ketten aufrecht erhalten und jeden Schritt ver­meiden zu wollen, der geeignet sei, die Ruhe im Orient zu stören. Madagaskar scheint zum Zankapfel zwischen Frankreich, England und Nordamerika werden zu sollen. Zwischen den beiden letzteren Mächten findet gegenwärtig ein Meinungsaustausch statt, um gemeinsame Vorstellungen an die französische Regierung wegen der Politik in Bezug auf Madagaskar zu richten.

Der Petersburger Korrespondent derN. Fr. Pr." berichtet von einem Attentat gegen den Militär Gouverneur des sibirischen Gouvernements Bajkal, dessen nähere Umstänoe bisher geheim gehalten wurden. Wie man nun­mehr der in Irkutsk erscheinendenSibirskaja Gaseta" entnehmen kann, wurve dasselbe von einem 18jährigen hübschen Mädchen verübt, die als Nihilistin bezeichnet wird. Sie wollte sich mit dem Revolver, mit dem sie auf den Gou­verneur gefeuert hatte, selbst erschießen, wurde aber durch die herbeigeeilten Gendarmen daran verhindert. Vor ein Kriegsgericht gestellt, wurde sie zum Tode durch den Strang verurtheilt. Der Gouverneur, den die Kugel im Unterleib traf, ist schwer verwundet und es wird an sei­nem Aufkommen gezweifelt.

Wie aus Kairo gemeldet wird, ist der Vizekönig Tewfik Pascha mit der von England beabsichtigten Ernennung eines englischen Gene­rals zum Oberbefehlshaber der egyptischen Armee an Stelle Baker Paschas durchaus nicht einverstanden, da er ganz richtig in dieser Maßregel den ersten Schritt erblickt, welche die unausbleibliche Oberherrschaft Englands über Egypten klar darthun soll.

Deutscher Reichstag.

Berlin, 5. Dezbr. (Erste Berathung des Antrags Philipps betr. die Entschädigung un­schuldig Verurtheilter.) Dr. Reichensperger (Olpe) redet der Entschädigung mit großer Wärme das Wort und zwar vom Standpunkte des in der allerhöchsten Botschaft betonten prak­tischen Christenthums und der Billigkeit. Nach­dem Staatssekretär v. Schilling kurz betont, daß die Bedenken derMgierung gegen den An­trag sich nicht auf seine finanzielle Tragweite gründen, erörtert Dr. Peter sen die juristi­schen und technischen Bedenken, die der in vielen Stücken sympathische Antrag bietet; deren Er­ledigung werde am besten in einer Kommission von 14 Mitgliedern erfolgen können. Die durch­aus gleiche Stellung nimmt auch der konserva­tive Abg. Dr. Hartmann zum Anträge ein. Nachdem noch Frohme, Sello und Lenz­mann für den Antrag gesprochen, wird der­selbe einer Kommission von 14 Mitgliedern über­wiesen. _

Die Vertagung des Reichstags, dessen Bänke jetzt schon recht bedeutende Lücken auf­weisen, glaubt man am nächsten Samstag ein- treten lassen zu können. Am Donnerstag wird

die erste Lesung des Etats beginnen, Freitag ist katholischer Feiertag und am Samstag wird die erste Etats-Berathung wohl beendigt werden können. Bet der Etats-Berathung erwartet man die Anwesenheit und Betheiligung des Reichskanzlers. Die Commissionen werden wäh­rend der Vertagung, die wohl bis Anfang Febr. währen wird, in Thättgkeit bleiben.

Laudesuachrichteu.

In Dornstetten, O.A. Freudenstadt, brach am Sonntag den 3. Dezbr. Nachmittags in der Apotheke Feuer aus, wurde jedoch nach kurzer Zeit wieder gelöscht, bevor größerer Schaden entstand.

Freudenstadt, 5. Dez. Die K. Eisen­bahndirektion hat lautN. T." die neuherzu- stellende, 5 Kilom. lange Eisenbahnlinie von Freudenstadt nach Loßburg an Bauunternehmer Lautenschlager von LudwigZburg vergeben, der die Arbeit, die ca. 130,000 M. beträgt, um 19'Wrozent unter dem Anschlagspreis übernom­men hat. Es hatten sich 16 Submittenten zur Ausführung dieser Arbeit gemeldet, deren Offerte jedoch blos 510 pCt. unter dem An­schlag betrugen.

