Aus der Sitzung der Gemeindekollegien.
vom 7. Mai 1910.
Das Guthaben der Maschinenfabrik Augsburg- Nürnberg, A.-G. für Lieferung des im Frühjahr 1909 in das Elektrizitätswerk I eingebauten 100 P.S. Dieselmotors mit 30 055 Mk. 90 Pfg. ist auf 1. Mai 1910 zur Zahlung verfallen. Nachdem die Kosten der Aufstellung des Motors und mner Dynamomaschine in den Etat pro 1909/10 eingestellt waren, sollen die Deckungsmittel für obige Summe im Voranschlag pro 1910/Il vorgesehen werden und es ist bis zum Eingang des Betrags im weiteren Verlauf des gegenwärtigen Rechnungsjahres ein vorübergehendes Darlehen aufzunehmen. Vom Gemeinderat wird mit Zustimmung des Bürgerausschusfes daher beschlossen, bei der Oberamtssparkasse Neuenbürg ein vorübergehendes Darlehen von 30000 Mk., verzinslich zu 4'0'7g vom 9. Mai 1910 an aufzunehmen.
Dem Gesuch der Besitzer des Sommerberghotels Bätzner und Wentz, während der Badesaison (1. Mai bis 30. September) mit dem letzten Zug der Bergbahn 4 Eimer Kehricht gegen eine Pauschalsumme von 30 M. zu Tal befördern zu dürfen, wird vom Gemeinderat und Bürgerausschuß entsprochen.
Gemäß Beschlusses der Gemeindekollegien vom 30. Dezember 1909 ist für den Betrieb der Bergbahn auf die Zeit der Badesaison (1. Mai bis 30. September) folgendes weiteres Personal anzustellen :
1) 2 weitere Schaffner mit einem Monatsgehalt von je 100 Mk.
2) 1 weiterer Maschinist mit einem Monatsgehalt von 110 Mk.
3) eine Kassiererin mit einem Monatsgehalt von 80 Mk.
Nachdem der Bergbahnverwalter erklärt, daß zunächst nur die Anstellung von 2 Schaffnern, bezw. 1 Schaffners und 1 Bahnwärters erforderlich sei und die Anstellung eines Maschinisten noch bis etwa 1. Juli ds. Js. verschoben werden könne, werden vom Gemeinderat gewählt:
1. als Schaffner: Wilhelm Klaus hier mit 8 von abgegebenen 13 Stimmen.
2. als Bahnwärter: Eugen Schmid, Schlosser hier mit 8 von abgegebenen 13 Stimmen.
3. als Kassiererin: Elise Schmid.
Die Anschaffung von Bettwäsche für das städtische Krankenhaus wird vom Gemeinderat genehmigt und der Stadtpfleger beauftragt, nach vorausgegangenem Ausschreiben die Lieferung zu gleichen Teilen an die offerierenden Geschäftsleute zu vergeben.
Dem Gottlob Rometsch zum Hotel „Stolzenfels" wird in stets widerruflicher Weise und unter dem Vorbehalt des Ansatzes einer Gebühr die Erlaubnis erteilt, auf dem städtischen Platze bei der Herrnhilfe und im Blöcherweg vis-a-vis der Villa Luise einen Reclameschild nach Anordnung des Stadtbauamts aufzustellen.
Die aus den städtischen Straßen und Wegen beschäftigten Arbeiter bitten um Erhöhung ihrer Taglöhne. Nachdem die Löhne erst durch Beschluß der Gemeindekollegien vom 23. März 1907 in Berücksichtigung der Steigerung der Lebensmittelpreise eine Erhöhung erfahren haben und unterm 23. August 1907 überdies die völlige Uebernahme der Versicherungsbeiträge auf die Stadt beschlossen wurde, können sich der Gemeinderat und Bürgerausschuß nicht entschließen, dem Gesuch zu entsprechen.
Der Vorsitzende stellt den Antrag, im Interesse des weiteren Bekanntwerdens der Bergbahn und zur Hebung des Fremdenverkehrs auf dieser und in hiesiger Stadt in einer Reihe von illustrierten deutschen Familienzeitschriften zu inserieren und zwar nach dem von der Firma Rudolf Mosse in Stuttgart gefertigten Voranschlag mit einem Aufwand von 1500 Mk. Vom Gemeinderat und Bürgerausschuß wird mit Stimmenmehrheit beschlossen, die Insertionen in Höhe von 1500 Mk. aus Mitteln der Bergbahnverwaltung und die Uebertragung derselben an die Firma Mosse in Stuttgart zu genehmigen.
Die Aufstellung von 3 Aborthäuschen auf dem Sommerberg nach dem Voranschlag des Stadtbauamts mit einem Aufwand von je 280 Mk., I sowie die Errichtung einer Schutzhütte auf dem Auchhalderkopf mit einem Aufwand von ca. 500 Mark werden genehmigt; ebenso die Aufstellung
von 5 Plakatsäulen und 2 Plakattaseln behufs Regelung des Plakatwesens in hiesiger Stadt mit einem Aufwand von 1015 Mk.
