ausgetreten. Vielfach stehen die Ortschaften wenigstens theilweise unter Wasser» wie Glatz, Schweidnitz, Hirschberg. Mehrfach sind Häuser eingestürzt, Brücken fortgerisseu, Bahnverbindungen unterbrochen. Auch ist viel Vieh umge- konimen.
Netsse (Schlesien), 21. Juni. Seit 24 Stunden haben wir furchtbares Hochwasser, den höchsten Stand seit 1829. Die evangelische Schule, die Kirche, Kaserne und viele Kellerwohnungen befinden sich unter Wasser, das Postamt zum Theil, die Mühlen stehen ganz im Wasser.
In Leipzig wurden dieser Tage Handschriften berühmter Männer und Frauen versteigert. Ein 6 Seiten langer Brief Lessings wurde mit 775 M. bezahlt. (Kaum für einen ganzen Band seiner Schriften hat L. zu Lebzeiten so viel erhalten!) Ein Brief der Hingerichteten Königin Marie Antoinette galt 461 M., ein Brief der ebenso schönen und ebenso unglücklichen Maria Stuart 323 M.; Handschriften von Mozart und Beethoven wurden mit 323, 330 und 335 M. bezahlt; ein paar Briefe Cha- missos mit 171 M.; von Kepler, der am Himmel besser bekannt war als auf Erden und auf dieser fast verhungerte, galt ein Brief 112 M. Dagegen gibts Leute, deren Handschrift gar nichts gilt, und wenn sie mit 5 PCI. verzinst wird.
Chemnitz. Seit Donnerstag, den 7. d. M., haben ungefähr 1000 Arbeiter u. Arbeiterinnen der hiesigen Aktienspinnerei die Arbeit eingestellt und wiederholt erklärt, dieselbe nicht eher wieder aufzunehmen, als bis der bisherige technische Direktor aus dem Direktorium ausscheidet. Das Direktorium ist indessen nicht gewillt, dieser Forderung nachzugeben.
Darmstadt, 16. Juni. Der Fürst von Bulgarien ist gestern zu 8- bis lOtägigem Besuch seiner Eltern auf Schloß Heiligenberg (Bergstraße) eingetroffen.
Straßb urg, 19. Juni. Gestern Abend 10 Uhr brach im Dachstuhl des Telegraphen- Amtes Feuer aus, wodurch die Fernsprech-Em- richtung, welche gegen hundert Abonnenten zählt, vollständig zerstört wurde. Die Säle, worin die Telegraphen-Apparate standen, wurden geräumt und erleidet der Telegrapyendienst keine Unterbrechung. Nachts 1 Uhr wurde das Feuer bewältigt. Die hell auflodernden Flammen boten längere Zeit einen schauerlich schönen Anblick. Menschen sind nicht verletzt worden.
In Würzburg ist am 16. d. eine junge Amerikanerin aus Philadelphia angekommen, welche in Amerika die Bekanntschaft eines deutschen Zahnkünstlers auf Reisen gemacht, von diesem ein Eheversprechen erhalten und mit ihm die Reise nach Deutschland gemacht hatte. Der Herr Bräutigam sorgte unterwegs für Alles, auch für das Gepäck seiner Künftigen, wofür diese, eine vermögende Dame, ihn für die Reise freihielt. Von Frankfurt aus mußte derselbe aber angeblich seine Verwandten vorbereiten
gehen und so unternahm er einen Ausflug, bei dem er den das ganze Vermögen der junge« Dame enthaltenden Koffer mitgehen hieß. Seither war er verschwunden. Nun aber gieng die Betrogene ans Suchen und soll sie in Würzburg den Ungetreuen wieder entdeckt haben, ohne de« Koffer aber als getreuen Ehemann und Pap«. Was weiter geschieht, muß man abwarten.
Mannheim, 18. Juni. Ein Gymnafist im Alter von 15 Jahren entwendete kürzlich seinem Vater, einem hiesigen Steuereinnehmer, die Summe von 7000 M., von denen er 1090 Mark in Gemeinschaft mit einem gleichalterige« Kaufmannslehrling im Elsaß und in der Schweiz durchbrachte. In Biel wurden die jugendliche« Verbrecher verhaftet und von der hiesigen Strafkammer zu 1 Jahr und 8 Monaten Gefängniß verurtheilt.
Baden, 19. Juni. Dahier ist ein Bestellbureau errichtet worden, welches die Gewinne der Lotterie von Baden-Baden sofort gegen baare Zahlung mit einem Abzug von höchstens 25 pCt. des planmäßigen Werthes ankauft. Es ist dadurch dem spielenden Publikum die Gelegenheit geboten, die Gewinne sofort in Baar umzusetzen, welcher Umsatz sicherlich zum vermehrten Ankauf der so beliebten Loose der Lotterie von Baden-Baden beitragen wird.
