Es heißt darin:Zum Zweck der Anfechtung einzelner der am 20. Dez. v. I. vorgenommenen Abgeordnetenwahlen wurden verschiedene Be­schwerden über Beeinträchtigung der Freiheit der Wahlen und über sonstige Ordnungswidrig­keiten bei denselben erhoben. Das Mnisterium sieht sich hiedurch veranlaßt, auf Folgendes all­gemein hinzuweisen: 1) Niemand ist verpflichtet, bei den Abgeordnetenwahlen seine Stimme abzu- geben; die Vorladung von Wählern zur Ab­stimmung unter Strafandrohung oder ohne solche ist daher nicht zulässig. 2) In den Wahllokalen und den unmittelbar an dieselben anstoßenden Räumlichkeiten dürfen keine Stimmzettel auf­gelegt werden; Personen, welche die Vertheilung der Stimmzettel besorgen, sind aus diesen Lo­kalen wegzuweisen. 3) Die Wahlvorsteher haben pflichtgemäß darauf zu achten, daß nicht von einem Wähler statt eines mehrere Stimmzettel abgegeben werden, sie müssen hiebei aber das Geheimniß der Abstimmung strengstens wahren und dürfen insbesondere keinen Stimmzettel so­weit entfalten, daß der Name des Gewählten gelesen werden kann. 4) Kein in die Wahlurne gelegter Stimmzettel darf aus irgend einem Grunde aus derselben vor der Zählung der Stimmen wieder herausgenommen werden. 5) Die Distriktswahlkommtsstonen dürfen sich bei der Stimmenzählung und der Abfassung des Protokolls hierüber der Beihilfe dritter Perso­nen nicht bedienen. 6) Auch nach Ablauf der Abstimmungszeit während der Zählung der ab­gegebenen Stimmen durch die Distriktswahl kommisston steht jedem Wähler der Zutritt zum Wahllokal offen. Bei künftig vorkommenden Wahlhandlungen sind diese Vorschriften genau zu befolgen."

Cannstatt, 19. Juli. Vor einigen Tagen wurde lautN. T." dem Schlosser Letzgus'scheu Ehepaar in der Fabrikstraße dahier ein anscheinend ganz normal ausgebilde­tes Mädchen geboren. Als nach Verfluß von einiger Zeit die Kleine ihre Aeuglein nicht öffnete, wurde ein Arzt zu Rathe gezogen, welcher die traurige Entdeckung machte, daß die Augenhöh­len des Kindes leer und gar keine Augen vor­handen sind. Ein Spezialarzt, welcher eben­falls konsultirt wurde, behauptet, daß dies ein sehr seltener Fall und schon seit 1861 nicht mehr vorgekommen sei.

In Eßlingen hat nach der dortigen Zeitung die Ortsarmen-Behörde kürzlich be­schlossen, die Namen der -unterstützten Einwoh­ner zu veröffentlichen. Nicht allein die bedeu­tenden Ausgaben fürs Armenwesen haben zu obigem Beschluß geführt, sondern die vielen haarsträubenden Vorgänge", wie sie besonders in letzter Zeit vorgekommen sind. So z. B. wurde kürzlich ein junger kräftiger Mann mit gesunder Familie wegen Nichtbedürftigkeit mit seinem Gesuch wiederholt abgewiesen, worauf er erklärte:jetzt werde er Verbrecher". Eine der Armendeputationwohl bekannte Frau" kam mit einem Gesuch und erklärte, sie habe

für sich und ihre Kinder nichts zu essen. Ein der Sitzung anwohnender Herr Pfarrer ließ hierauf derselben in seiner Wohnung Milch und Brod verabreichen, die Frau die Milch aber nicht, sondern schüttete sie in ihre mitgebrachte Flasche, ging fort und vor dem Dekanathause goß sie die Milch vor Augenzeugen vollständig auf den Boden. Ein früherer Arbeiter erhielt von seiner Fabrikdirektion ungefähr 500 Mrk. als Abfindungssumme. Derselbe stand schon länger in öffentlicher Unterstützung und wurde deßhalb aufgefordert, das Geld an die Armen­kasse abzugeben, wogegen er sich aber entschieden weigerte. Innerhalb eines starken Vierteljahrs war das Geld verbraucht. Jetzt kommt derselbe Mann nach so kurzer Zeit wieder um Unter­stützung ein. Auch gewiß ein Zeichen der Zeit!

Vom Virngrund, 20. Juli. In der Nacht vom Mittwoch auf Donnerstag sind aus einer Wohnstube in Diefenbach, ^ Stunden von Crailsheim, ein Paar dunkelgraue Hosen, eine Uhr, ein halber Laib Brod, ein großes Tischmesser und ein Paar Schnürschuhe gestoh­len worden. Der Verdacht liegt nahe, daß der Dieb kein anderer als der jüngst in Crailsheim entsprungene Sträfling Brunninger ist.

