gespuckt, welche einer besseren Belehrung über unsere Rechtsverhältnisse sich bis daher verschlossen und sich mit trügerischen Hoffnungen trugen, ihr Urtheil abgegeben. Die früheren Direktoren und Verwaltungsräthe werden also für den Schaden, den ihre Geschäftsführung der Genossenschaft verursacht hat, außer den ca. 125,000 M., die ihnen durch Vergleich bereits auferlegt wurden, nicht weiter heranzuziehen sein. Was noch fehlt, müssen die Genossenschafter zahlen. Das ist eine bittere Wahrheit. Aber ändern läßt sich daran nichts mehr.
Stuttgart, 19. Nov. Einen interessanten Fang machte dieser Tage die hiesige Polizei. Sie verhaftete einen Stromer, welcher bereits genaue Vertrautheit mit dem Zuchthaus besitzt. Der Mensch hatte in Ludwigsburg jm Stadt- Pfarrhaus eine goldene Uhr mit Kette entwendet und ist von da bis hieher gelangt. Mit einer Unverfrorenheit, welche ihres Gleichen sucht, soll der Mann, nachdem er verhaftet worden war, die Erklärung abgegeben haben, daß er jenen Diebstahl begangen habe, um wieder ins Zucht. Haus zu gelangen. Dort habe er es weit besser, als gegenwärtig auf der Landstraße und beim Fechten überhaupt. Sein Name ist Fr. Rübling, Schneider von Maienfels, OA. Weinsberg.
Die „Ludwigsb. Ztg." schreibt von O ß- weil: lieber einen Akt von Stromer-Brutalität, wie solche in den letzten Tagen aus verschiedenen Gegenden des Landes zu lesen waren, kann auch von hier berichtet werden. Am Dienstag Abend wollten 5 Stromer in einer der hiesigen Wirthschaften übernachten; nachdem sie aus einigen solchen ihres nicht besonderes Vertrauen erweckenden Zustandes wegen ausgewiesen worden waren, kamen sie auch in die Wirthschaft zur Sonne. Da ihnen aber hier das gleiche Schicksal zu Theil wurde, warfen sie dem Wirthe die Fenster ein und entfernten sich dann, Verwünschungen verschiedener Art ausstoßend, Ludwigsburg zu. Bevor sie jedoch den Ort verließen, übten sie noch ihren Muthwillen an einem Gartenzaun aus. Während sie denselben demoliren wollten, kam der Besitzer des Gartens aus seinem Hause heraus und verbot ihnen solche Brutalität, wurde aber ohne Weiteres gepackt, zu Boden geworfen und maltraitirt. Hierauf setzten die Helden ihren Weg nach Ludwigsburg fort und begegneten auf diesem einem sich nach Hause begebenden Mann, welcher als Bierführer in L. in Diensten steht. Derselbe wurde mit Steinen geworfen und mit Prügeln traktirt, so daß er mit blutigem Kopf nach Hause kam. Mit diesen Brutalitäten scheint wohl auch das in gleicher Nacht vorgekommene Beschädigen von jungen Bäumen, sowie das muthwillige Demoliren eines Gartenzaunes zusammenzuhängen.
Münsingen, 19. Nov. Gestern Nachmittag gelangte die Kunde von einem Raubanfall auf ein 19 Jahre altes Mädchen, verübt durch einen Stromer unweit von Buttenhausen, hierher, worauf von Seiten des Gerichts energische Verfolgung des Thäters eingeleitet wurde.
Der letztere hatte dem Mädchen unter Bedrohen mit einem langen Metzgermesser Geld abgefordert, ergriff aber, als er von weitem einen Mann auf der Landstraße kommen sah, die Flucht thalabwärts.
Reutltnger Alb, 16. November. In Erpfingen kam gestern ein 15jähriger Knabe einer Handdreschmaschtne zu nahe und wurde von derselben buchstäblich skalpirt.
In der Nähe von Enzweihingen fiel am 16. ds. ein dieser Tage aus dem Vaihinger Arbeitshaus entwichener Strolch auf offener Landstraße eine ältere Wittwe an, vergewaltigte sie und versuchte schließlich, sie ihres Geldes zu berauben. Er fand jedoch nur ein leeres Geldtäschchen. Sofort durch einen Straßenwärter verfolgt, gelang es, den Burschen dingfest zu machen. Mit cynischer Frechheit räumte er seine Schandthaten ein.
