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Nr- 52 I

Dienstag, den 4- Mai 1909-

45- Jahrgang

Wunösctzciu

Ministerpräsident a. D. Dr. Frhr. v. Mittnacht ist am Sonntag, den 2. Mai in Friedrichshafen gestorben. Mit ihm ist der letzte deutsche Staatsmann ins Grab gesunken, der einst das Reich mit bauen hals. Sein Hingang läßt darum vor allem jene großen Zeiten wieder vor uns aufsteigen, in denen der Grund zum einigen deutschen Reich gelegt und der unseligen Zerrissenheit der deutschen Stämme ein Ende gemacht wurde. Dieser Höhepunkt unserer Nation war auch der des nun dahin­geschiedenen Staatsmannes, der ein Menschen- .alter lang Württembergs Geschicke geleitet hat. Geboren am 17. Mai 1825 zu Stuttgart, trat Hermann Mittnacht 1849 in den württ. Justiz­dienst, wurde 1854 Oberjustizassessor in Ell- wangen, 1862 Stadtrichter in Stuttgart, 1864 Obertribunalrat. Seine öffentliche Tätigkeit begann er auf parlamentarischem Weg. Schon im Jahr 1861 wählte ihn das Oberamt Mer­gentheim in die Abgeordnetenkammer und dieses Vertrauen seiner Mergentheimer blieb ihm bis zum Jahr 1900 treu. Am 27. April 1867 wurde der damalige Obertribunalrat Mittnacht zum Departementschef der Justiz ernannt. Und nun stieg er rasch von Stufe zu Stufe: Am 27. Sept. 1868 folgte die Ernennung zum Mi­nister der Justiz; Am 31. Aug. 1870 ward M. das Präsidium des Geh. Rats übertragen; am 23. Nov. 1873 wurde er zum Minister des Auswärtigen und zugleich zum Minister des kgl. Hauses ernannt. Nachdem er ain 1. Juli 1876 Präsident des Staatsministeriums geworden, gab er die Verwaltung des Justiz­ministeriums am 21. Dez. 1878 ab; im Ok­tober 1885 wurde ihm auch das Ordenskanzler­amt übertragen. Am 9. November 1900 hat er dann unter körperlichen Gebrechen des Alters seine Aemter niedergelegt. Daß er geistig frisch geblieben, das beweisen die im Jahr 1904 und 1905 erschienenen, viel ge­lesenen Veröffentlichungen über sein Verhältnis zu Bismarck. Mit Entschiedenheit trat er im Herbst 1867 für die Genehmigung der mit dem norddeutschen Bund abgeschlossenen Ver­träge ein und in Versailles führte er im Verein mit Suckow die Unterhandlungen mit Bismarck glücklich zu Ende, nicht ohne dabei in der Heimat, auch am Hof, einflußreiche Gegen­strömungen überwinden zu müssen. Mittnacht und Suckow haben sich damals um das Reich wie um Württemberg ein unvergängliches Ver­dienst erworben. In der Heimat hat Mitt- uacht die oberste Leitung der Politik mit fester Hand geführt. Die allmählich herangereiften großen Reformfragen in der Steuergesetzgebung, Verwaltuug und Verfassung kamen unter ihm uicht mehr zur Erledigung, doch ist insbesondere

erstere noch zu seiner Zeit von Riecke kräftig angebahnt worden. Dankbar gedenkt man jetzt, tza sein Lebensgang, der so lang mw so enge mit den Geschicken des württ. Staats verknüpft war, sich zum Ende geneigt b der vielen Verdienste in dieser langen Wirksamkeit und wird nie vergessen, daß unter Mütnachts Ministertätigkeit Württemberg ein geachtetes Glied unseres deutschen Reichs ge­worden ist. Ohne eine eigentliche Erkrank­

ung war Frhr. v. Mittnacht in den letzten zwei Wochen stark hinfällig geworden. Er fühlte sich aber am letzten Sonntag verhältnis­mäßig wohl; er saß in seinem Zimmer und unterhielt sich mit seinen Angehörigen. Nach einiger Zeit äußerte er die Absicht, sich ins Bett zu begeben. Seine Angehörigen zogen sich zurück; als sie gegen 4 Uhr nachm, nach ihm sehen wollten, war er an seinem Bette tot zusammengesunken. Der Tod muß ihn, wohl durch einen Herzschlag, in dem Augen­blick überrascht haben, als er eben rm Begriff stand, sich seiner Kleidung zu entledigen. Die letzten Jahre waren ihm durch eine immer mehr zunehmende Schwäche der Augen getrübt, die fast bis zur völligen Blindheit führte, eine Prüfung, die für den immer noch außerordent­lich regen Geist eine schwere gewesen ist.

Noch am Abend des Todestages traf von dem König folgendes Beileidstelegramm ein: GeneralmajorFrhr. v. Mittnacht, Kommandeur der 53. Jnfant.Brig. Friedrichshafen. Tief­erschüttert spreche ich Ihnen und den Ihrigen meine wärmste, herzlichste Teilnahme aus. Was Ihr dahingeschiedener Herr Vater mir in langen Jahren gemeinsamer Arbeit gewesen, steht bei mir in tiefdankbarem Herzen verzeichnet. Nicht minder wird das Vaterland je vergessen, was er an treuer Hingabe, mit aufopfernder Tätig­keit für dasselbe geleistet. Nie wird bei mir sein Andenken verlöschen, als eines Mannes, der Unendliches für mein Land, mein Haus u. mich geleistet. Wilhelm."

