ein großes Vermögen hinterließ. Er lebte ganz allein und fast ärmlich. Es fanden sich nach feinem Tode in einer alten Bibel 70,000 Mark Handschriften. Er sparte sogar die Feuerung, er heizte selten, und so sammelte sich mit der Zeit ein großer Holzvorrat an. Kurz vor seinem Tode wurde er hilflos in der Scheuer vorgefunden, es hatte ihn ein Schlaganfall getroffen.
Mannheim, 13. Jan. Ein jugendlicher Erpresser wurde hier verhaftet. Dieser Tage erhielt Frau Kommerzienrat Lanz und Komm. Dr. Engelhorn Drohbriefe, durch welche sie aufgefordert wurden, 50000 bezw. 20000 Mark bei dem Eilboteninstitut „Blitz" zu hinterlegen, widrigenfalls sie die längste Zeit gelebt hätten. Gestern abend erschien im Bureau des „Blitz" ein Junge, der das Geld abholen wollte. Die benachrichtigte Polizei verfolgte den Jungen bis in die Nähe der Neckarbrücke, wo der Auftraggeber den Jungen erwarten wollte, aber derselbe war nicht mehr da. Er wurde aber doch ermittelt und zwar in der Person des 17jährigen Kausmannslehrlings Bornhäuser. Derselbe wurde verhaftet. Er legte sofort ein Geständnis ab, das Geld gebraucht zu haben, um ins Ausland zu reisen.
— Durch den Biß eines Papageis zog sich der Hauptlehrer Büchter in Heilighaus im Rheinland eine Blutvergiftung am Finger zu, an deren Folgen er gestorben ist.
— Eine angenehme Sylvesterüberraschung wurde dem Personal der Firma Rudolf Mosse in Berlin und dem ihrer Filialen in ganz Deutschland zuteil. Am 30. Dezember schied Herr Emil Mosse nach 40jähriger Tätigkeit, wovon 25 Jahre als Mitinhaber, aus der Firma Rudolf Mosse infolge Gesundheitsrück- chten aus. Er spendete zu diesem Tage 250 000 Mark, aber nicht zu einer Stiftung, sondern zur Verteilung an das Gesamtpersonal der Firma. Das kaufmännische Personal und die Ableilungsvorsteher erhielten größere Beträge, das technische Personal und die Arbeiter bis zum jüngsten Lehrling und Laufburschen bekamen ohne Rücksicht auf die Dauer der Beschäftigung je einen Wochenlohn ausbezahlt. — Eine sehr vernünftige Anordnung, denn von Stiftungen pflegen die derzeit Lebenden meist nichts oder nicht viel zu haben, auch wenn sie es notwendig brauchten.
Berlin, 13. Jan. Der Lektor für Stenographie an der Universität, Prof. Dr. Franz Stolze, der Sohn des Erfinders der Stolze'schen Stenographie, ist heute morgen im Alter von 74 Jahren gestorben.
— München, 12. Jan. Das Fabrikgebäude der Aktienziegelei München in Steinhaufen ist heute Nacht vollständig abgebrannt. Der Schaden beträgt mehrere Millionen Mark, ist aber durch Versicherung gedeckt. Der Betrieb muß eine Zeitlang eingestellt werden.
— Im Riesengebirge trat nach einer Reihe warmer Tage starker Schneefall mit heftigem Wintergewitter ein. In den Waldungen zwischen der Main- und Weserbahn und auf der Strecke Fulda-Bebra legte ein heftiger Südweststurm kilometerlange Fichtenbestände um und knickte mächtige Tannen unmittelbar über dem Erdboden. '
— Das warme Wetter der zweiten Dezemberhälfte hat der Wintersaison in der Schweiz viel geschadet. Es kommen Klagen von den Wintersportplätzen über schlechten Besuch. Die Engländer besonders sind bis jetzt noch wenig zahlreich in den Winterkurorten eingerückt Der bevorstehende Wahlkampf, die Gesamterneuerung des Unterhauses, hält mele englische Gäste in ihrer Heimat zurück In St. Moritz ist man mit der Saison zufrieden. Die letzten Tage des Dezember brachten den üblichen starken Weihnachtsbesuch, so daß z. B. das Grand Hotel mit 450 Betten vollkommen besetzt ist. Vor kurzem hat sich Fürst Windisch- grätz, ein Verwandter des österreichischen Kaisers, mit Gattin und Kindern dort für lange Zeit niedergelassen. Der österreichische Thronfolger Erzherzog Franz Ferdinand hat seine Ankunft mit Gemahlin und Kinder angemeldet. Auf Mitte Januar werden der deutsche Kronprinz und sein Bruder Prinz August Friedrich Wilhelm erwartet. Mehrere andere Prinzen haben ihre Quartiermacher
bereits hergeschickt. Diese Prinzen sind für St. Moritz von großem Nutzen, sie machen vorzügl. Reklameund ziehen viele Leute, namentlich Deutsche, nach. In Klosters hat am Sylvester das erste Bobrennen der Saison statt- gesunden bei sehr großer Beteiligung. Es starteten 22 Bobs.
