lich von hohem Wert für Serbien, das gut tun wird, darauf einzugehen. Eine vergebliche Hoffnnng wäre es, wenn man in Serbien meinte, irgendwelche Gebietsabtretung von Oesterreich zu erhalten oder durch einen unbesonnenen Streich erzwingen zu können.
— Ueber die Annahme des österreichischungarischen Angebots durch die Türkei schreibt der „Daily Telegraph": Die Freunde Oesterreich- Ungarns und der Türkei werden sich über die Beilegung der Schwierigkeiten freuen. Wenn Oesterreich-Ungarn die vernünftigen Forderungen Serbiens und Montenegros erfüllt, so wird es diesen Ländern die Neigung nehmen, eine Empörung in den annektierten Provinzen zu entfachen.
— Ueber Erdbeben in Tirol wird gemeldet: Innsbruck: Gestern abend um 9 Uhr und nachts um 1 Uhr 45 Minuten wurde in Innsbruck, und soweit Meldungen vorliegen, in den meisten Teilen Tirols zwei starke wellenförmige Erdstöße verspürt. Die Erschütterungen waren so stark, daß in einem Tiroler Landhaus ein Gaslüster zu Boden fiel und' in mehreren Häusern Mauerwerk uud Kamine herabstürzten. Trient: In vergangener Nacht, wenige Minuten nach 2 Uhr, wurden die Bewohner durch ein heftiges Rütteln aus dem Schlaf geweckt. Man bemerkte zunächst ein Sausen, dann drei wellenförmige Erdstöße, so heftig, daß die Bilder an den Wänden schwankten, die Türen zuschlugen und einzelne Gegenstände in den Zimmern umfielen. Der Bevölkerung bemächtigte sich ein Schrecken, viele stürzten geängstigt auf die Straße.
, Rom, 14. Jan. Als gestern hier Machrichten über ein verheerendes Erdbeben auch in Oberitalien umliefen, entstand eine Panik, die erst aufhörte, als die Drahtberichte die Vorgänge auf ihr richtiges Maß zurückführten. In Florenz trat um 12 Uhr nach einem schönen Tag plötzlich Regen ein. Eine eigentümliche Röte zeigte sich nach Sonnenuntergang. Um V 22 Uhr früh schlichen tausende von Katzen miauend an den Häusern entlang. Dieses Phänomen wurde auch 1905 in Calabrien beobachtet. Eine Viertelstunde später wurden zwei springende und dann wogende Erdstöße verspürt.
Rom, 12. Jan. General Mazza telegraphierte Messina: Trotz genauer Nachforschungen ist kein Ueberlebendermehr aufgestmden worden. Gestern wurden 24 geborgene Leichen beerdigt. Die Verteilung von Lebensmitteln erfolgt nach wie vor. Es werden täglich etwa 64 000 Rationen an die Bevölkerung verteilt.
Rom, 12. Jan. Das Zentralhilfskomitee beschloß auf Antrag seines Vorsitzenden, des Herzogs von Aosta, dre Flüchtlinge aus Calabrien und Sizilien sobald als möglich in ihre Heimat zurückzubesördern. Es wies ferner 500 000 Frcs. an, um den geflüchteten Arbeitern die Wiedererlangung von Stellungen zu erleichtern, ferner 1 Million zur Errichtung von Baracken in den beschädigten Ortschaften und 200 000 Frcs. als Beihilfe für die Waisen.
