gen am Montag den 24. Januar, vormittags 9 Uhr, Vorsitzender ist Landgerichtsdirektor Dr. Kapff.
Gmünd, 30. Dez. Schularzt Dr. Baur bespricht in der „Remsztg." die Ursache des im allgemeinen schlechten Ernährungszustandes der Gmünder Bevölkerung und sagt dabei den Gmün- dern verschiedentlich unangenehme Wahrheiten; wo und wie Geld erübrigt werden könnte, um mehr Mittel für die Ernährung frei zu bekommen, zeigt er wie folgt: „An Bier konsumiert der Gmünder mehr als der württembergis che Durchschnittstrinker (153,8 Liter pro Jahr und Kopf), für 424800 Mk.; er konsumiert jährlich sogar 25 Liter mehr als der bayerische Durchschnittstrinker (235 Liter), denn bei ihm laufen durchschnittlich 260 Liter die Gurgel hinunter . . . Auch die übrige Vergnügungssucht gibt dem Moloch „Zehrer" zu viel Tribut. Man denke an die vielen Kirchweihen, Haus- und Fastnachtsbälle. Nur 10°/o von dem Geldverbrauch auf solchen dem Nahrungs-Haushalt geopfert und vieles wäre für die Gesundheit und Kraft des hiesigen Geschlechts geschehen. Hätte von den 7000 Mk., die der Besitzer der Rutschbahn am Kirchweihmarkt verdiente, nur die Hälfte zur besseren Ernährung verwendet werden können, der Budenbesitzer hätte trotzdem eine gute Einnahme gehabt, aber daneben wäre ein Gewinn für die Gesundheit der hiesigen Jugend sicher gewesen. Auch die vielen Ausverkäufe sind ein Krebsschaden für den Geldbeutel der Hausfrau. Viel zu viel Unnötiges wird bei jenen angeschafst und so mancher Groschen dem Nötigen, der Nahrung entzogen. Man kann auch außer an Genußmitteln noch sonst Sparpfennige erübrigen, z. B. an den Toiletten der jungen Mädchen. An ihnen könnte gewiß mehr gespart werden. Die Modesucht mit ihrem Luxus treibt dem Haushalt manchen Zehrpfennig ab. Auch die auf den Gipfelpunkt getriebene Vereinsmeierei entzieht der täglichen Nahrung viel zu viel Mittel. Damit man auf Bälle gehen kann, trinkt man zu Hause Kaffee zum Ueberdruß und nährt sich, wenn es gut geht, von' Schwarzbrei, Kartoffel .und Mehlklößchen. Ich verkenne den Wert des Anschlusses an einen Verein nicht, bin aber doch der Ansicht, daß in Gmünd hierin des Guten zuviel geschieht; gibt es doch in Gmünd ca. 80 Vergnügungsvereine, während Göppingen nur ca. 40 aufweist.
Oberndorf, 4. Jan. Anläßlich des 75jähtt Bestehens des „Schwarzwälder Boten" ist den Beamten und Arbeitern der Firma eine freudige Ueberraschung zuteil geworden. Den Beamten wurde je ein Monatsgehalt, den Arbeitern je eine Gratifikation in Höhe von zwei Wochenlöhnen ausbezahlt. Außerdem wurde den im Geschäft bestehenden Wohlfahrtseinrichtungen ansehnliche Summen überwiesen.
Jsnr>, (4. Jan. Der erste Uebungskurs für Mitglieder des Schneeschuh-Bundes Stuttgart läuft mit heute zu Ende. Ungefähr 90 Kursisten hatten sich eingefunden; morgen wird der zweite Kurs beginnen, wozu 70 Teilnehmer eintreffen werden. Standquartier ist Großholzleute; das Uebungsgelände zieht sich von hier über Argen bis Hofen. Die Schneeverhältnisse sind überaus günstig und dazu die Witterung trocken und sonnenwarm. Das Allgäu ist ein für allemal erobert für den Skisport.
Berlin, 4. Jan. Bei der Verfolgung von Einbrechern erschoß heute früh ein Kriminalschutzmann den 20 Jahre alten Herrn. Schröder, der den Beamten mit einem Hammer hatte niederstrecken wollen.
