kichcn Zeitungen, und Heren es täglich von den feindlichen Staatsmännern. Doch Lloyd George braucht zur Recht­fertigung dieses fürchterlichen Gemetzels, in das er die Welt gestürzt hat, eine Rechtfertigung für sich und seine Regierung, und deshalb muffen die alten abgedroschenen Redensarten herhalten. Aber es scheint diesem alten Sün­der doch nicht wohl zu sein, wenn er an das Strafgericht denkt. Und deshalb macht er sich selbst und den andern Mut mit der Hilfe der Amerikaner, die die schwierige Situation der Alliierten reite» würden. Also dieselben Trostsprüche wie kürzlich Clemenceau. Wir glauben, Herrn Wilson wird es in seinem Weißen Hause in Washington bald schwül werden ob dein Vertrauen, mit dein ihn seine Verbündeten beehren. Zwar setzt die amerikanische Regie­rung auch sehr geräuschvoll die Kriegsmaschine in Gang, aber bis jetzt sind doch eigentlich nur große Zahlen über den Ozean gekommen: 10 Million Soldaten, 100 000 Flugzeuge, Millionen Tonnen Schiffsraum, ungeahntes Kriegsmaterial, und wie die schönen Schlagworter alle heißen. Wenn das sofort geht, dann können sich die Alliierten in Europa be­danken. Gewiß, die amerikanische Armee in Europa wird vergrößert werden: denn das Angelsachsentum England- Amerika kämpft um die Weltherrschaft, aber Europa ist nicht die ganze Welt, und wie sich in den letzten Monaten immer deutlicher zu zeigen scheint, sind auch auf einem an­dern Erdteil Kräfte, die sich Nicht bedingungslos von der englisch-amerikanischen Kriegsmaschine als Kohlenmaterial benützen kaffen. Was sagt man in Washington und London zum japanisch chinesischen Militärabkommen?! Was sagen die Engländer zu der Möglichkeit, daß in China, also in Asten, ein japanisches Heer operieren darf? Wenn den Engländern Indien lieb ist, so werden sie ihrem japa­nischen Bundesgenoffen freundlich zugrinfen, denn etwas anders zu tun find sie nicht in der Lage, und Amerika wird sich nicht so beeilen, seine fünf Millionen Mann nach Europa zu schicken. Was die drohende Gebärde des Ver­trags gegen Deutschland anbelangt, so ist das nur Schleier­werk. denn d'e Deutschen haben tn Sibirien keine Geschäft«, wohl aber die Japaner! , O- Z-

*

Das japanisch-chinesische MiUtiirabkommrn.

* London, 7. Juni. Reuter meldet aus Tokio: Die japanische Regierung hat eine Mitteilung über das chinesisch­japanische Militärabkommen veröffentlicht. Die Noten über dieses Abkommens wurden am 25. März ausgetauscht, als Japan die Versicherung gab, daß alle japanischen Truppen, die sich, um defensive Operationen gegen den Feind aus- ftihren zu können, auf chinesischem Gebiet befinden, voll­ständig zurückgezogen würden, sobald der Krieg beendet sei. Die heutige Note fügt hinzu, daß im Mai zwei Abkommen abgeschlossen worden seien, in denen die Art und die Be­dingungen des Zusammenwirkens der Armeen beider Länder tn der gemeinsame» Verteidigung gegen den Feind auf der Grundlage der ausgetauschten Noten festgesetzt wor-

Amtliche Bekanntmachungen.

Zwieback für Kranke.

Auf Krankenkarte Nr. 8 kann unter gleichzeitiger Ab­gabe einer Brotkarte in Höhe von 350 Gramm Mehl- 500 Gramm Brot bei den Konditoren Haeußler, Marquardt, Sachs in Calw 1 Pfund Zwieback zum Preis von 1,60 gekauft werden. Kommunalverband:

Calw, den 5. Juni 1018. Binder.

Die Schultheigenämter

werden an die rechtzeitige Einsendung des auf 7. Juni vor­zulegenden Berichts bezügl. der Kontrolle der einzelnen Geflügelhalter erinnert. Zutreffendenfalls ist über die der Erledigung entgegenstehenden Hindernisse zu berichten. Calw, den 7. Juni 1018. Kgl. Oberamt:

Binder.

den seien. Die Mitteilung stellt nachdrücklich alle Gerüchte in Abrede, nach denen Japan beabsichtige, die Aufsicht über die Eisenbahn, die Arsenale und die Finanzen Chinas zu übernehmen.

Vermischte Nachrichten.

Die Sorgen der russischen Sovjctregierung.

