— In der Ansprache des Kaisers gelegentlich der Feier des 60jährigen Jubiläums Kaiser Franz Josephs als Chef des Kaiser Franz Joseph Garde-Grenadier-Regiments bemerkte der Kaiser, wie jetzt bekannt wird, u. a., er habe stets ein gutes Einvernehmen mit Oesterreich-Ungarn erstrebt und hochgehalten, lieber alles Lob erhaben seien die Bündnistreue Kaiser Franz Josephs, seine Herrscher- und Soldatentngenden und seine treue Anhänglichkeit an das Regiment. Ferner enthielt die Rede folgenden bemerkenswerten Passus: Es können
— was der Allmächtige verhüten möge — noch schwerere Zeiten kommen. Von umso größerem Werte ist daher ein treuer Bundesgenosse.
— Zum Funde der Leiche des Luftschiffers Leutnant Förtsch in der Nordsee welcher im Ballon „Hergesell" in der großen Berliner Ballon-Wettfahrt bis weit hinaus ins Meer getrieben und seit drei Monaten verschollen war, durch Geestemünder Fischer wird noch berichtet, daß dem Körper Kops und Hände fehlten. Die im Anzuge gefundenen Legitimationspapiere genügen aber zur Feststellung der Persönlichkeit. Da die Leiche schon ganz in Verwesung übergegangen war, gab ihr der Kapitän nach dem Gebet des Vaterunsers und und unter dem Gesang eines Chorals ein ehrliches Seemannsbegräbnis. Die Leiche wurde im Fischnetz hochgezogen. Die Angehörigen hatten auf die Auffindung eine Belohnung von dreitausend Mark gesetzt, die den Fischern zufallen dürfte.
— Aus Jena verlautet, daß nach den Feststellungen des dortigen Geologen Dr. Gravelitz die Tiefenverhältnisse in der Meerenge von Messina sich durch das Seebeben teilweise um 500 Meter verringert haben.
— Wie aus Wien berichtet wird, ist der Friede mit der Türkei bereits auf dem Wege. Eine amtliche Mitteilung wird heute dort veröffentlicht, die für die politische Entwicklung in ganz Europa eine sehr große Bedeutung hat. Der österreichisch-ungarische Botschafter in Konstantinopel, Markgraf Pallavicini, hat die Weisung bekommen, die Verhandlungen mir der Pforte wieder aufzunehmen. Er wurde gleichzeitig bevollmächtigt, dem Großvezier Kiamil Pascha zu sagen, daß Oesterreich-Ungarn bereit sei, der Türkei als Ersatz für die in Bosnien und der Herzegowina gelegenen Staatsgüter nach der klaren Feststellung der Eigentumsverhältnisse den Ersatz von zweieinhalb Millionen türkischen Pfund oder rund fünfundfünfzig Millionen Kronen anzubieten. Dieser Vorschlag bringt in die österreichisch-ungarische Politik eine Großzügigkeit, die nach menschlicher Voraussicht den nahen Abschluß des Friedens verbürgt. Die Türkei will Geld für die Souveränitätsrechte des Sultans. Sie wird Geld bekommen! Fünfundfünfzig Millionen Kronen werden ihr geboten als Preis freundschaftlicher Gesinnung und als Lösegeld des Friedens. Damit hat die schwere europäische Krise ihren Höhepunkt überschritten. Serbien iß ganz vereinsamt, und der Plan eines Balkanbundes zerflattert.
Paris, 8. Jan. Wie das „Echo de Paris" aus Messina meldet, haben dort die Soldaten gestern allgemein begonnen, die Trümmer der Stadt mit Kalk zu begießen. Patrouillen erschießen jeden, der sich ohne Erlaubnis in den Ruinen aufhält. Gestern wurden allein 90 Plünderer erschossen. Die Zivilstands cegister sind nunmehr ausgefunden worden. Damit dürfte es möglich sein, die genaue Zahl der Toten sestzustellen.
Rom, 9. Jan. Der König überließ für die nächsten Jahre einen Teil der Zivilliste zu einem Fonds für die Witwen uud Waisen der bei der Erdbebenkatastrophe Umgekommenen.
— Nach einer sickeren Schätzung beträgt die Zahl der Opfer in allen Ortschaften zusammen 165 000.
