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Samstag, 13. Jebrrrar

Bekanntmachungen aller Art finden die erfolg­reichste Verbreitung.

Einrück- ungspreiS f. Wensteig und nahe Umgebung bei einm. Einrückung 8 bei mehrmal. je 6 ^ auswärts je 8 die lspaLZeile

1897.

^ Kreta.

In den letzten Wochen hatten sich die Dinge im Orient verhältnismäßig ruhig entwickelt, so daß man Hoffnung schöpfen konnte, nach und nach würden in den Balkanländern und in Kleinasien wieder normale Zu­stände zur Herrschaft gelangen. Seit acht Tagen aber ist ein starker Rückschlag eingetreten. Die Insel Kreta, von jeher eine Brandstätte, am der das Feuer unter der Asche fortglühte, ist neuerdings der Schauplatz des Aufruhrs und Mordes geworden. Die für die Insel festgesetzten Reformen sagten den dort wohnenden Musel­mannen nicht zu, weil sie der bisherigen Bogelfreiheit der christlichen Bevölkerung ein Ziel setzten.

In den letzten Tagen des Januar wurden zwei Christen in der Umgebung von Kanea erschlagen, und bald standen Mohammedaner und Griechen in wilder Feindseligkeit gegen einander. Griechische Dörfer wurden von Türken, türkische von Griechen blockiert, den Truppen, welche eingreifen wollten, wurde mit Flintenschüssen geantwortet und nur mit Mühe gelang es dem englischen Konsul, Truppen und Volk auseinanderzuhalten. Seit­dem aber hat trotzdem der Aufruhr immer weiter um sich gegriffen. Kanea ging zum Teil in Flammen auf, in den Straßen wird zwischen Mohammedanern und Christen unausgesetzt gekämpft, das Palais des Gou­verneurs in Rethymo ist umzingelt, und zu Hunderten drängen sich die Flüchtlinge nach den europäischen Kriegsschiffen, um auf denselben Schutz zu finden.

Die Ereignisse beweisen, daß die Pforte nicht den Willen und vor allem offenbar nicht die Kraft hat, die Reformen auf Kreta d urchzuführen. Umsonst waren die Bemühungen der europäischen Mächte, umsonst die monatlangen Unterhandlungen ihrer Diplomaten. Um­sonst scheint sogar die jüngst gemeldete Drohung Murawiewffs verhallt zu sein, der bekanntlich bei einer Unterredung mit dem türkischen Botschafter in Paris demselben die unbedingte Notwendigkeit der Annahme der Reformen auseinandergesetzt und ihm versichert haben soll, daß der Sultan, falls er sich widersetze, persönlich zur Verantwortung gezogen werden solle, und der auf eine Anfrage des Botschafters hin zugestimmt haben soll, daß dieser seine Aeußerung als Meinung der russischen Regierung nach Konstantinopel telegra­phieren könne.

Die türkische Auffassung, daß eigentlich die Mächte, die im Vorjahr sich behufs Ordnung der Dinge auf Kreta der Pforte aufdrängt'en, nun auch einschreiten müssen, ist freilich nicht sehr von dem Bewußtsein staat­licher Hoheit durchdrungen, aber unberechtigt ist sie nicht. Und das um so mehr, als die jetzigen Unruhen nicht der Versagung der Reformen entspringen, sondern so auffällig mit dem Beginn der Einführung der Refor­men zusammentreffen, daß man geradezu den Versuch der Einführung als Ursache der Unruhen betrachten darf.

Angesichts der Ereignisse auf Kreta wäre ein energisches, geschloffenes Vorgehen der Mächte in Konstantinopel dringend geboten. Allein die Aussichten auf ein solches sind im Hinblick auf den neu ent­brennenden Streit über die ägyptische Frage recht gering. Der englische Schatzkanzler hat in der Rede, mit der er dem Parlamente die Kredite für die Dongola- Expedition vorlegte, über Frankreichs Drängen nach Räumung Aegyptens durch die englischen Truppen scharfe Aeußerungen fallen und in ziemlich unverblümter Form durchblicken lassen, daß England unter Außer­achtlassung aller Proteste auf seinem, wie man sagen muß, mit Erfolg beschrittenen Wege bleiben wird. Daß solche Ausführungen von der französichen Presse sehr ungnädig ausgenommen worden sind, kann nicht wunder nehmen, und man muß lebhaften Auseinandersetzungen zwischen den beiden Regierungen entgegensetzen.