(WTV.) Moskau. S. Juni. (Pet. Tel.-Ag.) Der aus- führende Hauptausschuß nahm in der vorgestrigen Sitzung einen bolschewistischen Antrag an, durch den das Kriegs- kommiffartat aufgefordert wird, innerhalb einer Woche zwangsweise die Mobilisation der Bauern und Arbeiter zu proklamieren. Diese Maßnahme wurde ge­troffen angesichts der Agitation der Eegenrevolutionäre, die die Verpflegungskrisis dazu zu benützen suchen, die Herr­schaft der Kapitalisten und Agrarier wiederherzustellen.

Die Engländer i« Rordrutzland.

(WTV.) Berlin, 9. Juni. Das runiän. BlattSteagul" bringt einen Artikel, überschriebcnDer englische Keil in Rußlands Rippe", in dein u. a. ausgeführt wird, daß die englische Expedition an der Murmanküste sich dort fest­setzte, angeblich um den einzigen Ausgang zum Meer, der dem nordischen Koloß geblieben war, zu hüten und die Ver­bindung zwischen Rußland und den Westmächten zu sichern. Nach und nach sind die Engländer tatsächliche Herren Nord- rußlands und seiner wichtigen Häsen am Weihe« Meer ge­worden. Der englische Kommandant, der sein Hauptquartier in Alexandrowsk eingerichtet hat, übt an der ganzen Küste seine Diktatur aus. Der ganze Handel geht durch englische Hände. Mit einem Wort: dieser Keil des nördlichen Ruß­lands ist in des Wortes voller Bedeutung zu einer eng­lischen Kolonie geworden.

Ärmerpolltisches.

Die Präsidentenwahl für den Reichstag.

Der neue Reichstagopräsident.

(WTB.) Berlin, 8. Juni. Bei der Wahl des Prüsi» deuten des Reichstags wurden 280 Stimmen ab­gegeben. Davon entsallen 27S au? den Abgeordnete» Fe r c n b ach (Zcnir.j. 1 Stimme ist ungültig, g zer­splittert. Fehrenbach ist somit gewählt: er erklärt«, daß er die Wahl anuehme.

* Die Wiederbesetzung der durch den Tod des Rcichs- tagsabgeordneten Kämpf erledigten Stelle tzes 1. Präsiden­ten des Reichstags stand im Zeichen der derzeitigen partei­politischen Konstellation. Nach den Wahlen von 1912, die eine geringe Mehrheit der Linken (Nationalliberale, Volks- Partei und Sozialdemokratie) ergeben hatten, machte diese Anspruch auf die Besetzung des Präsidentenstnhls. Do aber die Sozialdemokraten, die als stärkste Partei Anspruch auf den Prnstdentcnsitz gehabt hätten, die Repräsentations- Pflichten besonders auch dem Hofe gegenüber nicht auf sich nehmen wollten, so einigte sich die Links auf den Volks­parteiler Kämpf. Nachdem der Versuch der Rechten, die Stelle des 1. Vizepräsidenten mit einem Vertreter der zweitftürksten Partei (Zcntr.) zu besetzen, gescheitert war, weil auch die Sozialdemokraten als stärkste Partei auf diesen Sitz Anspruch erhoben» war als 1. Vizepräsident der nationalliberale Paesche gewählt worden, und da nun das Zentrum ganz verzichtete, so wählte man nochmal» einen Volksparteiler (Dove) als 2. Vizepräsidenten. Im Kriege aber war die politische Konstellation anders ge­worden. Schon formell war das Zentrum infolge der Spaltung in der Sozialdemokratie die stärkste Partei ge­worden. außerdem aber hatte die Partei in ihrer inneren wie äußeren Kriegspolitik, zweifellos in Rücksicht auf dis Stimmung der Mehrheit ihrer Wähler, einen ge­wissen Anschluß nach links gesucht, und so war es, nachdem die Besetzung des Präsidentonstuhls wieder in Frage kam, eigentlich selbstverständlich, daß ein Vertreter des Zen­trums vorgeschlagen würde. Natürlich kam in Rücksicht auf die Lage nur ein Vertreter des linken Flügels der Partei in Betracht. Und so hat man sich denn auf den Badener Fehrenbach geeinigt, der als ruhiger und objektiver Mann gilt.

Die Mehrheitsparteien haben nun einen Eeschüftsord- nungsantrag eingebracht, daß drei gleichberechtigte Vize- Präsidenten (anstatt bisher zwei) gewählt werden sollen. Es hat sich nämlich herausgestellt, daß zwei Vizepräsidenten nicht genügen. Auf einen der Posten macht die Sozial­demokratie Anspruch, und stellt dafür den Abg. Scheide­mann zur Verfügung. Die andern Stellen werden mit Paasche und Dove besetzt bleiben.

