20er Jahre: als Student wurde er, gleich seinen Freunden Rödinger, Tafel, Kolb, Mebold u. s. w. in die Untersuchung wegen „hochverräterischer Verbindungen" verwickelt und 1825 zu 2 Jahren Asperg verurteilt. Bekanntlich wurde den jungen Leuten später ein Theil der Strafe nachgelassen und ihnen der Vollgenuß der bürgerlichen Rechte, sogar das Anrecht, sich um eine Beamtenstelle zu melden, zurückgegeben. Dieß hinderte aber nicht, daß 1833 auf dem „vergeblichen Landtag", als 4 dieser Verurteilten in die 2. Kammer gewählt worden waren, deren Wahlunfähigkeit seitens des Ministeriums behauptet und sie in der That durch Mehrheitsbeschluß aus der Kammer ausgestoßen wurden. Unter denselben war Wagner, als vom O.A. Nagold gewählt. Wagner hatte nach den Stürmen der Jugend ein freundliches Alter: ein glückliches Familienleben und eine vortreffliche Gesundheit. Er erzählte gerne von den Erlebnissen vergangener Jahre, welche er in einem ausgezeichneten Gedächtnisse bewahrte. Von den Schicksalsgenossen des Aspergs von 1825 leben jetzt nur noch zwei: Pfr. a. D. Pezold hier und Kirchenrat Dr. Hase in Jena. Wagner erlag gestern, 26. Sept. Abds., einer schweren Krankheit, die ihn erst seit Kurzem befallen.
Stuttgart, 26. Sept. Vor der hiesigen Strafkammer sollte heute Vormittag ein Beleidigungsprozeß auf erhobene öffentliche Klage gegen Jul. Haußmann, Redakteur des Beobachters, verhandelt werden, da der Angekl. jedoch laut ärztlichen Zeugnisses am persönlichen Erscheinen verhindert war und das Gericht auf seiner Anwesenheit bestand, so wurde laut „Sch. M." trotz Antrag des Verteidigers, R.A. Stock- Mayer, in die Verhandlung einzutreten, dieselbe vertagt. Es handelt sich hiebei um den vor etwa anderthalb Jahren im Beob. erschienenen Artikel „Wegen eines losen Knopfes", in dem ein Kompagniechef für den Selbstmord eines Soldaten verantwortlich gemacht wurde. Sowohl der beleidigte Hauptmann, wie das Bataillonskommando haben s. Z. Klage erhoben, doch kam die Sache bis jetzt nie zur Verhandlung, obwohl sie schon 3mal angesetzt war. Eine inzwischen eingegangene Straßburger Zeitung, die den Artikel abgedruckt hatte, ist bereits vor Jahresfrist zu 50 M. Geldstrafe und Tragung der Kosten verurtheilt worden.
In Cannstatt kam am 25. d. der Viehhändler Hanauer mit einem Transport von 29 Stück Rindvieh an, welche er in einen nur 16 Quadratfuß haltenden Eisenbahnwagen verladen hatte. Die Thiere waren natürlich sehr zusammengepreßt und eines davon lag verendet im Wagen, welches von den andern vollständig zertreten war. Gerichtliche Untersuchung wegen Thierquälerei ist eingeleitet.
Eßlingen, 26. Septbr. Mit genauer Noth entging am Montag in einem hiesigen mechanischen Geschäft ein neu eingetretener Arbeiter einem gräßlichen Tode. Derselbe wurde von der Transmissionswelle erfaßt und zwei
mal um dieselbe geschleudert. Hierauf glückte es ihm eine Säule zu erfassen, an der er sich krampfhaft festhielt, so daß ihm zwar sämmt- liche Kleider vom Leibe gerissen und Uhr und Werkzeug zerstückelt wurden, er selbst jedoch mit unerheblichen Verletzungen davon kam.
In Eßlingen scheint das Jnnungswesen immer fester Boden zu fassen; so wurden bei dem am 23. d. stattgehabten Einschreiben der Lehrlinge in das Register der Metallarbeiter- Innung nicht weniger als 33 Lehrlinge eingetragen, die meist persönlich von den anwesenden Meistern vorgeführt wurden.
