leleplum Xr. 11.

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Sonntag, 22. März

Bekanntmachungen aller Art finden die erfolg­reichste Verbreitung.

1903.

ff Die Verantwortlichkeit gegenüber der Familie.

(Nachdruck verboten.)

Zu den unerfreulichsten Zeiterscheinungen gehören die Familien-Dramen/' wie sie schlechthin im Zeitungsstil ge­nannt werden, eine ungeheure Fülle von Jammer, Elend, Not und Verzweiflung faßt sich in den wenigen Worten zusammen. Und es braucht gar nicht einmal um das Allerärgste, um ein Verbrechen gegen das Leben von Familienangehörigen sich zu handeln, um zu begreifen, welche traurigen Wochen, Monate, vielleicht Jahre über Frau und Kinder durch den Leichtsinn, die Trägheit, die Brutalität des Mannes und Vaters herbeigeführt wurden. Wohl ist zu konstatieren, daß nicht immer die Schuld auf einer Seite liegt, schon wer weiß wie viel Familienglück ist durch eine wenig tüchtige und allzu lebenslustige Frau ver­nichtet worden, es ist auch ausdrücklich zu betonen, daß solche Störungen, welche ein Zerreißen der heiligen Familien­bande herbeiführen, nicht etwa blos resp. vornehmlich in den breiten Volkskreisen Vorkommen, sie finden sich allent­halben, aber wir müssen doch daran festhalten, daß die Verantwortlichkeit des Mannes gegenüber der Familie eine besonders wichtige Notwendigkeit, einen ganz hervorragenden Faktor für alles gesellschaftliche und staatliche Leben bildet, daß eine gedeihliche Förderung des Volkswohles sich unbe­dingt hierauf stützen muß. So klar das ist, ebensowenig ist aber zu bestreiten, daß diese Verantwortlichkeit gelitten hat, vielleicht nicht so viel, wie in romanischen Ländern, immerhin aber doch in einem Maße, daß von einer größeren oder geringeren Gleichgiltigkeit diesem Zustande gegenüber ^ nicht mehr die Rede sein kann. Die schwersten Familien-

Katastrophen wiederholen sich mit einer Häufigkeit, die Ent- > setzen zu erwecken geeignet ist, und es ist das traurige, daß

das Bekanntwerden von solchen Vorkommnissen, die leicht buchstäblich Trauer- und Schauer-Geschichten genannt werden können, zu immer neuen Ereignissen ähnlicher Art Veranlassung giebt.

Eine schwere Strafe für Brutalität und Mißhand­lungen der Familienglieder, Vorbeugungs-Maßnahmen gegen ein böswilliges Verlassen allein thun es noch nicht, sie vermögen noch nicht, ein wirkliches und dauerndes Eheglück zu garantieren. Und bevor das Schlimmste oder ein voller, deutlicher Bruch erfolgt, sind schon lange oft Monate eines wahren Martyriums vorausgegangen, die zu einem Ein­schreiten von Gesetzeswegen nie einen Anlaß bieten. Es ist eine alte Sache, daß die Neigung, welche zur Ehe­schließung führt, später nur zu oft erkaltet und in Gleich­giltigkeit übergeht, aber was viel zu wenig beachtet wird, ist die Thatsache, daß später auch die gegenseitige Menschen- Achtung sich verliert. Und damit schwindet das Gefühl der Verantwortlichkeit, das letzte bleibt dieunglückliche Ehe", die so manches verlorene Menschenleben auf dem Gewissen hat. Und was das Aergste ist, das ist die That­sache, daß in Gegenwart eines solchen leidigen Verhältnisses zwischen Vater und Mutter meist auch die Kinder jene Em­pfindungen und Gedanken in sich aufnehmen, welche ihr eigenes Leben unerfreulich gestalten.