Bruchsal, 6. Jan. Der durch seinen Mordprozeß bekannte frühere Rechtsanwalt Hau, welcher seit seiner Verurteilung im Bruchsaler Zuchthaus untergebracht ist, hat in der Nacht vom S./6. Januar einen Fluchtversuch gemacht, der beinahe gelungen wäre und nur durch die Wachsamkeit eines Hundes vereitelt worden ist. Der Fluchtversuch war von Hau und einem zweiten, in einer über dessen Zelle liegenden Zelle untergebrachten Genossen äußerst geschickt vorbereitet. Beide hatten sich Abends beim Spazierengehen in einem Lagerraum des Hofes hinter Flechtweiden wohlverborgen und wollten die hohen Zuchthausmauern mit Hilfe einer aus Drahtgeflecht hergestellten Steigleiter, die sie schon angebracht hatten, in einem Augenblick passieren, in dem der Aufseher die Runde machte
und mindestens '/«—Stunde unterwegs, also nicht in der Nähe war. So warteten die beiden von abends '/s6 bis morgens 3 Uhr, als der Aufseher mit seinem Hund kam — der Hund bekam Witterung und dadurch allein wurde der Fluchtversuch vereitelt. — Hau, der wie bekannt, in noch jungen Jahren steht (za. 30) ist mit Pappschachtelanfertigen beschäftigt (ein Versuch mit der Schreinerei scheint ihm zu scbwer gewesen zu sein), hiebei wird er sich wohl das Material zu seiner Leiter verschafft haben. Mit dem Genossen seines Fluchtversuchs kann er, da beide in Einzelhaft waren — die beiden Zellen befanden sich, wie schon gesagt, direkt übereinander — nur durch „Telegraphieren" in Verbindung getreten sein. Die Sträflinge übermitteln sich wichtige Nachrichten dadurch, daß sie die Buchstaben 'des Morsetelegraphenalphabets an die Wand klopfen.
Lorch, 3. Jan. Eine seltene Jagdbeute machte Jagdpächter Kämmerer auf der Markung Reichenhof, indem er einen kräftigen Steinadler, der seit etwa 14 Tagen in diesem Revier beobachtet wird, schoß. Der Adler ist 90 em groß und hat eine Flügelweite von 2,10 w. Er ist anscheinend aus dem bayr. Hochgebirge in unsere Gegend verschlagen worden.
— In dem zum Kreise Groß-Gerau gehörigen, etwa 1000 Seelen zählenden ländlichen Orte Geinsheim wurde, lt. „Berl. Tgbl.", am Sylvestertage ein Streich verübt, der lebhaft an den Bluff des Hauptmanns von Köpenik erinnert. Gegen 6 Uhr abends erschien ein etwa 25 Jahre alter Mann im Hause des Gemeinde-Einnehmers Friehl und erklärte, in der Oberrechnungskammer zu Darmstadt sei ein anonymer Brief mit 'der Anzeige eingelausen, daß in der Geinsheimer Gemeindekasse Unregelmäßigkeiten vorgekommen seien. So leid es ihm tue, er müsse eine Revision der Kasse vornehmen. Zwei andere Herren, Beamte der Oberrechnungskammer, seien mit dem Automobil bereits unterwegs und würden in kurzer Zeit eintreffen. Verblüfft holte der Gemeinde-Einnehmer die Bücher und den Barbestand herbei und zählte das Geld auf. Der Herr Revisor prüfte und ließ weitere Belege herbeiholen, um endlich zu erklären: „Na, beruhigen Sie sich, Herr Einnehmer, ist ja alles in bester Ordnung. Ich will nur einmal bei Schulzes (einer Wirtschaft in der Nähe des Friehlschen Hauses) Nachfragen, die Herren müssen jetzt da sein. Wenn sie unterzeichnet haben, fist die leidige Affäre aus der Welt geschafft." Sprach's und ging, während der Einnehmer noch zitternd über die Schlechtigkeit der anonymen Anzeige nachdachte und auf die Rückkehr des Herrn Revisors mit seiner Begleitung wartete. Aber er mußte lange warten und immer kamen keine Beamten. Endlich schöpfte er Verdacht, und als er sein Geld nachzählte, fehlten 500 Mk. Der Gemeinde- Einnehmer war mit seiner Vertrauensseligkeit einem Betrüger zum Opfer gefallen. Der Schwindler hatte, wie auch spätere Feststellungen ergaben, die Oppenheimer Fähre über den Rhein benutzt und war verschwunden. Der geprellte Einnehmer, der nicht einm al eine Legitimation von dem angeblichen Revisor verlangt hatte, wird den Schaden decken müssen.
— Aus Dortmund berichtet man einem „Berl. Blatt": Als das Dienstmädchen Runte abends nach Hause kam, überraschte sie in ihrem Zimmer einen Einbrecher. Beherzt wollte sie den Eindringling festhalten, stemmte sich gegen die Ausgangstür, um ihn nicht fortzulassen und schrie laut um Hilfe. Der Bursche feuerte nun aus allernächster Nähe einen Schuß auf das Mädchen ab, der nur dessen Kopf streifte. Mit Hilfe der herbeigeeilten Nachbarn gelang es schließlich, den Burschen dingfest zu machen, und nun stellte die inzwischen benachrichtigte Polizei fest, daß man es mit einem 16jährigen Kauftnannslehrling,SohneinerachtbareuFamilie, zu tun hatte. Bei ihm fand man außer dem Revolver noch viele Patronen und ein 46 Zentimeter langes, vierkantiges Stilet. Die andern Ermittlungen ergaben, daß der junge Bursche bereits über 30 Einbrüche verübt hatte und in seiner Wohnung ein ganzes Lager von Waffen, Diebeswerkzeugen und gestohlenen Waren aufgestapelt hatte.