Backnang, 23. Sept. Vorgestern früh traf Herr Forstrath Fischbach hier ein, um mit hiesigen Lederindustriellen einen Rundgang durch die Wälder unserer Gegend zu machen. Es wurde das Weissacher Revier ausgewählt, wohin sich die Theilnehmer auf mehreren Gefährten verfügten. Abends versammelten sich die Herren, welche den Gang durch Mittelwald und Durchforstungen'gemacht hatten, in der Restauration Daut und wurde hier die bei der Generalversammlung des württ. Gerbervereins in Reutlingen besprochene Rindenfrage nochmals beleuchtet. Herr v. Fischbach gab im Allgemeinen zu, daß die Wünsche der Gerber, insbesondere der Punkt, daß sämmtliche Rinde aus Durchforstungen (Grobrtnde ausgenommen) als Raitelrinde auszubteten sei, ihre Berechtigung haben, ebenso die Bestimmung eines gleichen Preises für das Schälen von Glanz- und Raitelrinde. Der dritte Punkt der Reutlinzer Resolution: das alte Maß wieder einzuführen für Unterscheidung der Glanz- und Raitelrinde (12—24 om. am Stock) scheint dagegen bei der Königl. Forstdirektion keinen Anklang zu finden. Nächste Woche wird der Gerberverein eine Petition in diesem Sinne der Königl. Forstdirektion einreichen und ist somit Hoffnung vorhanden, daß diese Lebensfragen der Rothgerberei eine befriedigende Lösung finden werden.
Tie Ehrlichkeit ist noch nicht ausgestorben. Ein Kaufmann auf derAlb erhielt folgenden Brief: „Im Jahr 1869 habe ich ein kleines Halstüchle bei Ihnen gekauft, für 18 Kr.; Sie haben mir aus Versehen 3 gegeben, weil sie in einander drin waren. Ich war leider so unehrlich, und behielt solche, was mir sehr leid ist und sende Ihnen hiemit für die zwei gestohlenen, nach Lucas 19,8, 4 M."
Als eine Seltenheit mag die Thatsache hier erwähnt werden, daß von der nur 853 Einwohner zählenden Gemeinde Oedendorf OA. Gaildorf, derzeit 8 geisteskranke Männer im Alter von 29 bis zu etliche 50 Jahren in den verschiedenen Irrenanstalten des Landes untergebracht sind, von welchen insgesammt die Heil- und Verpfleguugskosten durch die Gemeinde aufgebracht werden müssen — ein erheblicher Posten im Ortsetat.
Friedrichshafen, 23. Septbr. Bei
starkem Weststurm sah sich gestern Abend, kurz nach 5 Uhr, ca. 10 Minuten vom Hafen hier entfernt, das auf der Route Romanshorn befindliche Württemberg. Dampfboot „Wilhelm" veranlaßt, die Nothflagge aufzuhiffen. An den Rädern des Bootes hatten sich Schrauben aufgelöst, wodurch eine Fortsetzung der Fahrt unmöglich wurde, da sich bei dem herrschenden Sturme eine Ausbesserung des Schadens nicht vornehmen ließ. Dem aus hiesigem Hafen sofort zu Hilfe eilenden Boot gelang es nur mit vieler Mühe nach längerer Zeit das gefährdete Dampfschiff hieher zurückzubugst ren.
In Waldenbuch wurde letzten Sonntag der Vormittagsgottesdienst auf bedauerliche Weise gestört. Der Geistliche, Hr. Stadtpfarrer B., wurde auf der Kanzel mitten in der Predigt vom Schlage gerührt. Die Zuhörer waren anfangs unfähig vor Schrecken. Der geistliche Herr mußte in die Wohnung getragen werden, wo der alsbald herbeigerufene Arzt einen Hirnschlag mit rechtsseitiger Lähmung kon- statirte; der Zustand ist besorguißerregend.
Deutsches Reich.
Homburg, 27. Sept. Die Könige v»n Spanien und Serbien traten heute früh um 7 Uhr die Rückreise an. Der Kronprinz und Prinz Wilhelm gaben den beiden Monarchen das Geleite zum Bahnhofe und verabschiedeten sich von ihnen aufs Herzlichste.
Eine komische Szene spielte sich bei der großen Kaiser-Parade bei Homburg ab. Neben einer hessischen Kompagnie marschirte nemlich stolzen Schrittes und erhobenen Hauptes ein Gänserich einher, und da er mehr als die Kompagnie die allgemeine Aufmerksamkeit auf sich zog, so suchte man ihn zu vertreiben. Ein Unteroffizier lief ihm nach, ein Lieutenant schlug nach ihm und fiel hin. Der Gänserich war nicht zu vertreiben. Endlich erwischte ihn ein Hautboist und trug ihn ein paar hundert Schritte fort. In sicherem Paradeschritt marschirte nun die Kompagnie, die Augen rechts, dem obersten Kriegsherrn zugewendet, da, wenige Schritte vor diesem, hat sich auch der Gänserich wieder zu der braven Kompagnie gefunden und marschirte, da jetzt keine Zeit war, ihn nochmals zu greifen, tapfer mit. Wer bet diesem Aufzuge ernst zu bleiben vermochte, wird nicht mitgetheilt.
