Er studierte zuerst Naturkunde und Landwirt­schaft, dann Theologie. 1858 wurde er Hilfs­prediger in Paris, 1864 Pfarrer zu Dellwig; seit 1872 wirkte er in Bielefeld. Die Feldzüge von 1864, 1866 und 1870 hat er als Feldgeist­licher mitgemacht. Einen berühmten Namen hat er sich geschaffen durch sein soziales Wirken und seine Arbeit auf dem Gebiet der inneren Mission. Die großen Bielefelder Anstalten sind unter seiner Leitung in imponierender Weise gewachsen. Auch ist er der Schöpfer der deut­schen Arbeiterkolonien. Die Universität Münster hat ihm wegen seines hervorragenden sozialen Wirkens die Würde eines Ehrendoktors der Staatswissenschaften verliehen.

Homburg v. d. H., 2. April. Der Kaiser, die Kaiserin und die Prinzessin Viktoria Luise trafen im Sonderzug um 10str Uhr hier ein. Die Majestäten begrüßten die anwesenden Her­ren und begaben sich unter Glockengeläute durch die mit Flaggen geschmückte Stadt nach dem Kgl. Schloß, wo sie mit der Prinzessin Wohnung nahmen.

Heidelberg, 1. April. Heute abeno ist, von Berlin kommend, Kolonialstaatssekretär Dernburg zu längerem Aufenthalt hier einge­troffen und im Schloßhotel abgestiegen. Dern­burg weilt mit seiner Familie hier.

Saßnitz, 3. April. Heute nachmittag 1 '/« Uhr ist der Ballon Pommern, der heute lOffr Uhr in Stettin aufgestiegen war, gegen­über dem Herrenbad in die Ostsee gefallen. In der Gondel befanden sich vier.Personen, darunter der Reichstagsabgeordnete Delbrück- Stettin. Sofort als man im Hafen das Nieder­gehen des Ballons bemerkte, ging der Dampfer Moltke in See und suchte die Unglücksstelle auf. Der Ballon wurde mit dem Korb von Fischern geborgen. Sämtliche Instrumente fehlen. Am Strande von Saßnitz hatte sich eine große Menschenmenge angefammelt.

Stettin, 3. April. Die beiden aufgefundenen Insassen sind der Kaufmann Hein und der Bankbeamte Semmelhack. Ersterer ist tot, letzterer hat lein Bein gebrochen. Die beiden anderen noch Vermißten sind der Reichstagsabgeordnete Delbrück und Stadtbaurat Benduhn. Das Un­glück geschah 1000 Meter vom Land.

Swinemünde, 3. April, 8.50 Uhr abends. Die Leiche des Abgeordneten Delbrück ist in Saßnitz geborgen worden.

Mailand, 1. April In Oberitalien ist nach den warmen Frühlingstagen der Winter wieder eingekehrt. Starke Schneefälle sind ein­getreten und das Thermometer ist gestern weit unter Null gesunken. In Triest war den ganzen Tag über die Rettungsgesellschaft bei Personen tätig, die vom Sturme zu Boden geschleudert und verletzt wurden. Der um 3 Uhr nachmittags von hier nach Parenzo abgegangene Passagier­zug entgleiste hinter der Station Muggia infolge der Bora und fiel in einen Graben. Von 100 bis 150 Passagieren, die sich in dem Zug be­fanden, wurden 4 getötet und 18 teils schwer, teils leicht verletzt.

Aus Mt »n- Mgrdmg.

Wildbad, 4. April. Wie alljährlich fand auch dieses Jahr und zwar am gestrigen Sonn­tag das vom hiesigen Schützenverein veranstaltete Nachbarschaftsschießen statt. An auswärtigen Gästen waren der Neuenbürger Schützenverein anwesend. Die Feier wurde mit einem Früh­schoppen imGraf Eberhard" eröffnet; um 1 Uhr begann das Schießen. Die Ehrenscheibe errang Herr Fritz Krauß, Schlossermstr. Den Schluß des Tages bildete ein gemeinsames Abendessen im Windhof.

Wildbach, 4. April. Das schöne Frühlings­wetter am Sonntag zog fast alle Leute, ob jung oder alt, hinaus in Gottes freie Natur, Das merkte man auch am gestrigen Nachmittags­besuch des Kinematographen-Theaters in der Linde, trotzdem das Programm ein in allen Teilen hochinteressantes war. Dagegen waren am abend die Räume dicht besetzt. Alles strömte herbei um die schönen und herrlichen Bilder, die uns der Apparat vorzauberte, zu besichtigen. Besonders prächtig waren die Land­schaftsbilder desMontblanc" und desEng­passes Sagittario." Ergreifend waren die Dra­menDes Meeres Hochzeitsgeschenk" undDas Recht zu lieben." Sensationell war das echt

amerikanische StückDer kleine Sherlock Hol­mes". An humoristischen Stücken bot uns die Sonntagvorstellung denIndianer als Erbstück", Spanischer Mondschein" undJa, die Liebe hat goldene Flügel". Recht befriedigt über das gebotene, verließen die zahlreichen Gäste wieder die Vorstellung.

