um auf die längere» vorhergegangenen Ausführungen des Abg. H a ußm an n-Balingen einzugehen. Der Minister konnte über die Reichskommission zur Revision des Straf­gesetzbuches nichts mitteilen, verspricht sich aber von der Kommission zur Behandlung des Strafprozeßrechts, in der sich zwei Württemberger befinden, einen guten Erfolg. Der Hinzuziehung von Laien zur Rechtsprechung der Landge­richte steht er sympathisch gegenüber. Im weiteren Verlaufe feiner Ausführungen verteidigte der Minister das System -er bedingten Begnadigung, an dessen StelleHaußmanu, wie auch Dr. von Kiene dasjenige der bedingten Verur­teilung sehen möchten, und wies ziffermäßig nach, daß die Gesuche um Begnadigung von dem Justizministerium aufs genaueste geprüft und noch bestem Wissen und Können be­handelt werden. Abg. Haußmann hatte dann auch im Zusammenhang mit der Forderung einer rascheren Behand­lung der Rechtssachen die Frage der Abschaffung der Ge- richtöferien angeschnitten, gegen die sich der Minister und hernach noch andere Redner im Interesse des Publikums aufs entschiedenste aussprechen. Der Minister hob ferner hervor, daß er auf dem Standpunkte stehe, gerichtliche Ur­teile vor dem Hause so wenig als möglich zu besprechen, es könnten aber Fälle eintreten, wo das öffentliche Interesse dies erfordere. Ein von Haußmann zitiertes Urteil gegen einen Bauern, der einen Offizier, welcher auf einem ver­botenen Wege reiten wollte, im Wortwechsel mit Du ange­redet hatte und deshalb zu 10 Mk. Geldstrafe verurteilt worden war, woraus Haußmann die Behauptung ableitete, daß die Behandlung der Angeklagten seitens der Richter eine je nach der sozialen Stellung des Angeklagten ver­schiedene sei, war dem Minister nicht bekannt. Zum Schluß seiner Darlegungen ging letzterer noch auf die Frage der Strafvollstreckung ein und betonte, daß man sich von einer gesetzlichen Regelung des Strafvollzugswesens viel zu viel verspreche. Es komme da alles auf die persönliche Ein­wirkung des Strafanstaltsvorstehers auf die Gefangenen an. Vizepräsident Dr. von Kiene verteidigte die Thätigkeit der Strafsenate als Revisionsgerichte ge enüber Haußmann, der vor Revisionen gewarnt und behauptet hatte, daß es den Gerichten nur um strafgerichtliche Feststellungen zu thun sei. Dr. von Kiene wünschte dann auch Ersparnisse bei der Justizverwaltung herbeizuführen durch reichsgesetzliche Aus­dehnung des Privatklagegesetzes auf Fälle der leichten Be­drohung und des einfachen Hausfriedensbruchs sowie Weg­nahme der Verbrechen der schweren Urkundenfälschung und des betrügerischen Bankerotts von den Schwurgerichten, als deren Freund er sich bekannte. Als wünschenswert bezeich­net? er die Einführung des einheitlichen ersten Examens der Juristen, Regiminalristen und Kameralisten. Zum Schluß sprachen noch die Abgg. Nieder, Remb old-Aalen, Maier-Rortweil und Haußmann-Balingen. Auf der morgigen Tagesordnung steht die Anfrage des Abg. Rem- bold-Aalen und Genossen betr. die Entlassung einer größeren Anzahl von Arbeitern durch die Hüttenver­waltung Wasseralfingen und die Fortsetzung der heutigen Beratung.

Land esri achricßlen.

-n. Mevfieig, 24. März. Die Frühjahrs-Hauptver­sammlung des Bienenzüchtervereins fand am letzten Sonntag nachmittag bei K. Bauer statt. Vorstand Gehring begrüßte die Anwesenden und drückte seine Anerkennung aus über die starke Beteiligung bei der Versammlung. Hierauf berichtete er über die Ueberwivterung, die im ganzen günstig verlaufen sei, weil auf die kalten Tage immer wieder Flug­tage für die Bienen gekommen seien. Er empfahl, weißellose Völker mit andern zu vereinigen. Zur Gewinnung einer ergiebigen Frühjahrstracht sei die Anpflanzung vor allem des Ara Pis zu empfehlen, der mit seiner reichen, lang- anhaltenden Weißen Blüte einen Schmuck der Mauern und