Heilbronn, 19. Nov. Einem hiesigen Weingärtner wurde vor einigen Tagen das Recht zum Ausschank seines eigenen Wein-Er- zeugntsses entzogen, nachdem die Steuerbehörde festgestellt hatte, daß dem'Wein ein ziemliches Quantum Obstmost betgemifcht worden war. Der Betreffende wird sich übrigens noch wegen Weinfälschung vor Gericht zu verantworten haben.
In jüngster Zeit sind zwei Ulm er Einwohner mit französischem Abschied von dort abgereist. Der eine war Buchhalter in einer Brauerei und ließ Frau und 3 Kinder zurück; der andere, welcher erst kürzlich abgieng, ist Wildprethändler und ebenfalls Familienvater. Beide haben als Ziel Amerika gewählt und sollen von dort aus ihren ttefbetrübren Familien bereits Nachricht von ihrer glücklichen Ankunft gegeben haben.
Auch in Backnang verschwand letzter Tage mit Hinterlassung von Weib und Kindern ein dortiger Geschäftsmann.
Deutsches Reich.
86L. Berlin, 20. November. (Landtag.) Die Thronrede besagt: Die Finanzlage habe sich günstiger gestaltet. In Folge des Ergebnisses der Staatseisenbahnverwaltung gegenüber den letzten Rechnungsjahren sei ein erheblicher Ueberschuß vorhanden. Das laufende Jahr zeigt keinen Rückgang und läßt auf weitere wachsende Erträgnisse hoffen. Der neue Etat erfordert keine Anspruchnahme des Staats- credits. Doch dauert das Mißverhältniß zwischen den Mitteln des Staates und den Aufgaben desselben, die ihm aus dem Druck der Communallasten und der Unzulänglichkeit der Beamtengehälter erwachsen, fort. Die Thronrede kündigt die Kapitalrentensteuer, eine wettere Eisenbahnverstaatlichung und die Erweiterung des Staatsetsenbahnnetzes an und fordert den
Muk und Uaul'a.
No v ell e v on Le 1 v ns StSLI. (Fortsetzung.)
(Nachdruck verboten.)
VI.
Die Herbstsonne schien voll und warm auf das kleine Städtchen Thanhausen, das abseits von der großen Verkehrsstraße in einem an- muthigen Thale der schlesischen Berge gebettet liegt. Freundlich weilten ihre Strahlen auf den dicht gedrängten Häusern mit ihren alterthüm- lichen Giebeln und schattigen Bogengängen und spiegelten sich hell in den klaren Fluthen des, Flüßchens, welches den Ort mit weichen Armen umschlungen hält.
In der kühlen, holzgetäfelten Halle eines stattlichen, am Ende des Städtchens gelegenen Hauses standen zwei Männer in lebhaftem Gespräch mit einander begriffen.
Der ältere von beiden, der Bürgermeister des Ortes, Konrad Steinberg, war ein Mann von über 60 Jahren. Schneeweißes Haar blickte unter dem schwarzen Hauskäppchen, welches sein Haupt bedeckte, hervor.
Seine hohe, breite Stirn verrieth Intelligenz und Idealität, während der weiche Mund und das schmale, wenig ausgebildete Kinn eine an Schwäche streifende Gutmüthigkeit anzetgten. Der junge Mann, welcher vor ihm stand, hieß Bruno Merlach und war der Besitzer eines der schönsten und reichsten Güter der Nachbarschaft. Sein Aeußeres, obwohl nicht eigentlich schön zu nennen, nahm sofort für sich ein durch das Gepräge der Offenheit und echten Herzensbildung, welches dasselbe an sich trug.
Eben jetzt war sein Antlitz stark geröthet, und seine Hellen Augen blickten erregt in die wohlwollenden Züge des alten Mannes vor ihm.
Landtag auf unter dem Schutze der gesicherten friedlichen Verhältnisse die Arbeiten aufzunehmen.
Ein Lotterie-Gewinn hat sich kürzlich in der größten Noth als Helfer eingestellt. Einem Beamten in Frankfurt a. M., dessen Gehalt seit Vermehrung seiner Familie nicht mehr zur Bestreitung der nothwendigen Lebensbedürfnisse ausreichte, sollten die gepfändeten Möbel zwecks Räumung und Pfandverkaufs gerade vom Gerichtsvollzieher weggebracht werden. Die Habseligkeiten waren bereits zur Abfahrt aufgeladen, als ein Agent hinzukam, um 450 M. Gewinn auf ein gezogenes Loos auszuzahlen. Schnell wurde die Schuld mit 90 M. bezahlt und das alte Hausgeräth von den Kindern der Familie mit Jubelgeschrei in die elterliche Wohnung zurückgebracht.
