hintern Seite das Jahr der Verleihung des Fahnenbandes zeigt.
Die Fahnenbänder sind nach Zeichnungen des Professors von Kurtz am Königlichen Polytechnikum ausgesührt, wobei die reichen Stickereien von den Fräulein Sophie und Mathilde Hummel, die übrigen Arbeiten von dem Hoflieferanten Fernand u. Hofgürtler Stähle gefertigt wurden.
Stuttgart, 29. Nov. Die beiden Verwundeten, Hetlbronner und Oettinger, befinden sich auch heute verhältnißmäßig befriedigend. Für Hrn. Oettinger scheint die Gefahr jedoch noch immer nicht vorüber zu sein, während bet Hrn. Heilbronner ziemlich sicher auf Genesung gerechnet wird.
Cannstatt. 27. Nov. Vom Samstag bis Montag wurden hier nach der „Cannstatter Zeitung" nicht weniger als 14 Personen verhaftet.
Mün singen, 28. Nov. Die Vermuthung, daß Ezechiel Oßwald von Granhetm, welcher sich in den letzten Tagen dort erschossen hat, einer der Seeburger Raubmörder gewesen ist, hat sich nicht bestätigt, indem erhoben wurde, daß Oßwald zur Zeit der That in Herbertingen gewesen ist.
Das Stadtschultheißenamt Metzingen hat angeordnet, daß Handwerksbursche, welche daselbst Naturalverpflegung in Anspruch nehmen wollen, vorher sich einer angemessenen Arbeit, die gegenwärtig in Steinklopfen auf dem Lindenplatze besteht, zu unterziehen haben. Von dieser Leistung sind solche Handwerksgehilfen befreit, welche ein ordentliches Arbeitsbuch besitzen und anständig sich auMhren.
(Unglücksfälle und Verbrechen.) In Dethlingen (Kirchheim u. T.) fiel der mit Holzumladen beschäftigte Zimmermann Essig so unglücklich vom Wagen, daß er das Genick brach und bald darauf seinen Geist aufgab. — Vor mehreren Tagen zündete ein junger Bursche von Bergfel den eine an der Vöhringer Straße gelegene mit Heu gefüllte Feime an. Glücklicherweise bemerkte ein des Wegs kommender Mann das frevelhafte Beginnen des Burschen und es gelang ihm mit vieler Mühe, das auflodernde Feuer zu dämpfen. Das Bubenstück soll ein Racheakt sein.
Deutsches Reich.
Karlsruhe, 27. Nov. In unserem Lande grasflrt z. Zt. das Verhaftungsfieber, veranlaßt durch die traurigen Ereignisse in Stuttgart und Straßburg. Da die Polizei in Pforzheim einen glücklichen Griff gethan hat, so fanden auch in Bruchsal und hier Verhaftungen statt, bei denen es sich aber zeigte, daß Ueber- eifer, veranlaßt durch die ausgesetzten Belohnungen, die Ursache war. Es liegt zweifellos etwas Unheimliches darin, daß die Entdeckung von so verwegenen Verbrechern so lange auf sich warten läßt. Es ist eine alte Krtminalisten- erfahrung, daß, wenn die ersten vier Wochen keine Entdeckung bringen, dieselbe immer schwie
riger wird, und dann der Zufall oder das Gewissen mehr tbun können, als die angestrengteste Thätigkeit der Polizei.
Aus Baden, 27. Nov. Die finanzielle Seite der Unglücksfälle von Heidelberg und Hugstetten stellt sich auch in bestimmten gewichtigen Zahlen dar. Während nämlich früher, d. h. bis zum August ds. Jahres die aus der Haftpflicht der Eisenbahnen herrührenden Leibrenteu- verträge den Jahresbetrag von rund 31000 M. darstellten, waren inzwischen hauptsächlich auf Grund jener beiden Ereignisse weitere Verpflichtungen im Betrag von beiläufig 19000 Mrk. übernommen und standen ferner solche im Betrag von beiläufig 49 000 Mrk. zu erwarten. Unter Berücksichtigung der üblichen -neuen Zuschläge, sowie der anderseits regelmäßig eintretenden Verminderung (5 Prozent) wird der neue Budgetsatz für die aus der Haftpflicht entstehenden Entschädigungen auf 115000 M. eingestellt, während er zuvor nur rund 39 500 M. betrug. Die endgiltig geleisteten Abfindungen in einmaligen festen Summen find dabei nicht berücksichtigt.