Raine bilde, aber besonders wegen seines HonigreichtumS die weiteste Verbreitung durch Imker verdiene. Vereins­rechner Verwaltungsaktuar Maier erstattete hierauf den Bericht über die Jahresrechnung. Dieselbe darf als günstig bezeichnet werden. Namens des Vereins dankte der Vorstand dem Rechner für seine Pünktliche Rechnungsführung. Als weiterer wichtiger Gegenstand ist der Vortrag über dieRe­form der Bienenzucht nach Freudenstein" durch Schullehrer Glück in Walddorf zu nennen. Freudenstein ist Großimker in Marbach bei Marburg in Hessen, Herausgeber einer Bienenzeitung. Aus dem Jahrg. 1902 dieser Zeitung, vom Redner als ein praktisches Lehrbuch für Imker bezeichnet, wurden manche Winke mitgeteilt. Wer zu imkern anfange, soll dies in möglichst einfacher Weise thun: Geräte, Wohn­ungen der Bienen sollen wenige Auslagen verursachen, über­haupt soll der Bienenzüchter sich hüten vor einem großen Anlagekapital. So biete die Freudensteiner Zeitung manche praktische Anleitung. Die Mitteilungen aus den Ausführ­ungen Freudensteins fanden allgemeinen Anklang bei den An­wesenden. Es wurden von Vereinsmitgliedern mehrere Exemplare dieser Zeitung bestellt und auch der Beschluß ge­faßt, dieselbe für den Verein anzuschaffen. Weil manche der Mitglieder auch noch den Vortrag von Herrn Oberförster Weith über dieThalsperre" im Gasthaus zumStern" anhöreu wollten, mußte die Versammlung des Bienenzüchter­vereins etwas früher beendigt werden. Alle Anwesenden waren aber befriedigt von der Verhandlung.

Auf das zweite Quartal

bitten wir unsere verehrten Leser, das Abonnement gef. alsbald zu erneuern, damit keine Störungen im Bezug eintreten.

WM" Lesefreunde, welche dem BlatteAus den Tannen" noch ferne stehen, laden wir gleichzeitig zur Bestellung freundlichst ein.

Ein gut, übersichtlich und rasch berichtendes Organ,, als welches dasTannenblatt" allseitig anerkannt wird, sollte in keiner Familie fehlen.

Wir machen noch darauf aufmerksam, daß die Reichstagswahlen in das 2. Quartal fallen.

Ergebenst!

Die Redaktion.

* Bor dem Schwurgericht irr WLinges begann am Montag die Verhandlung gegen den Bankier Eugen Bräuning, Kaufmann von Tübingen, wegen Unterschlagung anvertrauter Depositen und betrügerischen Bankerotts. Bräuninger ist 46 Jahre alt, seit 1885 verheiratet und Vater von drei Kindern. Bräuning verspekulierte sein gesamtes Vermögen, das zeitweise ca. 250 000 M. betrug. Sodann hat er zuge­standenermaßen in den Zuckerkampaanen 1898/99 8500 M., 1899/1900 6200 M., 1900/1901 126 500 M. fremde Wert­papiere durch Verkauf in seinen Nutzen verwendet; ferner 1901/02 wiederum Wertpapiere in Höhe von 10 700 M., die ihm Verwandte anvertrautev, alles kam in Zuckerhäuser. Schon gegen 80 000 M. überschuldet, hat sodann der An­geklagte weitere 69 900 M. Wertpapiere, die er als Bankier zwecks Umtausches, Abstempelung u. s. w. erhalten hatte, sich angeeignet und zur Zuckerspekulation verwendet. Weiter hat der Angeklagte zugestandenermaßen in 14 Fällen sich auf betrügerische Weise Gelder und Wertpapiere im Gesamtbetrag von 70 000 M. zu verschaffen gewußt. Er gab den Leuten vor, die betreffenden Papiere seien verlost, die Papiere müsse man nach Amerika zur Umstempelung schicken und ähnliches.

Zu der veruntreuten Summe fremder Gelder sind als eben­falls zu Spekulationszwecken verwendet weiter zu rechnen 60 000 M., die der Angeklagte von seinen Verwandten als Darlehen und Rettungszuschüsse erhalten habe. Die Rheinische ' Hypothekenbank, die Frankfurter Hypothekenbank und andere übergaben dem Angeklagten in Kommissionslager über 10 000 M. Wertpapiere; auch diese wurden verspekuliert, ebenso eine Erbschaft seiner Frau mit 42 000 M. Ange­klagter, der oft 100 000 M. und mehr am Zucker gewann, hatte zuletzt absolut kein Glück mehr. Er giebt an, alle meine Erwartungen scheiterten, ich wurde ein direktes Opfer der verkrachten Preußischen Banken, durch welche ich zu meinen Unregelmäßigkeiten getrieben wurde und so stellte ich mich am 2. Juli 1902 selbst dem Gericht. (Schluß f.)

* Stuttgart, 18. März. Das Königliche Ministerium des Innern hat durch heute bei der Versicherungsanstalt Württemberg eingetroffenen Erlaß verfügt, daß den Kranken­kassen und Ortsbehörden für die Arbeiterversicherung mit Wirkung vom 1. Januar 1903 an statt wie bisher 5 Prozent nunmehr 6 Prozent an Einzugsgebühren von der Ver­sicherungsanstalt gewährt werden müssen.