Die Gemeindekollegien treten heute nochmals in die Beratung darüber ein, ob die Bewirtschaftung der Stadtwaldungen nach Ablauf des bestehenden Verhältnisses durch die K. Staatsforstverwaltung beibehalten werden soll oder ob die Stadt einen Stadtförster anstellen wolle. Nach eingehender Beratung wird von den Kollegien beschlossen, sich mit der Fortdauer des bestehenden Verhältnisses hinsichtlich der Bewirtschaftung der hiesigen Stadtwaldungen durch die Organe der Staatsforstverwaltung aus weitere 10 Jahre, vom 1. April 1910 ab gerechnet, einverstanden zu erklären.
Eine von der Bergbahnverwaltung entworfene Dienst- und Betriebsordnung wird vom Gemeinderat genehmigt.
Es werden noch Gemeindewaisenratssachen und verschiedene kleinere Gegenstände erledigt.
Wildbad, 10. Mai. Gestern fand hier die Versammlung der Sektion IV der Buchdrucker- Berufsgenossenschaft und des Kreises IVa des Deutschen Buchdrucker-Vereins statt. Ein Teil der Mitglieder war bereits am Sonntag Nachmittag hier eingetroffen und begab sich nach Einnahme einer kleinen Erfrischung im Kgl. Bad-Hotel mit der Bergbahn auf die Sommerberghöhe um daselbst einen Spaziergang zu machen und das interessante Sommerberg-Hotel zu besichtigen. Abends begaben sich die Gäste wieder nach der Stadt zurück. Von halb 9 Uhr ab war im Gasthaus z. kühlen Brunnen Empfangs-Abend und gesellige Unterhaltung. Der Vorsitzende des Vereins, Herr E. Rieger-Stuttgart begrüßte die Anwesenden namens der Berufsgenossenschaft und des Vereins Deutscher Buchdrucker, dankte dem Herrn Stadtvorstand für sein liebenswürdiges Erscheinen und für die Aufmerksamkeit, welche den Gästen hier erwiesen worden sei. Herr Stadtschultheiß Bätzner dankte dem Vorredner und hieß die Gäste namens der Stadt Wildbad herzlich willkommen. Wildbad sei häufig in der glücklichen Lage, liebe Gäste empfangen zu dürfen. Die Tagung des Vereins Deutscher Buchdrucker errege aber hier besonderes Interesse, wisse man doch hier wohl zu schätzen, wie sehr das Blühen und Gedeihen eines Bades vom Wohlwollen der Presse, die in der heutigen Versammlung so namhafte Vertreter habe, abhängig sei. Im modernen Betrieb eines Bades spiele ja das Verhältnis zur Presse eine bedeutende Rolle; auch hier gebe man sich alle Mühe mit der Presse stets in gutem Einvernehmen zu bleiben. Der Kurverein unterhalte z. B. ein Bureau, dessen Hauptzweck es sei, die auswärtigen Zeitungen über die Entwicklung unseres Bades, hiesige Vorkommnisse, Besuch von Notabeln usw. fortwährend auf dem Laufenden zu erhalten und eine planmäßge Reklame für Wildbad zu besorgen. Redner schließt seine beifällig aufgenommenen Worte mit dem Wunsche, daß es den Teilnehmern an der Versammlung in unserem schönen Wildbad recht gut gefallen möge und daß sie von unserem Bade nur die besten Eindrücke mit nach Hause nehmen und Wildbad stets freundlich gedenken mögen. Herr Esser, Direktor der Württemb. Zeitung brachte in gewählten Worten ein Hoch auf die Damen aus. Hierauf sprach Herr Fabrik- Direktor Schnitz er seinen Dank für die freundliche Einladung zu der Feier aus und hob in seiner Rede die innigen Beziehungen zwischen der Papierfabrikations- und Druckindustrie hervor, deren Interessen Hand in Hand gehen. Er sprach zum Schluß die Hoffnung aus, daß die hiesige Tagung alle Teilnehmer befriedigen möge. Im Auftrag des Herrn Badkommissärs Freiherrn von Gemmin gen teilte Herr Direktor Schnitzer den Anwesenden mit, daß dieser leider verhindert gewesen sei, der Versammlung beizuwohnen und brachte dann eine Anzahl Karten des Hrn. Bad-Kommissärs zur Verteilung, welche zum Besuch der Bad- Einrichtungen und Unterhaltungen berechtigten, sowie eine Broschüre, enthaltend die Beschreibung von Wildbad. Ein alter treuer Kurgast von Wildbad Herr Buchdruckereibesitzer Wieprecht feierte mit begeisterten Worten die Heilkraft unserer Thermen, deren ans wunderbare grenzende Wirkung er selbst I bei einem schweren Leiden erfahren durste. Am Montag Vormittag 9 Uhr begannen im Rathaussaale die geschäftlichen Verhandlungen des Verein« und dauerten mit kurzer Unterbrechung bis 7 Uhr
