Landesnachrichteu.

Im Bezirk Herrenberg hat sich, nachdem die Maul- und Klauenseuche unter dem Rind­viehstand vollständig erloschen ist, nun die Lun­genseuche gezeigt, ferner ist am 9. d. in Herren­berg ein rotzverdächtiges Pferd getödtet worden. Es sind sofort die größten Vorsichtsmaßregeln getroffen worden, um einer Weiterverbreikung der Seuche entgegenzuwirken.

Horb, 16. April. Seit einigen Tagen wird der Canzleigehilfe Edmund Noll, ein etwa 30 Jahre alter, lediger Mann, beim K. Amtsgerichte dahier bedienstet, vermißt. Wie man vermnthet, ist er die Wege des gewesenen Gertchtsschreibers Merkte gewandelt, d. h. er hat sich in seiner Eigenschaft als stellvertreten­der Gerichtsvollzieher Veruntreuungen zu Schul­den kommen lassen, die sicy, soweit bis jetzt er­mittelt, auf einige Hundert Mark belaufen sollen. Der Flüchtige scheint die Richtung nach der Schweiz zu genommen zu haben. Nach­schrift: Soeben erfahre ich, daß Noll gestern Abend in Konstanz, wo er ein Telegramm au einen Verwandten aufgegeben hatte, von einem Polizei-Offizianten verhaftet wurde.

Stuttgart, 15. April. Heute Nachmit­tag halb 5 Uhr unternahm Herr Vogel seine zweite Luftschifffahrt vom Marstallhof aus in Begleitung der Kreuzwirthin Frau Haug. Der Ballon erhob sich langsam über die Anlagen und wandte sich dann den Eßltnger Bergen zu. Abends halb 8 Uhr kam der Ballon unter un­geheurem Jubel von Gablenberg her auf einem begrenzten, mit Lampions geschmückten Wagen hier an und wurde nach der Gewerbehalle ver­bracht. Die Wirthschaft zum Kreuz war na­türlich von Neugierigen belagert und man er­fuhr dort, daß der Ballon bis zu einer Höhe von 800 Meter stieg und zwischen Rohracker und Gablenberg ohne Gefahr landete. Frau Haug, die für die Fahrt 100 Mark bezahlte, soll sich nach Vogels Mittheilung recht kalt­blütig benommen haben und rühmt das außer­ordentliche Wohlbefinden in dieser luftigen Höhe. Nächsten Sonntag gedenkt Hr. Vogel in Heil­bronn aufzusteigen und dann in Ulm.

Stuttgart, 17. April. Gestern Nach­mittag aeaen 5 Ubr scheute ein vor ein Berner- wägelchen gespanntes Pferd in der Kronprinzen­straße. Ecke der Poststraße und rannte xlsin varriörö die Kronprinzstraße entlang, bis zu dem Laden von Keller Söhne, Kanzleistraße. In diesem Augenblick kam die Dienstmagd des Kaufmanns Hochberger mit einem Kinderwagen, in welchem 2 Kinder saßen, und einem drei­jährigen Knaben an der Hand auf dem Trot­toir bei Keller gegangen. Mit Geistesgegen­wart gab sie dem Kinderwagen einen Stoß, sie selbst aber stürzte mit dem Kinde, von dem Pferde umgerissen, zu Boden. Das Pferd rannte mit der Deichsel in die Füllung des Keller'schen Ladens, welche zertrümmert wurde, die Wagendeichsel zerbrach. Das Dienstmäd­

chen wurde ohnmächtig aufgehoben, kam aber bald wieder zum Bewußtsein. Das Kind hat eine leichte Verletzung an der Hand davonge­tragen. Das Gefährt gehört dem Bauern D, Trippel von Kornwestheim. Der Vorfall hatte einen großen Auflauf zur Folge.

Stuttgart, 17. April. Die Pferde­marktloose haben dieses Jahr einen sehr schnel­len Absatz gefunden, gestern Abend wurden solche bereits mit 2 M. bezahlt.

Auf dem Stuttgarter Pferdemarkt scheinen sich auch bereits wieder die Taschen­diebe eingestellt zu haben. Einem Besucher des­selben wurden 400 M. entwendet, ebenso kam auf dem Bahnhof ein Taschendiebstahl im Be­trag von 370 M. vor.

Ludwigs bürg, 16. April. Immer noch mindert sich nicht die Zahl der Kandidaten für den niederen Verwaltungsdienst. Zu der bet der hiesigen K. Kreisregiernng heute begin­nenden Prüfung haben sich 45 gemeldet, wo­von 7 zurückgetreten sind. Dazu kommen die­jenigen, welche bei den übrigen drei Kreisregie­rungen geprüft werden. Es ist kaum abzusehen, wie diese Leute alle, bei aller Tüchtigkeit und Solidität, lohnende Verwendung finden sollen.