Natürlich wird dadurch die Thatkraft beider Länder in der Kreta-Angelegenheit lahmgelegt. Die Dreibunds­mächte aber haben kein erhebliches Interesse an Kreta; sie wünschen blos, daß dortRuhe" herrsche oder aber, daß wenigstens der Kessel nicht überbrodele, sondern die Kreter imeigenen Fett schmoren."

Deutscher Reichstag.

* Berlin, 10. Februar. Fortsetzung der ersten Beratung des Handelsgesetzbuches. Abg. Basser­mann (natl.) erklärt, seine politischen Freunde be­grüßten den Entwurf als einen Fortschritt der Weiterentwickelung des deutschen Reichs. Der deutsche Handelstag, der Anwaltstag und die Litteratur hätten sich in diesem Sinne ausgesprochen. Die Einreihung der Bauunternehmer unter die Kaufleute entspreche dem Bedürfnis der Praxis und sie sei ein wesentlicher Fortschritt. Stadthagen (Soz.) bemerkt, das Gesetz schließe sich den wirtschaftlichen Verhältnissen an, aber es nehme zu sehr auf die Interessen des Kapitals Rücksicht. Selbstverständlich seien die Neben­gewerbe der Landwirtschaft als kaufmännische Betriebe anzusehen. Der Schutz der Handlungsgehilfen im Gesetz sei nicht ausreichend. Die Konkurrenzklausel müsse ganz entfernt werden. Nach weiteren Be­merkungen der Abgg. Werde ck, Lenzmann und Beckh wird die Vorlage an eine Kommission von 21 Mitgliedern überwiesen. Es folgt die Beratung über die Ausdehnung der Unfallversicherung auf die Strafgefangenen. Stumm referiert über die Kommissionsberatung. Die Kommission habe das Be­dürfnis der Ausdehnung der Versicherung auf Straf­gefangene anerkannt und beantrage die Annahme einer Resolution. Die Regierung hatte dieselbe für unan­nehmbar bezeichnet. Ein besonderer Gesetzentwurf wurde im Ministerium ausgearbeitet, doch wurde die Sache nicht weiter verfolgt.Vielhabcn (Antis.) ist gegen die Resolution, es liege eine Versicherung von Krüppeln aus dem letzten Krieg viel näher. Frhr. v. Herking (Zentr.) stimmt für die Re­solution, es liege kein Grund vor, die Strafe der Gefangenen durch die Verweigerung der Versicherung noch zu verschärfen. Staatssekretär Dr. v. Böt­ticher erklärt, die Fürsorge für die Strafgefangenen stehe auf dem sozialpolitischen Programm, welches im Ministerium des Innern ausgearbeitet sei. Es wurden eingehende Berichte von den Strafanstalten eingefordert, worauf jedoch von einer weiteren Verfolgung der Sache abgesehen wurde. Im Falle der Annahme der Resolution werde indessen die Regierung alles thun, der Sache Fortgang zu verschaffen, sie können jedoch bei der Schwierigkeit der Materie bestimmte Ver­sprechungen nicht machen. Müller-Waldeck er­klärt, der Abg. Vielhaben habe nicht im Namen der Fraktion gesprochen. Die Resolution wird fast ein­stimmig angenommen.

Larrdesrrachrichten.

Z Stuttgart, 11 . Febr. Heute tagte im hies. Bürgermuseum eine Versammlung der hiesigen Volks­partei. Den Vorsitz führte Herr Kleß, das Referat hatte Landtagsabg. Friedrich Haußmann übernommen. Die Volkspartei, führt Redner aus, befinde sich jetzt in der Frage der Verfassungsreform, in der Lage eines Jungschmieds, der lange genug das kalte Eisen gehämmert und sich nun, da es erwärmt, sich des Spruches erinnert, man solle das Eisen schmieden, so­lange es warm ist. Wir Stuttgarter haben nicht nur ein allgemeines Interesse an dem Zustandekommen der Revision, sondern auch das Bewußtsein einer berech­tigten Forderung. Auch der Ministerpräsident habe sich dahin geäußert, Stuttgart müsse eine stärkere Vertretung haben; die Regierung hat einen diesbezüg­lichen Reform-Entwurf an die Abgeordneten gelangen lassen, damit auch dem Bürger Gelegenheit gegeben werde, die Sache zu erwägen. In dem Entwurf ist die Entfernung der Privilegierten aus der zweiten Kammer und Ersatz derselben durch Konservative vor­geschlagen. Die Volkspartei wolle davon nichts wissen; sie verlange eine Revision, durch welche Geburt und Stand, zum mindesten aber die Pri­vilegierten (Ritter und Prälaten) beseitigt würden. Im Gegensatz zu den Privilegierten soll jetzt durch