Konstanz, 18. Juni. Ein Unteroffizier des hiesigen Regiments, der in stark angeheiterter Stimmung mit Verspätung nach Hause kam, nahm seinen Eintritt in die Kaserne statt an der Hauptwache vorbei über die Kasernenmauer und durch eine Kellerfalle, welche so weit geöffnet werden kann, daß ein Mann knapp dnrch- kommt. Hat man diese Kellerfalle geöffnet, so ist man in einem Sprunge im Keller und also im Innern der Kaserne. Der Unteroffizier wollte sich nun mit einer Hand an dem Kellergttter halten, glitt aber aus und stürzte in den Keller hinunter, während ihm ein Fingerglied in der Gitterverzierung hängen blieb; dasselbe war vollständig von der Hand abgerissen worden. Der Unteroffizier muß davon nichts gemerkt haben, denn er legte sich zu Bett und schlief fast die ganze Nacht durch. Am andern Morgen war der Brand am Finger aber so weit , vorgeschritten, daß ihm dieser ganz abgenommen werden mußte. Das abgerissene Fingerglied wurde noch im Gitter steckend vorgefunden.
Ausland.
Wien, 19. Juni. Ein schändliches Verbrechen, das durch seine Motive noch grauenerregender erscheint, als ähnliche in den letzten Jahren vorgekommene Ereignisse, beschäftigt heute die Behörden. Man hat in einem Keller die Leiche einer Frau gefunden, und es ist Ursache zur Annahme vorhanden, daß sie im Kampfe gegen die bestialische Gier eines Wüthenden ermordet wurde. Wer der Thäter ist, weiß man nicht; der Mord ist offenbar schon 20 Stunde» vor der Entdeckung geschehen, und dieser Vorsprung wird den Erfolg der Nachforschungen
ten Briefes, der von dem genannten Bauern sein sollte, für 32 M. Leder. Der Schuhmacher wurde jedoch bald darauf ermittelt und verhaftet.
Ulm, 20. Juni. Heute kam ein Reisender auf die Polizeiwache und stellte das Ersuchen, ihn einzusperren, da er gebettelt habe. Demselben wurde bedeutet, daß er des Bettelns nicht überwiesen sei. Er begab sich sofort in einige Läden in der Nähe des Rathhauses um zu betteln, worauf sein Wunsch erfüllt wurde.
Ulm, 20. Juni. Das Schwurgericht ver- urtheilte heute den Steinbrecher Johann Georg Bertsch von Holzmaden und dessen Ehefrau wegen Mords zum Tode.
(Unglücksfälle und Verbrechen.) In Ulm wollte ein Kaufmann H. auf dem Dachboden seines Wohnhauses den in Unordnung gerathenen Aufzug untersuchen, beugte sich zum Dachladen hinaus, stürzte 4 Stockwerke hoch auf das Trottoir hinab und gab nach wenigen Augenblicken den Geist auf. — In Deißlingen (Rottweil) drang ein Dieb in das Parterrege- schotz des Oelers Blasius Blust ein, erbrach mit einem Stemmeisen die u. Wohnzimmer stehende Commode und stahl daraus 230 M. bestehend fast ausschließlich aus 20-Markstücken.
Deutsches Reich.
Welch kolossale Dimensionen die Germania hat, die kommenden September auf dem Niederwald enthüllt wird, mag man daraus ermessen, daß nach neuerdings angestellten Messungen die Laternen in den Tunnels entfernt werden müssen, damit der Eisenbahnzug passiven kann. Zum Guß waren 900 Ctr. Erz erforderlich, d. h. etwa 200 Ctr. mehr als veranschlagt war. Können doch in dem Kopf der Germania allein 7 Personen Platz finden. Der Platz, den die Germania auf dem Niederwald erhält, ist unstreitig der schönste, den irgend ein Denkmal in Deutschland einnimmt.
Zur Verhütung von Unglücksfällen und Brandstiftungen find für den Regierungsbezirk Wiesbaden folgende Bestimmungen erlassen worden, welche sofort in Kraft treten: „Wer Kinder unter 10 Jahren oder andere der Beaufsichtigung bedürftige Personen, deren Pflege oder Beaufsichtigung ihm obliegt oder anvertraut ist, ohne genügende Beaufsichtigung läßt, wird mit Geldstrafe bis zu 30 M. oder entsprechender Haft bestraft, wenn nicht nach § 368 Ziff. 8 des Str.-G.-B. oder nach anderen gesetzlichen Bestimmungen höhere Strafen zu erkennen."