Es ist nickt zu bestreiten, daß die Leichtlebigkeit, die veränderliche Gesinnung und die Vergnügungssucht unserer Tage, ebenso aber auch der schwere Druck der Zeit, die oft recht schwierige Erhaltung der Existenz sehr viel dazu bei­tragen, solches bedauerliche Vergessen der Verantwortlichkeit gegenüber der Familie herbcizuführen. Naturgemäß kann bei solchen erschwerenden Lebens-Verhältnissen die gegen­seitige Achtung der Ehegatten am schnellsten schwinden, und darum gilt für Alle, welche sich nicht ganz charakterfest fühlen, heute mehr als je das Wort unseres großen National­dichters :Drum prüfe, was sich ewig bindet!" Junge Leute haben zu dieser Selbstprüfung die höchste Neigung nicht immer, darum müssen für sie die Eltern mit strenger Gewissenhaftigkeit eintreten. Auch dem bescheidensten Manne, der schlichtesten Muttter wohnt eine Stimme in der Brust, die recht rät! Niemand braucht hart zu sein, aber gerade die Liebe zu den Kindern soll sie veranlassen, alles zu chun, für deren Lebensglück zu sorgen. Die krausen Zeit- ^deen, die vom geistigen Verständnis junger Leute, vonFür- emander-Geschaffen-Sein" und dergleichen Redensarten, wollen wenig oder gar nichts bedeuten; so lange auf Kosten des vaterlnhen Geldbeutels gelebt wird, steht sich alles vor- der Ernst des Lebens zeigt sich in unge­schminkter Herbheit, wenn es heißt: Nun leiste selbständig! ...P. unmöglich, immer das Rechte zu treffen, aber alle elnftchtlgen Ellern werden ein Mittel finden, davon sich zu überzeugen, wohin das Lebensschifflein steuern will, dem sie thr Kind anvertrauen wollen.

Es ist ganz erklärlich, wenn Eltern, namentlich Mütter,

darauf bedacht sind, ihre Töchter baldigst zu verheiraten, und man weiß, daß einsichtige Väter oft von Frau und Kind überstimmt und zur Hergabe ihrer Einwilligung ver­anlaßt werden. Die etwaigen Bedenken werden mit dem Gedanken beseitigt: Es wird schon gehen, und vorläufig leben die Eltern ja auch noch manches Jahr! Aber wie oft erfüllen sich die Hoffnungen nicht, und dann mißt ein Teil dem anderen die Schuld an dem Zerwürfnis bei! Nirgendwo in der Welt steht die Familie in so hohem An­sehen, wie bei uns, werden die Segnungen so gepriesen; aber deshalb sollen wir auch alles aufbieten, zu verhindern, daß derZug der Zeit" hier nicht Verheerungen anrichtet. Was vornehmlich von großen Städten aus grelle Streif­lichter auf das Volksleben wirft, verdient doch die Beachtung der ganzen Nation.

Tagespolitik.

Wer bei uns als Lehrer von amerikanischen Verhält­nissen zu lesen bekommt, wo Progymnasiallehrer 12000 M. beziehen, den mag folgendes Geschichtchen wieder zur Zu­friedenheit stimmen. Reuben Pitts, der Leiter der Juman High School (Progymnasium) in der Nähe von Spartan- buru, einem Baumwoll-Fabrikstädtchen Südkarolinas, hatte Schwierigkeiten mit der Disziplin und hielt vier Schüler im Alter von siebzehn Jahren im Arrest zurück. Die Unbot­mäßigkeit der Schüler war derart, daß Pitts beschloß, den Stock zu Hilfe zu nehmen, und er brachte daher einen der Schuldigen, namens Foster, auf sein Rektoratszimmer, das er hinter sich verschloß. Als er aber das gesunde Hickory- Holz aufmessen wollte, setzte sich der Bursche zur Wehr, seine Kameraden eilten herbei, brachen die Thür auf und fielen über den Professor Pitts her. Dieser zog seinen Re­volver und schoß Foster tot. Jetzt sitzt Pitts in Unter­suchungshaft und verteidigt sich damit, er habe den Revolver nur vor sich gehalten und Foster habe ihn ihm aus der Hand zu schlagen versucht, wobei die Waffe losgegan- gen sei. * *

So zäh wie diesmal hat sich der Reichstag noch nie gezeigt. Von den für die Flotte geforderten Geldern wur­den fast 13 Millionen gestrichen, von den Ausgaben für das Heer 8^/2 Millionen. Mit dem, was noch bei andern Ka­piteln dem Rotstift verfiel, sind Forderungen und Bewillig­ungen insgesamt um 22 Millionen beseitigt worden.