Rom. Eine auf wunderbare Weise ermöglichte Rettung von vier Kindern aus den Trümmern Messinas wird viel besprochen. Italienische Soldaten, die mit dem Wegräumen beschäftigt waren, sahen eine Taube und einer von ihnen schoß die Taube. Der Vogel fiel auf einen Trümmerhaufen und der Soldat, der auf die Trümmer kletterte, um den Vogel zu holen, hörte zu seinem Staunen unter den Trümmern die Stimme von Kindern. Die
Soldaten gingen sofort daran, die Trümmer wegzuräumen, und fanden vier Kinder, die in einem Hausflur wie in einer Kammer ei i- geschlossen waren. Die Kinder waren vollständig unverletzt und durchaus gesund. Sie hatten die ganze Zeit hindurch von Apfelsinen gelebt, die im Hausflur ausgespeichert gewesen waren. Die Wahrscheinlichkeit, daß man noch weiterhin lebende Menschen finden wird, ist natürlich sehr gering. Im ganzen wurden durch die Rettungsabteilung in Messina 2300 Personen gerettet. Man hat jetzt mit der Errichtung von Hütten begonnen. — Einem Bericht der „Frkf. Ztg." entnehmen wir: „Merkwürdig ist," so sagte ein russischer Offizier, „daß die Großzahl der Geretteten, besonders in den letzten Tagen, Frauen sind. Die sind zähe wie die Katzen," fügte er mit sarkastischem Lachen bei. „Wir fanden z. B. am dritten Tage ein Mädchen, das an den Füßen von einer Decke herabhing: sie schwankte hin w d her und klammerte sich mit den Händen an einen Balken, den sie nur losließ, wenn die Finger vor Müdigkeit erstarrten. So schwebte sie zwei und einen halben Tag. Wir retteten sie und nicht die geringste Verletzung zeugte von den entsetzlichen Stunden, die sie mit übermenschlicher Kraft durchlebte."
— Die Geschichte einer merkwürdigen Errettung eines jungen Mädchens aus den Trümmern eines eingestürzten Hauses in Messina schildert der an der Stätte der Katastrophe weilende Korrespondent Civinini des „Corriere della Sera." Er hatte sich noch am Abend einem Trupp von Matrosen angeschlossen, der zwischen den Ruinen am Rettungswerk arbeitete. „Wir überkletterten ein wüstes Feld von Ruinen, sprangen über eingefallene Kellerwölbungen, stiegen über hohe, zertrümmerte Steinblöcke, als plötzlich aus einem schmalen dunklen Hohlweg, dem lleberrest einer kleinen Gasse, über der sich die gegeneinander gefallenen Mauern zweier Paläste zu einem schwankenden Haufen geborstener Steine ausgetürmt hatten, eine heisere, rauhe Stimme ertönte, die immerfort mit klagenden! Tonfall ein einziges Wort rief: Maria, Maria. Sofort machten die Matrosen sich an die Arbeit, mit äußerster Vorsicht begann man Schutteile fortzuräumen. Nach einer halben Stunde ertönte ein dumpfes Poltern: die Trümmer sinken in sich zusammen, und ein tiefes schwarzes Loch gähnt den Rettern entgegen. Einen Augenblick steht alles vom Schreck übermannt; der Verschüttete ist jetzt wohl zerschmettert. Aber aus dem Loche tönt ein Rascheln, und dann kriecht flügelschlagend ein grüner Papagei aus der Oeffnung und schüttelt sich den Kalkstaub aus den Federn. Am Rande bleibt er sitzen, und sofort ertönt wieder sein klagender Ruf: Maria . . . Maria. Unten im Gewölbe fand man dann die Maria des guten Vogels, seine Herrin. Bleich ausgestreckt lag sie da, ein schönes junges Mädchen. Bald zeigte es sich, daß sie nicht tot war, eine tiefe Ohnmacht hielt sie umfangen. Sie befindet sich jetzt an Bord eines Schiffes in ärztlicher Pflege, und man hofft, daß ihr Leben erhalten bleiben wird."
Palermo, 4. Jan. Aus Messina wird gemeldet, daß die Stadt in vier Bezirke eingeteilt ist, die je einem General unterstellt sind. Diese Maßregel hat sich als nötig erwiesen, um der Plünderung Einhalt zu tun. Der Zutritt zur Stadt ist jedermann verboten, der nicht mit einem Erlaubnisschein des Präsekten versehen ist. Wer bei der Plünderung angetroffen wird, wird ohne weiteres erschossen. Die Plünderung wird nicht, wie man angenommen hatte, von den entwichenen Sträflingen, sondern meistens von Bauern verübt, die gleich nach der Katastrophe in Massen nach Messina zogen. Gestern wurde ein Bauer erschossen, der dabei angetroffen wurde, wie er einer noch lebenden Dame den Mittelfinger abschnitt, um sich sin den Besitz eines wertvollen Brillantringes zu setzen. Außer einer ganzen Anzahl Bauern wurden auch ein Zollwächter und drei Soldaten erschossen. AufdemDampfer.,ReginaMargherita" der vorgestern ungefähr 1000 Flüchtlinge nach Palermo brachte, wurden bei der Ankunft daselbst über 100 Verhaftungen vorgenommen. Es handelte sich durchweg um unter Polizeiaufsicht stehendes Gesindel, das mit reicher Beute nach Palermo zurückkehrte. Alle unter
Polizeiaufsicht stehenden sind verhaftet und in den hiesigen Gefängnissen untergebracht worden.
