furt a. M. lebte längere Zeit ein Franzose, der stets den Großartigen spielte und schließlich durch sein liebenswürdiges Benehmen eine junge Frankfurterin für sich so einzunehmen wußte, daß sie ihm als sein Weib nach Frankreich folgte. Mit deren Vermögen gründete er in einer Stadt Nordfrankreichs ein Geschäft, das sehr gut reussirt hätte, wenn der junge Mann nicht das Vermögen schon in sehr kurzer Zeit an der Börse verspielt hätte, so daß er nach dreimonatlicher Existenz das Geschäft wieder aufgeben mußte. Der Leichtsinnige, der es nicht gewohnt war, in einfachen Verhältnissen zu leben, versuchte sich hierauf in allerlei Spe­kulationen, die damit endeten, daß er, weil durch ihn eine französische Gesellschaft um 300000 Fr. betrogen worden war, verhaftet und ins Gefängniß geworfen wurde. Die junge Frau wurde gezwungen, nach ihrer Vaterstadt sammt den mittlerweile zur Welt gekommenen Zwillingen zurückzukehren. In einigen Tagen wird sich der verblendete junge Mann, der ein Vermögen von nachweisbar 850,000 Fr. in drei Monten durchgebracht hat, vor dem Schwur­gericht verantworten müssen.

Ausland.

Bad Gast ein, 5. August. In der ver­gangenen Nacht gegen 2 Uhr zeigte sich hier eine 10 Sekunden andauernde Lichterscheinung, durch welche der ganze Ort tageshell erleuchtet wurde. Der Gamskahr-Kegel war wie bei Tage sichtbar.

Wien, 4. Aug. Minister-Präsident Graf Taaffe begab sich in das Hoflager in Ischl. Die Spende der Stadt Wien für Jschia beträgt, wie durch Schuld des Telegraphen irr­tümlicher Weise angegeben wurde, nicht 100 000, sondern 10 000 M.

Pest, 5. August. Die hiesigen offiziösen Blätter signalistren Untersuchungen gegen viele Beamte des Szabolcser Komitats wegen der Tisza-Eßlarer Affäre. Minister Tisza hat den Vizegespann telegraphisch angewiesen, Moriz Scharf sofort, ohne jede Beschränkung, seinem Vater zu übergeben.

Preßburg, 5. August. Gestern Abend rottete sich abermals ein größerer Pöbelhaufen unter den RufenEljen Jstoczy" auf der Pro­menade zusammen, die bald von Militär be­setzt wurde. Der Pöbel zog darauf gegen das Fischerthor ab und schlug auf dem Fruchtplatze in von Juden bewohnten Häusern etwa 50 Fen­sterscheiben ein. Der Haufen wurde von 2 Kom­pagnien Militär auseinandergetrieben. Vier Personen sind verhaftet worden. Um 12Vs Uhr war die Ruhe wieder hergestellt. Der Magistrat hat einen Aufruf erlassen, in welchem er jede Menschenansammlung mit Waffengewalt zu ver­hindern droht.

Zürich, 5. Aug. Hier ist ein großartiger Droschkerstrike ausgebrochen wegen Einführung eines neuen Tarifs.

R o m, 4. Aug. Jschia ist noch immer

von Erdbeben heimgesucht. Gestern, den 3. Aug. wurden noch zwei Menschen lebendig ausge­graben, die 111 Stunden unter der Erde zu­gebracht.

Neapel, 5. August. Das Zentral-Unter- stützungskomite hat sich in Permanenz erklärt. Der Präfekt stattet den Hospitälern täglich Be­suche ab. Die Atmosphäre in den zerstörten Städten hat sich gebessert: die Errichtung von Baracken macht rasche Fortschritte. Bis jetzt sind gegen 760 Leichen beerdigt worden. Man hält es für sehr unwahrscheinlich, daß noch le­bende Personen sich unter den Trümmern be­finden. Die Unterstützungsbeiträge erreichen den Betrag von IVs Millionen.

Triest, 6. August. In der Nacht vom Samstag auf Sonntag verübten die Jrreden- tisten neuerdings ein Attentat, indem sie vor dem Hause, wo der Beteranenverein seine Kanz­lei Hai, eine Petarde warfen, Niemand wurde indeß verletzt. Der Verein berieth eben über die Feier des Jahrestages des Bombenattentats. Mehrere Verhaftungen erfolgten.

Paris. Die Brieftasche des am Finanz­ministerium bestohlenen Artilleriezeugmeisters Moulltn hat sich in dem Vorraum eines Ma­gazins der Rue Marie Stuart wiedergefunden. Sie enthielt 120 Fr., die übrigen 39 000 fehlen.

