Tübingen, 6. Juni. Die„T. Ehr." berichtet: Inspektoren von Hagelgesellschaften versichern, seit 20 Jahren nicht so viele Schadenanmeldungen in einem Jahre erhalten zu haben, als bis jetzt schon in diesem Jahr.
— Wie die „Schw. Krztg." erzählt, fuhr vergangenen Montag Abend ein alter Mann aus Kirch entellinsfurth von Reutlingen mit der Bahn nach Hause. Sein Enkelchen, welches ihn begleitete, schaute aus dem Fenster und stürzte plötzlich, in der Nähe von Wann- wetl, hinaus. Man denke sich den Schrecken des Großvaters, noch mehr aber den des Vaters, welcher auf dem Bahnhofe sein Kind abholen wollte. Schleunigst lies dieser auf dem Geleise Wannweil zu, um nach dem Kinde zu sehen, das er todt oder doch schwer verletzt wähnte. Allein, wie durch ein Wunder, war das Kind bet dem Falle unverletzt geblieben und kam seinem Vater weinend entgegen. Die Freude des Vaters, den schon verloren gegebenen Liebling wieder heil und gesund in den Armen zu halten, war unbeschreiblich.
Stuttgart, 6. Juni. Am Sonntag Vormittag war ein Mann aus Renningen bei Verwandten, Neckarstraße 5, zu Besuch. Während er sich unterhielt, lief sein Kind, ein Knabe von 4 Jahren, aus der Stube, und ist seitdem verschwunden. Vom Schultheißen zu Vaihingen a./F. ist heute beim hiesigen Polizeiamt die Nachricht etngetroffen, daß daselbst ein Kind, welches genau auf die Beschreibung paßt, aufgegriffen sei. Dasselbekönne über sich keine Auskunft geben. Wie das Kind nach Vaihingen gekommen, ist noch nicht aufgeklärt.
Am 1. Juni d. I. starb in Käsbach, Gemeinde Murrhardt, eine 72 Jahre alte ledige Weibsperson Namens Wieland. Sie war bet ihrem seit 10 Jahren verheiratheten Sohn untergebracht, dem sie längst ihr Vermögen übergeben hatte und dem ihre Alimentation oblag. Ter Leichenschauer fand am Kopfe der Leiche auffallende blaugefärbte Stellen, wie von Schlägen oder Stößen herrührend, und machte Anzeige, in Folge deren andern Tags das Amtsgericht Backnang mit dem Oberamts-Arzt Leichenschau vornahm. Es ergab sich zwar, daß die blauen Stellen, welche auch die Folge eines Falles sein können, als zu unbedeutend mit dem Tod nicht im Kausalzusammenhang stehen. Dagegen war der Körper der Frau schon bei lebendigem Leib halb verfault und in solch entsetzlicher Weise^abgemagert, wie dies nur die Folge sein konnte eines Mangels jeglicher Wart und Pflege, namentlich in Bezug auf Reinlichkeit und in Folge der Entziehung jeglicher genügenden Nahrung. Nach Aussage von Orts-Angehörigen habe die Verstorbene fast gar nichts mehr zu essen bekommen, sei in ihrem eigenen Kothe liegen gelassen worden und habe der Sohn eine besondere Ruthe gehabt, mit der er die Mutter geschlagen. Der Sohn räumte auch ein, daß er seine Mutter zweimal durch Schläge gezüchtigt habe. Derselbe wurde verhaftet, und
die etngeleitete Untersuchung wird wohl mehr Licht in diese Sache bringen.
In Heilbronn schossen einige Knaben im Alter von neun bis elf Jahren aus einer kleinen Kanone, die mit Erbsen geladen war. Unglücklicherweise stand ein fünf Jahre alter Knabe gerade vor der Mündung, als ein Schuß losging; die Erbsen drangen demselben in die Brust, doch ist Hoffnung vorhanden, daß er bald wiederhergestellt sein wird. Gegen den Kaufmann, der verbotswidrig dem Knaben das Pulver abgab, ist Untersuchung eingeleitet.
(Selbstmorde.) Ein etwa 50jähriger Maurer R. in Kirchberg a. d. I. hat sich aus unbekannter Ursache erhängt; der Mann hinterläßt eine Familie. — In Nürtingenhat sich der militärpflichtige Sohn einer dem Arbeiterstande angehörigen Familie aus Furcht vor > einer Strafe wegen Urlaubsüberschreitung erhängt. -
(Brandfälle.) In Gschwend schlug am Sonntag Nachmittag zwischen 2 und 3 Uhr der Blitz bei einem heftigen Gewitter in die Scheuer des Posthalters Schmidt, welche im Augenblick bis auf den Grund niederbrannte, und wobei das vorhandene Futter und Stroh und einige dort aufbewahrte Postwagen mitverbrannten. Der Beschädigte ist versichert. —
In Blaubeuren brannten am Montag früh um 2 Uhr zwei Scheunen mit Strohdach gänzlich und ein Wohnhaus theilweise nieder. Die s Weiterverbreitung des Feuers konnte verhindert werden, da ein starker Regen die Stroh- l dächer der Nachbargebäude gegen Flugfeuer schützte. Die Brandursache ist noch nicht ermittelt, doch wird Brandstiftung vermuthet.