direktes geheimes Wahlrecht gewählt werden, die Zu­wahl durch Listenwahl geschehen. Das System der proportionalen Listenwahl ist sehr einfach. Wenn 5 Abgeordnete zu wählen sind entfällt auf die Partei, die ^ 5 der Stimmen hat, 1 Abgeordneter, mit ^/z 2 Abgeordnete u. s. w. Nur die für die auszu­scheidenden Privilegierten Gewählten sollen aus der Proportionswahl hervorgehen, die 70 oder 72 anderen Abgeordneten bleiben wie bisher gewählt. Daß der Parteieinfluß bei den Listenwahlen ein zu großer sei, ist eine Heuchelei der Gegner, denn die Partei wird schon aus Klugheit nicht lauter extreme Parteiler wäh­len. Wenn wir uns auf den Standpunkt der Sozial­demokratie und ihres Abgeordneten Cloß stellen würden, die sagen, entweder Proporz durchs ganze Land, oder lauter Bezirkswahlen, dann würde überhaupt keine Verfassungsreform zu Stande kommen. Sollte je die Reform scheitern und man würde hinausziehen in den Donau-, Jagst-, Neckar- und Schwarzwaldkreis und fragen: Wollt ihr, daß die Ritter und Prälaten weichen und Volksvertreter an deren Stelle treten? ein tausendfachesJa" würde Ihnen entgegentönen. Lauter Beifall lohnt den Redner. Ein Nichtmitglied der Partei, ein früherer Zahlmeister-Aspirant Bichler, er­greift nunmehr das Wort und sucht Hrn. Friedrich Haußmann zu widerlegen; seine Worte erregen jedoch nur allgemeine Heiterkeit. Unter allgemeinem Bravo ergreift alsdann Hr. Abgeordneter Payer das Wort, um Bichler zu widerlegen, hauptsächlich aber einer falschen Auslegung der gegnerischen Presse fion An­fang an zu begegnen. Zum Schluffe sagt er noch, die Volkspartei habe fertig gebracht, was keiner Par­tei gelungen, sie habe Geduld gehabt und nun werden von der Regierung die Versprechen eingelöst werden, die Verfassungsrevision und die Abschaffung der Lebens- länglichkeit. Die Volkspartei habe ihren Standpunkt nie verleugnet. Es wird einstimmig eine Resolution angenommen, welche die Stellung der Volkspartei für das direkte allgemeine Wahlrecht darthut.

* Marbach, 9. Febr. In der Murr wäre gestern ein lOjähriger Knabe, der beim Bahnübergang in die hochgehende Murr gestürzt war, beinahe ertrunken, wenn nicht sein 8 jähriger Bruder die Geistesgegenwart gehabt hätte, am Bahndamm hinabzueilen und in die Murr so weit zu waten, bis er dem Bruder die Hand reichen und ihn herausziehen konnte.

* (Feiles Kind.) In Bückingen starb kürz­lich die Frau eines armen Schirmflickers und hinter­ließ ihrem Manne acht unerzogene Kinder, darunter ecn neugeborenes Töchterchen, welches nach dem Tode der Mutter dem armen Schirmflicker doppelt entbehr­lich schien. Letzten Samstag nun packten die älteren Schwestern das Kindlein in einen Korb und gingen damit nach Heilbronn, wo sie ihr Schwesterchen, von Haus zu Haus ziehend, zum Geschenk anboten. Weil aber für das seltene Geschenk gedankt wurde, brachten sie es abends ihrem Vater wieder n-ch Hause.

* Sigmaringen, 9. Febr. (Die vermißte Wertsendung.) Die auf Wiedererlangung der in Sigmaringen am 3. Febr. verloren gegangenen Sen­dung mit 40 000 Mk. Wertangabe ousgesetzte Beloh­nung von 500 Mk. ist auf 1000 Mk. erhöht worden. Die Annahme, daß das Wertstück in das bis an den Bahndamm reichende Hochwasser geraten sein und beim Zurücktreten des Wassers wieder zum Vorschein kommen könnte, besteht fort.

* (Verschiedenes.) Brunnenmacher Spieß er­schlug am Mittwoch mittag im Streit seinen Arbeiter mit einem Beilhiebe. Die Strafkammer in Rott­weil verurteilte den Friseurgehilfen Wilhelm Betz von Ludwigsburg wegen Betrugs und versuchter Erpressung zu 6 Monaten Gefängnis. In der Nähe von Auingen wurde ein bedeutendes Lager von Zement­mergel entdeckt. Das zu Tage geförderte Material kommt dem besten gleich, welches in der Nähe von Ehingen und Allmendingen gewonnen?wird. Aus Heilbronn berichtet dieNeckarztg." von einem