— Die Verluste an Menschenleben, die durch das Erdbeben in Süditalien verursacht worden sind, werden auf rund 200 000 geschätzt. Genaue Ziffern liegen natürlich noch nicht vor und werden vielleicht auch niemals beschafft werden können, aber alle bisherigen Schätzungen stimmen darin überein, daß die angegebene Ziffer eher zu niedrig als zu hoch gegriffen ist. Ein solcher Menschenverlust ist seit der Sintflut, wenn man sie historisch nehmen will, nicht dagewesen. In der Tat haben alle großen Katastrophen, die in der Geschichte im Laufe von etwa 4000 Jahren verzeichnet worden sind, nicht so zerstörend gewirkt wie dieses Erdbeben. Ueber den Ausbruch des Vesuvs im Jahre 79 unserer Zeitrechnung liegen keine bestimmten Angaben vor; da aber die Einwohner der volkeichen Städte Herculanum und Pompeji, die durch diesen Ausbruch verschüttet wurden, sich vorher größtenteils retten konnten, so wird der Menschenverlust der genannten Städte mit den zerstörten Dörfern zusammen nur auf etwa 30 000 geschätzt. Der Ausbruch des Vesuvs im Jahr 1631 zerstörte 20 000, der Ausbruch von 1794 25 000 Menschenleben. Der große Ausbruch des Aetna vom Jahr 1669 zerstörte zwölf Ortschaften, darunter Catania und vernichtete 25 000 Menschenleben. Das
Erdbeben in Lissabon am 1. November 1755 tötete 60 000 Menschen. Ein Erdbeben im Kaukasus im Jahr 1667 vernichtete 80 000 Menschenleben, ein Erdbeben in Japan im Jahr 1703 tötete 150 000 Menschen. Das Erdbeben in Calabrien vom Jahr 1783 kostete 100 000 Menschenleben. Beim Ausbruch des Krakatau in der Sundastraße (August 1883) wurden 40 000 Menschen getötet. Verheerend haben auch Sturmfluten und Zyklone, meist in tropischen Gegenden, gewirkt; man kenn.t solche in Indien, China und Japan mit zum Teil enormen Menschenverlusten. So sollen in der Sturmflut, die im Oktober 1737 Bengalen verheerte, 180 000 Menschen, beim Wirbelsturm an der Mündung des Brahmaputra im Nov. 1879 150 000 Menschen ertrunken sein; die letzte große Sturmflut, 1896 in Japan, hat 27 000 Menschen getötet. So bleibt also dem neuesten Erdbeben in Süditalien die traurige Ehre des Rekords in der Menschenvernichtung.
— Die im Auslande verbreitete Nachricht von der Abdankung König Peters ist, wie aus Belgrad gemeldet wird, derzeit noch verfrüht. Unstreitig ist es, daß der König sich schon oftmals mit dem Gedanken besaßt hatte, abzudanken. Er wurde von diesem Schritt jedoch immer noch zurückgehalten und zwar hauptsächlich durch Verschwörer, da diese ihren ganzen Einfluß vollständig verloren hätten, wenn der König zurückgetreten wäre. In der letzten Zeit jedoch hat der Kronprinz Georg ein solch agressives Benehmen an den Tag gelegt, daß der König sehr niedergedrückt war und wiederholt äußerte: „Wenn Georg es besser versteht, soll er es machen! Ich bin gerne bereit, ihm den Platz zu räumen." Die serbischen Missionen haben für den König auch eine große Enttäuschung gebracht, und er hat seiner Unzufriedenheit beim Ministerrat Ausdruck verliehen. Der König betonte, nach solchen Verhältnissen solle der Ministerrat die volle Verantwortung für die Situation tragen, er selber sei unzu- srieden und nicht in der Lage, Direktiven zu geben. In dieser Aeußeruna findet man in eingeweihten politischen Kreisen eine Absicht der Abdankung; allein es ist kaum möglich, daß der König heute bei dieser schwierigen Lage das Land einer so großen Umwälzung aussetzen dürste, um so mehr, als Kronprinz Georg sich für den Krieg derart engagiert hat, daß dieser nach seiner Thronbesteigung kaum mehr zurückzuhalten wäre.
Konstantinopel, 13. Jan. (Deputiertenkammer.) In seinem heute in der Kammer verlesenen Exposee besprach der Großwesir die Wiederherstellung einer konstitutionellen Regierung in der Türkei, sodann die Proklamierung der Unabhängigkeit Bulgariens, sowie die Annexion Bosniens und der Herzegowina seitens Oesterreich-Ungarns. Die Pforte habe gegen diese beiden Eingriffe protestiert und an die Großmächte appelliert, die diese Verletzungen als illoyal anerkannt hätten. Die Kriegsgefahr sei geschwunden. Man habe es schließlich für das Beste gehalten, sich auf eine finanzielle Entschädigung zu einigen. Nachdem der Großwesir, Kiamil Pascha, sein Exposee beendet hatte, sprach die Kammer ihm ihr unbedingtes Vertrauen aus.
H Konstantinopel, 13. Jan. Der Leitartikel des „Osmanischen Lloyd" mit dem Titel: „Der Friede besiegelt!" verzeichnet hochbefriedigt die Annahme des österreich-ungarischen Angebots und sagt: Nun muß auch der Boykott enden, der anfänglich von einigen Hitzköpfen begonnen wurde und schließlich auch deutsche und andere Waren betroffen hat. Oesterreich-Ungarn hat geringen Schaden erlitten, dagegen haben die türkischen Zolleinnahmen eine große Einbuße erfahren. Von hohen türkischen Zollbeamten wird der Verlust auf 500000 türkische Pfund geschätzt.
LoUol'es.