Marbach, 15. April. Ein aufregender Unglücksfall hat sich gestern Nacht um. 10 Uhr hier ereignet. Der schwergeladene Wagen des hiesigen Stadtmüllers gerieth, weil ungenügend gesperrt, bei der Stadtkirche in Schuß und fuhr sausend die Straße zum Schillerhaus hinunter. Unterhalb desselben wurden die 3 Pferde von der Wucht des nachdrängenden Wagens über den Haufen geworfen und bildeten nun ein lebendes Hinderniß für das Weiterrollen des Fuhrwerks. Der Knecht, welcher muthig vorn bei den Pferden geblieben war, wurde, als Hilfe kam, todt aufgefunden mit gebrochenen Beinen und einer schweren, von einem Huftritt herrüh­renden Kopfwunde. Die Pferde konnten gerettet werden.

Rot weil, 15. April. Der Schullehrer Paul Kümmel von Holzbronn (Calw) hat am 9. Febr. d. I. in Bergfelden (Sulz), in der Winterabendschule einem 15jährigen Schüler, welcher im Schreiben seinen Anordnungen nicht Folge leistete eine Ohrfeige, auf dessen Ruf: Wied eine 2. und 3., und als der Schüler sagte: er sage es seinem Vater, noch weitere gegeben. Die Strafkammer verurtheilte den Lehrer zu 10 Mark Geldstrafe.

JnLangenburg verlangte ein zerlump­ter Fechtbruder in der Wohnung des Hofgärt­ners Löbl einen Zehrpfennig und erhielt 5 Pfg. Das war ihm aber viel zu wenig und er ver­langte 1 Mark. Als ihm die Frau seine un­verschämte Bitte abschlug, packte er sie am Halse und mißhandelte sie. Noch zu rechter Zeit kam eine Tochter herbei, die sofort um Hilfe rief, worauf der Stromer von der Frau abließ und das Weite suchte.

(Selbstmorde.) Oberlandesgerichts­sekretär Seeger von Stuttgart, der sich schon

etwa V- Jahr in der Irrenanstalt Winnen­thal befand, wurde in einem Weinberge in der Nähe der Anstalt todt aufgefunden. Er hatte sich dort erstochen.

Deutsches Reich.

Berlin, 16. April. DieKreuzztg." sagt: ^ Alle Völker Europas beneiden Deutschland da­rum, daß hier zuerst die sozialen Aufgaben des Königthums verkündet worden; darum mögen die Parteien des Parlaments Angesichts der Botschaft ihren Hader abthun und dem Kaiser die Aufgaben erfüllen helfen, die er noch für das Volk auszuführen wünscht.

Berlin, 17. April. An die Beantwor­tung der kaiserlichen Botschaft durch eine Adresse des Reichstages ist, trotz der ursprünglichen Neigung der Linksliberalen dafür, nicht zu den­ken. Die thatsächliche Beantwortung wird durch die Diskussion im Reichstage bei der Berathung des Krankenkafsengesetzes erfolgen. Man zweifelt nicht an der Durchberathung des Etats für 1884/85 in diesem Frühjahr, wenn auch viel­leicht die 3. Lesung bez. die Schlußabstimmung bis Herbst verschoben wird.

AusHohenzollern, 12. April. Man berichtet demZoller": In einem Dorfe des Killerthales wanderte neulich ein Elternpaar nach Amerika aus, seine 4 Kinder von Allen, selbst ihren Bettchen entblößt, einfach in der Sicke zurücklaffend, unbekümmert darum, was aus den armen Geschöpfen werden solle, oder wer sich ihrer annehme.

Die Frankfurter haben gute Nerven, der Thierbändiger Batty daselbst aber noch bessere. Er ging furchtlos in den Käfig seiner 6 Löwen, die fürchterlich brüllten und ließ st durch brennende Reife springen und einen eine Pistole abschießen. Mit ihm trat in den Käfig eine Ulmer Dogge, welche die Löwen immer scharf im Auge behielt und zugleich ihren Herrn und sich zuletzt mitten unter den Bestien gemüth- ltch niederlegte.

Ein schweres Unglück hat eine Familie inGerresheim bei Düsseldorf in tiefe Trauer versetzt. Die Mutter wacht bet ihrem erkrankten 12jährigen Knaben. Dieser entschlüpft in eine« günstigen Augenblick, läuft in den Garten und stürzt sich in die dort vorbeifließende tiefe DM. Die nacheilende Mutter kommt hinzu, will den Knaben retten, versinkt aber mit ihm in die Tiefe. Als man die Leichen fand, hielt die Mutter den Knaben krampfhaft umschlungen.