* Höppingeu, 23. März. Gestern abend brach Groß­feuer in dem Dorfe Hohenstaufen aus. Me Anwesen, Scheuern und Stallungen des Postboten Wahl, des Wagners Mühlhäuser, des Söldners Müller und der Witwe Lipp sind bis auf den Grund abgebrannt. 6 Familien sind obdachlos. Der Schaden ist bedeutend. Es wird Brand­stiftung vermutet. Die Abgebrannten sollen versichert sein.

* (Werschiedeues.) Am Wartbergweg in Heilbronn ist ein blühender Knfchbanm zu sehen und im Remsthal blühen die Frühkirschen. Wenn sie nur nicht zu frühzeitig daran sind!' In Burgholz (Welzheim) ist die große Scheuer des Anwalts Seiz niedergebrannt und in Knitt- lingen brannten hinter dem Gasthaus zum Löwen ein Wohnhaus uud 2 Scheunen ab. Daß vor der leidigen Unsitte,Steine mutwilliger Weise über Bergabhänge Hinabrollen zu lassen, nicht oft genug gewarnt werden kan», zeigt ein in Schramberg vorgekommener Unfall. Mehrer« Kna­ben trieben sich am Schloßberg herum, wobei ein von oben herabrollender Stein den 13jähr. Sohn des Holzhändlers Wühler so unglücklich traf, daß er einen Beinbruch davon­trug. In Aidlingen stürzte ein junger Mann mit dem Zweirad. Er verletzte sich so schwer, daß er bewußt­los nach Hause verbracht werden mußte.

* In Karlsruhe wurden am Sonntag früh- um 3 und l z6 Uhr und nachmittags 2 Uhr Erdbeben gespürt. Sie waren von einem knarrenden Geräusch begleitet und ver­setzten die Einwohnerschaft in nicht geringe Aufregung. Bei dem Beben um sizk Uhr erfolgten rasch hintereinander mehrere Stöße, ebenso um 2 Uhr nachmittags.

" Die Köln. Ztg. berichtet aus Werkt«: Der Bundes­rat Hot dem Gesetzentwurf, betreffend die Sicherung des Wahl­geheimnisses, geschloffen zugestimmt. Der Entwurf ist gestern dem Reichstag zugegangen.

* Bismarck hat das deutsche Reich gegründet, aber 9 Millionen Deutsche hat er außerhalb desselben gelassen. Und diese neun Millionen sollen den Magyaren, Tschechen, Polen, Russen preisgegeben sein, ohne daß das deutsche Reich auch nur mit der Wimper zuckt. Daß es so sein müsse, hat soeben der Reichskanzler im Reichstage erklärt und hat sich dabei auf Bismarck berufen. Die Deutschen: in Ungarn dürfen eingesperrt werden, sobald sie ein freies Wort gegen-die Magyaren sprechen, sie dürfen ihrer Schu­len, ihrer Sprache, ihrer Namen beraubt werden was schert uns das. Das deutsche Reich könnte ja durch Ein­spruch sich die Freundschaft der Magyaren verscherzen !; Deutschland hat sich nicht immer so geduckt. Als anfangs der sechziger Jahre die Bedrückung in den russischen Ost­seeprovinzen begann, erklärte Bismarck auf Befehl feines

W Lesefrucht.

Anerkennung braucht jedermann. Alle Eigenschaften können durch tote Gleichgültigkeit der Umgebung zu Grunde gerichtet werden.

Jmmermann.

Am Kampfe ums Hluck.

Roman von Marie Widdern.

(Fortsetzung.)

Als die Frau Stadtral, welche im Nebenzimmer ihr Mittagsschläfchen gehalten, gerade in diesem Augenblick in das Gemach trat, warf Gertrud der alten Dame einen Blick zu, welcher von der ganzen Freudigkeit, die in diesem Mo­ment ihre Seele durchbebte, sprach.

Schon in aller Morgenfrühe des nächsten Tages be­gab sich Fräulein Gierfeldt auf den Weg zur nächsten Buch­handlung. Es war eine so große Menge landwirtschaftlicher Werke, welche die junge Dame daselbst erwarb, daß sie sich dieselben durch einen Boten nach ihrer Behausung bringen lassen mußte.

Ehe Gertrud übrigens an diesem Morgen nach dem hübschen Quartier an der Warschauer Chaussee zurückkehrle, hatte sie noch einen andern Weg zu machen. Dieser führte sie zu einem Steinbildhauer, mit dem die junge Dame eine längere Unterredung hatte. Erst als sie das gewünschte Re­sultat derselben erreicht, schritt sie, seltsam ernst geworden, ihrem Heim zu.