— In welch' ungerechtfertigter Weise der Zwischenhandel oftmals die Preise der Lebensmittel verteuert, geht daraus hervor, daß man beispielsweise in Cuxhaven den Zentner schönsten Kabeljau für 4—5 Mk. kauft, in Berlin lassen sich die Händler dafür 50 Mk. und mehr bezahlen.
Stockholm, 12. Jan. (Telephonische Unterhaltung zwischen dem dänischen und Karlsruher Hof.) Ein interessanter Versuch mit dem Telephon über große Distanzen wurde heute nacht mit einem neuerfundenen System mit Hilfe des Starkstrom-Mikrophons von den schwedischen Ingenieuren Egner und Holmström angestellt. Verbunden waren das königliche Schloß in Stockholm und das großherzogliche Schloß in Karlsruhe. Der König und die Königin von Schweden sprachen dorthin via Helsingfors—Kopenhagen—Hamburg mit dem Großherzog, der Großherzogin und der Großherzogin-Witwe von Baden. Man hörte deutlich jedes einzelne Wort. Die Teilnehmer waren sehr zufrieden.
— Große Kälte herrscht nunmehr in Nord - spanien, wo vor einigen Tagen starke Regenfälle großen Schaden verursachten. Es ist eine grimmige Kälte eingetreten, so daß die Fischer gezwungen sind, an der Küste das Eis aufzuhacken, um dem Fischfang nachgehen zu können. Die Wölfe kommen scharenweise aus den Bergen in die Dörfer und richten unter dem Viehstand großen Schaden an.
Ans ZM nnd Unigrbmg.
Wildbad, 14. Jan.. Zu dem Hinscheiden von Frl. Wilhelmine Kiefer hier schreibt das „Badener Tagblatt" u. a.: „Baden-Baden, 12. Jan. Gestern verschied in Wildbad, wohin sie sich vor einigen Wochen begeben hatte, um ihre kranke Mutter zu pflegen und nach deren Tod verweilte, um dem verwaisten Haushalt einstweilen vorzustehen, die seit Jahren hier ihrer Kunst lebende talentvolle Büdhauerin Fräulein Wilhelmine Kiefer. Sie starb in dem Momente, in welchem sich ihre berechtigten Hoffnungen auf Erfolg erfüllen sollten. Rastloses Ringen und Streben, Kämpfe und Entbehrungen, in denen sich die echte Künstlernatur bewährte, ging diesem voraus. Ihr Schaffensernst kannte kein unübersteigbares Hindernis, nie erlahmte ihre Kraft. Nur drei Jahre war es ihr vergönnt, an der früher der Karlsruher Malerinnenschule angegliederten Bildhauerschule zu studieren, dann mußte sie versuchen, ihr Talent ohne Beihilfe aus eigener Kraft weiter auszubilden. Wie ihr dies gelang, beweisen die hier von ihr ausgestellten Werke. Die kraftvollen Reliefporträts einiger Damen und Herren aus der hiesigen Gesellschaft, das ergreifende Relief: „Vaterunser", viele reizende kleine Genres, wie „Der erste Ritt" und „Die Hochzeitsreisenden" sind gewiß den Besuchern der beiden Kunsthallen noch in bestem Gedächtnis. Eine im Frühjahr zur Aufstellung gelangende Büste in Lebensgröße sollte in Bronce gegossen die neue Kunsthalle zieren. Verschiedene der kleinen entzückenden Figuren fanden in der Karlsruher Majolikafabrik Vervielfältigung in reizendem, farbenreichem Gewand. Eine Porträtbüste Häckels, die von der Künstlerin nach einem Besuche des berühmten Gelehrten frei nach dem Gedächtnis modelliert wurde, trug ihr im vergangenen Jahre große Anerkennung des gefeierten Professors und als Dank sein neuestes Werk mit Widmung ein. Ihre originellen, sinnigen und humorvollen Zeichnungen haben in der Form von Buchschmuck schon viele Leser erfreut. Mit Wilhelmine Kiefer wird ein starker Karakter, ein bescheidener, vortrefflicher Mensch, eine hochstrebende Künstlerseele zu Grabe getragen, die sicher noch viel schönes geschaffen hätte.- 1869 geboren, stand sie inmitten der Schaffenskraft." — Bei der am letzten Donnerstag stattgehabten Beerdigung legte ein Vertreter der freien Künstlervereinigung „Baden" einen
Kranz am Grabe der Verstorbenen nieder unter warmen Worten der Anerkennung ihres künsterischen Schaffens.