Geschichte vom braven Kasperl und dem schönen Annerl.

Von Clemens Brentano.

Ich konnte es dem gutmütigen Kinde nicht abschlagen. Sie nahm einen Mantel und Hut ihres Bruders, um kein Aufsehen zu erregen, und hat, von dem unglücklichen Zufall überrascht, die Sache gemde dadurch zu einem abenteuerlichen Skandal gemacht. Aber wie konnten Sie, Herr Leutnant, den unglücklichen Grafen Grossinger nicht vor dem Pöbel schützen? Es ist ein gräßlicher Fall, daß er, mit dem Pferde stürzend, zu spät kam. Er kann doch aber nichts dafür. Ich will die Mtßhändler des Grafen verhaften und bestraft wissen."

Auf diese Rede des Herzogs erhob sich ein allgemeines Geschrei:Er ist ein Schule. Er ist der Verführer, der Mörder der schönen Annerl gewesen. Er hat es selbst ge­sagt, der elende, der schlechte Kerl!"

Als dies von allen Seiten her tönte und auch der Prediger und der Offizier und die Gerichtspersonen es be­stätigten, war der Herzog so tief erschüttert, daß er nichts sagte, als:Entsetzlich, entsetzlich. O der elende Mensch!"

Nun trat der Herzog blaß und bleich in den Kreis. Er wollte die Leiche der schönen Annerl sehen. Sie lag auf dem grünen Rasen tn einem schwarzen Kleide mit weißen Schleifen. Die alte Großmutter, welche sich um alles, was vorging, nicht bekümmerte, hatte ihr das Haupt an den Rumpf gelegt und die schreckliche Trennung mit ihrer Schürz« bedeckt. Sie war beschäftigt, ihr die Hände über die Bibel zu falten, welche der Pfarrer in dem kleinen Städtchen der Reinen Annerl geschenkt hatte. Das goldene Kränzlein band sie ihr auf de» Kopf und steckte die Rose vor die Brust, welche ihr Grossingrr in der Nacht gegeben hatte, ohne zu wissen, wem er sie gab.

Der Herzog sprach bei diesem Anblick:Schönes, un­glückliches Annerl! Schändlicher Verführer, du kamst zu spät! Arnie, alte Mutter, du bist ihr allein treu geblieben bis in den Tod." Als er mich bei diesen Worten in sseiner Nähe sah, sprach er zu mir:Sie sagten mir von einem letzten Willen des Korporal Kasper. Haben Sie ihn bei sich?" Da wendete ich mich zu der Alten und sagte: Arme Mutter, gebt mir die Brieftasche Kaspers. Seine Durchlaucht »vollen seinen letzten Willen lesen."

Die Wie, welche sich um nichts bekümmerte, sagte mürrisch:Ist Er auch wieder da? Er hätte lieber zu Hause bleiben können. Hat er die Bittschrift, jetzt ist es zu spät. Ich habe dem armen Kinde den Trost nicht geben könne», daß sie zu Kasper in ein ehrliche» Grab soll. Ach,

ich Hab' es ihr vorgelogen, aber sie Hai mir nicht geglaubt." s

Der Herzog unterbrach sie und sprach:Ihr habt nicht j gelogen, gute Mutter. Der Mensch hat sein möglichstes ge-, tan. Der Sturz des Pferdes ist an allem schuld. Aber sie soll ein ehrliches Grab haben bei ihrer Mutter und bei Kasper, der ein braver Kerl war. Es soll ihnen beiden eine Leichenpredigt gehalten werden über die Worte:Gebt Gott allein die Ehre!" Der Kasper soll als Fähnrich begraben werden. Seine Schwadron soll ihm dreimal ins Grab schießen, und des Verderbers Grosiingers Degen soll aus seinen Sarg gelegt werden!"

Nach diesen Worten ergriff er Grossingers Degen, der mit dem Schleier noch an der Erde lag, nahm den Schleier herunter, bedeckte Annerl damit und sprach:Dieser un­glückliche Schleier, der ihr so gern Gnade gebracht hätte, soll ihr die Ehre wiedergeben. Sie ist ehrlich und begnadigt gestorben. Der Schleier soll mit ihr begraben werden."

Den Degen gab er dem Offizier der Wache mit den Worten:Sie werden heute noch meine Befehle wegen der; Bestattung des UlanS und dieses armen Mädchens bei der Parade empfangen."