Waldhüter Seidt von Huzenbach, OA. Freudenstadt, hat bekanntlich vor einiger Zeit einen jungen Mann, den er mit einem Gewehre versehen im Walde antraf, auf der Flucht er­schossen, zwei andere verwundet, worunter einen schwer. Der verhängnißvolle Schuß hat nun auch dem letzteren das Leben gekostet; derselbe ist am 2. ds. in der Klinik zu Tübingen, in welche er behufs Heilung verbracht worden war, gestorben. Seidt wird sich nun auch wegen Körperverletzung mit nachgefolgtem Tode zu verantworten haben.

In Schramberg scheint nach demJpf" dem Zusammenbruch der Uhren-Fabrik von Landenberger und Lang derjenige der Porzellan fabrik von Faist u. Compagie zu folgen, wo­durch 400 Arbeiter brodlos würden. Die Zahlungs-Einstellung sei bereits gerichtlich ange- meldet und trete nicht die sehnsüchtig erhoffte Staatsintervenüon ein (man erwartet eine Com­mission aus Stuttgart), so gehe man dort recht trüben Zeiten entgegen.

Ludwigsburg, 4. Dezbr. Einer der Bewerber um das LudwigsburgsrAbgeordueten- maudat, Herr Christoph Schmid von Hoheneck, gibt ein Programm aus, das die Interessen der Landwirthschaft in den Vordergrund stellt. Der Herr Kandidat will der bäuerlichen Bevölkerung aufhelfen, insbesondere den Bauern gegen die Wirkung verheerender Naturereignisse schützen; da aber der Bauer die Kosten einer Hagelver­sicherung nicht tragen könne, so müssen ihm außerordentliche Hilfsquellen erschlossen werden und zwar durch große Geldlotterien. Er will damit jährlich nahezu eine Million gewinnen. Am Staatshaushalt will er ferner Ersparnisse machen, indem pensionirten Staatsbeamten,die ein Kapital oderZeine Rente von über 100 000 M.

besitzen", keine Pension mehr abgegeben werden soll. Diese Ersparnisse sammt dem Lotterie- Ertrag werden zu einem Kapital jangesammelt, aus dem den Bauern zur Zeit der Noth un. er- zinsliche Anlehen gewährt werden. In politi­scher Beziehung will er alle Rechte der freien württembergischen Verfafsungsurkunde wie Per­len wahren und erhalten, im fiebrigensollen die großen Vortheile auf Land und Meer, die das deutsche Volk durch seim Thaten errungen, möglichst auch für unser Württemberg erlangt werden."

Die Strafkammer in Hetlbronn verur­teilte den Bauern Kugler von Oberschafscheuer, Gemeinde Murrhardt, welcher angeklagt amr, den Bahnwärter Ehmann, mit welchem er Streit hatte, durch einen Schuß verwundet zu haben, zu 2Vs Jahren Gefängniß.

(Brandfälle.) Dienstag Abend um 7 Uhr ist in Wittershausen (Sulz) in einem gro- l ßen von 5 Familien bewohnten Bauernhause, genannt die Kaserne, Feuer ausgebrochen und wurde das Gebäude vollständig eingeäsche t. ^ Von der Mobiliarschaft konnte nur wenig ge- i rettet werden.

(Unglücksfälle und Verbrechen.) Während vor Kurzem in Mössingen, OA. Tübingen, der Herr Oberamtmann, der Herr Schultheiß und der ganze Gemeinderath auf dem Rathhaus versammelt waren, machte sich irgend ein schlechtes Subjekt das Vergnügen, sämmt- liche Stöcke und Schirme, welche die Herren im Oehrn aufgestellt hatten, an- oder abzusägen.

Am schlimmsten kam dabei ein Gemeinderath weg; dessen Schirm hatte der Unhold mit seinen eigenen Exkrementen gefüllt, zusammengewickert und unter die Treppe versteckt. Erst beim Aus- ! einandermachen fand man die Bescheerung. Eine aufregende Scene ereignete sich letzthin in der Kirche auf dem Schönenberg bei Ellwangen Ein allen Anzeichen nach wahnwitziger Mensch bemühte sich mit einem großen Stein ein aus Blech gefertigtes Marienbild zu zertrümmert Als der Herr Dekan Schmid mit noch Anderen herlleieilte, um den Thäter aus der Kirche zu entfernen, ging dieser mit einem Messer auf den Geistlichen los, doch gelang es alsbald, den Wahnsinnigen unschädlich zu machen, worauf er. der Polizei übergeben wurde. In Altstadt- ! Rottwetl verunglückte ein kaum der Schule entwachsenes Mädchen, indem der Göpel der Dreschwalze es am Kleide packte und zu Boden warf, wodurch außer verschiedenen Quetschwun­den auch der Bruch eines Oberschenkels verur­sacht wurde.

Deutsches Reich.

