der Linie, die ihm vorgeschrieben sei, würden ihn die Konservativen nicht abbringen. Deshalb halte ich auch an einer angemessenen Besitzsteuer u. a. der Erb anfallsteuer fest, solange nicht zur Heranziehung des Besitzes ein anderer, besserer Weg, als der Ausbau der Erbschaftssteuer ge­funden wird und bis jetzt ist ein besserer Weg nicht gefunden. Es fiel mir auf, daß die Konser­vativen gleich von Anfang an mit einer ge­wissen Starrheit Widerspruch gegen diese Steuer erhoben haben. Sie sollten sich ein Beispiel nehmen am Zentrum. Dieses hat zwar jedes Gesetz stets in erster Lesung bekämpft, aber nie unbedingt abgelehnt. Die Konservativen mögen bedenken: Siege in der Gegenwart sind sehr häufig die Väter der Niederlagen in der Zukunft. Die Konservativen haben in der Vergangenheit historischen Anteil gehabt an der Regierung, aber die Regierung, meine Herren, kann nicht zum Geschäftsführer der konservativen Partei werden. Die Konservativen graben sich ihr eigenes Grab, wenn sie sich berechtigten Forderungen verschließen. Nur dann, wenn sie berechtigten Forderungen stattgeben, werden sie ein berechtigter Faktor im öffentlichen Leben bleiben. Sie können vielleicht in der Gegen­wart die Erb anfallsteuer zu Fall bringen, aber Sie werden damit vielleicht in Zukunft einer Erbschaftssteuer den Weg bahnen, die Ihren berechtigten Wünschen weit weniger Rechnung trägt als die jetzige Vorlage dies tut. Die Haltung der Konservativen gerade in dieser Frage der Erbschaftssteuer wird jedenfalls tiefen Eindruck machen auf das deutsche Volk. (Rufe links: Sehr richtig.) Als Resume und als Konsequenz meiner ganzen bisherigen Haltung möchte ich nur noch Nachstehendes sagen: Die verbündeten Regierungen halten es für eine Pflicht der Gerechtigkeit und für eine soziale Notwendigkeit, daß der notwendige neue Ein­nahmebedarf mit aufgebracht wird durch Be­steuerung des Besitzes. Es geht nicht an, daß 500 Millionen nur aufgebracht werden durch Belastung der unbemittelten Klaffen, indem die Steuern nur auf Genuß- und Verbrauchsartikel gelegt werden, die die unbemittelten Klaffen relativ härter drücken als die begüterten. Des­halb ist das Festhalten der verbündeten Regie­rungen an der Erb anfallsteuer, als der besten Form der Besitzsteuer, nicht bloßer Eigensinn oder bloße Rechthaberei. Ich lehne es auch ab, im Bundesrat Steuern zu vertreten, die Handel, Industrie und Verkehr schädigen und unsere wirtschaftliche Stellung verschlechtern. Trotz der Schwierigkeit der Situation und trotz der Spannung zwischen den Parteien halte ich an der Hoffnung fest, daß das nationale Emp­finden den Sieg davon tragen wird über das Parteigezänk. In dieser Hoffnung werde ich bestärkt durch die Stimmung im Lande. Das Land würde später ein strenges Gericht ergehen lassen über die, welche dieses große Werk zu Fall bringen. Man hat auch von meiner Person gesprochen, von meinem Aus­scheiden aus dem Amte. Meine Herren! -Ich bleibe im Amte, solange Seine Majestät glaubt, daß meine Politik nützlich ist für das Reich und solange ich selber glaube, daß ich nützlich wirken kann. Erst wenn ich diese Ueberzeugung nicht mehr habe, werde ich Majestät bitten, mich zu entlassen, in der Ueberzeugung, daß mein Nachfolger ebenso treu seine Pflicht tun wird im Dienste des Vaterlandes, wie ich es getan habe. (Beifall.) Im Hause herrschte unter dem Eindruck der halbstündigen Rede des Fürsten Bülow äußerste Erregung. Schatz­sekretär Sydow übt zunächst Kritik an der Besitzsteuer. Wie sei es zu rechtfertigen, die Steuern auch von Gesellschaften zu erheben, die keine Dividende zahlen. Auch gegen die Mühlen­umsatzsteuer und den Kohlenausfuhrzoll äußert sich Redner mit Entschiedenheit, um sodann die neuen Steuer-Vorschläge: Erb anfallsteuer, Wech­selstempelerhöhung, Feuerversicherung u. s. w. eingehend zu befürworten. Abg. Bassermann (natl.) erkennt, indem er zunächst die Aus­führungen des Fürsten Bülow rekapituliert, an, daß derselbe ein großes politisches Pro­gramm entwickelt habe. Was die neuen Steuerentwürfe anlangt, so werde es von seinen Freunden gutgeheißen, daß neben der Erb­schaftssteuer auch noch eine besondere Heran­ziehung des mobilen Kapitals erfolgt. Die