Wildbad, 4. April. Gestern früh ^.7 Uhr wurde die hies. Feuerwehr zu ihrer ersten diesjährigen Schulübung alarmiert. Nach der Uebung zog die stattliche Zahl der Wehrmänner mit ihren Geräten, voraus die Musik, durch die Stadt. Es war eine Befriedigung zu sehen, welch große Mannschaft sich in den Dienst dieser, zur Sicherheit der Stadt so wichtigen Sache stellt. Abends fand dann die Wahl eines Unteroffiziers für den 2. Zug statt, bei der Herr Gipsermstr. Fischer gewählt wurde. Am Samstag abend 6 Uhr findet wieder eine Uebung der Züge 1, 2 und 4 statt.

Infolge der an den Seminaren in Nagold, Eßlingen und Backnang abgehaltenen Dienstprüfung für Volksschullehrer sind u. a. nachstehende Lehramtskandidaten für befähigt zur Versetzung unständiger Lehrstellen an Volks­schulen erklärt worden: Fr. Proß von Arnbach, Herm. Trippner von Wildba.d, Rob. Sautter von Calw, Otto Stanzer von Calw, Hermann Zahn von Calw, Ernst Merz von Liebenzell, Gottlob Aichele von Deckenpfronn.

Auf Grund der am höheren Lehrerinnen­seminar vorgenommenen Dienstprüfung ist u. a. zur Anstellung als Hauptlehrerin an den unteren und mittleren Klassen höherer Mädchen­schulen für befähigt erklärt worden: Johanna Häberlen von Calmbach.

Neuenbürg, 31. März. Am Mittwoch vergangener Woche legten 30 Lehrlinge unseres Bezirks ihre Gesellenprüfung hier ab, darunter 6 Schlosser und Mechaniker: Aberle, Eitel, Klaus, Ocker-Wildbad, Bäuerle-Schömberg, Zeh- Birkenfeld; 5 Zimmerer: Großmann und Schmid-Wildbad, Müller-Dobel, Schanz-Enz- klösterle, Ed. Wacker-Neuenbürg; 5 Bäcker: Anwärter und Kraibühler-Calmbach,Kull-Herren- alb, Lutz-Höfen, Pettenon-Birkenfeld; 4 Schrei­ner: G. Binder-Neuenbürg, Bertsch-Loffenau, Schneider-Wildbad, Wurster-Calmbach; 2 Gipser: Aichele und Waidner-Herrenalb; 2 Schmiede: Bäznerund Bozenhardt-Neuenbürg; 2 Metzger: Rentschler-Schömberg und Seyfried- Dobel; 1 Schuhmacher: Wohlleber-Neuenbürg; 1 Schneider: Rau-Calmbach; 1 Sattler: Schmid-Calmbach und 1 Wagner: Heiser- Moosbronn. (Die Lehrlinge der andern Berufs­arten werden auswärts geprüft.) Der praktischen Arbeitsprobe in den verschiedenen Werkstätten schloß sich die Abnahme der mündlichen Prüfung in den Fachkenntnissen an, der auch Hr. Oberamt­mann Hornung und einige Mitglieder vom Ausschuß des Gewerbevereins beiwohnten. Mit erfreulichem Eifer und Geschick entledigten sich die Prüfungsmeister und Gesellenbeisitzer ihrer Aufgabe. Der Prüfungsbefund zeigte wiederum einen Fortschritt gegenüber dem Vorjahre und beweist, daß die im Interesse einer gründlichen Ausbildung der Lehrlinge getroffene Einrichtung tatsächlich einen fördernden Einfluß auf die Strebsamkeit der jungen Leute ausübt. Den Geprüften, die Heuer sämtlich bestanden, wird nach Beendigung ihrer Lehrzeit ein künstlerisch ausgeführter Gesellenbrief und ein Tafchenzeugnis in Schutzkarton zugestellt. (Enzt.)

Mnterhattenöes

Das Familienkreuz.

Roman von M. Gräfin v. Bünau.

(Fortsetzung) (Nachdruck verboten)

Zuerst versuchte Käthe das schreckliche Kaffee­trinken um fünf Uhr abzuschaffen. Aber der Doktor war mittags so eilig, daß er lieber erst, wenn er vom Krankenhause zurück kam und seine Sprechstunde erledigt hatte, seinen Kaffee in Ruhe trank; und die alte Frau beglückte es, wenigstens bei dieser kleinen Mahlzeit die Wirtin, statt wie sonst bei allen anderen Gelegenheiten Gast der Kinder zu sein, so daß Käthe sich end­lich in ihr Schicksal ergab.