Berlin, 4. Jan. Ein hochinteressantes Ereignis wird sich wie der „Berl. Lok. Anz."
berichtet, im nächsten Sommer am Genfersee abspielen. Nach Vereinbarung zwischen den Luftschiffervereinen Frankreichs und der Schweiz soll vom 19. bis 25 Juni zwischen dem Dorf Renan bei Lausanne und dem französischen Kurort Evian les Bains ein großes internationales Flugmaschinenwettfliegen über den Genfecsee auf seiner größten Breite stattfinden. Der Aufstieg soll auf schweizerischem, die Landung auf dem savoyschen Ufer stattfinden. Viele Preise sind in Aussicht gestellt. Man erwartet die bekanntesten Flieger.
Linker hcMenöes.
Herrlos.
Erzählung von S. CH. von Sell.
(Fortsetzung) (Nachdruck verboten)
Natürlich war Mansuetos am Morgen hier gegangen und hatte den Strauß verloren. Aber unwillkürlich faßte ihre Hand das Drahtseil fester und zum ersten Mal in ihrem Leben sah sie mit einem Gefühl von Beklemmung in den zu ihren Füßen gähnenden Abgrund. Ein leichtes Abrutschen des genagelten Schuhes, ein einziger Augenblick der Unachtsamkeit mußte hier verhängnisvoll werden.
Loisl, der vorausschritt, wandte sich zurück, um ihr die Hand zu reichen zu einem besonders weiten Schritt. An dem runden Felskegel machten sie auf breiterem Terrain Halt. Und dann erschrak Kitty fast, so laut klang sein Jauchzen in das Tal hinab. Die Wände ringsum hallten wider und Mie von Geisterstimmen tönte es viele Male zurück, ^schwächer und immer schwächer werdend.
Da — durch das Brausen der Ache und die verschwindenden und verklingenden Schallwellen meinte sie noch einen anderen Ton zu hören. Etwas wie ein Stöhnen, ein Ruf, ein Aechzen. War's eine Täuschung ihrer erregten Sinne?
Aber auch Glöck beugte sich lauschend vor.
„Was war das?
„Wenn's da kein Unglück' geben hat . . ."
Den Felsblock umklammernd, spähte der Führer in die Tiefe. Aber überhängende Büsche, hoch aufstrebende Tannen, vorspringende Felsen verdeckten den Blick. Nur hie und da gewahrte man den zwischen großen Sreinen sich den Weg bahnenden Wildbach. Wie grüner Sammet schimmerte das Moos auf dem grauen Gestein, das der weiße Gischt übersprühte.
Alois Glöck ließ wiederholte Rufe erschallen, aber dem angestrengt lauschenden Ohr kam keine Antwort. Nur der Widerhall von den Bergen klang höhnisch äffend zurück.
„Und trotzdem möcht' ich schwören, daß da Einer gerufen hat in höchster Not! Leicht kann's sein, er hat mit dem Schrei seinen letzten Schnaufer getan."
Kitty schauderte. „Ich möcht' ein Stück zurücklaufen, Fräulein. Hier sieht man nichts. Dort, wo wir eben vorüber sind, könnt' am ehesten einer abstürzen."
Mit zitternder Hand hielt Kitty ihm das Sträußchen hin. „Dort gerade lag es", stammelte sie.
Loisl sah flüchtig daraus hin.
„Lang' sind die noch nicht dagelegen. Nicht länger als einen Tag. Es kommt hie und da ein Hirt oder ein Jäger daher. Wer weiß, wem diese Blumen g'hört haben I"
„Ich weiß es. Ich selbst steckte die Blumen als Schmuck an den Hut eines Mannes . . . dem Gast des Kaplans."
Glöck machte ein bestürztes Gesicht.
„Der —? Er ist heut' Morgen früh fort. Ich begegnete ihm droben am Anger des Hindereggers und er fragte mich, ob er auf dem rechten Wege sei nach der Schlunderwarch. Ich gab ihm Bescheid wegen der Wegzeichen. .Ob er denn ganz allein da hinauf wollte. Da lachte er: Er sei ein altgewiegter Bergsteiger. Drüben im Bayerland und in der Schweiz iei er auf den höchsten Spitzen gewesen. Er war gut ausgerüstet und stieg rüstig einher. Aber wenn's Unglück sein soll . . . An den grauen Steinen ist Heuer der Hochzermeier von Sankt Florian abgestürzt, einer der erfahrensten Bergführer. Der Weg ist dort nicht schlimmer, als hier. Nun, Fräulein, ich schau noch einmal dort hinunter."