Nun las er auch die letzten Worte Kaspers laut mit vieler Rührung. Die alte Großmutter umarmte init Freuden- tränen seine Füße, als wäre sie das glücklichste Weib. Er sagte zu ihr:Gebe Sie sich zufrieden, Sie soll eine Pension haben bis an Ihr seliges Ende. Ich will Ihrem Enkel und Annerl einen Denkstein setzen lassen." Nun be­fahl er dem Prediger, mit der Alteil und einem Sarge, tn welchem die Gerichtete gelegt wurde, nach seiner Wohnung zu fahren und sie dann nach ihrer Heimat zu bringen und das Begräbnis zu besorgen. Da währenddem seine Adju­tanten mit Pferden gekommen waren, sagte er noch zu mir: Geben Sie meinem Adjutanten Ihren Namen an. Ich werde Sie rufen lassen. Sie haben einen schönen mensch­lichen Eifer gezeigt." Der Adjutant schrieb ineinen Namen in seine Schrcibtafel und machte mir ein verbindliches Kompliment. Dann sprengte der Herzog, von den Segens- Wünschen der Menge begleitet, in die Stadt. Die Leiche der schönen Annerl ward nun mit der guten alten Groß­mutter in das Haus des Pfarrers gebracht, und in der folgenden Nacht fuhr dieser mit ihr nach der Heimat zurück. Der Offizier traf mit dem Degen Grossmgers und einer Schwadron Ulanen auch daselbst am folgenden Abend ein. Da wurde nun der brave Kasper, mit Grossingers Degen auf der Bahre und dem Fähnrichspatent, neben der schönen Annerl zur Seite seiner Mutter begraben. Ich »vor auch hingeeilt und führte die alte Mutter, welche kindisch vor Freude war, aber wenig redete; und als die Ulanen dem

Kasper zum drittenmal ins Grab schossen, fiel sie mir tot in die Anne. Sie hat ihr Grab auch neben den Ihrigen empfangen. Gott gebe ihnen allen eine freudige Auf­erstehung!

Sie sollen treten auf die Spitzen.

Wo die lieben Engelein sitzen,

Wo kömmt der liebe Gott gezogen Mit einem schönen Regenbogen;

Da sollen ihre Herzen vor Gott bestehn

Wann wir werden zum Himmel eingehen. Amen.

Als ich in die Hauptstadt zurückkam, hörte ich: Graf Grosstnger sei gestorben. Er habe Gift genommen. In meiner Wohnung fand ich einen Brief von ihm. Er sagt« mir darin:

Ich habe Ihnen viel zu danken. Sie haben mein« Schande, die mir lange das Herz aünagte, zutage gebracht. Jenes Lied der Alten kannte ich wohl. Die Annerl hatte eS mir oft vorgesagt. Sie war ein unbeschreiblich edles Geschöpf. Ich war ein elender Verbrecher, sie hatte «in schriftliches Eheversprechen von mir gehabt und hat «S verbrannt. Sie diente bet einer alten Tante von mir. Sie litt oft an Melancholie. Ich habe mich durch ge­wisse medizinische Mittel, die etwas Magisches haben, ihrer Seele bemächtigt. Gott sei mir gnädig! Sie haben auch die Ehre meiner Schwester gerettet. Der Herzog liebt sie. Ich war sein Günstling. Die Geschichte hat ihn erschüttert. Gott helfe mir. Ich habe Gift ge­nommen. Joseph Gras Gros sing er."

Die Schürze der schönen Annerl, tn welche ihr der i Kopf des Jägers Jürge bet seiner Enthauptung gebissen, j ist auf der herzoglichen Kunstkammer bewahrt worden. Man i sagt, die Schwester des Grafen Grossinger werde der Herzog mit dem Namen: Voile de Grace, auf deutsch: Gnaden- , schleiec, in den Fürstenstand erheben und sich mit ihr ver- , mahlen. Bei der nächsten Revue in der Gegend von D... i soll das Monument auf den Gräbern der beiden unglück-

> lchen Ehrmopscr aus dem Kirchhof des Dorfes errichtet un>

»eingeweiht werden. Der Herzog wird mit der Fürstin s--'

zugegen sein. Er ist ausnehmend zufrieden damit. -

> Idee soll von der Fürstin und dem Herzog zusammc» r: fundeu sein. Es stellt die falsche und wahre Ehre vor, tue sich vor einem Kreuze beiderseits gleich tief zur Erde beugen. Die Gerechtigkeit steht mit dem geschwungenen Schwer!' zur einen Sette, die Gnade zur andern Seite und wirft einen Schleier heran. Man will im Kopf der Gerechtigkeit Aehnlichkeit mit dem Herzoge, in dem Kopfe der Gnade Aehnlichkeit mit dem Gesichte der Fürstin finden.

End«.