Ja, vieles hatte sie aufgeben müssen alles gestaltete sich anders, wie sitz es dachte, als sie damals vor nun anderthalb Jahren in der

Schloßkirche von Hannover ihre widerstrebende Hand in Hartungs zitternde Finger legte I

Käthe sprang von ihrem Stuhl auf und ! ging mit raschen Schritten im Zimmer auf und ab. Eine heiße Röte stieg in ihre Stirn, wenn sie sich die erste Zeit ihrer Ehe ins Gedächtnis zurückrief die wilde, trotzige Verzweiflung, mit der sie Hartungs Liebe abwehrte, und seine rührende Geduld, mit der er trotz ihrer leiden­schaftlichen Abwehr alles ertrug, bis sie schließ­lich, halb gezwungen, halb abgestumpft, sich in ihr Schicksal, feine Frau zu sein, ergab.

Hartung machte trotz ihres Drängens durch- aus keine Anstalten, ihr eine geregelte Tätig­keit in seinem Krankenhause zu verschaffen. Sie bat dann selber die Oberin um Erlaubnis, beim Pflegen helfen, den Operationen beiwohnen zu dürfen, da sie gelernte Schwester sei, ihre Bitte wurde rund abgeschlagen. Kam sie einmal, um einen Patienten ihres Mannes im Krankenhaus zu besuchen, oder den ärmeren Kranken Ge- schenke zu bringen, so merkte sie sehr gut an , den kühlen Mienen der Oberin, dem unfreund­lichen Benehmen der Schwestern, daß diese Be­suche durchaus nicht gern gesehen wurden. Ob die Schwestern eine Kontrolle ihrerseits befürch­teten, die Oberin in der jungen Doktorsfrau ! eine Prätendentin?auf ihren Posten witterte? ! Vielleicht. Jedenfalls bat Hartung selbst seine Frau, ihre Besuche im Krankenhause zu unter­lassen. Das mache böses Blut und erschwere ihm seine Stellung, die durch die Reizbarkeit seines Chefarztes und den schwierigen Karakter der Oberin so wie so nicht leicht sei.

Käthe fügte sich. Sie fing an, die Familien der Fabrikarbeiter aufzusuchen, schickte ihnen Essen, in Krankheitsfällen sprang sie hilfreich ein. Aber auch dies sah Hartung ungern. Er meinte, sie sei zu jung und hübsch, um ganz allein in das abgelegene Stadtviertel der oft sehr rohen Fabrikbevölkerung zu gehen und sich dort allen möglichen Unannehmlichkeiten auszu­setzen. Sie widersprach lebhaft und zog nun ihre Schwesterkleider an, denn sie meinte, die Tracht müsse sie vor allem schützen. Aber bald darauf sprach sich in der Stadt das Gerücht herum, Frau Doktor Hartung gehe als barmher­zige Schwester umher, um sich aufzuspielen. Hartung mußte manche Neckerei, viele Stiche­leien seitens der Oberin und Anstaltsschwestern mit anhören, die schließlich sogar gerade her­aussagten, seine Frau habe gar nicht mehr das Recht, die Tracht des Marienstistes anzulegen.

Daraufhin verbot Hartung seiuer Frau ernst­lich, sich noch weiter mit derartigen Dingen einzulassen. Die Kranken hätten nicht so viel Nutzen von ihrem Kommen wie er Aerger und ' Verdruß.

Zum erstenmale gab es deswegen eine hef­tige Auseinandersetzung zwischen ihnen beiden. Käthe warf ihrem Mann eine kleinliche Denk­ungsart vor. Mußte er nicht auf ihrer Seite stehen, statt auf die mißgünstigen Reden anderer l zu hören?

Sie nähte seitdem nur noch für die Armen und ging nur auf dringendes Bitten und dann in ihrem gewöhnlichen Kleid zu einem Patienten, i

Aber auch das mußte bald unterbleiben, ^ denn sie selber wurde kränklich. Müde schlich sie im Hause umher. Die Aussicht, ein Kind zu haben, die Hartung beseligte, freute sie sel­ber kaum. Ihre Stimmung war zu gedrückt. ! Den einzigen Lichtblick, den sie in der Zukunft i erkennen konnte, war die Taufe des Kindes, zu ? der die Eltern nach Dortmühl zn kommen ver- l sprachen. Frau von Rochlitz hatte es fertig ' gebracht, daß der Vater und sämtliche Geschwi­ster mit Käthe ab und zu Briefe wechselten.

Aber auch die Hoffnung auf der Eltern Be- ^ üch sollte sich nicht erfüllen. Es k.un Käthe o vor, als ob, seit sie verheiratet war, nichts - mehr nach, sondern alles gegen ihren Wunsch - und Willen eintraf. i

Das Kind überlebte seine Geburt nicht, sie s selber lag wochenlang in der Klinik zwischen . Leben und Sterben. Als sie endlich nach Hause zurückkehren durfte, war ihr von all den erlit- ^ tenen Qualen nichts geblieben als ein kleines namenloses Grab auf dem Kirchhof und ein - unüberwindliches Grauen vor allem, was mit Krankheit, Klinik, Krankenhäusern uud Schwe­stern zusammenhing. Jede Erinnerung an die , seelischen und körperlichen Leiden, die sie aus- *