Abends. Nach Schluß derselben fand im Hotel Post ein Festessen statt, an welchem sich ca. 60 Personen beteiligten. Herr Buchdruckereibesitzer Klett aus Stuttgart brachte während des Mahles in vortrefflicher Rede, in welcher er der altschwäbischen Treue, die hier in Wildbad durch den von Uhland besungenen Ueberfall ihre klassische Stätte habe, gedachte. einen Toast auf Seine Majestät unseren in Ehrfurcht geliebte» König aus. Hierauf führte Herr Stadtschultheiß Bätzner in einer Ansprache an die Gäste u. a. aus: er habe schon gestern abend die Ehre gehabt, den Erschienenen im Namen der Stadt freundlichen Gruß und Willkomm zu entbieten, er wiederhole dies heute und heiße insbesondere die erst heute Vormittag eingetroffenen Teilnehmer namens der Stadt auf's herzlichste willkommen, Er wünsche daß die heutige Versammlung in unserem Rathaussaale, von welchem auch sonst schon manch Gutes ausgegangen sei, segenbringend für den Verein und die Berufsgenossenschaft sein möge und leerte sein Glas auf das Wohl der Festgäste. Herr E. Rieger-Stuttgart brachte hierauf in humorvollen Worten einen Toast auf die Damen aus und Herr Kommerzienrat Krais einen solchen auf Hrn. Kommerzienrat E. Werlitz, welcher nunmehr 25 Jahre der Berufsgenoffenschaft seine wertvolle Kraft gewidmet habe. Bis in die späten Abendstunden blieben die Festgäste in ausgezeichneter Stimmung beieinander, wozu die vorzügliche Bewirtung seitens des Hrn. Großmann gewiß auch das ihre beigetragen hat. Am Dienstag früh besichtigten die noch anwesenden Gäste unter sreunfflicher Führung des Hrn. Direktor Schnitzer die Papier-Fabrik, hierauf unternahmen dieselbe» teils einen Spaziergang, teils besichtigten sie die Kur- und Bade-Einrichtungen etc. Befriedigt von ihrem Aufenthalt in unserer schönen Badestadt begaben sich dann die verehrten Gäste wieder in ihre Heimat zurück.
HlnterHaL'tendes
Das Familienkreuz
Roman von M. Gräfin v. Bünau.
(Fortsetzung) Wachdruck verboten)
„Heinerle, kennst du mich denn nicht mehr? Ich bin doch deine Käthe, weißt du das alles nicht mehr?"
Heinerle grinste verlegen. Er sah aus, als ob er am liebsten ausreißen möchte. Dabei starrte er immer auf Käthes Hände.
„Lernst du denn nicht mehr beim Herrn Rektor?" fragte sie weiter.
„Nee!" sagte Heinerle endlich. „Ich geh in die Schule."
„Magst du das lieber? Hast du denn all dein Latein vergessen — und die französischen Vokabeln die du bei mir lerntest?"
Diese Frage kam den Rekrorskindern so drollig vor, daß sie plötzlich wie eine Jndianerhorde einen Kriegstanz auszuführen begannen, und unter gellendem Geschrei um Heinerle herumsprangen, der alles gelassen über sich ergehen ließ. Nur wenn einer der jauchzenden Schar ihm zu nahe kam, verteidigte er sich mit einem kräftigen Puff.
Käthe sah wie betäubt zu. „Ich gehe ins Haus, um mit Eurer Mutter zu sprechen," sagte sie endlich. „Heinerle, dich sehe ich später noch.
Im Fortgehen hörte sie, wie der eine Junge Heinerle neugierig zurief: „Hast du denn was gekriegt!
„Nee, nix hat se mir gegeben, die alte —"
Ein häßliches Schimpfwort folgte.
Käthe legte die Hände an ihre Schläfen. Ja ihrem Kopf hämmerte und stürmte es. Ihr leidenschaftliches Temperament ließ sich nicht bändigen. Als sie der kleinen, immer überarbeiteten Frau Rektor gegenüberstand, entlud sich ihre bittere Enttäuschung in einer Flut von Vorwürfen.
Die Frau Rektor, deren Benehmen gegen die Frau Doktor Hartung durchaus nicht mehr so liebenswürdig war wie einst gegen die Haustochter aus Lukow, verteidigte sich sehr kühl. Der Junge habe absolut nicht lernen, wollen und können. Er sei daher, in Uebereinstimmung mit dem Herrn Baron, in die Dorfschule geschickt worden, füttere und besorge bei ihnen das Jungvieh, dafür bekomme er Essen und Kleidung. Die Zulage würde für ihn aufgespart. Er könne damit, wenn er er-