Die Beschädigten sind versickert.
(Unglücksfälle und Verbrechen.)
In Creglingen fiel ein dritthalbjähriges Knäblein, das in der Küche herumltes, in einen mit heißem Wasser gefüllten Behälter und verbrühte sich so, daß an seinem Aufkommen ge- zweifelt wird. — Auch in Marschalken- zimmern kam ein Kind ums Leben, das in einen mit heißem Wasser gefüllten Kübel fiel und so starke Brandwunden erlitt, daß es bald darauf seinen Leiden erlag. — In Ulm benützte die Dienst-Magd eines dortigen Geschäftsmannes das Vertrauen ihrer Herrschaft dazu, ! daß sie derselben in einem Zeitraum von wenigen Tagen (wie sie angibt auf achtmal) aus der verschlossenen Commode, zu welcher sie den Schlüssel im Keller gefunden haben will, ca.
250 M. entwendete. Die Diebin ist eingezogen.
— Am Mittwoch brachte in Göppingen ein 4jähriger Knabe seine Hand in die Futterschneidmaschine, wo ihm 2 Finger abgeschnitten wurden. Das gleiche Unglück passtrte in Faurndau dem Oekonomen Gehrer, welchem die ganze Hand abgenommen werden mußte.
Deutsches Reich.
Berlin, 4. Juni. Prinz Karl ist gestern früh von hier abgereist um sich zum Kur
sus rittlings mit dem Rücken gegen die Scheibe auf den Sattlerstuhl gesessen sein, um dem Riemen einen festen Halt zu gewähren. Einige Minuten vor 9 Uhr hat nun Waidelich, welcher von der Reparatur, die Bender vornahm, nicht unterrichtet war, nachdem der Einlaufkanal voll Wasser war, das Werk laufen lassen und bald darauf wurde von der Sägmühle her ein Schrei gehört. Großmann, der sofort, als er die Ingangsetzung des Werkes wahrnahm, nach seiner Maschine sich begab, und einige andere Personen eilten herzu und sahen wie Bender mit dem Oberkörper zwischen der Transmissionsscheibe u. der Decke des Maschtnenraums in der Art eingezwängt war, daß er mit der Brust über der Scheibe lag und seine Beine herunter- hiengen. Säger Mutschler zog sogleich den Riemen, Großmann drehte mit dem Säger Klink die Transmisstonsscheibe zurück, worauf der eingezwängte Körper des Bender zu Boden fiel.
, Letzterer, der leblos dalag, während ihm das Blut aus dem Munde floß, war nach einer halben Stunde todt. Der Tod ist in Folge Zertrümmerung des Schädels und Zerreissen der Hirngefässe eingetreten. Nach dem Gutachten des Sachverständigen hat das Anlaufen des Werks in dem Augenblick begonnen, als Bender über den Riemen gebeugt mit einer Hand den Nähriemen in das hiefür durch den Transmissionsriemen gestochene Loch einzuführen gesucht habe; derselbe sei selbst bet langsamem Anlaufenlassen so rasch mit dem Riemen fortgenommen worden, daß in den höchstens 3 Sekunden, in welchen alles sich ereignete, ihm kaum das volle Bewußtsein dessen gekommen sein könne, was mit ihm vorging und daß Bender deßhalb auch nicht die Hand und den Kopf aus der Auflaufrichtung des Riemens habe losbringen, noch viel weniger sich habe von seinem Sitze entfernen können. — Trinkner und Großmann hatten sich nun wegen fahrlässiger Tödtung zu verantworten, ersterer weil er dem Waidelich nicht untersagt hatte, das Werk laufen zu lassen bis die Reparatur beendet war, letzterer weil er unterließ, den defekten Riemen vor der Reparatur von der Scheibe abzunehmen. In der tzaupt- verhandlung standen den Angeklagten als Ver- theidiger zur Seite Herr O-.J.-Prok. Lammfromm von hier und Rechtsanwalt Dr. Schmal von Stuttgart, als Staatsanwalt fungirte Herr Staatsanwalt Scheurlen, welcher gegen beide Angeklagte eine Gefängnißstrafe von 2 Monaten beantragte. Das Urtheil der Strafkammer lautete für beide Angeklagte auf 1 Monat Ge- fängntß.