Dresden, 19. Nov. Nach dem der Kammer unterbreiteten Expose des Ftnanzmtntsters beträgt die Gesammtaufbesserung der Staatsfinanzen in den Jahren 1882 und 1883 über 22 600 000 M.
Aus M e tz, 18. Novbr., wird bezüglich des dort stattgehabten Ueberfalles eines Wachtpostens geschrieben: Der Posten wurde von drei gutgekleideten Männern angefallen und in den Graben geworfen. Dem Posten wurde von hinterrücks eine Verwundung, wahrscheinlich mit einem Steine, beigebracht und es befindet sich derselbe in ärztlicher Behandlung. Es ist vollständig ausgeschlossen, daß der Wachtposten etwa in der Schlaftrunkenheit von selbst in den Wallgraben gefallen ist. Das Gouvernement wird, wie in Straßburg, verschärfte Instruktionen für die außerhalb der Stadt stehenden Schildwachen erlassen.
Ausland.
St. Anton (Tyrol), 19. Nov. Anläßlich der Eröffnung des Arlbergtunnels herrscht das regste Leben. Es ist ein kalter Wintertäg. Fortwährend langen neue Gäste an. Arbeitergruppen umstehen den langen, mit Laternen versehenen, reich geschmückten, zur Einfahrt bereit stehenden Zug. Um 9 Uhr fand eine Messe unter freiem Himmel an dem geschmackvoll verzierten Triumphbogen vor dem Portal des Tunnels statt, alsdann bewegte sich der Zug vom Portal 4100 Meter einwärts, von wo aus die Wagen bis 5400 Meter vorgeschoben wurden. Von dort aus gingen der Handelsminister Baron Pino, die übrigen Vertreter der Behörden, die Bauleiter, die Festgäste zu Fuß zur Trennungswand und kehrten nach deren Besichtigung wieder in die Nähe des Zuges zurück. Alsdann erfolgte das Abfeuern der Durchschlagsminen durch den Handelsminister. Während deS daraus beginnenden Schuttabräu- mens und Geleiselegens vertheilte er Medaillen und richtete Ansprachen an Arbeiter und Werkmeister. Nach Fertigstellung der Geleise erfolgte die Fahrt durch die Durchschlagsstelle nach dem
„Meine besten Wünsche begleiten Sie, mein weither Herr Merlach," sagte dieser. „Wenn es Ihnen gelingt, Paulas „Ja" zu erlangen, so haben Sie das große Loos gewonnen. Sie ist des besten Gatten werth."
„Ich weiß, ich weiß, Herr.Steinberg," versetzte der Angeredete lebhaft. „Paulas Herz ist Diamant durch und durch; aber eben diese Ueberzeugung läßt mir den Schritt, welchen ich thun will, so schwer werden. Ich bin nicht gut genug für sie."
„Wer wäre es dann? Nein, nein, mein junger Freund, ich kann wohl sagen, daß ich niemand wüßte, dem ich das Kind meines Bruders mit ruhigerem Herzen anvertraute als Ihnen.
„Es wird Paula schwer werden, Ihr Haus zu verlassen."
„Schwer werden? Nun ja, sie wird sich nicht leicht von uns trennen; indessen — lassen Sie mich ein Wort im Vertrauen zu Ihnen sprechen, Sie kennen ja meine Familie, meine Frau und Tochter könnten nicht besser sein als sie sind; — aber Paula ist nicht an ihrem Platze hier. Sie werden verstehen, was ich damit sagen will, auch ohne daß ich näher darauf eingehe. Es würde mich von ganzem Herze» freuen, sie an Ihrer Seite das Glück finden zu sehen, das sie verdient.
„So will ich denn mein Heil versuchen," entgegnete Merlach, eine entschlossene Haltung annehmend. „Auf Wiedersehen, Herr Steinberg!
Die beiden Männer schüttelten sich erregt die Hände und trennten sich. Während Merlach hastig über den Korridor schritt, und dann einen Augenblick mit angehaltenem Athem vor der ihm wohlbekannten Thür stehen blieb, ohne den Muth zu haben, anzuklopfen, ging Stetn- berg, in Gedanken versunken, in der Halle auf und ab. Aber er sollte nicht ungestört bleiben.
Die Thür des anstoßenden Gemaches öffnete sich und eine stattliche Dame von beträchtlicher Körperfülle und gutmüthigem aber oe->