Erbanfallsteuer sei eine Notwendigkeit. Auf die Grundsätze des Entwurfes der Erbanfall­steuer können meine Freunde sich im Großen und Ganzen stellen, so auch in Bezug auf Frei­lassung des Mobiliars. Jedenfalls stimmen wir geschlossen dem Entwurf, also der Heran­ziehung der Kinder und Ehegatten in unbeerb­ter Ehe zu. Den Ausführungen des Schatz­sekretärs gegen die von der Finanzkommission beschlossene Kotierungssteuer stimmen wir durch­aus zu. Gesetze sind ja leicht gemacht, Ziffern lassen sich sehr leicht an einander reihen. Auch 500 Millionen lassen sich auf diese Weise leicht zusammenrechnen, aber Ihre Rechnung meine Herrn (zu den Konservativen), das was Sie in der Kommission zusammengerechnet haben, würde sich sehr bald als Milchmädchenrechnung Her­ausstellen: (Sehr richtig links.) Ihre Politik ist antinational, sie richtet sich gegen unsere Industrie, unser Gewerbe und unseren Handel. Auch für unsere Aufgaben der Zukunft werden noch große Mittel notwendig werden und um diese zu beschaffen, brauchen wir ein kräftiges Wirtschaftsleben, während Ihre Steuervorschläge unser Wirtschaftsleben schädigen. Noch einige Bemerkungen über unsere allgemeine Politik. Unsere politischen Freunde im Lande sind ein­mütig der Meinung, daß wir keine Besitzsteuer gutheißen sollen, die nicht eine allgemeine ist. Die Vorschläge des Zentrums haben wir nie­mals prinzipiell abgelehnt, wir wollen aber allerdings keine reponderierenden Einflüsse des Zentrums und wir wollen deshalb auch nicht, sondern verurteilen es, wenn diese Gelegenheit benutzt wird, um dem Zentrum wieder zu seiner politischen Macht zu verhelfen. Redner beleuchtet dann die inneren Motive des Verhaltens der Konservativen, ihren Widerstand gegen die Wahlreform in Preußen. Wir Nationallibe­ralen sind der Ansicht, daß es zu einer solchen Reform kommen muß und kommen wird. (Rufe rechts: Warten wir ab.) Wir Nationalliberalen sind nach wie vor bereit, an diesem großen Werke der Beseitigung der Finanznot mitzuar­beiten, aber die Finanzreform muß eine gute und gerechte sein und dazu ist unerläßlich eine nicht einseitige, sondern allgemeine Besitzsteuer. Wir sind überzeugt, daß die Regierung mit ihrem Widerstande auf dem rechten Wege ist und daß sie siegen wird, wenn sie stark und fest bleibt und wenn sie eventl. Neuwahlen ausschreibt. (Stürmisches Lachen rechts.) Der Blockgedanke war ein gesunder. (Lachen rechts.) Er wird ein Ruhmesblatt bleiben in der Ge­schichte des Reichskanzlers. Aber gerade auch deshalb glauben wir, daß Fürst Bülow keines­falls einer Finanzreform seine Zustimmung geben wird, die dem Liberalismus ins Gesicht schlägt. (Lebhafter Beifall einerseits, Gelächter andererseits.) Hierauf erfolgt Vertagung.

Innsbruck, 10. Juni. Eine ganze An­zahl Schutzhütten in den Alpen sind, wie sich jetzt herausstellt, diesen Winter erbrochen und ausgeraubt worden, darunter sämtliche Hütten im Patznautale, ferner die Wiesbadener Hütte am Piz Buin und die Sonklarhütte der Alpen« Vereinssektion Täufers.

Aus Ztadt nud Umgebung.

Zu den diesjährigen Frühjahrs-Meister­prüfungen vor der Handwerkskammer Reutlingen haben sich insgesamt 219 Kandidaten gemeldet, von welchen 2 zur Prüfung nicht erschienen, 16 zurückgetreten bezw. auf einen späteren Termin zurückgestellt worden sind. Geprüft wurden 201 Kandidaten. Davon bestanden die Prüfung 189 und haben damit das Recht zur Führung des Meistertitels und zur Anleitung von Lehrlingen erworben. Auf die einzelnen Berufe verteilen sich die bestandenen Prüflinge folgendermaßen: 30 Bäcker, 3 Bierbrauer, 1 Buchbinder, 1 Buchdrucker, 1 Dachdecker, 1 Feinmechaniker, 8 Flaschner, 2 Friseure, 6 Gipser, 2 Glaser, 1 Kaminfeger, 2 Kupfer­schmiede, 3 Kübler, 1 Küfer, 11 Maler, 14 Maurer, 1 Mechaniker, 36 Metzger, 1 Ofen­setzer, 1 Photograph, 6 Sattler und Tapezierer, 9 Schlosser, 8 Schmiede, 4 Schneider, 14 Schreiner, 4 Schuhmacher, 2 Seiler, 4 Stein­hauer, 2 Uhrmacher, 5 Wagner und 5 Zimmerer. Unter den jungen Meistern befinden sich u. a.: Friedr. Kirn, Metzger, Neuenbürg; Ernst Ochner,

Metzger, Neuenbürg; Karl Pfeiffer, Metzger, Herrenalb; Karl Silbereisen, Metzger, Neuen­bürg; Josef Hauser, Zimmerer, Höfen.