(Auszug aus der Geschworenenliste für die Tübinger Schwurgerichtssitzungen des II. Quartals 1882.) Braun, Chr., Tuchfabrikant in Ebhausen; v. Gaisberg, E., Frhr., Oberförster in Liebenzell; Kolmbach, Fr., Bauer in Altenstaig Dorf; Lutz, Lorenz, Rothgerber in Altenstaig; Müller, Carl, pens. Postrevisor in Hirsau; Proß, sg. Fr., Bauer in Sulz, OA. Nagold;, Rapp, Jos. Fr., Gderath in Nagold; Schaible, I. Priv. in Wildbad; Waidelich, Ad. Gemeindepfleger in Zwerenberg; Widmann, Johs., Rathschreiber in Gültlin- gen, OA. Nagold.
Meckereien. (Nachdruck verboten.)
Eine heitere Geschichte von A. v. Wint et seid.
(Fortsetzung.)
„Wohlan denn, angebetetes Weib!" rief Heinrich, „empfangen Sie auf meinen Knieen das Geständniß meiner Liebe."
„Warte Schlingel!" machte der Onkel eine Faust; solche Ver- rätherei hätte ich dir nicht zugetraut!"
„Bitte, berühren Sie die kleine Glocke, dann haben Sie Ihre Wette gewonnen," setzte der junge Mann hinzu, „aber bewahren Sie meiner Liebe wenigstens eine Erinnerung, einer Liebe, die so aufrichtig ist, daß sie selbst das Risico der Lächerlichkeit nicht scheute."
Die schöne Wittwe betrachtete den Knieenden mehrere Minuten, ohne zu antworten.
„Ich möchte blos wissen, weshalb sie nicht klingelt," wunderte sich der alte Baron.
„Aber, Sie zittern ja," sagte Frau von Tannenberg zu dem jungen Manne, „Ihre Augen füllen sich mit Thränen und Sie wollen, daß ich dieser Thränen lache, daß ich der einzigen Liebe spotte, die mir jemals begegnet? Nein, ehe ich das thue, heirathe ich lieber in drei Wochen Ihren Onkel!"
In dem Moment trat dieser hinter seinem Spiegel hervor und zwischen seinen Neffen und seine Verlobte.
„Es ist gut!" sagte er zu dem erschrocken Aufstehenden, „du hast deine Wette gewonnen, du kannst gehen!"
„Wie?" fragte die Dame erstaunt, „eine Wette? Was bedeutet das?"
„Das bedeutet," lächelte der Onkel, „daß, während Sie dem jungen Menschen eine Liebeserklärung zu entreißen glaubten, er seinerseits
mit mir gewettet hatte. Sie würden dieselbe angenehm und schmeichelhaft finden."
„Und woher wissen Sie, daß mir die Erklärung schmeichelhaft war?" fragte die Dame, nachdem sie einen Augenblick bestürzt gewesen.
„Nun, weil Sie es ihm selbst gesagt haben."
„Ah! Sie haben also an der Thür gehorcht?"
„Nein . . . hinter dem Spiegel... das ist ungefähr dasselbe . . . ich versichere Sie, daß ich vollständig genug gehört habe . .. außerdem . . . weshalb haben Sie nicht geklingelt?"
„Der Herr hielt mich ja bei beiden Händen," entgegnete die Dame, „ich wartete, bis er mir eine freilassen würde."
„Dann würden Sie also das Zeichen gegeben haben?" wandte sich Heinrich an jene.
„Gewiß, Herr Baron, denn ich merkte an Ihrer Sprache, daß Ihr Onkel die Taktlosigkeit begangen hatte, Sie von unserer Wette in Kenntniß zu setzen. Was konnte ich daher wohl besseres thun, um Ihnen Ihr Mißtrauen zu nehmen, als Ihnen den ganzen Handel zu erzählen! Auf diese Weise legte ich Ihnen eine andere Schlinge, in der Sie sich denn auch mit gesenktem Blick gefangen haben, trotzdem Sie nicht zu den Gecken gehören."
„Wenn dem so ist, gnädige Frau," verneigte sich der jüngere Wiesenthal, „dann erkläre ich mich für besiegt. Lieber Onkel, Sie haben meinen englischen Pointer gewonnen."
„Laß mich mit deinem Pointer zufrieden," sagte dieser, sich dann an die Dame wendend, „die andere Wette hätte ich bedeutend lieber gewonnen. Nicht wahr, was Sie da vorhin von mir gesagt haben, war nicht Ihr Ernst, wie?"
„Lassen wir das; der Sieg ist mein, trotz Ihrer Unehrlichkeit/