Nach einem Privattelegramm derVoss. Ztg." ist auch der Hutmacher Mattley, wel­cher ein Hauptzeuge gegen die Mörder im Phö­nixpark war und von Dublin nach Philadel­phia auswanderte, dort am Sonntag, wahr­scheinlich von Fenierhand, auf offener Straße erschossen worden

Während James Carey der Kugel O'Don- nels unterlag ist dreien seiner Genossen in der Angeberei, Kavanagh, Hanlon und Smith, von der australischen Regierung die Landung unter­sagt worden. Angesichts der Küste, die ihnen Aufnahme und Vergessenheit bringen sollte, mußten sie umkehren. Wohin? Die Rache der Unbesiegten wartet ihrer überall. Die Regierung wußte, daß zwei Tage nach Abfahrt der drei von England ein Telegramm von Dublin nach Melbourne gesandt wurde, welches die Ankunft derselben dort ankündigte.

Petersburg, 5. August. In einem Regierungscommunique wird bekannt gegeben, daß am 2. August in Jekaterinoslaw ein Pö­belhaufe einen thätlichen Angriff auf die jüdi­sche Bevölkerung der Stadt machte, dazu durch eine schwere thätliche Beleidigung aufgeregt, welche einer Bauernfrau durch einen Juden zu­gefügt wurde. Um den Exzeß niederzuschlagen, wurde Militär requirirt, welches zur Wieder­herstellung der Ordnung von den Waffen Ge­brauch machen mußte. Von den Tumultuan­ten, die größtentheils aus fremden, am Eisen bahnbau beschäftigten Arbeitern bestanden, wur­den 10 getödtet, 13 verwundet. Ein Telegramm aus Jekaterinoslaw meldet, der Stadtrath habe nach Wiederherstellung der Ruhe in der gestern abgehaltenen Sitzung beschlossen, den durch die

knecht die Weisung, in Ruhe nach Hause zu gehen, worauf dieser ohne alle wettere Veran­lassung mit gezücktem Messer sich auf den Po­lizeidiener stürzte und demselben nicht blos an der Stirne unmittelbar über den Augen eine tiefe Verletzung beibrachte, sondern ihm das Messer auch noch mit solcher Macht in die Seite stieß, daß die Lunge durchbohrt worden ist. Der dortige Landjäger fahndete sofort nach dem muthmaßlichen Thäter und hat den­selben heute in Oberensingen verhaftet und hie­rher eingeliefert. Die gerichtliche Untersuchung ist eingeleitet. In Zuffenhausen sprang am Sonntag Abend ein jüngerer Mann, an­scheinend dem Arbeiterstand angehörig, beim Einfahren des Bietigheimer Zugs um 5 Uhr 20 Min. von dem Wartsaal aus gerade auf diesen zu, offenbar um sich den Tod zu geben; er wurde denn auch zu Boden geworfen und gräßlich verstümmelt, so daß der Tod sofort eintrat.

Neber das Vermögen nachstehender Personen wurde das Konkursverfahren eingeleitet: Johann Simon Engiert, Bauers von Roigheim, Verlassenschaftsmasse; A. Betzmann, Schuster von Großengstingen, entwichen; Fr. Jak. Fischer, Wundarzt zu Bothnang, mit unbekanntem Aufenthalt abwesend.

Deutsches Reich.

(Reichsgerichtserkenntniß.) Vom Reichs­gericht, II. Strafsenat, ist durch Urtheil vom 1. Juni 1883 entschieden worden, daß die un­wahre Erklärung eines Kreditsuchenden, daß er ein sicherer Mann" sei, seine Bestrafung we­gen Betruges zur Folge haben kann. Ebenso würde sich ein Kreditsuchender des Betruges schuldig machen, welcher, auf das Befragen des Kreditirenden nach seiner Vermögens- und Ge­schäftslage, unter Darlegung der auf eine gün­stige Vermögenslage hinführenden Momente, ungünstige Umstände geflissentlich verschweigt. Obgleich die Richtigkeit des Satzes, daß der auf Kredit bestellende Kaufmann nicht verpflich­tet ist, seinem Mitkontrahenten über .seinen Ver­mögenszustand Auskunft zu geben, nicht zu be­zweifeln ist, so schließt dies doch nicht aus, daß, wenn der Besteller, um Kredit zu erlangen, cs unternimmt, seine Vermögenslage dem Mitkon­trahenten vorzulegen, er bei dieser Darlegung wahrheitsgemäß zu verfahren hat. Durch die einseitige Hervorhebung derjenigen Momente, welche dieselben in einem günstigen Lichte er­scheinen lassen und das bewußte Verschweigen derjenigen Umstände, welche das Urtheil über den Vermögenszustand zu einem ungünstigen ge­stalten würden, erschwert er nicht blos durch positives Handeln die Erkennung des wahren Sachverhalts, sondern spiegelt auch dem Mit­kontrahenten eine falsche Thatsache, nämlich die Thatsache vor, daß sein Vermögenszustand ein günstigerer sei, als er in Wirklichkeit ist. In solchem Falle liegt in dem Unterdrücken einer wahren zugleich ein Vorspiegeln einer falschen Thatsache."