— Dem Vernehmen nach ist ein Gesetz in Vorbereitung, dahingehend: die Auswanderer vor dem Verlassen ihres Vaterlandes zur Erfüllungzweifellos bestehender öffentlicher und privatrechtlicher Verpflichtungen, insbesondere der aus dem Gemetndeverbande, der Famtlienange- hörigkeit, dem Dienst- oder Arbeitsvertrags- Verhältniß sich ergebenden Verbindlichkeiten anzuhalten.
— Der Reichstag soll im Februar einbe- rufen werden; dieser etwas späte Termin konnte nur mit Rücksicht darauf gewählt werden, daß der nächstjährige Etat bereits im Sommer vom Reichstage berathen und angenommen worden ist.
— Deutschland wird dem Vernehmen nach im Frühjahr drei Geschwader auf 5 Monate in Dienst stellen. Als schwere Division vier Panzerkorvetten und ein Aviso, als leichte vier Panzerkanonenboote und ein Aviso, und 6 Torpedoboote als Torpedodiviston.
— Der demokratische Abg. Dr. Stern (Frankfurt) hat im preuß. Abgeordnetenhause den Antrag eingebracht, die Regierung zu ersuchen, noch in dieser Legislaturperiode Gesetzentwürfe vorzulegen, durch welche die öffentliche Stimmabgabe bei Wahlen zum Landtag und zu Communalvertretungen beseitigt und durch geheime Stimmabgabe mittelst Stimmzettels in amtlich gelieferten Couverts ersetzt werde. Der Antrag wird von der Fortschrittspartei unterstützt.
Seitens der Kaiser!. Polizeidirektion in Stratzburg ist unter dem 25. d. M. folgendes Ausschreiben ergangen: Am 22. l. M. zeigten sich zu Colmar drei des Stuttgarter Raubmordes dringend verdächtige Individuen im Alter von 24 bis 28 Jahren. (Folgt die Personalbeschreibung.) Am Abend des 23. d. M. frugen sie nach dem nächsten Zug von Colmar nach Straßburg. Der erste hatte schon am
10. ds. Mts. in Gesellschaft von Schaal aus Türkheim, Geometer, in Colmar in gemeinsamem Gasthause verkehrt. Der Zusammenhang dieser Leute auch mit dem hier vom 22. auf den 23. v. M. verübten Verbrechen ist sehr wohl möglich. Es wird um schleunige Recherchen, namentlich in Wirthschasten, bei Dirnen, auch Kleiderhändlern, an den Bahnzügen und den Grenz,rationen, eventuell um Anhaltung und Drahtnachricht ergebenst ersucht. Größte Vorsicht ist geboten, da die Stuttgarter Mörder bewaffnet und zum Widerstande entschlossen sind. Auf die Entdeckung der Verbrecher von hier sind 1000 M. und der von Stuttgart 1500 M. Belohnung ausgesetzt.
Ausland.
Wien, 28. Nov. Großes Aufsehen erregt die Verhaftung des ehemaligen Innsbrucker Universttätsdozenten Dr. Neminar, welcher viel in hocharistokratischen Kreisen verkehrte und jüngst Chefadministrator des hiesigen Antisemitenblattes wurde. Es handelt sich um betrügerische Schulden im Betrage von 20 000 fl.
Bern, 28. Nov. Ein Bürger von Biel, der als Reisender auf dem im Genfersee untergegangenen Dampfschiff „Rhone" zugegen war, macht von dem Untergang folgende Schilderung: „Ich war in der Kajüte 2. Klasse. Wir mochten etwa 20—30 Minuten unterwegs gewesen sein, als ich plötzlich vom Verdeck her Angstrufe vernahm. Plötzlich drang mit furchtbarem Krachen der Vordertheil eines fremden Schiffes etwa 2—3 Meter in unsere Kajüte, gefolgt von einem mächtigen Wasserstrahl. Unser Schiff war eingerannt und mußte sinken. Mit raschem Sprunge gelangte ich über die noch freie Kajütentreppe auf das Verdeck, wo die größte Verwirrung herrschte. Noch waren die beiden Schiffe ineinander gekeilt, so zwar, daß ich für eine Noth- brücke hielt, was sich nachher als das Schnabelverdeck des Dampfers „Cygne" herausstellte. Ich kletterte über diese vermeintliche Nothbrücke, mir folgten noch 4 oder 5 Personen. Jetzt ritz eine mächtige Welle die Schiffe auseinander und das Schiff „Rhone" versank. Dieß Alles spielte sich ab in einem Zeitraum von ein paar Minuten. Gelegenheit zur Rettung war nur während der ersten 30 Sekunden geboten; wer diese nutzlos verstreichen ließ, war dem Untergang geweiht. Auf dem Schiffe „Cygne" erfolgte dann der Ruf: zu den Pumpen, wir fassen Wasser. Der Vordertheil des Schiffs war ganz eingestoßen und nur noch die vordere Kajütenwand trennte uns von den Wellen, die sich durch die entstandene Oeffnung in den untern Hohlraum des Schiffs ergossen. Nach ca. halbstündiger Fahrt erreichten wir das rettende Land.
