Ein Los ist ein sogenanntes Inhaberpapier, dessen Einlösung nur beim Vorzeigen der Urkunde verfolgt. Meistenteils ist ein Vermerk dieses Inhaltes auch auf dem Lose angebracht. Gelingt es dem Gewinner, sich einwandsfrei als den rechtmäßigen Eigentümer des verlorenen Loses auszuweisen, dann wird man ihm vielleicht nicht seinen Gewinn verweigern.
München, 23. März. Hier hat sich das bekannte Fräulein Olga Molitor mit dem Arzte Grestes aus Würzburg verlobt.
— Zur Neben-Beschästigung der Lehrer sind von verschiedenen Regierungen'in deutschen Bundesstaaten besondere Vorschriften erlassen worden. So hat jetzt, nach der Frkf. Ztg., die großherzoglich hessische Regierung in Darmstadt angeordnet, daß fortan alle Nebenbeschäftigungen der Lehrer der behördlichen Erlaubnis bedürfen. Diese Erlaubnis ist zu versagen falls durch die Nebenbeschäftigung das Interesse der Schule gefährdet wird. Insbesondere sind die Kreisschulkommissionen angewiesen worden, den Lehrern die Erlaubnis zur Uebernahme von Agenturen zu versagen, wenn sich die damit verbundene Agitations- Arbeit mit dem Amte des Lehrers nicht vereinbaren läßt.
— In Leipzig ist der bekannte Dichter und Literarhistoriker Dr. Rudolf v. Gottschall im hohen Alter -von 85 Jahren gestorben. Der Verewigte hat eine überaus fruchtbare und vielseitige Tätigkeit als Romanschriftsteller, wie als Theaterschriftsteller, als Lyriker und Epiker wie als Dramatiker, als Literarhistoriker wie als Feuilletonist und Kritiker entfaltet.
— Geh. Medizinalrat Prof. Dr. v. Renvers, der bekannte Berliner Kliniker und Leibarzt des Fürsten Bülow, welcher sich am Montag vormittag einer schweren Gallensteinoperation unterziehen mußte, ist gestern vormittag verschieden.
— In der Finanzkommission des Reichstags, die kürzlich in die Beratung des Weinsteuergesetzes eintrat, erklärte Staatssekretär Sydow, daß den verbündeten Regierungen die Hauptsache gewesen sei, bei einer Heranziehung von Bier uod Branntwein, den Getränken der Kleinen und Kleinsten, auch das Getränke der Wohlhabenden zu belasten Die Vorlage bringe gerade die Besteuerung, nach dem Wert zum Ausdruck, denn im allge- gemeinen kommen nur die wertvollen Weine auf Flaschen. Die Banderole sei schon deshalb die beste Form, weil die sicherste Kontrolle immer die durch da? Publikum sei. Eine Bevorzugung der ausländischen Weine sei nicht zu erwarten, da ja auch'? diese besteuert würden. Bisher seien nur Einzelheiten bemängelt worden. Der württembergische Bevollmächtigte erklärte, daß in Württemberg eine allgemeine Weinsteuer bestehe und daß seinem Staat zugesichert sei, daß dieser Steuer durch die Einführung einer allgemeinen Weinsteuer kein Eintrag geschehen solle. Auch bei der Beratung des vorliegenden Entwurfs habe seine Regierung im BundeSrat die gleiche Garantie erhalten. Nur darauf hin habe sie erklärt, .daß sie gegen eine Flaschensteuer, wie die Vorlage sie vorsehe, nichts einzuwenden habe. Ein konservatives Mitglied appellierte an das Nationalgefühl Württembergs, das sich jetzt nrcht auf ein anfangs der 70er Jahre unter ganz anderen Umständen gegebenes Versprechen berufen dürfe. Der württembergische Bevollmächtigte erklärte, daß für Württemberg nicht nur nationale Interessen, sondern auch Lebensfähigkeit feiner Winzer auf dem Spiel stehe. Durch die Zustimmung zu dem vorliegenden Entwurf habe seine Regierung bereits ein nationaler Opfer gebracht.