Neuenbürg, 16. Juni. Auf den heutigen Tag hat der GemeindeverbandElektrizitätswerk für den Bezirk Calw" die Vertreter der Ge­meinden des untern Amts, Arnbach, Birkenfeld, Conweiler, Feldrennach, Gräfenhausen, Otten­hausen und Schwann sonne von Dennach und Dobel zu einer Besprechung über den Anschluß an sein Unternehmen auf das hiesige Rathaus eingeladen. Von Seiten des Gemeindeverbands waren anwesend Regierungsrat Völker, Calw und Stadtschultheiß Müller von Neubulnch, sodann der Techniker des Verbands, Ingenieur Wahlström von Stuttgart und Bauinspektor Schaal von Stuttgart. Den Verhandlungen wohnte auch der hiesige Oberamtsvorstand, Oberamtmann Hornung, an. Die genannten Gemeinden waren bisher zu einem eigenen Ver­band, Elektrizitätswerk Eyachtal, vereinigt. Die in Aussicht genommene Erstellung dieses Werks durch die K. Forstverwaltung aus Anlaß der geplanten Erstellung einer Waldbahn im Eyach­tal ist mit der Aufgabe dieses Unternehmens hin­fällig geworden. Ueber die von den Gemeinde­vertretern gestellten Anfragen und Wünsche wurde denselben von Seiten des Gemeindever­bands befriedigende Auskunft erteilt. Insbe­sondere wurde von Ingenieur Wahlström unter Hinweis aus die anderwärts (Herrenberg etc.) gemachten Erfahrungen nachdrücklich versichert, daß eine Erhöhung des Strompreises von 45 bezw. 20 Pfg. pro Kilowattstunde nicht in Aus­sicht zu nehmen sei. Nach dem Ergebnis der Besprechung darf ein Anschluß der genannten Gemeinden erwartet werden.

MnterHattenöes.

Er soll dem Herr sein.

Erzählung von C. Aulepp-Stübs.

(Forts.) (Nachdruck verboten.)

Er hat gefehlt, aber er wird sich bessern, und wird vor allen Dingen nie mehr den bösen Leidenschaften folgen, die ihn an den Rand des Abgrundes gebracht haben. Er war ge­strauchelt, doch von liebevoller Hand noch ge­rade rechtzeitig zurückgeführt worden auf die Bahn der Pflicht und der ehrlichen Arbeit. Er küßt inbrünstig das kinderzarte Händchen, das ihn so festgehalten hat und sieht andächtig in das schöne, weiße Gesicht, in die großen Augen, die ihm wie zwei leuchtende Sterne erscheinen.

Draußen liegt der stille Frieden einer ruhi­gen Sommernacht über dem Park. Schläfrig piept ein Vogel auf, bellt in der Ferne ein Hund. Ueber Hildegards Augen senkt sich leise der Schlummer. Er küßt die schweren Lider und zaubert ein" Lächeln um den kleinen herbgeschlossenen Mund. Süß wiegt sich das Herz in dem Traume.

Als sich die Gäste bei Professor Rautes verabschiedeten, nahm der Hausherr den Dok­tor bei Seite und sagte:

Wenn Sie Ihre Damen besorgt haben, lassen Sie uns drüben", er zeigt auf sein Zimmer, bei einer Tasse Kaffee und einer guten Zigarre noch ein wenig plaudern. Sie scheinen mir heute abend nicht recht bei Stimmung zu sein was ist Ihnen denn in die Krone gefahren?" Der gute Professor klopft dem Doktor freundschaftlich aus die Schulter.Nachher müssen Sie beichten!"

Der Doktor seufzt. Er ginge viel lieber nach Hause, aber vielleicht kann er von Rautes etwas über Hildegards Vater erfahren, denkt er und nimmt deshalb die Aufforderung an. Bald sitzt er in dem tiefen Sessel, des Haus­herrn, während der Professor es sich auf dem Sofa bequem gemacht hat. Eine Tasse starken duftenden Kaffees langsam schlürfend, dazwischen einige Züge einer vorzüglichen Upmann und der Doktor fühlt an Stelle der Erregung ein gewisses, ruhiges Behagen.

Ein paar Minuten vergehen im Schweigen, da sagt der Professor plötzlich: Nun Doktor, mal los! Was wars, was Ihnen heut' abend die Laune verdarb?"

Der Doktor stippt langsam die Asche von seiner Zigarre, sieht einige Sekunden nachdem-