Paris, 27. Nov. Der „Newyork Herald" veröffentlicht eine Depesche, nach welcher König Alfons zu einem ehemaligen Botschafter geäußert habe: Ich darf hoffen, daß die Franzosen uns jetzt in Ruhe lassen werden. Nach den ausführlichen Erklärungen müßten sie wenig politi-
Mut und Wauta. (Nachdruck verboten.)
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(Fortsetzung.)
„Und um eines Fremden willen gedenkst Du Dein ganzes Leben hier zu vertrauern?"
Paulas mühsam verhaltene Thränen brachen unaufhaltsam hervor. „Hast Du denn keinen Platz mehr für mich in Deinem Hause und in Deinem Herzen?" rief sie schluchzend.
„Kind, wie Du nur redest! Du weißt wie theuer Du mir bist."
„Dann laß mich doch bet Dir bleiben, sei gut zu Deiner Paula, lieber Onkel. Du bist ja der Einzige, der mich versteht und der mir helfen kann, dies Leben zu ertragen."
„Ich wollte, ich könnte Dir eine glücklichere Heimath bieten," sagte er, sie auf die nassen Augen küssend, dann wandte er sich langsam zum Gehen.
An der Thür kehrte er nochemmal um.
„Aber weißt Du, Paulachen," er kämpfte sichtlich mit einer Verlegenheit, „mir konntest Du das wohl vertrauen, ich habe Dich nur um so lieber deshalb, aber nicht wahr, der Tante sagen wir nichts davon?"
„Wovon, Onkel?"
„Nun, von Deiner Reise als Herr."
„Nein, Onkel," Paula lächelte unter Thränen, „der Tante sagen wir lieber nichts davon."
VIII.
Mit großen Schritten ging Merlach vor dem Postgebäude in Thonhausen auf und ab. Ungeduldig sah er bald auf seine Uhr, bald die
Straße entlang, auf welcher der Postwagen kommen mußte. Endlich wirbelte Staub in der Ferne auf, lustiges Blasen ertönte und rasselnd fuhr die schwerfällige gelbe Kutsche über das Straßenpflaster.
Gespannt trat Merlach an den Wagen, der sich seiner Insassen zu entleeren begann; da erblickte er schon den Erwarteten.
„Gott zum Gruß, Konstantin! Bist Du es denn wirklich?"
Er streckte dem sich aus dem Innern des Wagens entwickelnden Freunde beide Hände entgegen.
„Ja, da bin ich." Konstantin erwiderte herzlich die Begrüßung Merlachs.
„Mein Brief hat Dich also noch glücklich erreicht?" fragte dieser.
Wie Du an meinem Kommen stehst, ja, und neugierig genug hat er mich gemacht. Was in aller Welt kannst Du von mir wollen, daß Du mich so plötzlich hierher zitierst?" '
„Das wirst Du schon hören," erwiderte Merlach. „Laß uns nur erst zu Hause sein. Da ist mein Wagen, steigen wir ein."-
Eine Stunde später finden , wir Konstantin und Merlach behaglich in dem Zimmer des Letzteren auf dem Sopha sitzen und ihre Zigarren rauchen.
„So, Bruno, nun sage mir, worin die Gefälligkeit besteht, welche ich Dir leisten soll. Du hast mich neugierig gemacht, wie ein Schulmädchen."
Bruno sah nachdenklich den blauen Rauch Wölkchen nach, die er kunstgerecht in die Luft blies.
„Nun lasse mir nur Zeit, Konstantin. Die Sache ist nämlich die: ich glaube, die Luft hier thut mir nicht mehr gut."
„Aber Deine Besitzung hat eine so gesunde Lage."
„Das wohl; es kommen jedoch zuweilen Ereignisse im Leben vor die einem die gesundeste Luft verleiden können."