, wodurch er mit den Problemen der Flugtechnik in Berührung kam. Es stand ihm ein größeres Vermögen zur Verfügung, so daß er ungehindert sich dem Studium der Luftschiffahrt hingeben konnte. Er selbst hat zwar noch keinen Flugapparat konstruiert, aber verschiedene wertvolle Neuerungen an solchen erfunden.
Homburg v. d. H., 26. Mai. Die Kronprinzessin von Griechenland, Prinz und Prinzessin Friedrich Karl von Hessen, Prinz nnd Prinzessin Nikolaus von Griechenland und die Großfürstin Helene von Rußland sind heute im Automobil hier eingetroffen und in Ritters Park-Hotel abgestiegen.
— Ein kräftiges Erdbeben ist Donnerstag vormittag im ganzen Oberelsaß, in den Grenzgebieten Frankreichs und der Schweiz verspürt worden. Die Erschütterung setzte etwa eine Viertelstunde nach 7 Uhr ein und dauerte nur wenige Sekunden. Soviel bis jetzt feststeht, wurde nirgends Schaden angerichtet, dagegen wurde vielerorts die Bevölkerung in lebhafte Unruhe versetzt. ,
Calais, 26. Mai. Das Unterseeboot „Plu viose" ist infolge eines Zusammenstoßes mit einem Postdampfer gesunken. 23 Mann der Besatzung! der „Pluviose" sind ertrunken.
— (Ein zweiter Flug über den Aermel-Kanal.) Der französische Aviatiker Dr. Lesseps, ein Sohn § des berühmten Erbauers des Suez-Kanals, über-! flog von Calais aus in einem Aeroplan nach dem! System Bleriot glücklich den Aermelkanal und! landete nach einer Fahrt nach 35 Minuten glatt! eine Seemeile von der Küste und drei Seemeilen' östlich von Dover. Daß er dem genannten Orte, der sein Ziel war, nicht näher landete, lag zum Teil daran, daß er in einer Höhe von etwa 1000 Fuß segelte und dichter Nebel jede Fernsicht hinderte. Mit seiner gelungenen Fahrt konkurrierte Lesseps um den Ruinart-Preis, der 50000 Frcs. beträgt. >
— Unter denen, die mit der Menge in König Eduards Leichenzug gingen, war,wie der lllLuebsstsr Ounrüinn erzählt, auch ein alter Mann in rot- und schwarzem Schwalbenschwanz und hohem Tschako mit weißem Wollball. Viele hielten ihn für einen Ausländer; keiner kannte die Uniform. Es war ein seit 1858 pensionierter alter Royal Llarino, der vor 60 Jahren als junger Soldat in dem Heer der jungen Königin Viktoria die Trommel schlug; ein visux bravo, denn ertrug eine Medaille und eiu fünfstreifiges Band: für Alma, Jnkerman, Sebostopol, Balaklava und Azow. Außer ihm gab es nur noch einen Kameraden, der diese Uniform tragen konnte.
London, 24. Mai. Die „Daily Mail" und andere Blätter bringen heute recht sympathische Artikel über den deutschen Kaiser. Des Kaisers! Abschiedsworte an das englische Volk haben offenbar außerordentlich viel Anklang gefunden. Sein! Besuch allein schon", sagt die „Daily Mail," „hat bei den Briten dasGefühl freundlicher Gesinnung für seine Persönlichkeit wieder aufleben lassen. Seine cheva- lereskeFigur war eine dermarkantestenundmeistbeach- teten in der Prozession, die dem Sarge König Eduards folgte, und die ritterliche Art, mit der er seinem verstorbenenVerwandten die letzte Ehre erwies, hat uns wieder einmal recht lebhaft den Zauber seines persönlichen Magnetismus erkennen lassen." Mit Bezug auf die Worte des Kaisers zu Pichon erklärt die „Daily Mail," daß die Bemühungen des Kaisers, den Weltfrieden zu fördern, nirgendwo stärkeren Beifall finden können als in England.