In Königsberg in Pr. verordnete ein Arzt seinem Patienten, sich chlorsaures Kali zu kaufen, einen Theelöffel in einem Glase Wasser zu lösen, mit Zucker zu versüßen und zweistündlich einen Eßlöffel voll zu nehmen. Patient hatte die Anordnung leider falsch verstanden, nahm zweistündlich einen Theelöffel chlorsaures Kalt, verbrauchte ca. 40 Gr. und — starb.
Breslau, 21. Juni. Durch Wolkenbrüche im Gebirge sind die Nebenflüsse der Oder
Der Adelsmüüer.
Lebensbild von LavI SoUmolins.
(Fortsetzung.)
Die drei Damen traten nun weinend zurück. Der junge Doktor warf dem Prediger einen vorwurfsvollen Blick zu.
„Beruhigen Sie sich, Frau Prediger," sagte der junge Mann, „fasse Muth, theure Johanna, fürchten Sie nichts für die Schwester und mich, Marie; der Doktor Schmidt ist nicht der Mann, welcher einen Vorsatz oder Entschluß so leicht aufgibt, besonders nicht im vorliegenden Falle. Was ich jetzt noch zu sagen habe, ist kurz und rein geschäftlicher Natur. Ich bitte daher um aufmerksames Gehör!"
Der Prediger verbeugte sich leicht.
„Ich bin der Doktor Schmidt," fuhr dieser fort, „ein Mann, der jeden Augenblick bereit sein muß, die Verantwortung für ein in seine Hände gegebenes Menschenleben zu übernehmen; ich gehöre also nicht zu den erwachsenen Kindern, mit welchen die Launen der Väter spielen dürfen. Ich habe gethan, was Sie wünschten, um Sie zu befriedigen; ich habe dem Vater gezeigt, daß ich von ihm viel ertragen konnte, ohne daß ein Grund dazu vorlag. Ich habe mir Ihre beiderseitige Einwilligung zur Verlobung und Vermählung mit der Geliebten förmlich durch moralische Frohn und gegen meine bessere Ueberzeugung verdient. Sie haben beide Ihre Genehmigung zu unserer Verbindung schriftlich und vor Zeuger, abgegeben. Ich trage diese Dokumente in der Tasche bei mir. Auf Grund derselben hat meine Verlobung mit Fräulein Johanna stattgc- funden. Meine Verlobte und ich haben ein Gelübde abgelegt, über welches Sie selbst den Segen gesprochen haben.
Auf Grund dieser Thatsachen habe ich das Aufgebot hier und in der
Residenz bestellt; ich habe hier die Gebühren für Aufgebot und Trauung, in der Residenz für das Aufgebot allein, der Kirche entrichtet. Das erste Aufgebot hat hier und dort heute stattgefunden. Herr von Mühlenschmidt und Sie haben dadurch das Recht verloren, ohne weiteres die zwischen Fräulein Johanna und mir stattgefundene Verlobung und beabsichtigte Verbindung aufzuheben. Jeder Einspruch gegen die letztere muß gesetzlich begründet werden. Nur die Verlobten selbst können, im Fall der Einigkeit, ihre Absichten rückgängig machen.
Ich ersuche Sie also, in Erfüllung Ihrer Pflicht als Geistlicher gegen uns fortzufahren. Ich bin am nächsten Sonntag hier in der Kirche, um mich zu überzeugen, ob das geschieht. Merken Sie sich gefälligst noch eins: nicht Sie, nicht Herr von Mühlenschmidt haben die vorbezeichneten Gebühren entrichtet, sondern ich. So viel ich weiß, zahlt die Kirche jene Gebühren in Fällen, in denen die Interessenten aus freiem Antriebe die beabsichtigte Verbindung aufheben, nicht zurück. Sie überläßt es jenen vielmehr, von ihrer Berechtigung Gebrauch za machen.
An diesem Rechte muß ich nun festhalten, wie an dem mir von der Verlobten geleisteten und von Ihnen gebilligten Gelöbniß. Ich ww doch einmal sehen, ob irgend eine Macht uns jetzt noch gegen unser« Willen zu trennen im Stande ist!"
Der junge Mann schwieg einen Augenblick und fuhr dann fort:
„Bringen Sie mich also nicht in die Lage, Herr Prediger, Sie zu der Ausübung Ihrer Pflicht zwingen zu lassen; es dürfte wahrlich nicht angenehm für Sie sein. — Auf Wiedersehen am nächsten Sonntage, meine Herrschaften!"
Der Doktor verbeugte sich und wendete sich um; im Davongeheu machte er eine leichte Schwenkung und hauchte, sich niederbeugend, einen