Ulm, 20. Juli. In neuerer Zeit macht sich lautU. T." hier wie auswärts, nament­lich in den Werkstätten der Bauhandwerker, ein Mangel an tüchtigen Arbeitern fühlbar, der durch die zugereisten Handwerksgesellen nicht ge­deckt werden kann, weil viele derselben eine ihnen zugewiesene Arbeit nicht annehmen und es vorziehen, von der öffentlichen Mildthätig- keit zu leben und dem Müssiggang zu stöhnen.

(Unglücksfälle und Verbrechen.) In Ulm kam am Donnerstag Abend der Vik­tualienhändler W. gegen 9 Uhr wie gewöhnlich betrunken nach Hause. Dorr scheint es eine eheliche Szene gegeben zu haben, worauf sich der Mann entfernte mit der Drohung, ins Was­ser zu springen. Seine Frau folgte ihm, sie trafen sich am Ufer der Donau; hier entspann sich ein Kampf zwischen beiden, der Mann wollte die Frau ins Wasser werfen, diese entwand sich und entfloh. Darauf sprang jener in den sehr hochgehenden Strom und verschwand. Der Leich­nam ist noch nicht gefunden. In Reins­berg (Hall) führten sich Sonntag Nachts sechs Dienstknechte im dortigen Brauhause, weil ihnen die Wirthin wegen vorgerückter Stunde weiteres Bier verweigerte, in skandalösester Art auf, in­dem sie die Wirthin bedrohten, den Sohn mit Holzscheiten über den Kopf schlugen und alles in der Wirthschaft zertrümmerten, was ihnen unter die Hände kam. Einer der Haupträdels­führer ist fluchtig, ein anderer dem Gericht über­liefert.

Deutsches Reich.

B erl i n, 19. Juli. Die k. Ostbahndirektion hat die ihr unterstellten Behörden angewiesen, schon jetzt die erforderlichen Sicherheitsmaßregeln gegen die Choleragefahr zu ergreifen.

Der Flügeladjutant des Kaisers, Graf Lshndorf, hatte gegen den Eisenbahnfiscus Klage angestrengt, wegen einer Expropriation, wobei Lehndorf ca. 3 Millionen Mark gefordert, aber nur 1 Million zuerkannt erhalten harte. Das Berliner Landgericht hat nun das Urtheil ge­fällt dahin lautend, daß der Eisenbahnfiscus ihm 1 137 500 Mark nebst 5 Prozent Zinsen vom 25. Juni 1878, dem Tage der Auflassung, zu vergüten und zwei Drittel der Kosten zu tragen habe.

Von Danzig meldet dieF. Z.": W wird auf drei Fremde, welche die Festung und das Fort Wetchselmünde aufnahmen, gefahndet.

Wiesbaden. Der glänzende Stand der Weinberge läßt die Hoffnung hochgehen. In, hiesigen Neroberge steht es brillant aus, noch viel großartiger aber in den hervorragenden Gemarkungen des Rheingauss. In Rauhen­thal und Rüdesheim sind die Trauben schon vollständig ausgewachsen. AmMargarethen­tag" (den 13. Juli) wurden Hierselbst schon mehrere reife Trauben gepflückt. Es ist dies so frühzeitig bisher nur 1862 und 1865 vor­gekommen und deutet auf ein reiches Welnjahr. Möchten sich nach so vielen Mißernten doch end­lich alle Hoffnungen erfüllen.

Dürkheim. Die drei Kinder des Fuhr­manns Haur lagen am letzten Sonntag während der Abwesenheit der Eltern in einem Bette. Plötzlich löste sich die Decke, das Bett wird an einem Ende durchschlagen, es folgen Balken, Steine, Ziegel, kurzum das kleine Haus stürzte zusammen. Als man unter dem Schutt nach den Kindern sucht, findet man dieselben unver« sehrt. Die Balken hatten eine natürliche Schutz­decke gebildet, unter welcher wohlgeborgen die Kleinen saßen.

Auslaud.

Die Begegnung des Kaisers von Oester­reich und Kaiser Wilhelm soll am 4. August in Gastein stattfinden.

Frohsdorf, 21. Juli. Graf Chambord hatte eine schlechte Nacht. Sein Zustand hat sich verschlimmert und man fürchtet in seiner Umgebung wieder ein baldiges Ende.