Großes Aufsehen erregt in Freiburg i-B. das Zusammenbrechen einer kürzlich etablirten Kolonialwaarenhandlung en oros und das Ver­schwinden des Inhabers derselben; dieser, ein noch junger Mann von kaum 24 Jahren, hatte > sich vor etwa IVz Jahren daselbst etablirt und / war mit verhältnißmäßig großen Mitteln ver-

nen sein mochten, als Grundzug seines Wesens lag im letzteren doch die nemliche, fest und unbeirrt ausdauernde Natur des norddeutschen Bauern, welcher die Arbeit durchführte, die er sich als Ziel gesetzt, oder für die er vom Schicksal bestimmt worden.

Nur an den Pastor Vigelius schrieb Geerbt vor dem Beginn seiner neuen Studien einen Brief, in welchem er demselben von seinem Aufent­halt Miuheilung machte, ihm von Herzen für alle Förderung seiner Laufbahn dankte und ihn bat, nicht darüber zu zürnen, daß er nicht Pastor werden, sondern einen andern Lebensweg einschlagen wolle, der ihm wie er es jetzt ja gern aussprechen könne seit jenem Tage fern vor Augen geschwebt, an dem er mit der Bitte um Rechenunterricht zu dem guten, alten Dorfschullehrer gekommen.

Und sie giengen auch, die fünf Jahre harter praktischer und theore­tischer Arbeit, durch welche Geerbt Gcbaur, ohne nach rechts und links zu blicken, hinschrttt. Seinen Genossen auf der polytechnischen Schule mochten die Jahre anders erscheinen, nicht allein als Sammelzeit der Kenntnisse, sondern ebenso sehr, vielleicht mehr noch, diejenige schöner Tage der Freudigkeit, der einstigen köstlichen Erinnerung, als die Blüthen- frfft des jugendlichen Lebensgenusses.

Doch für den jungen Bauernsohn aus Ottershude waren die Jahre nur das Mittel zum Zweck, in keiner Stunde dieser selbst. Er begehrte cs nicht anders und es konnte nicht anders sein. Der Genuß des Lebens hätte erfordert, was er nicht besaß; alles, was er an Mitteln des Unterhalts sein nannte, beschränkte sich auf den bisher noch unangetaste­ten Eilös aus dem Verkauf des Birkenhofs und derselbe, so beträcht­lich er im Anfang erschien, war nicht unerschöpflich. Geerdts Ersah rung wußte es nur zu gut. Bei seinen jetzigen Studien fiel es ihm unmög­lich, wie früher Extra-Gymnasium durchführen, sein ganzer Tag wurde

aufs Erschöpfendste vom Lernen in Anspruch genommen. So mußte sein kleines Kapital sich mit Nothwendigkett allgemach veringern, bis ein Tag kam, an dem es zu Ende gieng.

Was dann? Er dachte vor der Hand nicht daran, suchte doch äußerste Sparsamkeit diesen Tag so weit wie möglich hinauszuschieben. An Entsagung jeder Art gewöhnt, gelang es ihm nach seiner Berechnung fast zwei Jahre auszureichen dann die tägliche Mühsal ließ ihn beinahe vergessen, was dann unabwendbar eintreten müsse.

Doch als Monate um Monate schwanden, als anderthalb Jahre schon hinter ihm lagen, ließ es sich nicht verscheuchen, reckte es sich näher, drohender, fordernder vor ihm auf. Es war das Gespenst, das er von! den Tagen des Gymnasiums her kannte, nur unheimlicher noch, denn auf dem ganzen Erdenrund gab es keine Hilfe, keinen rettenden Zu­fluchtsgedanken mehr, den Kampf dagegen zu führen.

Erdrückend, gleich einem Schritt um Schritt aufsteigenden, athem- raubenden Unwetter rückte es heran, und dumpf brütend saß er bei sei­ner Arbeit, dem unheilbar Kranken gleich, den bei allem, was er, um die Stunden zu füllen, betreibt, keinen Augenblick das Bewußtsein des unvermeidlichen Ausganges verläßt. Sein Verstand nahm die Lehrsätze des Buches auf, über das er sich herabbückte, aber unablässig zu­gleich zermarlete sich sein Gehirn mit der einen, nicht beantwortbaren Frage:Was dann?"

War, wenn der unabwendbare Moment kam, doch alles vergebliche gewesen? Reichte der Wille eines Menschen doch nicht aus und mußte am dem Widerstand der gemeinen Nothdurft zerscheitern? War es derafi.ej Götterneid," rächende kaltlachende Vergeltung für die Hand, für d^-is Herz, das sich frevelhaft-sicheren Muthes vermessen, in den Himmel . zu steigen oder ihn zu sich herabzuzwingen? Mußte er unfern von derni