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Wenn einmal der alte Kaiser Franz Josef die Augen geschlossen haben wird, dann wird der österreichische Kaiftr- staat zerfallen. Das ist eine weitverbreitete Anschauung. Wenn der Zerfall auch so bald nicht erfolgen wird, so steht doch fest, daß die Verhältnisse mit Macht auf ihn hindrängen. Weder Tschechen, noch Magyaren, noch Kroaten, und wie die interessanten Völkerstämme alle heißen, wollen sich mehr unter ein gemeinsames Regiment stellen. Sie haben alle den Größenwahn und wollen selbständige Völker und Reiche fein. Je unkultivierter diese Gesellschaft ist, desto fanatischer ist sie in ihrer Wühlerei. Man kennt die brutale Aufsäßig- keit der Tschechen, die Magyaren benehmen sich nicht anders. Gegenwärtig tobt wieder ein heftiger Kampf zwischen Ungarn und Oesterreich. Letzterer Staat trägt zu dem gemeinsamen Heere 212 Millionen Kronen jährlich bei, Ungarn aber nur 94 Millionen oder nur 31 Prozent. Würde man die Bei­tragskosten nach der Ziffer der Bevökkerung und der einge­stellten Mannschaften berechnen, so hätte Oesterreich nicht 212, sondern nur 178 Millionen, Ungarn dagegen nicht 94, sondern 129 Millionen zu bezahlen. Trotzdem sind die Ungarn nicht zufrieden. Unaufhörlich sind sie bestrebt, die Bande zu lockern, welche die Wehrkraft Ungarns an die Ge­samtmonarchie knüpfen. Ihre Bestrebungen haben, nament­lich in nebensächlichen Dingen, schon mehrfachen Erfolg ge­habt. Gegenwärtig sind es insbesondere zwei Forderungen, die von der ungarischen Opposition gestellt werden: erstlich sollen die gemeinsamen Feldzeichen, die österreichischen Farben, der Doppeladler, die Volkshymne und dergl., aus dem un­garischen Teile der Armee entfernt werden; zweitens sollen die Offiziere ungarischer Herkunft nicht mehr in anderen Teilen des Gesamtreiches, sondern nur noch in Ungarn ver­wendet werden dürfen. Werden diese Forderungen genehmigt, dann will die Opposition ihren Kampf aufgeben und die Wehrvorlage mit der erhöhten Präsenzziffer und die übrigen Lasten bewilligen. Es liegt auf der Hand, daß die Be­willigung der Forderungen ein bedeutender Schritt zur Selbständigmachung der ungarischen Wehrkraft wäre. Es wäre nur eine Frage der Zeit, daß dann auch die gemein­same deutsche Kommandosprache fallen müßte. Welchen Ein­fluß dies auf den Fall des notwendigen Zusammenwirkens österreichischer und ungarischer Streitkräfte haben müßte, das

kann man sich schon denken; sind doch bereits unter den jetzigen Verhältnissen bei den Manövern Dinge vorgekommen die den Heerführern der Monarchie schwere Sorgen machen.' In Oesterreich ist man natürlich nicht gewillt, auf die un­garischen Forderungen einzugehen. Kaiser Franz Josef sagte, eher werde er abdanken als nachgeben.

*

(Die Streikgesetze.) Der Bericht der Abteilungen der 2 Kammern im Haag, welcher sich mit Maßregeln zur Verhütung der Ausstände beschäftigt, ist erschienen. Darnach hat die Mehrheit sich mit den zur Unterdrückung von Aus­ständen von der Regierung vorgeschlagenen Maßregeln ein­verstanden und bereit erklärt, für die Errichtung einer militärischen Eisenbahnbrigade zu stimmen. Die staatliche Untersuchung zur Prüfung der Beschwerden des Personals wurde gutgeheißen. Die im Gesetzentwurf vorgeschlagenen Strafbestimmungen für den Fall eines Ausstandes fanden bei einer Anzahl der Kommisfiousmitglieder Zustimmung, ein Teil verhielt sich ablehnend.

^Deutscher Weichstag.