— Aus dem Jugendleben des nunmehrigen englischen Königs Georg, der so plötzlich ins hellste Licht tritt, wird ein Geschichtchen erzählt. Die alte Königin Viktoria hielt bekanntlich nicht nur ihre Kinder knapp, sondern sebstverständlich auch ihre Enkelkinder. Es soll dem Herzog von Jork, dem jetzigen neuen König des britischen Reichs, in den Knaben- und später in den Jünglingsjahren recht oft an dem nötigen Kleingeld gefehlt haben. So kam es denn, daß er Freunde anpumpen und Schulden machen mußte. Die aber bereiteten Sorgen. In diesem Fall handelte es sich um eine Guinee — eine einzige; allein der junge Herzog von Aork sah keine Möglichkeit, sie sich zu verschaffen. In dieser höchsten Not wandte er sich an die alte Königin, seine Großmutter. Die Antwort traf auch bald ein, aber in Form eines Briefes, der zwar viele Ratschläge und Ermahnungen enthielt, aber davon, daß sie ihrem Enkel die erbetene Summe zukommen lassen wolle, mit keiner Silbe! sprach. Der kleine Herzog war trostlos. In dieser! Bedrängnis kam er auf folgende Idee. Er wen-' dete sich an einen Autographenhändler und bietet
ihm den Brief seiner Großmutter zum Kauf an. Der natürlich ließ sich ein so echtes Schriftstück nicht entgehen, und als der Herzog aus dem Laden tritt, hat er statt der einen Guinee, deren er so benötigte, neun fernere im Portemonnaie. Die Kunde von dem seltenen Autograph, im Besitze des Händlers, den jeder in London kannte, gelangte denn bald zu Ohren der Königin Victoria und des gesamten Herrscherhauses. Es hieß sogar, daß der Herzog sich des Mittels, sich Geld zu verschaffen, gerühmt habe. Natürlich war die Großmutter ihrerseits empört, daß ihr Enkelsohn mit einem Briefe, den sie ihm höchst eigenhändig geschrieben, so umgegangen. Doch das kam vorläufig für sie erst in zweiter Reihe; Hauptsache war, sich wieder in Besitz des Schreibens zu setzen. Es blieb der Königin wohl oder übel nichts anderes übrig, als sich mit dem Händler in Verbindung zu setzen. Der nützte die vorteilhafte Lage geschäftskundig aus, und die Monarchin mußte für ihre guten Lehren, die sie dem Enkel gegeben, volle hundert Pfund Sterling zahlen.
Das Familienkreuz
Roman von M. Gräfin v. Bünau.
(Fortsetzung) (Nachdruck verboten)
„Dann bring mir ein paar Morphiumpulver mit — sie liegen in meinem Schreibtisch, rechts im zweiten Fach. Ich muß etwas schlafen. Morgen stütz kann Minna den Sanitätsrat Herbitten. Er muß mir die Wunde ausbrennen, wenn's dann noch nicht besser durch die Umschläge geworden ist."
Käthe schrak zusammen. Sie befahl dem Mädchen leise, den Sanitätsrat sofort zu holen, der, da er nicht weit entfernt wohnte, auch sehr bald kam.
Sein jovialer, etwas gemacht heiterer Ton, in dem er Käthe begrüßte, berührte sie peinlich. Sie führte ihn schnell an Hartungs Bett.
Die Lampe warf einen Hellen Schein auf des Kranken blasses Gesicht.
Der Sanitätsrat besah die Hand. Er konnte seinen Schrecken kaum verbergen.
Käthe beobachtete scharf ihres Mannes Züge. Er wechselte einpaar lateinische, ihr unverständliche Worte mit dem Kollegen.
Der Sanitätsrat faßte sich, aber seine beruhigenden Reden klangen Käthe merkwürdig gezwungen und falsch in den Ohren.
Er schlug Hartung vor, sich sofort ins Krankenhaus bringen zu lassen
„Warum? Ich kann meinen Mann ebensogut hier pflegen," widersprach Käthe.
! „Das wohl — aber die Behandlung wird wahrscheinlich einen operativen Eingriff verlangen. Wir müßten Hartung also doch ins Krankenhaus bringen." meinte der Sanitätsrat zögernd. „Jedenfalls sollen Sie aber trotzdem bei ihm bleiben. Ich werde das von der Oberin erreichen."
„Dafür werden wir dankbar sein." Hartung griff mit der gesunden Hand nach Käthes Kleid.
Sie beugte sich über ihn und strich ihm das Haar aus der Stirn. Anderen konntest du helfen, dir selber nicht!" sagte sie mit erstickter Stimme.
Er lächelte etwas mühsam. „Willst du Mutter vorbereiten und die nötigen Sachen zusammenpacken lassen?" bat er. „Der Herr Sanitätsrat möchte noch einen Augenblick allein bei mir bleiben
Käthe ging in das Schlafzimmer ihrer Schwiegermutter. Die alte Frau sah ihr schon mit ängstlichem Gesichtsausdruck entgegen.
„Es geht wohl schlecht mit Ernst? Ich hörte vorhin Mina fortlaufen."
„So schlimm ists?" Das alte gute Gesicht verzog sich gramvoll. „Darf ich zu ihm?" bat sie.
„Später. Ich muß jetzt packen. Ich bleibe bei Ernst im Krankenhaus. Du hältst hier das Haus in Ordnung — ja?"
Die alte Frau nickte. So schnell sie konnte, zog sie sich an. Käthe packte indessen alles Notwendige für sich und ihren Mann zusammen uns gab Mina noch Anordnungen für den Haushalt. Da hörte sie schon die Haustür wieder gehen. Das war gewiß der Sanitätsrat, der fortgms.