Durch das Verbrechen eines bisher sehr angesehenen Mannes sind in der Landschaft Angeln in Schleswig eine Reihe kleiner Gruud- eigenthümer vollkommen zu Grunde gerichie! worden. Der Provinzial-Landtagsabgeordneü Jo Hanns e n-Grimsbye hat als Cassierer der Roester Sparkasse über 184000 M. veruntreut? Der Verbrecher hat sich erschossen. Etwa 50 der solidarisch haftenden Mitglieder der Kasft werden nun ihre Besitzungen verkaufen mW und sehen so ihrem vollständigen Ruin entgegen.

Vergeltung.

Von eklorrs Lavoons. Deutsch von WN. I-swLs.

(Fortsetzung.)

Miß Lucy liebte Samuel Hampden mit der ganzen Hingebung eines unschuldigen Herzens und sie litt unter dieser reinen vertrauensvol­len Liebe bei dem Gedanken, daß Samuel unglücklich sei und daß sie doch nichts für ihn thun könne, um ihn zu trösten und zu erheitern. Das arme junge Mädchen war feit einem Monat ganz bleich geworden und wer sie jetzt so träumerisch und so traurig sah, hätte sie für eine Verkörperung der Melancholie halten können.

Indessen gieng die Liebe zwischen Miß Ophelia und dem Major Turner ihren guten Gang; der Major hatte, wie man sagte, offiziell um ihre Hand angehalten, Herr Bonnington hatte ihn mit Freuden willkommen geheißen und von diesem Moment an galt ihre Verlobung sozusagen für öffentlich.

Es war also am 31. Dezember 1838.

An diesem Zeitpunkt brach über fast alle Handelsplätze Europas eine Krisis herein, welche überall tiefe Spuren zurückließ und von schreck­lichen Unglücksfällen begleitet war. Alle Bankhäuser, alle Kassenbureaus, alle Finanzinstitute hatten zu rechter Zeit ihre Kredite eingeschränkt und hieraus erfolgte eine gewisse Verwirrung in allen Geschäftskreisen, so daß man lange vorher der Liquidation am Jahresschiuß mit Unruhe und Bestürzung entgegensah. In London trat die allgemeine .Aufregung am klarsten zu Tage, sie drückte schwer auf den Handelsverkehr jeglicher Branche; jedermann traf seine Vorsichtsmaßregeln und die Geschäfte selbst zwischen den bestgeachteten Firmen wurden nur mit der größten Vorsicht, die fast den Schein von Mißtrauen hatten, abgeschlossen.

Doch wir betonen es nochmals, das Haus Bonnington und Co. konnte durch eine solche Krise, so beunruhigend sie auch war, nicht be­rührt werden. Noch kürzlich waren zwei ihrer Schiffe von Kalkutta in Liverpool angekommen und die Ladung derselben zu sehr hohen Preist» verkauft worden. Herr Bonnington hatte auch übrigens für alle Even­tualitäten gesorgt und kein Unglücksfall sollte ihn bloßstellen oder auch nur erschüttern. Am Morgen des 31. Dezember hatte er mit Samuel Hampden die fälligen Wechsel nachgesehen, die Kasse strotzte von Bank­noten und er konnte den Ereignissen ruhig entgegensehen.

Gegen Mittag gieng er aus, während Samuel sich in das , büreau, in dem sein gewöhnlicher Platz war, zurückzog und einschloft- Dieses Kassenbureau bot einen eigenthümlichen Anblick; es bildete ein längliches, von einem festen Gitter umgebenes Viereck in einem großen, vollständig isolirten Raume, und stand vermittelst einer eisenbeschlagenen Thür mit dem Kabinet von Herrn Bonnington selbst in Verbindung. Als sich letzterer entfernte, saß Samuel an einem beweglichen Pult legte die letzte Hand an seine Arbeiten. Herr Bonnington bestieg seine» Wagen und fuhr nach dem St. James-Park.

Ohne Befürchtungen zu hegen, war Herr Bonnington doch be­kümmert. Eine augenscheinliche Unruhe folterte seinen Geist, und nv ungestört Nachdenken zu können, floh er die Lombardstreet.

In St. James angelangt, begegnete er Herrn Gus-Brough, wel­cher soeben von der Omnibusgesellschaft die genaue Anzahl der PW giere erfahren hatte, welche während des verflossenen Jahres in de» 6000 Straßen Londons befördert worden waren.

Er eilte seinem Freunde schnell entgegen.

Gott erbarme sich!" ries er.Wenn ich überhaupt jemand W