Die Bücher waren inzwischen bereits angelangt. Zu ihrer Freude aber hatte Egbert sich derselben sofort be­mächtigt.

Hier habe ich bereits die moderne Beantwortung der Fragen meines wißbegierigen Beamten!" rief der Recon- valeszent nun und hielt der Eintretenden einen umfangreichen Band entgegen.

So wollen wir sofort mit dem Lesen beginnen," ent­

gegnen Gertrud.Es wäre doch zu schön, wenn wir dem Oberinspektor noch heute antworten könnten."

Egbert nickte. Etwas wie wirkliches Interesse lag da­bei auf seinem marmorblasfen Gesicht.

Trudchen, Trudchen, Du wirst ihn doch noch wieder zu unserm alten energischen Egbert machen," jubelte Frau Schmieden, als Fräulein Gierfeldt sich im Entree ihres Hutes und Umhanges entledigte, nachdem die alte Dame an ihre Seite getreten war.

Gott gebe es," hauchte das Mädchen . . .

Von dieser Stunde an aber saßen die Jugendgefährten fast den größten Teil des Tages hinter ihren Büchern. Gertrud war immer die Vorleserin. Mit dem glühenden Wunsch, in dem Geliebten von neuem Interesse für die Land­wirtschaft zu wecken, die ihm noch vor einem Jahre so teuer gewesen, gewann sie selbst ein solches, und wußte nachher so anregende Gespräche einzuleiten über das, was sie gelesen, daß die Augen des jungen Mannes aufzuleuchten begannen. Seine Gesundheit machte dabei gewaltige Schritte vorwärts.

Eines Morgens meinte denn auch Doktor Becher zu der Stadträtin:Heute können Sie Ihren Herrn Sohn ge­trost ein wenig ins Freie führen. Es ist freilich inzwischen Winter geworden und der Tag ist sogar ziemlich kalt. Aber das schadet nichts, gnädige Frau."

Als Frau Schmieden darauf mit Egbert von der er­laubten Ausfahrt sprach, zeigte er sich wider Erwarten hoch­erfreut und plante selbst mit den Damen für die ersten Nach­mittagsstunden einen Ausflug nach dem sogenannten Bar- chauer Wäldchen.

Wie erstaunten seine Begleiterinnen, als er ihnen unter­wegs den Wunsch aussprach, in dem hübschen Vergnügungs­lokal zu rasten, wo sich auch im Winter die gute Gesellschaft von B. zu vereinigen Pflegte, um dort ihren Kaffee einzu­nehmen.

Natürlich willigten die Stadträtin und Gertrud nur

zu gern in den Wunsch ihres Pfleglings. Schon wenige Minuten später traten die drei in den nur schlichten Saal des zur Sommerzeit so hübschen Lokals. Derselbe war heute ganz besonders stark besucht. Aber sonderbarer Weise genierten die vielen Menschen Egbert durchaus nicht. Im Gegenteil, sie interessierten ihn sogar. Bald begann er wieder von den Studien zu sprechen und sagte jetzt selbst, indem er einen langen dankbaren Blick in das Gesicht Ger­trud Gierfeldts warf:

Ich meine, es ist ein Segen für mich, daß, Sie mich in die Arbeit gerissen, Fräulein Trudchen." Dabei lachte er und seit langem, langem hatte dieses Lachen etwas Frisches, Natürliches.

Trotz der Leute um sie herum reichte Gertrud ihm die Hand.Ach," entgegnete sie dann und sah fast schön in diesem Augenblick aus.Sie wissen nicht, Herr Egbert, wie glücklich mich Ihre Worte machen!"

Deine alte Mutter erfreuen sie ebenfalls mehr, als sie Dir sagen kann," flüsterte nun auch die Frau Stadtrat. Und sich zu dem Sohne hinüberbeugend, setzte sie hrnzu: Du bist seit Wochen immer nur mein Schmerzenskind ge- wesen, Egbert I In dieser Stunde aber hoffe ich !"

Er unterbrach sie. Ein sonderbares Leuchten ging durch feinen Blick, als er sagte:Daß ich nun doch noch die alte frische, kraftvolle Männlichkeit von früher zurück­erlange. Ziemlich spät freilich, aber man sagt ja: daS Gute ließe nie zu lange auf sich warten."

Nein, nie zu lange," sagten beide Damen.

Dann aber wußte Gertrud dem Gespräch eine andere Richtung zu geben. Wenn sich dasselbe hernach aber auch zu ihrem Schrecken der Zeit zuwendete, in der Egbert Bräutigam gewesen, so blieb der junge Gutsbesitzer doch vollkommen ruhig. Und kein Wort kam über seine Lippen, welches im Zusammen­hang mit der Bedauernswerten stand, um die sich doch seit Monaten alle seine Gedanken gedreht. (Schl, f.)