* Merlin, 19. März. Etat des auswärtigen Amtes. Abg. Frhr. 0 . Hertling (Ctr.) bespricht in wohlwollender Weise die Erledigung der Benezuelaaffäre, und interpelliert den Reichs­kanzler über die Bedeutung der Erneuerung des Dreibundes und geht auf das mazedonische Reformprogramm ein, das er nicht so gering schätzen könne, wie dieFrankfurter Zeitung". Reichs­kanzler Graf Bülow: Bei der Blockade in Venezuela handelt cs sich um einen einzelnen Fall, in dem wir das Ansehen deS Deutschen Reiches gegenüber einem ungewöhn­lich säumigen Schuldner zu wehren hatten. Ich werde nicht etwa in Zukunft bei allen gewagten Geschäften, die Deutsche im Auslande machen, den Exekutor zu spielen, mich für ver­pflichtet halten. Die ausländische Presse hat über die Ab­sichten Deutschlands in Südamerika die unsinnigsten Ge­rüchte verbreitet. Unsere Beziehungen zu England und ! Amerika sind aber trotz dieser Gerüchte ungeschädigt aus der Venezuela-Affäre hervorgegangen. Die Erneuerung des Dreibundes beweist, daß der Dreibund nicht auf vorüber­gehender Constellation beruht, sondern auf dauernden Inte­ressen und Bedürfnissen der drei Mächte. Der Dreibund legt der inneren und äußeren Entwickelung der Vertrags­staaten keine anderen Schranken auf, als durch die Rücksicht auf die Aufrechterhaltung des status gno geboten sind. Dadurch unterscheidet sich der Dreibund von allen früheren Bedürfnisverträgen. Bei seiner Erneuerung habe ich mich von vornherein davon leiten lassen, daß die Frage nicht mit handelspolitischen oder zollpolitischen Fragen verknüpft werden dürfe. (Beifall rechts.) Zollpolitische Zugeständ­nisse habe ich vor der Erneuerung des Bundes in keiner Weise gemacht. Die vielbesprochene Aeußerung des fran­zösischen Ministers Delcasse über den Charakter des Drei­bundes kann ich nur so auffasfen, daß der Minister dadurch den devensiven Charakter des Bündnisses hat hervorheben wollen. In der Türkei erstreben wir keinen besonderen und direkten Einfluß an, wir treiben keine aktive Orientpvlitik. (Beifall.) Was Mazedonien anbelangt, so stehen wir jeder Maßnahme sympathisch gegenüber, welche auf thatsächliche Besserung der dortigen Zustände hinzielt, ohne den Frieden zu gefährden. Dieser Voraussetzung scheint mir das maze­donische Reformprogramm in glücklichster Weise zu ent­sprechen. Abg. Haase (natl.) meint, daß die deutsche Re­gierung von Venezuela eine weitere Sühne hätte verlangen müssen und wendet sich in scharfen Ausführungen gegen die Magyarisierungspolitik in Ungarn. Abg. Dr. Oertel (kons.) bedauert die Erklärung des Freiherrn Speck von Sternburg gegenüber amerikanischen Journalisten. Reichs­kanzler Graf Bülow: Ich weiß nicht, was der Abg. Hasse mit seinerweiteren" Sühne meint. An dem chinesischen Sühneprinzen habe ich gerade genug. (Heiterkeit.) Der Freiherr von Sternburg hat die ihm zugeschriebenen Aeußer- ungen nicht gethan. Speziell hat er nicht Ansichten des Fürsten Bismarck als antiquiert bezeichnet. UebrigenS hat Fürst Bismarck durchaus nicht allgemein den Satz vertreten, daß deutsche Diplomaten keine Ausländerinnen heiraten dürfen. Schwer bedauern muß ich die Aeußerungen des Abg. Hasse über Ungarn. Wenn die Stellung der Deutschen in Ungarn eine ungünstige ist, so können wir das beklagen, wir können aber in keinem Falle für unsere Volksgenossen in anderen Staaten intervenieren. Diesen Standpunkt hat schon Fürst Bismarck vertreten. Der Reichskanzler belegt das an zwei Erlassen Bismarcks, in denen diese Anschauung ausdrücklich ausgesprochen ist. Abg. Gradnauer (Soz.) kritisiert die Weltpolitik des Reichskanzlers, fordert zur Sparsamkeit bei Telegrammen auf und wirft der Regierung Unterwürfigkeit gegenüber Rußland vor.