— Eine interessante Aeußerung Kaiser Wilhelms teilte der konservative Abgeordnete v. Dircksen in einer Rede mitstwelche er dieser Tage in einer Versammlung " seiner Wähler gehalten hat. Abg. Dircksen erzählte: Ich hatte die Ehre, daß Kaiser Wilhelm mich im Juni vorigen Jahres in Schlesien besuchte. Bei dieser Gelegenheit saßen Se. Majestät mit dem Prinzen Oskar, meiner Frau und mir am Teetisch. Meine Frau sagte im Laufe des Gespräches: „Majestät glauben nicht, wie mein Mann wegen seiner Stellungnahme gegen die Sozialdemokratie angeseindet wird." Darauf
antwortete der Kaiser: „Ich bitte Sie, Sie müssen sich von der Kritik nicht ins Bockshorn jagen lassen. Denken Sie nur, wie an mir Kritik geübt wird. Seit 20 Jahren, welche ich in Deutschland regiere, wird an mir herum- genörgelt. Bei 60 Millionen Deutschen findet man 70 Millionen Ansichten. Diejenigen, die in den Zeitungen Kritik üben, find oft von Vorurteilen ! beherrschte, einseitige Menschen. Wenn ich einmal Deutschland verließe und an das andere Ende der Welt ginge, würde sich Deutschland vielleicht wundern und mir manches abbitten."
— Dürfen die Staatsbeamten streiken? Anläßlich de? Streiks der französischen Postbeamten schreibt die demokratische „Frkf. Ztg.": „Diese Frage ist zu verneinen, und zwar aus dem entscheidenden Grunde, daß die Beamten keine Arbeiter find. Sie find es nicht in ihrer Funktion und nicht in ihrer Stellung. Der Beamte ist kein Privatarbeiter in einem Privatbetriebe, sondern er hat ein öffentliches Amt und er steht im Dienste der Allgemeinheit, der keinen Augenblick unterbrochen werden darf. Dieser bevorzugten Funktion des Beamten entspricht auch seine privilegierte Stellung; auch diese ist öffentlich-rechtlicher Natur. Die Lage der Beamten, ihre Bezahlung, ihr Avancement, ihre Pension usw. - ist durch Gesetz geordnet, kann nur durch Gesetz geändert, aber auch nur durch Gesetz verbessert werden. Das ist für den Beamten eine starke Garantie, zugleich aber auch eine Schranke. Er hat vor dem Privatarbeiter viele Vorteile voraus, darum kann er auch nicht dessen Freiheiten haben. Will er sie trotzdem, so gibt es einen einfachen Weg: er braucht nur aus dem Staatsdienst auszutreten, zu dem ihn ja überhaupt niemand gezwungen hat. Aber beides zusammen: Privilegien und Freiheit, das gibt es nicht und kann es nicht geben. Wenn heute dieser und morgen jener Teil der Staatrangestellten in Streik gehen und die Gewährung irgend einer Forderung durch den Stillstand der Staat?- maschine erzwingen kann, wenn heute der Sitz eines Staatssekretärs und morgen der Sitz eines Ministers von der Gnade oder vom Uebelwollen eines Beamten-Syndikats abhängig ist, dann ist es au? mit einem geordneten Staatsleben, aus mit Regierung und Parlament, aus mit Verfassung und Gesetzen.
— Das Belgrader Blatt „Zwono" berichtet, der Kronprinz Georg habe seinen Burschen so mißhandelt, daß dieser seinen Verletzungen erlegen sei. Der Bursche meldete sich vor 3 Tagen im Krankenhaus. Die Aerzte konstatierten, daß er am Kopf und am ganzen Leib durch Hiebe und Fußtritte schwer verwundet war; die Verletzungen waren so schwer, daß alle ärztliche Hilfe vergebens war. DaS Blatt schreibt dazu: Warum verheimlicht die Polizei diesen geheimnisvollen Mord? Warum will man die ganze Sache vertuschen? Wenn der Mörder verrückt ist, soll er zur Heilung in eine Anstalt, wenn er aber bei Vernunft ist, soll er verhaftet werden, wie das Gesetz es verlangt. Das menschliche Leben muß doch auch in Serbien geschützt werden. „Zwono" bringt diese Geschichte an der Spitze des Blat- tes mit auffallenden großen Lettern zum Abdruck.
Hinter-ha lftenöee..
Der Kund der Rothaarige».
von Conan Doyle.
(Nachdruck verboten.)
Als ich im vorigen Herbst eines Tages meinen Freund, Sherlock Holmes, aufsuchte, traf ich ihn in eifrigem Gespräch mit einem dicken, blühend aussehenden, älteren Herrn, der feuerrotes Haar hatte. Schon wollte ich mich mit einer Entschuldigung wieder entfernen, als mich Holmes rasch in das Zimmer zog und die Tür hinter mir schloß.
„Gelegener konntest du nicht kommen, lieber Watson," sagte er herzlich.
„Ich fürchtete, du seiest beschäftigt," entgegnet« ich.
„Das bin ich — und zwar sehr."
„So will ich im Nebenzimmer warten."
„Nein, nein, bleibe nur hier. — Doktor Watson," sagte er, mich dem Fremden vorstellend, „hat mir in vielen meiner wichtigsten
Fälle mit Rat und Tat zur Seite gestanden, und ich bezweifle nicht, daß er mir auch in Ihrer Angelegenheit, Herr Wilson, von großem Nutzen sein wird."