Höfen, 12. Jan. Hier können in diesem Jahr nicht weniger als zehn Paare die silberne und ein Paar die goldene Hochzeit feiern.
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vir eleklmcbe Zoble.
Humoreske von M. Richard.
(Nachdruck verboten)
Der Schnellzug Brüssel—Paris lief gerade auf dem Bahnhof Compiögne, der letzten Station vor der französischen Hauptstadt, ein. In einem Abteil erster Klasse befanden sich zwei Reisende, ein Englishmann von etwa vierzig Jahren und ich. Wir hatten ein paar Redensarten gewechselt. Kaum hielt der Zug, als unsere Türe heftig aufgerissen wurde, wodurch eine eisige Luft zu uns hereindrang. Mein Nachbar verzog das Gesicht,und versuchte die Türe zu schließen; aber sie wurde draußen energisch offengehalten, und zwar von einem jungen Manne in militärischer Kleidung, zweifellos einem Offizier; denn ein großer Säbel war auf das Köfferchen geschnallt, den er in der Hand hielt. Der Engländer stand auf und schloß mit einem kräftigen Ruck die Tür. Diese wurde ebenso kräftig wieder geöffnet, und so sehr sich mein Begleiter anstrengte, er war der Muskelkraft seines Gegners nicht gewachsen.
Unverschämter! brummte er, als er sich zuletzt in seiner Ecke niederließ. Draußen an- wortete ihm ^ein Fluch, und das Gepäckstück, dem sein Besitzer in demselben Augenblick folgte, flog in den Abteil. Es war hohe Zeit. Ein gellender Pfiff, ein Zeichen des Vorstehers, und
der Zug setzte sich in Bewegung.
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Was in der Seele des Engländers vorging, könnte ich nicht sagen, aber seinem unbeweglichen Gesicht nach zu urteilen, empfand er nichts von der inneren Aufregung, welche die hastigen Bewegungen des jungen Offiziers erraten ließen. „Es kam mir soeben vor," sagte dieser jetzt, uns beide ansehend, „als wäre das Wort Unverschämter gefallen. „Ganz richtig," bemerkte mein Gefährte, ohne die geringste Verlegenheit. „Sie haben sich nicht verhört." „Und auf wen bezog es sich, wenn ich fragen darf?" „Ohne Zweifel auf Sie."
Kaum waren diese vier Worte ausgesprochen, als der Offizier seine Haud erhob und drn Engländer ins Gesicht schlug. Ich war darauf gefaßt, daß dieser auftpringen und sich auf seinen Gegner stürzen würde; aber nichts Derartiges geschah. Er machte nur mit seinem linken Fuße ein Bewegung, die, so unbedeutend sie schien, eine ganze erschreckende Wirkung hervorbrachte. Nie werde ich die Veränderung vergessen, die nach der flüchtigen Berührung des Fußes mit dem Offizier vorging. Der kräftige, willensstarke Krieger von vorhin war nur noch ein willenloser, schwächlicher Automat, ein offenbar von den grausamsten Schurerzen geschütteltes Wesen. Seine Glieder flogen in konvulsiven Zuckungen, die Zähne klapperten ihm vor Entsetzen und seine Augen schienen fast aus den Höhlen zu treten, während dem Munde unartikulierte Laute entschlüpften.
Ich wollte ihm zu Hilfe eilen; aber der Engländer gebot mir mit einer imponierenden Geste, sitzen zu bleiben, wobei ein kaltes Lächeln über sein Gesicht glitt. „Beunruhigen Sie sich nicht," sagte er in freundschaftlichem Tone, „es ist nicht die geringste Ursache zur (Besorgnis vorhanden, denn ich habe die Macht, die Leiden sofort zu beenden." „Barmherzigkeit!" stöhnte der junge Mann und warf einen flehenden Blick auf den Engländer. Aber der andere sah ihn nur spöttisch an. „Gnade!" flehte der Offizier wieder. „Gut," sagte der Grausame endlich, „ich will Ihnen verzeihen; aber reizen Sie mich nicht noch einmal, es könnte Ihnen schlecht bekommen!" Die rätselhafte Persönlichkeit zog den Fuß zurück, mit dem ße vorhin
die verhängnisvolle Bewegung gemacht hatte, *
Von dem unheimlichen Anfall befreit, sank der Offizier in die Polster zurück, hielt sich den Kopf mit beiden Händen fest und blieb ein paar Minuten wie betäubt liegen. „Ist es