Konstantinopel, 13. Jan. Der Großwesir hat gestern vormittag dem österreichischungarischen Botschafter, Markgraf - Pallavicini, amtlich mitgeteilt, daß er sich mit seinen Kollegen über das Angebot Oesterreich-Ungarns beraten habe und daß dieses vom Kabinett angenommen worden sei.
— Präsident Roosevelt sieht nun noch vor seinem nahen Scheiden aus seinem Amt, daß sein energisches Vorgehen gegen die großen nordamerikanischen Spekulanten keinen wirklich praktischen Erfolg gehabt hat. Aus der Eintreibung der gegen den bekannten Petroleumkönig Rockefeller verhängten Geldstrafe von rund 120 Millionen Mark wird es, wie mit- geteilt, nach dem Urteil des Oberbundesgerichts nichts. Den Viel-Millionären in der Nord- Amerikanischen Union wird jetzt der Kamm bedenklich schwellen, und der neue Präsident Taft wird, wenn nicht am besten, so doch am klügsten tun, überhaupt keinen Streit mit ihnen anzufangen. Heraus kommt nichts dabei.
Aus AM «id Umgebung.
Wildbad, 13 Jan. Bei der heutigen
letzten Versteigerung des Hausanteils des ft Chr. Treiber Schuhmacher, König-Karlstraße hier, wurde derselbe um die Summe von 20 000 Mk. von Herrn Robert Treiber Kfm. erstanden.
— Herr Wilh. Bechtle, Zimmermann hier erwarb von Herrn Robert Krauß die westliche Hälfe seines neu erbauten Hauses in der Rennbachstraße um 15 000 Mark.
Wildbad, 14. Jan. Die Handwerkskammer Reutlingen macht im Inseratenteil
unserer heutigen Nummer auf die Veranstaltung
von Meisterprüfungen in den Monaten März und April d. I. aufmerksam. Wir selbst möchten nicht verfehlen, noch daraus hinzuweisen, daß durch das am 1. Oktober v. I. in Kraft getretene Gesetz vom 30. Mai 1908 (sogenannter kleiner Befähigungsnachweis) künftig nur noch derjenige Handwerker berechtigt ist, Lehrlinge zu halten, welcher die Meisterprüfung mit Erfolg bestanden hat; abgesehen von älteren Handwerkern, welche diese Befugnis durch die Verwaltungsbehörde erlangen können. Da unter diesen Umständen eine zahlreiche Beteiligung an den Prüfungen in Aussicht zu nehmen ist, wird sich die rechtzeitige Anmeldung besonders empfehlen.
Neuenbürg, 11. Jan. Ein Herr und seine Frau aus Pforzheim huldigten dem Rodeln und hatten das Mißgeschick, aus eine Telegraphenstange aufzufahren. Der Herr lag einige Minuten bewußtlos am Bodev, erholte sich jedoch von dem Schrecken, während seine Frau schwer verletzt und blutüberströmt in ein Nachbarhaus getragen werden mußte und nach Anlegung des nötigen Verbands nach Pforzheim verbracht wurde.
Mnter Haltendes.
Der schwarze Koffer.
Autorisierte Uebersetzung aus dem Englischen von Emmp Becher.
(Nachdruck verboten.) (Forts.)
„Verstehe ich Sie recht, mein Herr — Sie wollen mir den Fall berufsmäßig übertragen? Wenn dem so ist, muß ich meinen Vorgesetzten Mitteilung machen."
„Tun Sie das sofort."
„Ich bin im Augenblick nicht frei, aber meine jetzige Aufgabe kann der erste beste ebensogut übernehmen. In einem Fall von solcher Wichtigkeit ..." ich verbeugte mich, ohne den Satz zu vollenden. Austin Harvey griff nach seinen! Hut, den er etwas verlegen, in der Hand drehte.
„Ich möchte Sie noch etwas fragen, ehe ich gehe," sagte er unsicher. „Ich bin kein reicher Mann, und vielleicht wäre es besser, sich vorher über die —"
„Bedingungen zu verständigen," fiel ich ihm rasch ins Wort, da ich diesen Punkt immer kurz erledige. „Das Büreau wird Ihn en Prospekte schicken. Sie werden die Preise sehr annehmbar finden, ich zweifle gar nicht daran,"