Der dicke Herr erhob sich halb von seinem Sitz und nickte grüßend, indem er aus seinen kleinen, mit Fettpolstern umgebenen Augen schnell einen forschenden Blick auf mich warf.
„Nimm Platz," bat Holmes, in seinen Lehnstuhl zurücksinkend, und legte die Fingerspitzen "aneinander, wie er es in kritischer Stimmung lost zu tun pflegte. „Ich weiß, lieber Watson, daß du meine Vorliebe für alles Absonderliche teilst, für alles, was nicht zum ledernen Einerlei des Alltaglebens gehört. Du hast da? durch die Wärme bewiesen, mit welcher du einige meiner Eigenen, unbedeutenden Erlebnisse wiedergegeben, ja — entschuldige — gewissermaßen ausgeschmückt hast."
„Allerdings interessierten mich deine Fälle stets ganz besonders," erwiderte ich.
„Du wirst dich erinnern, daß ich neulich, als wir er mit Frl. Mary Sutherlands einfacher Angelegenheit zu tun hatten, die Bemerkung machte, wie die sonderbarsten Vorfälle und die merkwürdigsten Verwicklungen im Leben selbst zu finden sind. Die Wirklichkeit bringt weit Gewagteres hervor als die lebhafteste Einbildungskraft."
„Eine Behauptung, die ich mir anzuzweifeln getraute."
„Das tatest du und dennoch wirst du dich zu meiner Ansicht bekehren müssen, sonst häufe ich Beweise auf Beweise, bi? du überführt bist und mir Recht giebst. Herr Jabez Wilson hier war so freundlich, mich heute morgen aufzusuchen, um mir etwas zu erzählen, was man nicht alle Tage zu hören bekommt. Ich sagte schon früher, daß ungewöhnliche Vorkommnisse häufiger mit den kleinen als den großen Verbrechen in Verbindung stehen, und mit Fällen, bei denen es zuweilen sogar zweifelhaft ist, ob überhaupt ein Verbrechen vorliegt. Vielleicht handelt es sich auch bei dieser Sache um kein Verbrechen; — soviel ist aber gewiß, daß sie höchst merkwürdig ist. Hätten Sie wohl die große Gefälligkeit, noch einmal von vorn anzufangen, Herr Wilson? Ich bitte nicht allein darum, weil mein Freund den ersten Teil nicht gehört hat, sondern, weil mir daran liegt, jede in Betracht kommende Einzelheit möglichst genau zu vernehmen. Gewöhnlich vermag ich schon bei oberflächlicher Angabe der Begebenheiten mir ein Bild des Ganzen zu machen durch den Vergleich mit den zahllosen, ähnlichen Fällen, deren ich mich entsinne. Hier aber läßt mich jegliche Mutmaßung im Stich."
Mit einem gewissen Stolz warf sich der behäbige Klient in die Brust und zog ein schmutziges, zerknittertes Zeitungsblatt aus der Rocktasche. Während er vorgebeugt den Anzeigenteil des Blattes durchsah, das er auf seinen Knieen ausbreitete, hatte ich Zeit, den Mann ruhig zu betrachten und nach Art meines Freundes zu versuchen, ob ich aus seinem Aeußeren gewisse Anhaltspunkte gewinnen könnte, um mir ein Urteil über ihn zu bilden. Viel kam dabei jedoch nicht heraus.
Unserm Besucher war der Stempel eines ganz gewöhnlichen Durchschnittsmenschen ausgeprägt; sein wohlgenährtes, schwerfälliges und bedächtiges Aussehen bestätigten das, — vermutlich gehörte er zur brittischen Handel?- welt. Er trug sehr weite graukarrierte Beinkleider, einen nicht allzu säubern schwarzen Rock, der nicht zugeknöpft war, eine hellgraue Tuchweste und eine schwere vernickelte Uhrkette, an deren Ende ein viereckiges Metallstück als Verzierung baumelte. Ein abgeschabter Cylin- der und ein ebensolcher Ueberzieher mit runzeligem Sammetkragen lagen auf dem Stuhl neben ihm. So sehr ich den Mann auch betrachtete, fand ich an ihm weiter nichts Bemerkenswerte? als sein feuerrotes Haar und einen Ausdruck von Verdruß und Mißmut in seinen Zügen.
Sherlock Holmes' geübtem Auge entging mein Versuch nicht und lächelnd schüttelte er den Kopf über meine forschenden Blicke. Dann sagte er: „Daß Herr Wilson eine Zeit lang Handarbeiter war, daß er schnupft, daß