(850,000 Frcs. durchgebracht.) In Frank«

Cartesius bis zu Kant und Hegel, besonders aber hatten es ihm Scho­penhauer und seine neueren Nachfolger angethan.Das Studium der Philosophie," hatte er wiederhol! schon zu Baumann geäußert,schützt uns vor den Verirrungen der Seele, aus denen alles Leid erwächst, dem wir auf Erden begegnen. Das ernste Vertiefen in die Wissenschaft schützt uns namentlich auch gegen die Anwandlungen der Liebe, welche, wie Sie wissen, Hartmann und Schopenhauer als den eigentlichen Urquell alles Leids auf Erden darstellen." Diese Anschauungen ließen den Doktor Kleinmichel ganz besonders geeignet erscheinen für den Unter­richt Margarethens. Wenn daher auch die Mutter in den Unterrichts­stunden eine Art Wächterdienst versah, so geschah dies nur der Form wegen. Nach der Gestnnungsart des Doktors erschien ein solcher nicht im Geringsten von nöthen.

Was werden Sie denn heute vornehmen?" fragte Naumann.

Ein Kapitel aus der Aestheük, speziell der Poetik. Ich werde Fräulem Margarethe an einem praktischen Erzeugnisse eines unserer bekannten Dichter die Art und Weise des dichterischen Schaffens, sowohl nach seiner technischen wie nach feiner geistig schöpferischen Seite, dar­zulegen suchen."

Thun Sie das, lieber Doktor, aber prosaisch recht prosaisch!"

Kleinmichel schien dies für selbstverständlich zu halten. Baumann hatte sich verabschiedet, jener aber an einem Tische Platz genommen.

Inzwischen trat auch Gleichen, eine hübsche Blondine, deren mun­tere Helle Augen mit unbefangener Freiheit in die Welt hineinsahen, aus dem Nebengemach. Ihr folgte die Frau Mama auf dem Fuße. Die letztere setzte sich auf das Sopha und fieng an, emsig an einer dort liegenden Filetarbeit weiter zu stricken. Fräulein Margarethe aber nahm nach einer gegenseitigen frostigen Begrüßung, bei der Kandidat

Kleinmichel die Augen fest auf die Tischdecke heftete, an dem Tische ge­genüber ihrem Lehrmeister Platz.

Der letztere setzte seinem hübschen Gegenüber hierauf in einer et­was gedrechselten Einleitung zunächst den Lehrplan auseinander, welchen er in der heutigen Unterrichtsstunde einzuhalten gedachte und der uns bereits bekannt ist.

Wir werden zu diesem Zwecke," schloß er,ein Gedicht von Ema- nuel Geibel, einem der besseren neueren Lyriker, sowohl nach seinem In­halte als nach seiner Form durchvrüftn. Ich habe zu diesem Zwecke einen Band seiner Gedichte mit zur Stelle gebracht. Schlagen wir irgend ein Lied auf, es kommt nicht darauf au, welches. Hier, Seite 23 ein Lied, welches durch seine kurzen Strophen auffällt. Es tragt vis Ueberschrift:O, stille dies Verlangen!" Diese Ueberschrift, welche zugleich den Einleitungsvers bildet, scheint mir zunächst nicht glücklich gewählt, denn es geht aus ihr durchaus nicht hervor, welches Verlangen gestillt werden soll. Wir werden dies jedenfalls ersi im weiteren Ver­laufe des Gedichtes erfahren. Wollen Sie nun die Güte haben, mein Fräulein, das Gedicht langsam und deutlich mit der rechten durch den Inhalt vorgeschriebenen Betonung vorzutragen? Ich ersuche Sie, M diesem Ende etwas näher zu rücken, damit Sie in das Buch sehen können.

Margaretha folgte dieser Weisung und begann dann laut uns kräftig zu lesen:

O stille dies Verlangen,

O, stille diese Pein;

Zu seligem Umfangen

Laß den Geliebten ein." ,

Bei der letzten Verszeile sank der Ton plötzlich zu einem leisen Flüstern herab. (Fortsetzung folgt.)