Sie lief schnell ins Schlafzimmer. Hartung saß gegen das Kissen gelehnt aufrecht im Bett. Ein merkwürdiger Ausdruck lag in seinen großen, Hellen Augen.
„Ernst, was sagte der Sanitätsrat?" fragte sie hastig.
„Errätst du es nicht, Käthe?" fragte Hartung leise.
„„Nein — um Gottes willen sag es mir!"
„Ich muß mir die Hand, vielleicht auch den ganzen Arm abnehmen lassen. Das Leichengift
ist in den Körper gedrungen — eine Amputation kann allein mich noch retten."
Käthe sank vor dem Bett in die Knie. Sie legte die Stirn gegen die gesunde Hand des Kranken. Ein stechender Schmerz, quälender Reue durchfuhr sie. „Ernst — Ernst!" schluchzte sie auf.
„Armes Kind — ja, dich triffts auch Hartl Einen Krüppel zum Mann!"
„Wenn es nur das ist, was dich quält!" Sie hob ihr tränenüberströmtes Gesicht zu ihm auf. „Wie gern will ich dir helfen — alles für dich tun und schreiben. Du sollst sehen, ich arbeite mich rasch ein."
„Nein, Käthe, ein Krüppel kann nicht Arzt sein."
Sie sah, daß große Schweißtropfen auf feiner Stirn standen. „Wenn du nur gesund wirst, ist alles gut!" tröstete sie.
„Kind, du bist sehr großmütig." Er wandte den Kopf zum Fenster.
„Großmütig — wenn ich einfach meine Pflicht tun will?" Bis jetzt habe ich sie nur sehr ungenügend erfüllt."
„Du hattest viel zu ertragen, Käthe — schon mit meiner Mutter. Das wollte ich dir gern abnehmen. Darum sparte ich, deshalb hoffte ich, durch dein Erbteil so viel zu erübrigen, um meiner Mutter allein eine Häuslichkeit einrichten zu können. Das ist nun alles vorbei. Du wirst noch länger Geduld üben müssen."
Käthe stockten die Worte auf den Lippen. Auch darin war sie also ungerecht gewesen! Nur um ihr das Leben zu erleichtern, darum legte er so viel Wert auf seine Einnahmen!
„Gräme dich nicht darüber," bat sie bewegt. „Jetzt könnten wir deine Mutter gar nicht mehr entbehren. Sie muß von nun an den Haushalt führen — ich werde nur für dich und deine Arbeit leben.
Ein weicher, unendlich liebevoll sehnsüchtiger Blick war es, mit dem er die schlanke Frauengestalt umfaßte, die an seinem Bett stand — eia Bild der Schönheit, der Jugend und Kraft.
Ein Seufzer entrang sich ihm. „Ich hak noch so viel erreichen wollen für dich!" sagte er leise. „Das ist nun alles vorbei."
Sie beugte sich über ihn und küßte seine blassen Lippen. „Ich rufe jetzt deine Mutter. Sie will dich doch auch sehen, Ernst. Ich — ich habe dann auch ein paar Worte zu schreiben."
„An deinen Vater?"
„Ja, an den auch."
„Wie recht er hatte, daß er sich unserer Heirat wiedersetzte I" seufzte Hartung. Nun habe ich dich ins Unglück gerissen."
„Sag das nicht. Ich bin froh, sehr froh, daß ich dir jetzt helfen darf."
Sie ging schnell zur Tür.
Hartung deckte die gesunde Hand über die Augen.
Ohne weiter zu zaudern nahm Käthe einen Briefbogen und warf ein paar Zeilen darauf mit ihrer großzügigen Schrift.
In kurzen, etwas abgerissenen Sätzen teilte sie ihrem Vater die schwere Erkrankung ihres Mannes, die notwendig gewordene Amputation mit. Natürlich würde sie ihren Mann nie verlassen, sondern sich bemühen, ihm sein Unglück tragen zu helfen.
Sie fühlte große Erleichterung, als der Brief abgeschickt war.
Lange Zeit zum Nachdenken gab es heute nicht. Sie fuhr mit ihren und ihres Mannes Sachen voran ins Krankenhaus. Den Kranken holten Krankenträger mit einer Bahre ab.
(Fortsetzung folgt.)^
StcrnöesbiriH-KHronik
vom 21. bis 28. Mai.
Aufgebote:
21. Mai. Drach, Johann Kilian, Reiseprediger in PfE heim und Kugel, Berta in Pforzheim. ,
26. Mai. Bott, Wilhelm, Gipsermeister hier und pflüg, Marie hier.
Gestorbene:
24. Mai. Pfau, Wilhelm Gottlieb, Metzger hier, 69 Iah" alt.
Vergleichen Sie alle Angebote in
Toliuliwsi'Ssi
in Bezug auf Auswahl, Qualität u. Preise, dann kaufen Sie sicher nur bei
?srä. LekLsksr, kkorsLsim
Telef. 1959. Ecke Marktplatz u Sckloßberg-^