Wildbad, 15. Jan. Bei den während der letzten Monate vor der Handwerkskammer Reutlingen stattgehabten Meisterprüfungen haben von 46 Kandidaten 40 die Prüfung bestanden und sich damit das Recht zur Führung des Meistertitels erworben. Auf die einzelnen Berufe verteilen sich die Prüflinge folgendermaßen: 4 Bäcker, 1 Buchbinder,
1 Buchdrucker, 1 Flaschner, 1 Friseur, 2 Gipser, 1 Glaser, 1 Kaminfeger, 5 Maler, 2 Maurer, 4 Metzger, 2 Sattler und Tapeziere, 4 Schlosser, 3 Schmiede, 4 Schreiner, 1 Schuhmacher, 1 Steinhauer, 1 Wagner, 1 Modellschreiner. Unter den jungen Meistern befinden sich u. a.: Krauß, Fritz, Schlosser in Wildbad Riexinger, Herrn., Schlosser in Wildbad Wagner, Max, Metzger in Neuenbürg Linkenheil, Gust., Schreiner in Calw
Al, nter Haltendes.
Der schwarze Koffer.
Autorisierte Uebersetzung aus ,dem Englischen von Emmy Becher.
(Nachdruck verboten.) (Forts.)
„Sie haben ihn in sder Tasche," hörte ich ihn zwischen den Zähnen hervorstoßen, „und wenn ich Sie erdrosseln müßte, ich will ihn haben."
So kollerten wir nun am Boden herum, und wo wir an ein Möbel stießen, gab es einen Höllenlärm, so daß ich in Todesangst war, die Kellner könnten herbeistürzen. Zum Glück lag mein Zimmer in einem Seitenflügel und dauerte der Kampf nur eine Minute. Des Geistlichen Kraft schien viel rascher verbraucht zu sein, als ich bei seinem athletischen Körperbau erwartet hätte, und nach dem ersten wilden Anprall fehlte es ihm an aller Ausdauer. Ich griff mit verdoppelter Energie an und hatte im Nu seine Hände von meiner Kehle losgemacht, und im nächsten Augenblick stand ich, noch atemlos auf meinen Füßen und schob den Tisch zwischen uns.
„Das sind verfehlte Mittel," rief ich, nach Lust ringend. „Geben Sie es auf. Sie bekommen den Brief nicht. In der nächsten Minute werden die Kellner Hereinstürzen, machen Sie sich aus dem Staub, ehe es so weit ist."
Er stand an der Türe und kämpfte sichtlich mit einem Entschluß.
„Soll ich für Sie oder gegen Sie arbeiten?" fragte ich. „Was ist Ihnen lieber?"
„Ich weiß es nicht," stotterte er. „Warten Sie, bis ich Ihnen schreibe. Unternehmen Sie nichts, ehe Sie Nachricht von mir haben."
Damit erklärte ich mich einverstanden, und er ging. Kaum war er fort, als ein Kellner an der Türe herumschnüffelte, klopfte und sehr wißbegierig die Nase hereinstreckte.
„Ich hatte den Sofa ans 'Fenster gerückt, um besseres Licht zu haben," sagte ich, „er steht aber doch besser am alten Platz."
Zehntes Kapitel.
Der Brief.
Nun setzte ich mich und legte das kostbare Schriftstück vor mich auf den Tisch, nicht ohne vorher meine Türe wieder verriegelt zu haben, aus Furcht, der stürmische Pastor könnte sich einfallen lassen, noch einmal mit mir anzubin- den. Dann las ich den Brief aufmerksam durch, und als ich damit zu >Ende war, las ich ihn noch einmal. Kaum konnte ich fassen, daß ich ein solch weittragendes Dokument von zweifelloser Echtheit in Händen hielt und daß ich nun im Besitz der Tatsachen war, die darin enthalten waren. Der Inhalt des merkwürdigen Schreibens war folgender:
„Mein lieber Austin!
„Ich bin in Verzweiflung und weiß nicht, was ich beginnen soll. Du mußt mir beistehen. Durch irgend einen Mißgriff der Gepäckträger muß, als wir von Charing Croß abfuhren, mein Koffer mit dem Fräulein Simpkinsons verwechselt worden sein. Du weißt, wir hatten ganz die nämlichen, und das Gepäck lag alles auf einem Haufen. Austin — sie darf meinen Koffer nicht ausmachen. Wenn sie es tut, so bin ich verloren. Ich habe Dir nach Southend telegraphiert, und man antwortete mir. Du seiest in Paris. Weshalb? Was ist geschehen? Ihre Pariser Adresse kenne ich nicht. Ums Himmels willen, sorge, daß sie meinen Koffer nicht anrührt. Schicke ihn mir zurück; ich sende den ihrigen. Besorge die Sache sogleich; ich werde am bekannten Platz beim alten Mohren darauf warten. In höchster Spannung Dein Philipp.
„k. 8. Schicke den Koffer umgehend zu-