Ein Herr in Laibach (Krain), welcher in Damiette Verwandte hat, erhielt kürzlich von dort ein Telegramm, welches ihm jedoch 24 Stunden zu spät ausgehändigt wurde. Auf seine diesbezügliche Beschwerde wurde ihm von dem Telegraphenbeamten der Bescheid, daß das Telegramm, als von einem Cholera-Orte stam­mend, erst habe desinfizirt (!) werden müs­sen, daher die Verzögerung.

Bautzen. Ein Familiendrama traurig­ster Art hat sich in dem Orte Schmölln abge­spielt. Der Etsenbahnarbeiter Lippold suchte seinen Acker dadurch zu vergrößern, daß er die Grenzsteine weiter in das Feld seines Nachbars hineinsetzte, was natürlich nicht unbemerkt blieb und ihn in einen Prozeß verwickelte, zu dem auch seine Frau als Zeugin geladen wurde.

Der AdetsmMer.

Lebensbild von Ls,!»! LoNmsIinA.

(Fortsetzung.)

Unglücklicher, Bedauernswerther!" sagte Herr Müller mit gedämpf­ter Stimme.Lass' das Gräßliche, was hier geschehen, eine Warnung für dich sein. Verlasse den Weg des Lasters, welchen du betreten verlorener Mensch!"

Erlauben Sie, Herr Prediger!" erwiderte der junge Mann mit Bitterkeit,ich bin kein verlorener Mensch, ich wandle nicht den Weg des Lasters. Ich habe eine Dummheit begangen, mich jenen Leuten an­zuschließen, aber ehe sie mir sagen konnten, daß dies Unrecht sei, ehe das Gräßliche hier geschah, ja, ehe ich gestern Benzen wieder betrat, war bereits beschlossen, derselben wieder ein Ende zu machen. Was hier geschehen, ist allerdings die Folge einer weiteren Thorheit von mir. Doch ich bin nicht allein der Schuldige. Ihnen aber möchte ich rathen, in diesem Vorfälle einen Wink des Himmels zu sehen, nicht weiter durch übertrieben strenge Ansichten dem Glück zweier Menschen hinderlich zu sein, die ohnehin bereits genug gelitten haben. Ich meine Ihre eigene Tochter und meinen Bruder Friedrich!"

Der Prediger sah den jungen Mann ganz erstaunt an und ver­mochte nicht gleich zu antworten.

Man war aufmerksam auf das halblaut geführte Gespräch geworden. Als Valentin dies bemerkte, verbeugte er sich und ging hinaus. Gleich darauf verließ die Schauspielergesellschaft mit ihrer Eskorte das Dorf. Im Verlauf des Vormittags erschien auch noch der Arzt aus der Stadt; derselbe ließ den so schwer Verletzten sofort nach seinem Hause transpor- tiren. Das Leben kehrte bei jenem während des Transports zurück, doch nicht das Bewußtsein. Der Arzt traf im Müllerhause die nöthigen

Vorkehrungen zur weiteren Behandlung des Kranken, konnte indessen den Angehörigen keine bestimmten Aussichten auf Genesung desselben eröffnen.

Dem Prediger theilte der Arzt im Vertrauen mit, daß wenig Hoff­nung zur Erhaltung des Lebens seines Patienten vorhanden sei.

Am nächsten Tage erschien eine Kommission der Feuerversicherungs­gesellschaft, um im Interesse derselben den Thatbestand bezüglich der Feuersbrunst, so weit es nöthig, festzustellen.

Gegen Ende der Woche traf eine Kommission des Gerichts ein, um in Betreff der fahrlässigen Brandstiftung Ermittelungen anzustelleo. Die Herren machten nach Anhörung einer Anzahl von Personen höchst bedenkliche Gesichter und erkundigten sich angelegentlich, ob Herr von Mühlenschmidt vernehmungsfähig sei.

Das war nicht der Fall. Der Adelsmüller lag andere Ver­letzungen nicht zu rechnen schwer an einer Gehirnentzündung danieder. Der Zustand desselben ließ allgemach einige Hossnung aufkommen, doch gab der Arzt zu verstehen, daß die ganze Konstitution des Mannes eine nie ganz zu überwindende Erschütterung bekommen habe.

^ Die alte Woche war zu Ende gegangen, die neue begann mit einem Sonntagmorgen, der sich schon früh in ganzer Sommerherrlichkett gel­tend machte.

Im Pfarrhause regte es sich bereits. Leise schlüpfte es die Treppe im Flur hinan und schritt leise über den Bodenraum, einem Gtebel- fenster zu. Von diesem Fenster aus konnte man ein Stück des Weges, der zur nächsten Eisenbahnstation führte, übersehen.

Es war Johanna Müller, welche so früh schon sehnsüchtig in die Ferne schaute. Sie erwartete offenbar, dort irgendwo eine von ihr her­beigewünschte Erscheinung auftauchen zu sehen.