Das Opfer eines scheußlichen Doppelverbrechens ist die 15jährige Tochter einer Schiffs- kapitänswittwe in StepeNitz bei Stettin geworden. Sie hatte eine befreundete Lehrerin besucht und sich Abends auf den Heimweg begeben. Sie kam aber nicht nach Haus und wurde nicht weit von ihrer Wohnung ermordet mit durchschnittenem Hals und zerschmettertem Kopfe gefunden, nachdem ein anderes Verbrechen an ihr verübt worden war. Ein Tischlergeselle ist als der That drinaend verdächtig verhaftet.
Londoner Geheimnisse. verboten)
Erzählungen einer englischen Geheimpolizistin von 6-otUs.
(Fortsetzung.)
Es gibt Leute, welche sich vorzugsweise gern mit den Stammbäumen berühmter Familien beschäftigen, andere lassen es sich Mühe kosten, die Urahnen schöner Pferde und Hunde festzustellen und nach- zuweisen. Das liebste und einzigste Studium des Herzogs von R. war die Genealogie der kostbaren Steine. Er kannte die Namen aller berühmten Diamanten und wußte genau anzugeben, wo und wann sie gefunden, welche Preise für sie gezahlt worden, durch welche Hände sie gegangen und in weflen Besitz sie sich zur Zeit befanden. Selbst ein Buch — „die Geschichte kostbarer Steine" — hatte der Herzog geschrieben, mehr vielleicht zu seinem eigenen Vergnügen, als für Andere; indes war das Buch vom Publikum mit Interesse ausgenommen -worden, und die Stilfehler und grammatischen Schnitzer, an denen dasselbe reich war, hatten dem Rufe des Verfassers als Autorität in seinem Fache nicht schaden können. Zudem war die zweite Auflage des Buches durch die Hände eines Schriftstellers von Beruf gegangen, und die Verbesserungen, welche es hierdurch erhalten, waren dem Namen des Herzogs zu Gute gekommen. —
Was die junge und schöne Herzogin von R. betraf, so konnte niemand glauben, daß sie glücklich sei. Sie war eine Dame von extravaganten Gewohnheiten, welche zu befriedigen der nur auf die Vermehrung seiner kostbaren Steine bedachte Gemahl nicht fähig war. Seine wahnsinnige Leidenschaft für Diamanten gieng so weit, daß er selbst Legate, welche seiner Gemahlin von verstorbenen Verwandten zufielen, sofort in Beschlag nahm und zum Ankauf neuer Edelsteine verwendete.
Der Glanz seiner Diamanten war ihm lieber als seine Frau mit all ihrer Jugend und Schönheit, lieber als ihr Glück und ihre Zufriedenheit — und sie wußte das nur zu gut.
Verließ die Herzogin ihren Palast oder empfieng sie Gesellschaften in demselben, so war sie im vollsten Sinne des Wortes mit köstlichen Steinen bedeckt; aber diese kalte Pracht vermochte nicht, ihr Ersatz zu geben für daS, was sie entbehrte. Ihr warmes, fühlendes Herz verzehrte sich in Sehnsucht nach einem andern Herzen, u. da dies Sehnen keine Befriedigung fand, so stürzte sie sich, um wenigstens Vergessenheit ihres glänzenden Elends zu finden, in einen Strudel von Zerstreuungen. Die Karten, der grüne Tisch boten ihr, was sie suchte — und bald war die Herzogin von R. eine leidenschaftliche Spielerin. Wo in London oder Paris die vornehme Welt diesem fashionablen Laster fröhnte, da war auch sie zu finden, und alles Geld, was sie aufzutreiben vermochte, opferte sie der Leidenschaft, in deren Arme sie ihr eigener Gemahl durch Vernachlässigung aller Art getrieben hatte.
Wie allen Spielern, zeigte sich Fortuna auch der Herzogin als ein launisches Weib, ja noch öfter entschieden ungünstig. Die leidenschaftliche Frau gewann zwar zuweilen, aber Verlust und Gewinn glichen sich nie aus, und so sah sie fich bald in Sorgen und Unannehmlichkeiten aller Art verstrickt.
Der Herzog schien die verderbliche Leidenschaft seiner Gemahlin kaum zu bemerken. Machten ihn Freunde darauf aufmerksam, so pflegte er zu erwiedern: — „Das arme Kind will sich doch auch amüsieren. — Mit dieser Antwort schien er fich seinem Gewissen gegenüber vollständig abzufinden, und sah ruhig zu, wie sich seine Frau in einen Strudel stürzte, in welchem ihr Lebensschiff über kurz oder lang zn Grunde gehen mußte. Fanden nur seine Diamanten die gebuhrenoe