Stuttgart, 29. April. Die Warmbronner Wildereraffäre beschäftigte heute die Straf­kammer. Wegen Jagdvergehens und Hehlerei hatten sich der 64 Jahre alte Holzhändler Karl Kühnle und sein Schwiegersohn, der 28 Jahre alte Telegraphenarbeiter Rudolf Hering von Warmbronn, zu verantworten. Die Anklage gegen Kühnle lautete auf gewerbsmäßige Wilderei. Die Strafkammer sah bei dem alten Kühnle nur den Fall in der Nacht zum 6. Jan. als festgestellt an und verurteilte ihn wegen unbe­rechtigten Jagens zu 8 Monaten Gefängnis, unter Anrechnung von drei Monaten Unter­suchungshaft, Hering erhielt 1 Monat 15 Tage Gefängnis.

Stuttgart, 29. April. Oberreallehrer Keinath, der frühere Geschäftsführer der Na­tionalliberalen Partei (Deutschen Partei) Würt­tembergs, hat sich bereit erklärt, das Amt eines Geschäftsführers, das er vom Sommer 1905 bis Ende des Jahres 1907 geführt hatte, wie­der zu übernehmen. Keinath begibt sich zu­nächst nach Tübingen behufs Abschlusses einer wissenschaftlichen Arbeit und wird mit Ende des Sommersemesters die Geschäfte des Partei­sekretariats wieder in vollem Umfang aufnehmen.

Stuttgart, 26. April. Von einem Familienvater, der unter der Dienstbotennot besonders zu leiden scheint, geht dem S. C. B. folgender Notschrei zu: Mehrere Jahre lang hat man jetzt von einem großen Ueberschuß an Arbeitskräften gelesen und in vergangenem Winter hat unsere Gemeinde erhebliche Auf­wendungen zur Beschäftigung der Arbeitslosen leisten müssen; aber an Dienstboten ist nach wie vor der größte Mangel und es ist ganz falsch, anzunehmen, daß nur auf dem Lande keine

Dienstmädchen zu haben seien. Selbst in der Haupt- nnd Residenzstadt Stuttgart, die doch eine besondere Anziehungskraft ausüben sollte kommt gegenwärtig auf vier offene Dienstboten­stellen nur eine Bewerberin. Dabei sind die Löhne in den letzten Jahren ganz erheblich gestiegen nnd es gibt zahlreiche Stellen, die neben freier Station, guter Behandlung, sonntäglichem Aus­gang einen Lohn von 2530 Mark monatlich aufwenden, ohne an die Kenntnisse des Mädchens besonders hohe Forderungen zu stellen, ins­besondere, ohne eine große Erfahrung in der Küche vorauszusetzen. Manches Mädchen vom Lande wäre, wenn sie, anstatt sich den Fabriken zuzuwenden, einen Dienst bei einer guten Herr­schaft in der Stadt suchte, in der Lage, sich nach und nach ein kleines Vermögen ersparen. Das evangelische Marthahaus und die katholische Marienanstalt in Stuttgart vermitteln, neben zahlreichen privaten Vermittlungen, derartige Stellen.

Teinach, 30. April. Vor dem Reichsge­richt kam heute folgender unseren altberühmten, viel besuchten Badeortffehr interessierender Prozeß zur Erledigung. Die Vorgeschichte desselben ist kurz folgende:Im Jahre 1902 erwarb der jetzige Badbesitzer Emil Boßhardt von dem damaligen Inhaber Gustav Brake, jetzt wohn­haft in Sinzig a. Rh., das Bad- und Brunnen- Etablissement Bad Teinach um den Kaufpreis von Mk. 1850 000.. Brake sicherte sich zu­dem noch eine Rente von jeder verkauften Mineralwafserfüllung zu. Der Verkäufer konnte zu diesem Ergebnis nur dadurch gelangen, daß er dem Käufer s. Zt. eine äußerst günstig ge­stellte Rentabilitätsberechnung vorlegte, welche sich aber späterhin als gefälscht erwies und den Käufer bewog, eine Klage behufs Kaufpreis­reduktion und Wegfall der unrechtmäßig ange­setzten Rente beim Landgericht Tübingen einzu­reichen. Im Jahre 1907 erkannte das Kgl. Landgericht Tübingen dementsprechend, d. h. der Kaufpreis wurde um Mk. 300000. redu­ziert und die Rente wurde gestrichen. Gegen dieses landgerichtliche Urteil legte der Beklagte Berufung beim Oberlandesgericht in Stuttgart ein, welches jedoch dazu kam, den Kaufpreis um weitere 50000 Mk., also um 350000 Mk. zu reduzieren und die Kosten fast ganz dem Beklagten aufzulegen. Der Verkäufer Brake legte nun auch gegen dieses Urteil Revision beim Reichsgericht ein. Gestern fand die Verhand­lung in Leipzig statt und heute Mittag 1 Uhr wurde das Urteil verkündigt, welches dahin lautet: Das Oberlandesgerichtliche Urteil wird vollständig aufrecht erhalten. Hiermit ist also dieser langwierige Prozeß endgültig zu Gunsten des jetzigen Besitzers Herrn Emil Boßhardt er­ledigt und ein sehr wichtiger Präzedenzfall fest­gelegt. Rechtsanwalt Dr. Raiser-Stuttgart führte den Prozeß.

Berlin, 1. Mai. Die Finanzkommission des Reichstags hat den Antrag der konserva­tiven Partei auf Einführung der Wertzuwachs­steuer mit 14 gegen 14 Stimmen abgelehnt. Angenommen wurde der Antrag der Wirt­schaftlichen Vereinigung auf unverzügliche Aus­arbeitung einer Gesetzesvorlage betr. die Be­steuerung des Wertzuwachses auf Immobilien, desgleichen der zweite Teil des Antrages, betr.